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Artikel „Canon, Hans“ von Theodor Frimmel von Traisenau in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 433–441, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Canon,_Hans&oldid=- (Version vom 5. Oktober 2024, 12:56 Uhr UTC)
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Canon: Hans C. (eigentlich Hans Purschka-Straschiripka), geboren am 15. März 1830 zu Wien, † ebendort am 12. September 1885. C. ist eine, noch sehr unterschätzte bedeutende Erscheinung unter den Malern des 19. Jahrhunderts, so sehr unterschätzt, daß eine vielgelesene Geschichte der Malerei des 19. Jahrhunderts den Künstler nicht einmal im Text und nur im Inhaltsverzeichniß erwähnt. In einigen ähnlichen Werken ist C. entweder gänzlich übergangen oder an unpassender Stelle mit einigen Worten abgethan. Ohne Zweifel waren Canon’s unstätes Wesen, seine Wanderlust, sein Jahre lang ungeminderter Leichtsinn, sein vieles Schuldenmachen Hemmschuhe persönlicher Art für das Erreichen jener Anerkennung, die geringen Talenten oft wie von selbst in den Schooß fällt, wenn sie nur darauf bedacht sind, ja nichts ungewöhnliches zu leisten. C. hatte lange gegen mächtige Feinde anzukämpfen, die er nicht zu versöhnen trachtete, sondern wohl durch Aeußerungen des Jähzorns und stark hervorgekehrten Künstlerstolzes erbitterte. Nur eine Natur von der außerordentlichen Kraft wie die Canon’s konnte schließlich einen Sieg erringen, der aber theuer genug erkauft war. Erst nach einem mächtigen Jahre langen Ringen, das übrigens nicht so sehr einem zu gewinnenden Ansehen, als der künstlerischen Vollendung galt, hat C. die verdiente [434] Anerkennung gefunden, verhältnißmäßig spät. Denn ein jäher Tod raffte den ursprünglich überkräftigen, späterhin allerdings herzkranken Mann in den besten Jahren hinweg, als man eben die größten Hoffnungen auf das Schaffen des ausgereiften Künstlers und schließlich noch abgeklärten Menschen setzte.

Mütterlicherseits stammte C. aus der altösterreichischen Malerfamilie der Altomonte (Hohenberg). So sagt eine bestimmte Ueberlieferung. Das Datum der Geburt wird bei C. in verschiedenen Quellen verschieden angegeben. Ich hielt mich an die Daten, die in den Urkunden des Kremser Gymnasiums vorkommen, weil diesen höchst wahrscheinlich die Angaben des Taufscheines zu Grunde liegen. Anderwärts liest man auch 1829, sogar 1828 als Jahr der Geburt. Als Tag wird auch der 3. und der 13. März (statt des 15.) genannt. Der kleine Hans, bei dem sich sehr früh künstlerische Begabung zeigte, besuchte in Wien die Normalschule. Dann schickte ihn sein Vater, der fürstlich Starhemberg’sche Wirthschaftsrath Johann Straschiripka, nach Krems ans Piaristengymnasium, in dessen Convict er als zahlender Schüler im October 1840 aufgenommen wurde. Durch mehrere sichere Mittheilungen erscheint es im allgemeinen beglaubigt, daß C. in seiner Jugend eine Art Nichtsnutz war und daß er wenig lernte. Nur Mathematik interessirte ihn, und aus diesem Unterrichtsgegenstande erhielt er die Noten Ademinens und Eminens, was unserem „lobenswerth“ und „vorzüglich“ entspricht. Im übrigen scheint auf die Dauer sogar alle Fürsprache versagt zu haben, denn schon mit Ende Juli 1843 war bei C. das Gymnasialstudium zu Ende. Eine Nachricht aus der Familie von Kerner, die damals in Krems lebte und in deren Hause der junge Straschiripka verkehrte, schildert ihn als schlank von Gestalt, blond, und als einen Jungen von angenehmem, geradezu einnehmendem Aeußeren. Er sei ein „fideles Haus“ gewesen. Von den Wissenschaften hat er in Krems nur genascht, und so war es auch in Wien am Polytechnikum, das er 1843 bis 1845 besuchte. Er wird in zwei Jahrgängen der Schülerlisten, beziehungsweise der Prüfungskataloge genannt. Dort steht vermerkt, daß er im J. 1843 auf 44 den Gegenstand „Technologie“ fleißig besucht und darau† 1. Classe erhalten hat. Aus den „Elementen der Mathematik" hatte er zwar keine Classe, doch besuchte er dieses Collegium „sehr fleißig“. Aus dem „technischen Zeichnen" trat er schon innerhalb des 1. Jahres aus. Die „Sitten“ werden als „vollkommen gemäß" bezeichnet. Nach dem Jahrgang 1844 auf 45 erscheint er nicht mehr im polytechnischen Institut eingetragen.

Den Anlaß zu dem Versuch, technische Studien zu treiben, scheinen einige Spielereien technischer Art abgegeben zu haben, die er noch als halbes Kind anzufertigen verstand, so eine kleine eiserne Locomotive, die er zur Freude seiner Geschwister im Garten laufen machte und ein Fallschirm, mit dem er sich von einem thurmartigen Anbau herabließ, ohne Schaden zu nehmen. Die früher angedeute Neigung zur Malerei scheint indeß nach und nach die Oberhand gewonnen zu haben und der junge Brausekopf bezog die Wiener Akademie der bildenden Künste. Der 8. October 1845 ist als Eintrittstag in die Akademieakten vermerkt. 1846 wurde er in Gsellhofer’s Vorbereitungsclasse gesehen. Noch immer war aber die richtige Schule für den Jüngling nicht gefunden. Augenscheinlich behagte ihm auch die Akademie nicht, vielleicht deshalb, weil er, wie in Wiener Künstlerkreisen erzählt wird, seinen damaligen Mitschülern an Können weit überlegen war. Einige Anregung mag er immerhin gewonnen haben. Dann dürfte er aber bald seiner Wege gegangen sein, denn irgend welche weitere Spuren seiner Anwesenheit an der Akademie sind in den Protokollen nicht mehr aufzufinden. Doch verblieb der junge Mann vorläufig bei der Künstlerlaufbahn. Im J. 1847 [435] finden wir ihn Monate lang mit Ferdinand Waldmüller in Verbindung. Aber auch unter dieser Leitung hielt er nicht lange aus. Die unruhigen Zeiten und tollkühnes Wesen zogen ihn zum Militär, doch scheint der Eintritt ins Heer nicht freiwillig geschehen zu sein. Einer der Jugendfreunde Canon’s, der nachmalige Polizeirath Pittner, erzählte mir, daß C. 1848 während der Unruhen in Wien mit anderen jungen Leuten verhaftet wurde, da er Waffen trug. Nur die Berufung auf den General Hauslab, seinen Verwandten und Gönner, konnte ihn vor der standrechtlichen Behandlung retten. Er wurde aber „abgestellt“, d. h. fürs Militär behalten. In dieser neuen Laufbahn brachte er es bald zum Cadetten. Er diente bei den Kürassieren und verließ 1853 als Lieutenant die Armee. In den 50er Jahren verkehrte Straschiripka, der sich in periodischen Anläufen durch eigenes emsiges Studium in der Malerei vervollkommnet hatte, viel bei den Brüdern Gaul, den Malern, die ohne Zweifel einigen Einfluß auf die Entwicklung des jungen Künstlers genommen und ihn in der Porträtmalerei und manchen technischen Dingen gefördert haben. Im J. 1856 malte er das treffliche Bildniß der Schauspielerin Katharina Schiller, das sich in der Familie Brezina vererbt hat und 1892 in der Ausstellung für Musik- und Theaterwesen zu Wien viel bewundert wurde (Abtheilung der Stadt Wien, Kat. S. 144, Nr. 461). Als 1857 in Wien Tannhäuser zum ersten Mal aufgeführt wurde und Egghart in der Titelrolle aufgetreten war, porträtirte Straschiripka den genannten Sänger. Die Brüder Gaul waren es vermuthlich, die ihn mit Carl Rahl dem jüngeren in persönliche Verbindung brachten. Ohne eigentlich der Rahl’schen Schule anzugehören, verkehrte Straschiripka doch im Atelier des älteren Malers, wo er ohne Zweifel manche künstlerische Förderung erfuhr. Ein Bild, das Rahl’s Einfluß ziemlich klar erkennen läßt, ist die Orientalin beim Diamantenhändler, die 1886 in Wien als „Diamantenhändler“ ausgestellt war. Jugendwerken Canon’s aus dieser Periode begegnete ich in der Sammlung des Componisten Ed. Kremser.

Gegen Ende der 50er Jahre des Jahrhunderts nannte sich der Künstler schon „Canon“, und unter diesem nom de guerre trat er auch an die Oeffentlichkeit. Sein wahrer Name hatte damals gesellschaftlich keinen guten Klang mehr.

Ein Knabenbildniß aus dem Jahre 1857, es war nach Canon’s Tode im Wiener Künstlerhause zu sehen, erinnerte noch an die Art der vormärzlichen Wiener Schule. Etwas freier behandelt ist das Bildniß des Grafen O. Sullivan de Graß, das zuerst 1858 beim Kunsthändler G. Plach und bald darauf im österreichischen Kunstverein ausgestellt war. Es fand Beifall trotz manchen Schwächen, die dem heutigen Kunsturtheil übrigens viel klarer sein müssen, als der damaligen Wiener Beurtheilung.

In jenen Jahren ging C. nach Italien, obwol er dieses Land der schönen Künste anfänglich nicht liebte und gegen Neapel geradewegs einen Widerwillen hegte. Auf Italien weist ein italienisches Blumenmädchen mit der Signatur „Canon 1859“, das in die Sammlung des Grafen Flemming nach Karleruhe gelangt ist. Die Mache an dieser etwa viertel lebensgroßen Figur ist noch unvollkommen, z. B. ist der Fuß böse verzeichnet. Aus dem J. 1859 stammt auch ein Bildniß des Grafen Edmund Zichy und das Mädchen mit Fischen, das Aufsehen erregte und in der Folge nachgebildet wurde. (Es kam in die Sammlung A. v. Zinner.) Eine datirte monogrammirte Zeichnung aus 1859 mit einem Mädchen das Fische trägt, befindet sich in der Albertina. In demselben Jahre entstand auch ein großes Altarbild für die Deutschordenskirche in Laibach (Bötticher Nr. 3). Dem J. 1860 gehört u. A. ein gutes Bildniß [436] des jungen Baron Todesco in Wien an (Knabe in hellem Matrosenanzuge; in kühlem Tone gehalten). 1861 findet sich als Datum auf einem genreartigen Bilde mit überlebensgroßen Figuren. Blasse kalte Färbung, aber eine geradezu interessante dämmrige Beleuchtung zeichnen dieses Werk aus, das sich in der Sammlung Wiener v. Welten in Wien befindet (Liebeserklärung). Mit 1861 datirt ist die „Theilung der Beute“, die in der Wiener Versteigerung Meyer Also Rußbach an Charles Meyer verkauft wurde. Demselben Jahre gehört an die „Geflügelhändlerin“ (eine überlebensgroße Figur, bis 1882 bei Baron Schey von Koromla). 1862 ist entstanden „Tag und Nacht“ (ein Neger trägt ein weißes Mädchen. Bis 1882 bei Baron Schey von Koromla). Ein überlebensgroßer Frauenkopf von blasser Färbung in der Dr. Spitzer’schen Sammlung auf Schloß Mannsberg in Kärnthen dürfte hier einzureihen sein. Nebenbei sei bemerkt, daß C. um jene Zeit auch zahlreiche politische Caricaturen zeichnete. In Blindenmarkt in Niederösterreich malte C. 1861 ein Fresco mit einem Crucifixus (nach Angabe des Wiener Tageblatt vom 21. Januar 1886). Dieses Werk soll künstlerisch bedeutend sein, und überhaupt scheint es, daß der Schritt vom tastenden Schüler zum sicher angreifenden Meister von C. in jener Zeit um 1860 gethan worden. In Karlsruhe, wohin er sich nun wendete, konnte er schon als fertiger Maler auftreten. Die Bilder aus der Karlsruher Periode des Künstlers, die sich bis 1869 erstreckt, gehören meines Erachtens zu den frischesten Erzeugnissen Canon’scher Kunst, sogleich die „Schwarzwälderin“, die 1868 im österreichischen Kunstverein ausgestellt war, später in den Besitz der Schauspielerin Wolter übergegangen ist und seit einigen Jahren eine Zierde der Wiener Sammlung W. Freyberg bildet. (Es stellt ein Mädchen mit einer dunklen Katze vor und ist signirt und datirt. Eine Abbildung findet sich im Verzeichniß der Auction Wolter, Wien 1898.) Der Karlsruher Zeit dürfte angehören ein unvollendetes Bild der Sammlung L. Lobmeyr (C. an der Staffelei. In der Auffassung an Jac. Jordaens erinnernd). Zu Schirmer in Karlsruhe scheint C. in ein näheres Verhältniß getreten zu sein, da er das Bildniß des älteren Kunstgenossen malte (Bötticher Nr. 4), wogegen er mit C. F. Lessing nicht verkehrte, den er eher anfeindete. Doch malte er Lessing’s Tochter, die Gemahlin Koberstein’s. Canon’s Kunst übte damals schon auf jüngere Talente eine gewisse Anziehungskraft aus, und er hatte mehrere talentvolle Schüler. Auch ein großer Auftrag wurde ihm zu Theil, und zwar in der Ausführung der decorativen Malereien im großherzoglichen Wartesaal des Karlsruher Bahnhofes. Diese Arbeiten sind wenig genannt, dürfen aber als treffliche Leistungen bezeichnet werden. Es sind zwei große Breitbilder mit Puttengestalten (Eisenbahnwesen, Telegraphie und Post) und sechs Füllungen mit Kinderköpfen und Eroten. Das blühende Colorit ist von seltener Frische, aber die übertriebenen Formen bedeuten wol einen Mangel. Als bekanntere Schöpfungen der Karlsruher Periode seien noch erwähnt: „Der Rüdenmeister“ aus dem J. 1866 (überlebensgroße, aufrecht stehende Figur von kräftigem Colorit, bezeichnet und datirt. Im Besitz des Grafen Hans Wilczek und im Treppenhause des Schlosses Seebarn aufgestellt), ferner „Die Schatzgräber“ von 1866 (Bötticher Nr. 6), „Cromwell an der Leiche Königs Karl I.“ (mit 1867 datirtes und signirtes Bild. Ueberlebensgroße Figur auf Schloß Friedenstein in Gotha. Eine zweite, wol veränderte Ausführung, oder handelte es sich um eine Copie?, war aus Baseler Privatbesitz 1895 im österreichischen Kunstverein ausgestellt), weiter ein Hauptwerk des Künstlers „Familienglück“ (signirt und datirt mit 1869; im Besitz des Fürsten Kinsky; ausgestellt 1886 in der Wiener Canon-Ausstellung). Endlich die „moderne Judith“ (ein Küchenmädchen, im Begriff einen Hahn zu tödten. [437] Signirtes Stück aus 1869). Als Werk der Karlsruher Periode wurde auch die sitzende Figur eines Lautenspielers abgebildet (in der Zeitschrift „Gartenlaube“ 1886 Nr. 2). Sie scheint durch Frans Hals den Aelteren angeregt worden zu sein. Eine Zeichnung (sitzender Alchymist; im Besitz des Herrn Baudirectors v. Herz in Wien) verräth eine Nachempfindung Rembrandt’s. Andere Werke lassen sein liebevolles Versenken in die Werke der venezianischen Maler mehr oder weniger vermuthen. Die Malereien im großherzogl. Wartesaal lassen den Einfluß des Rubens und Jordaens verspüren, und damit wäre denn eine schwache Seite des Canon’schen Talentes aufgezeigt, das vielfach einer Nachempfindung älterer großer Vorbilder zum Opfer fiel. Canon’s Werthschätzung der alten Meister ist seinem freien Schaffen gewiß hinderlich gewesen, wie denn auch sein fortwährendes Grübeln und Rechnen manche Arbeit eher verdorben als gefördert hat. Er konnte sich niemals selbst genügen und fand nur schwer einen bleibenden malerischen Ausdruck für seine Gedanken. Ein gewisser Mangel an Naivität ist dem Künstler oft vorgeworfen worden. Sogar in seiner reifen Zeit, in der er verhältnißmäßig eigenartig malte, drängt sich noch häufig die Erinnerung an Rubens’sche Gestalten merklich, oft störend hervor, z. B. im Sieg der Wahrheit (im Besitz H. O. Miethke’s) und im Kreislauf des Lebens (im Hofmuseum zu Wien). Ganz Canon ist er gewöhnlich nur in seinen Bildnissen, deren er eine große Anzahl schuf.

Von allerlei Reisen abgesehen, die C. in jenen Jahren unternommen hat (so war er z. B. mit dem Grafen Hans Wilczek in England und in Tunis), kann man sagen, daß C. von Karlsruhe 1869 nach Stuttgart übersiedelt ist. Canon’s Reisen sind noch keineswegs mit Klarheit zu überblicken. Polizeirath Pittner erinnerte sich, daß der Maler oft in Italien gewesen, daß er Frankreich und Spanien kennen gelernt und mit dem Fürsten Liechtenstein Schottland, Schweden und Norwegen bereist hat. Auf Reise-Eindrücke weist ganz deutlich die „Flamingojagd“, die 1871 in Stuttgart gemalt ist. In der genannten Stadt sind auch 1870 „Mutterliebe“ (1886 in Besitz des Herrn Niethammer in Stuttgart), das Bild „Waffenhändler“ (1870), das interessante Bildniß des Prinzen zu Sachsen-Weimar (bezeichnet und mit 1870 datirt, Asphaltuntermalung mit dünnem Farbenauftrag) und das etwas flüchtig behandelte Bild des Dr. Monde (1870) entstanden. Es folgten nun 1872 der „Fischmarkt“, ein Bild von etwas roher Mache, das in die Budapester Nationalgalerie gelangt ist, und die seither berühmt gewordene „Loge des Johannes“, von der es zwei Ausführungen gibt. Die vollendete Ausführung bildete ein Hauptstück im großen Mittelsaale des Kunstpalastes auf der Wiener Weltausstellung von 1873, und ist seither in die kaiserliche Galerie gelangt; das frühere nicht ganz zu Ende geführte Bild desselben Gegenstandes kam erst nach dem Tode des Künstlers an die Oeffentlichkeit, wurde vom Kunsthändler H. O. Miethke übernommen und an Seeger nach Berlin verkauft. Zahlreiche Studien zu beiden Bildern sind in den Wiener Privatsammlungen zu finden. Die Loge des Johannes sollte den oft wiederholten Ausspruch des Evangelisten malerisch verherrlichen: Liebet Euch untereinander. Sie ist eine gemalte Aufforderung zu gegenseitiger Duldung der Confessionen. Canon’s eigene Erläuterungen zu diesem Werke sind in der „Neuen freien Presse“ vom 23. Jan. 1886 (S. 4) mitgetheilt. Daß die „Loge Johannis“ eine gewisse Verwandtschaft in der Anordnung mit dem Altarbilde des Moretto da Brescia im Städel’schen Institut zu Frankfurt a. M. bekundet, ist oftmals bemerkt worden. In dieselbe Schaffensperiode, welcher die „Loge Johannis“ angehört, kann man wohl auch die undatirte „Danaë“ einreihen, ein kleines treffliches Bild, das 1876 auf einer Posonyi’schen Auction vorkam und 1886 in der Wiener [438] Canonausstellung wiederkehrte. Diese „Danaë“, die den Goldregen aufnimmt, zeigt den fertigen Meister in der Modellirung des Nackten. Noch höher dürfte in dieser Beziehung stehen: „Venus und Amor“, ein verhältnißmäßig kleines undatirtes Bild, das unter dem verwechselten Namen „Nach dem Bade" in Wien ausgestellt war. „Nach dem Bade" ist ein anderes Werk Canon’s (Bötticher Nr. 35). 1872 ist der vielbesprochene „moderne Diogenes“ entstanden, der einen Flickschneider bei der Arbeit zeigt (Bötticher Nr. 15). C. schrieb auf das Bild: „Wo immer durch die Hüllen der Civilisation ein Stück Natur blickt, setzt der moderne Culturmensch einen Fleck auf“. Ein „badendes Mädchen im Walde“, eine lebensgroße Figur, die 1876 in einer Posonyi’schen Auction feilgeboten wurde, ist gleichfalls 1872 entstanden. Und demselben Jahre gehört eine beachtenswerthe Sepiazeichnung mit der „Auferweckung der Tochter des Jairus“ an. Das ein wenig durch die Rembrandtisten beeinflußte Blatt gehört der Fürstin Marie zu Hohenlohe-Schillingsfürst. In den 70er Jahren war C., wie schon früher wiederholt, für den Grafen Hans Wilczek thätig.

Die letzten zwölf Jahre von Canon’s Schaffen gehören wieder der österreichischen Hauptstadt an. Durch den unbestrittenen Erfolg mit der „Loge Johannis“ war C. ein in Wien angesehener und geschätzter Maler geworden. Er wurde mit Aufträgen überhäuft, und lange Reihen von Bildnissen wären zu nennen, die damals entstanden sind. Einige seien hervorgehoben, wie die ganze Figur der Frau Regina Friedländer (1874), wie das Brustbild der Frau Henriette Wiener von Welten, das Bildniß der Baronin Bourgoing-Kinsky und des Generals Hauslab (1875), wie das Porträt des Dr. Moritz Benedikt (1876), wie die Bildnisse für die gräfliche Familie Schönborn-Buchheim, wie die Figur des Wiener Bürgermeisters Dr. Felder, Werke, denen sich noch viele andere anschlossen, z. B. die „Mittagsruhe“ (eine datirte Skizze dazu von 1877 beim Fürsten Liechtenstein).

Bedeutungsvoll für C. war eine Reihe von Arbeiten, die mit dem Wiener Hofe zusammenhängen, dem er durch den Ankauf der „Loge Johannis“ näher gerückt worden war. 1879 malte C. ein Votivbild zur Feier der silbernen Hochzeit des österreichischen Kaiserpaares. Im folgenden Jahre wurde beim Künstler durch den Stadtrath von Prag ein Bildniß des Kaisers Franz Joseph bestellt (darstellend den Monarchen im Toison-Ornate. Vollendet 1882). Im Hinblick auf die damals bevorstehende Vollendung des Hofmuseums für die naturwissenschaftlichen Sammlungen erhielt C. ferner den Auftrag, Skizzen für die malerische Ausschmückung des Treppenhauses zu entwerfen, ein Auftrag, der auf die Thätigkeit des Künstlers bis zum Ende bestimmend einwirkte. Gegen Ende 1880 und 1881 malte C. ein Blatt für eines der Albums, die dem Kronprinzen aus Anlaß seiner Vermählung überreicht wurden. Dann folgte das lebensgroße Bildniß der Kronprinzessin Stephanie. (Seither im Besitz des Kaisers von Oesterreich.) Kronprinz Rudolf nahm lebhaften Antheil an Canon’s Schaffen, auch an den ungewöhnlich ausgebreiteten Kenntnissen des Künstlers auf dem Gebiete der vergleichenden Anatomie. Die veröffentlichten Briefe des Kronprinzen an C. zeigen großes Wohlwollen und viele Bewunderung (vgl. „Neue freie Presse“ 2. Dec. 1885). 1881 wurde auch ein Brustbild des Kaisers Franz Joseph begonnen. Demselben Jahre gehört an das Brustbild des Grafen Westphal, das an den regierenden Fürsten Johann von und zu Liechtenstein gelangte und späterhin im Schloß Feldsberg zu finden war. In den frühen 80er Jahren stellte C. nicht selten im Wiener Künstlerhause aus und zwar mehrere Bildnisse, u. A. das des Prinzen Napoleon „Lulu“ (nach Photographie gemalt), ferner die beiden Lannabildnisse [439] und das Smolkaporträt (ausgestellt in der Jahresausstellung von 1884) und einige Allegorien oder allegorisch gefärbte Sittenbilder. „Die vier Elemente", ein Bild von frischester Färbung, wurde in der Jahresausstellung von 1883 sehr bewundert (Blondine von üppigen Formen und signirt und mit 1882 datirt. Mit versteckter Andeutung des feurigen Temperaments, das in der Dargestellten zum Ausdruck kommt, schrieb C. dazu: „Dasz seint (de)r Elemente vier. Wer deut’ denn da dasz Feuer hier“). Der Maler liebte derlei Beischriften, mit denen er sich gelegentlich auch böse verkletterte, wie in der Legende des Fischmädchens von 1883 (eines Bildes, das nach Prag verkauft wurde und die Inschrift zeigt: „Wer heftig im Verlangen, fällt in Netz und Angeln“). Gelungener und durch einen netten Seitenhieb ausgezeichnet waren Canon’s Reime zur Zeichnung eines Wiener Dienstmannes für das Festblatt „Vindobona“, das 1880 vom Journalisten- und Schriftstellerverein „Concordia“ herausgegeben wurde. C. schrieb: „Schwerer Verdienst | Kleiner Gewinnst | Leichte Gewinnste | Große Verdienste“.

Canon’s Arbeiten wurden in jenen Jahren allerwärts begehrt und gesucht. 1884 malte er den Cardinal Fürsten Schwarzenberg. Ein Votivaltar (das Mittelbild von C., die beiden Flügel von Stauffer vollendet), 1884 für den Grafen Hans Wilczek gemalt, war kurz nach seiner Vollendung im Wiener Künstlerhause ausgestellt, wie denn überhaupt jene Zeit für C. eine Zeit der Erfolge und lauter Anerkennung war. Hätte den noch immer an Bedeutung zunehmenden Künstler nicht das blendende Licht des Makarts’schen Farbenzaubers etwas verdunkelt, so wäre C. damals ruhig und zufrieden gewesen, zumal seine äußeren Verhältnisse und sein Familienleben (er hatte sich endlich verheirathet) sich zu ordnen begannen. Aber der Wurm eines gewissen Neides nagte ihm am Herzen, und ich habe aus Canon’s eignem Munde eine förmliche Angriffsrede auf Makart mit angehört, die freilich bei verschlossenen Thüren gehalten wurde. Beide Künstler waren so ganz verschieden geartet, daß sie sich unmöglich verstehen konnten. C., der oft seinen Bekannten durch sein Integriren und Differenziren und durch das etwas gezwungene Philosophiren geradewegs unbequem wurde, ein Künstler bei dem jeder Strich überlegt, berechnet, ausgeklügelt war, und der Träumer Makart, bei dem das wortmäßige oder gar zahlengerechte Denken neben den Farbenvorstellungen nicht aufkommen konnte. Als Makart 1879 den bestrickend farbenreichen herrlichen Festzug künstlerisch geschaffen hatte, schrieb C., der immer gerne ein wenig die Feder führte, folgendes Epigramm: „Der Festzug sonder Rüge | Entkräftet nicht den Einwand | Daß Kunst nur feste Züge | Im Hirn und auf der Leinwand.“

Gegen die Mitte der 80er Jahre zu drängten sich die Arbeiten für das Hofmuseum immer mehr in den Vordergrund. Das riesige Deckenbild „Der Kreislauf des Lebens“ war entworfen, die Lunettenbilder, die rings herum angebracht werden sollten, waren zum Theil schon ausgeführt. Bei einem kurzen Besuche in Canon’s Atelier frug ich nach dem inneren Zusammenhang der angedeuteten Bilderreihe und C. sagte mir zu, darüber einige Zeilen zu senden. Ich gebe sie hier getreu und nur in gewöhnlicher Orthographie, die dem Maler fremd war, wieder: „Die bisher fertigen Lunetten stellen deductive, inductive und physisch-mathematische Wissenschaft dar. Die deductive ist durch eine Frauengestalt, im Begriffe Fundamentallehrsätze niederzuschreiben, dargestellt; ein Kind hält die Tafel; auf einer Rolle sind die Lehrsätze moderner Naturanschauung angedeutet: „Die Kraft ist constant“ und „Das Wesen der erkennbaren Natur ist Bewegungsdifferenz“; „Die inductive ist durch eine, einen Crystall beobachtende weibliche Gestalt versinnlicht, die von Gegenständen der Naturreiche umgeben ist mit einem Kinde. Physik und Mathematik gehören [440] dem Mittelbogen an und sind zwei weibliche Figuren mit den üblichen Emblemen. Im gleichen Geist sind sämmtliche Lunetten gehalten. Das Deckengemälde versinnlicht den Kreislauf des Lebens. Unter einer, sich aufthürmenden Felsbrücke ruht im Dunkel die Sphinx auf einem den Grund deckenden Stein. Rechts vom Beschauer entquillt das junge Leben. Kinder, Jungfrau, Jüngling, Mann und Frau aufwärts drängend, im Verein mit anderen Gestalten im Streben nach Ernährung, Gut, Ruhm und Macht. In der Mitte des Bogens zwei Reiter im Kampf siegend und fallend. Absturz, Verlust der Güter, Versinken in den Tod schließ(en) den Bogen links. Blumen, Blüthen, grünender Baum, der Adler in den Lüften mit dem Lorbeer rechts; vom Blitz getroffene Tanne, auf der Leiche stehender Aasgeier zur Linken. Im Vordergrunde eine Gestalt sinnend, der Gedanke, das Räthsel zu lösen.“ Der abgedruckte Brief ist etwa im April 1883 geschrieben und bezieht sich auf die durchgebildete Farbenskizze zum „Kreislauf des Lebens“. Die Ausführung im Großen, die nur unwesentlich von der Skizze abwich, wurde am 21. October 1884 begonnen und ungefähr in der Mitte März 1885 vollendet. Für die Aufstellung der riesigen Leinwand (von 35 x 33 Fuß) war in dem verhältnißmäßig bescheidenen Atelier des Künstlers in der Rasumowskygasse kein Raum, weshalb dem Maler ein Saal im Hofmuseum eingeräumt wurde, und sogar dort blieb immer ein Theil des Bildes aufgerollt, so lange noch daran gearbeitet wurde. Nach der Vollendung war das Werk im Künstlerhause ausgestellt. Dann nach Vollendung des Baues kam es an die große Spiegeldecke, für die es bestimmt war. Das fertige Bild wurde zumeist als große Leistung anerkannt, ja bewundert, vielfach kritisirt und einigermaßen bekrittelt. Seit der Weltausstellung von 1873, die den Wienern die Riesenleinwand eines Wiertz mit dem Sturz der Verdammten und ein Cabanel’sches Colossalbild in demselben Saale zur Schau geboten hatte, in dem auch Canon’s „Loge Johannis“ ausgestellt war, hatte man an der Donau kein monumentales Bild von ähnlichem Umfange gesehen. Viele wußten nicht recht, wie ein so ausgedehntes Stück zu betrachten sei. Auf den sehr deutlichen Zusammenhang mit dem großen jüngsten Gericht des Rubens sind nur die kunstgeschichtlich Geschulten gekommen, und daß Wiertz mit seinem Colossalbilde doch auch ein wenig als Anreger gelten konnte, war nur in einem einzigen Nachrufe angedeutet. Alles zusammengenommen, war der Erfolg, den C. mit dem „Kreislauf des Lebens“ errungen hatte, ein unbezweifelter.

Der Rivale Makart schwankte damals schon dem Grabe zu. Sein müder Pinsel vermochte es nicht mehr, den großen Auftrag auszuführen, der ihm für das zweite Hofmuseum, für das Museum der Kaiserlichen Kunstsammlungen, zu theil geworden war. Dort sollte er für das Treppenhaus, entsprechend dem Canon’schen „Kreislaufe des Lebens“ die große vierseitige Decke mit einem Riesenbilde zieren (darstellend den Sieg des Lichtes) und eine Reihe von Lunettenbildern ausführen. Als er im Herbst 1884 verschied, hinterließ er nur die Lunetten und eine Farbenskizze zum großen Mittelbilde. C. erhielt nun den Auftrag, das große Bild für das zweite Hofmuseum zu malen. Aber auch Canon’s Arbeit gedieh nur bis zum Entwurf. Neben diesem und neben den oben erwähnten Lunetten, die noch nicht alle vollendet waren, malte C. 1885 noch eine Obsthändlerin und ein Bildniß des Schriftstellers Emerich Ranzoni. Das Bild mit der Obsthändlerin wanderte kurz nach seiner Vollendung nach Deutschland, das Porträt Ranzoni’s wurde nicht mehr fertig gemalt. Die Parze schnitt unvorhergesehen Canon’s Lebensfaden entzwei. Kurz nachdem der Künstler vom Sommeraufenthalte in die Hauptstadt zurückgekehrt war, verschied er nach schmerzvollem aber kurzem Leiden an einer Zerreißung des Herzens.

[441] Der Künstler war in seinen letzten Jahren eine der bekanntesten Persönlichkeiten Wiens geworden. Dazu trug nicht wenig seine eigenartige Tracht bei, die im wesentlichen sich der polnischen näherte. Jedermann kannte die mächtige Gestalt mit dem wohlgeformten Haupte, das gewöhnlich in strengen Falten liegende Antlitz mit dem lang hinabwallenden bräunlichen Barte. Das Leichenbegängniß gestaltete sich zu einer großen Feierlichkeit. Zahlreiche Nachrufe erschienen in Zeitungen und Zeitschriften. Allerwärts fühlte man empfindlich die Lücke, die durch Canon’s Tod entstanden war. Bei alledem ist es zu einer ausreichenden Würdigung des Künstlers bis heute nicht gekommen, und wer sich einen Ueberblick über Canon’s Lebensgang und künstlerische Thätigkeit verschaffen will, ist auf recht dürftige litterarische Quellen angewiesen.

Mittheilungen aus dem Kreise Canon’s und eigene Erinnerungen an den Künstler. – Freundliche Mittheilungen aus Urkunden werden verdankt: den Herren Gerichtsadjuncten Heinrich Kutler in Krems8, Archivsadjuncten H. Thomke in Wien und Secretär Ludwig Edl. v. Drabek in Wien. – Gütige mündliche Auskünfte erhielt ich von den Herren Polizeirath v. Pittner, Prof. Eisenmenger; Secretär Dr. K. Mandl und Oberstabsarzt Chimani. – Gedruckte Nachrichten: C. v. Wurzbach’s Biograph. Lexikon (Artikel Straschiripka). – Die Künstlerlexika von H. A. Müller und Seubert. – Lützow’s Zeitschrift für bildende Kunst und dessen Kunstchronik 1873 bis in die neueste Zeit. – Zahlreiche Kataloge von Museen, Ausstellungen, Versteigerungen. – E. Ranzoni „Die Malerei in Wien“ (1873) – Die Zeitschrift „Heimath“ 1880 (V. Nr. 3). – Die Zeitschrift „L’art“ in den 80er Jahren. – W. Lauser’s „Kunstchronik“ 1883, S. 68 (offener Brief Canon’s an Professor Thausing, jedenfalls von der Redaction der Schreibfehler entledigt. Enthält einige zutreffende Bemerkungen, singt im übrigen das langweilige Lied, daß nur der kunstverständig sei, der selbst berufsmäßig Kunst ausübe). – 1885 beim „Gschnasfest“ der Künstlergenossenschaft erschien eine „zwanglose Schönheitsgalerie“. Unter dem, von Trentin gezeichneten halb carikirten Bildniß Canon’s liest man: „Und Canon hier erklärt Dir, mein Sohn | Wenn Du brav bist den Rubensfleischfarbenton“. – Zahlreiche Nachrufe in den Wiener Tagesblättern, in Thode’s „Kunstfreund“ (1885, S. 293 ff.), in der Münchener „Allgemeinen Zeitung“ (16. Sept. 1885), in Lauser’s „Kunstchronik“ (1885), in der „Leipziger illustrirten Zeitung“ vom 10. October 1885, in der Wiener „Neuen illustrirten Zeitung“ 1885, I. Nr. 13, II. Nr. 52. – Bötticher, Malerwerke des 19. Jahrhunderts (1895). Zu den politischen Caricaturen Canon’s vgl. „Die Wage“ 1898 Nr. 49. Noch andere Litteratur wurde im Text erwähnt.