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Artikel „Lessing, Karl Friedrich“ von Moritz Blanckarts in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 450–453, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lessing,_Carl_Friedrich&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 19:24 Uhr UTC)
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Lessing: Karl Friedrich L., Historien- und Landschaftsmaler, geb. am 15. Februar 1808 zu Breslau, † am 5. Juni 1880 zu Karlsruhe. Sein Vater, ein Neffe von Gotthold Ephraim L., war Gerichtsbeamter und wurde als Kanzler der Standesherrschaft Polnisch-Wartenberg bald nach des Knaben Geburt dorthin versetzt. Bei dem Durchschweifen der ländlichen Umgegend dieses kleinen Grenzortes erwachte frühzeitig dessen Liebe zur Natur, die er nach allen Richtungen hin eingehend beobachten und studiren lernte. Im J. 1820 kam er auf das katholische Gymnasium nach Breslau und hier schon zeigte sich sein großes Talent zum Zeichnen, welches den Vater auf den Rath der Lehrer veranlaßte, ihn zum Studium des Baufachs zu bestimmen, welches er dann auf der Bauakademie in Berlin 1822 begann. Hier aber machte es ihm der Zeichnenunterricht bei den Professoren Rösel und Dähling unzweifelhaft klar, daß seine Begabung ihn auf die Malerei hinweise. Eine Reise nach Rügen, die seine Phantasie lebhaft anregte, gab den Ausschlag, und L. entschloß sich, selbst ohne die Einwilligung des Vaters, der warnend abmahnte, Maler zu werden. Mit Kraft und Ernst widmete er sich nun der Kunst und schon sein erstes Bild „Kirchhof mit Leichensteinen und Ruinen im Schnee“ erregte auf der Berliner Ausstellung des Jahres 1825 solches Aufsehen, daß der Kunstverein das Doppelte des geforderten Preises dafür zahlte. Der Vater kam nach Berlin, es zu sehen und söhnte sich mit der Berufswahl des Sohnes aus, der bald darauf Schüler von Wilhelm Schadow wurde, unter dessen Leitung er nun erstaunliche Fortschritte machte. Er folgte mit Karl Sohn, Theodor Hildebrandt, Heinrich Mücke und Christian Köhler demselben im Herbst 1826 nach Düsseldorf, wo er bald die meisten seiner Studiengenossen überragte. Jedes neue Bild von ihm fand eine nahezu enthusiastische Aufnahme, sein Ruf war in kurzer Zeit fest begründet und verbreitete sich mehr und mehr. Aber weder damals noch später ließ sich L. durch Lob beirren: er ging seinen eigenen Weg und arbeitete unablässig an seiner Vervollkommnung. Reich gefüllte Mappen mit zahllosen fleißigen Naturstudien und geistvollen Skizzen waren die Früchte seines unausgesetzten Arbeitseifers. In der ersten Periode seiner Thätigkeit ganz der romantisch elegischen Anschauung jener Tage folgend, malte er meist melancholisch gestimmte Landschaften, zerfallene Ritterburgen und Klöster, Kirchhöfe, zerklüftete Felspartieen, öde Haiden und tiefes Waldesdickicht mit einer Staffage von Rittern, Mönchen, Kriegern, Räubern, Zigeunern, Schleichhändlern und Köhlern, und wenn er schon hierin viele Nachahmer fand, so riefen seine Figurenbilder „Das trauernde Königspaar“ (1828, im Besitz der Kaiserin von Rußland), die nicht minder bewunderte „Lenore“ (1832, Eigenthum des Königs von Preußen,), sein „büßender“ und sein „trauernder Räuber“ eine noch größere Menge von Gemälden ähnlichen Inhalts hervor, die einen häßlich krankhaften Charakter annahmen, während bei L. selbst stets der Zauber einer ureignen, tief empfundenen Poesie mächtig ergreifend vorwaltete. In jener Blüthezeit der Romantik war er geradezu tonangebend für Alle und kein Anderer hat einen so umfassenden Einfluß auf die Düsseldorfer Schule und ihren Entwickelungsgang ausgeübt wie er. Schadow, der ihn vor dem geistigen Schwelgen in Entwürfen und Skizzen warnte, führte ihn der Historienmalerei zu und verschaffte ihm Antheil an einem Cyklus von Wandgemälden aus dem Leben Friedrich Barbarossa’s, den der Graf von Spee im Gartensaal seines Schlosses Heltorf bei Düsseldorf ausführen ließ. L. malte hier 1829 die „Schlacht bei Iconium“, überließ aber, da die Frescomalerei ihm nicht zusagte, das zweite ihm übertragene Bild „Herzog Friedrich von Schwaben bei der Erstürmung von Iconium“ seinem Freunde [451] Plüddemann. Er selbst lieferte nur den Entwurf und eine ausgeführte Farbenskizze dazu. Um jene Zeit entstanden auch bereits die ersten Entwürfe zu seinen berühmten Bildern aus der Hohenstaufen- und der Reformationszeit, angeregt durch die geschichtlichen Studien, die er mit seinem Freunde, dem Dichter Friedrich v. Uechtritz (damals Landgerichtsrath in Düsseldorf), trieb. Sie sollten seinen Namen vor Allem volksthümlich machen. „Die Hussitenpredigt“ (1836, in der preußischen Nationalgalerie) eröffnete den Reigen; sie gehört durch die Leidenschaftlichkeit des Ausdrucks und die überzeugende Darstellung fanatischen Glaubenseifers wol zu seinen besten Werken. Es folgten „Ezzelin im Kerker“ (1836, im Städel’schen Institut in Frankfurt a./M.), „Kaiser Friedrich Barbarossa“ (für den Kaisersaal im Römer zu Frankfurt a./M., 1839), „Die Gefangennahme des Papstes Paschalis durch Kaiser Heinrich V.“ (1840, im Besitz der Familie Bendemann) und dann 1842 sein „Huß vor dem Concil zu Constanz“. Dies Bild setzte ihn den heftigsten Angriffen aus, da man darin, obwol die Darstellung durchaus maßvoll und würdig gehalten war, eine Verspottung der katholischen Religion finden wollte. Es bildete Monate lang den Stoff zu einer gehässigen Zeitungspolemik, Philipp Veit legte sogar die Leitung des Städel’schen Instituts in Frankfurt a./M. nieder, als es für dasselbe angekauft wurde, und Schadow besuchte lange Zeit nicht mehr das Atelier seines besten Schülers. Der in der Düsseldorfer Akademie längst angebahnte Gährungsproceß kam zum beginnenden Austrag. Ein großer Theil begabter Schüler verließ dieselbe und die Errichtung von Privatateliers nahm immer mehr überhand. L. wurde ganz gegen seinen Willen als Ursache und Haupt der Opposition angesehen, und obschon ihm nichts so fern lag wie eigentliche Tendenzmalerei, so beschuldigte man ihn derselben immer auf’s Neue. So entstand, von ihm selbst ganz unbeabsichtigt, der erste Riß, der die bisher so gemüthliche Einheit der Düsseldorfer Schule brach, der aber unendlich segensreich für sie wurde und sie vor Stillstand und Einseitigkeit bewahrte. – Einem kleineren Bilde „Kaiser Heinrich V. auf der Flucht, dem die Mönche den Eintritt in das Kloster Prüfeningen verweigern“ (1844, angekauft vom König von Hannover) folgte dann 1850 eines seiner größten und bedeutendsten Werke, „Huß vor dem Scheiterhaufen“ (in der preußischen Nationalgalerie), das wieder zu confessionellen Streitigkeiten Anlaß gab. Dieselben blieben auch seinem „Luther, der die Bannbulle verbrennt“ (1853, Eigenthum des Herrn Notteboom in Antwerpen) nicht erspart, obwol es, da es gleich in Privatbesitz überging, weniger bekannt wurde. Doch fand es als Kupferstich, nebst einem Gegenstück „Luther, die Thesen anheftend“, das er nicht als Oelbild ausführte, eine weite Verbreitung. Außerordentliches Aufsehen erregte dann wieder „Die Gefangennahme des Papstes Paschalis“ (1858, veränderte Composition mit lebensgroßen Figuren, Eigenthum des Königs von Preußen), womit er seine Thätigkeit in Düsseldorf zum Abschluß brachte. L. hatte bereits 1846 einen sehr vortheilhaften Ruf als Director des Städel’schen Instituts nach Frankfurt a./M. abgelehnt, und schon hoffte man ihn nun für immer an Düsseldorf gefesselt zu sehen, dessen Kunstschule ohne ihn kaum gedacht werden konnte. Als er aber im Sommer 1858 die Ernennung zum Galeriedirector in Karlsruhe erhielt, bewogen ihn verschiedene Umstände dieselbe anzunehmen, so schwer ihm auch das Scheiden aus gewohnten liebgewordenen Verhältnissen wurde. Er schuf nun in dem neuen Wohnort zunächst eine Reihe von Landschaften, dann aber in rascher Folge drei treffliche Figurenbilder: „Betender Mönch am Sarge Kaiser Heinrich IV.“ (1862, im Stadtmuseum zu Königsberg), „Die Kreuzfahrer, die in der Wüste eine Quelle finden“ (1863, in der Kunsthalle in Karlsruhe) und „Die Disputation Luthers mit Eck auf der Pleißenburg in Leipzig“ (1867, in derselben Kunsthalle). Mit dem letztgenannten großen Bild beschloß er in würdigster [452] Weise seine Darstellungen aus der Geschichte, um sich dann ausschließlich der Landschaftsmalerei zu widmen. 1867 erhielt er die ehrenvolle Berufung als Director der Akademie nach Düsseldorf zurückzukehren, wozu er wie kein Anderer geeignet erschien, da er als Vorbild, Beispiel und Bahnbrecher mit ihrer Geschichte aufs Engste verbunden war. L. aber lehnte ab und blieb bis an sein Ende in Karlsruhe, wo er ebenfalls, ohne als Lehrer thätig zu sein, durch Rath und Beispiel segensreich auf die Entwickelung der Kunstschule einwirkte. Wie er in Düsseldorf zu den Stiftern des „Vereins Düsseldorfer Künstler zu gegenseitiger Unterstützung und Hülfe“, dessen Vorsitzender er viele Jahre war, und des Vereins „Malkasten“ gehörte, so half er auch hier zur Begründung eines „Künstlervereins“, den er noch am letzten Abend seines Lebens besuchte. Wiederholte Schlaganfälle hatten in den letzten Jahren seine kräftige Gesundheit erschüttert und seine sonst fast unausgesetzte Thätigkeit unterbrochen; sie bereiteten ihm auch unerwartet ein schmerzloses Ende. L. war vermählt mit Ida Heuser aus Gummersbach, einer geistig und künstlerisch begabten Frau, die ihm mehrere Monate im Tode voranging. Ein stattlich schöner Mann, war er ernst und ziemlich wortkarg, der, so oft auch seine Historienbilder zu Streitigkeiten Veranlassung boten, persönlich wol kaum einen Feind besaß und bei Allen in höchster Achtung stand. Sein höchstes Glück fand er in der Arbeit und seine Erholung in der Pflege des Waidwerks. An Anerkennung und Auszeichnungen hat es ihm nie gefehlt: die Berliner Akademie ernannte ihn bereits 1832 zum Mitglied, König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen verlieh ihm frühzeitig den Professortitel und als einem der ersten Künstler den Orden pour le mérite, zahlreiche andere Orden und Medaillen, sowie die Ernennung zum Ehrenmitglied in- und ausländischer Akademieen und Künstlervereine folgten bis an sein Ende; seine Werke wurden viel bewundert und wenn sie ein Tadel traf, so galt er fast immer nur dem Gegenstand und selten den künstlerischen Eigenschaften. L. war der eigentliche Vermittler zwischen der älteren und der neuen Schule, seine Schöpfungen sind von nachhaltigem Einfluß auf die Gesammtentwickelung der deutschen Malerei geworden und haben zu den ersten gehört, die ihr auch im Ausland Beachtung errangen. In ihm vollzog sich die Vereinigung des Idealismus mit dem Realismus. Seine romantisch poetische Auffassungsweise wird geläutert durch das gründliche Studium der Natur, das ihn schon in seinen ersten melancholischen Gemälden vor krankhaften Ausschreitungen bewahrte. Wenn seinen Historienbildern auch die Erhabenheit des monumentalen Stils abgeht, so entschädigen sie dafür durch lebenskräftige Individualisirung, zutreffende Charakteristik und geschichtliche Treue des Ganzen. Besonders glücklich erscheint er in Darstellungen, worin sich Landschaft und Figuren als gleichberechtigt zeigen, wie „Krieger, die einen Kirchhof vertheidigen“ (1846, in der städtischen Galerie in Düsseldorf), „Vertheidigung eines Engpasses“ (1851, in der Nationalgalerie in Berlin) u. A. – L. war im Leben und in der Kunst durchaus selbständig. Er hat weder Italien bereist, noch in deutschen Galerien die Werke Anderer studirt. Deshalb blieb er auch in allen seinen Werken ganz eigenartig, ohne doch einseitig zu werden, und immer durch und durch erfüllt von deutschem Geist und Wesen. In der Landschaft wußte er die feinste Beobachtung, die überzeugende Naturwahrheit mit dichterischer Empfindung zu vereinen. Der deutsche Wald und die wilden Felsgegenden des Harzes und der Eifel sind von wenig Anderen gleich charakteristisch und stimmungsvoll dargestellt worden und selbst das einfachste Motiv gewann durch seine Behandlung einen fesselnden Reiz. Seine Werke sind überaus zahlreich und in den verschiedensten Vervielfältigungen weithin bekannt geworden. Oft beschäftigte ihn jahrelang ein Gegenstand, ohne doch schließlich zur Ausführung zu gelangen, wie „Die Flucht zweier Prinzen in einem Kahn“, „Die [453] Flucht Kaiser Heinrich IV. von der Harzburg“ u. A;, wovon sich in seinem Nachlaß mehrere veränderte Entwürfe vorfanden. Auch hat er einige treffliche Bildnisse gemalt und eine größere Zahl gezeichnet, die er mitunter als Studienköpfe bei seinen Historienbildern benutzte. Nach seinem Tode wurde erst in Karlsruhe, dann in Berlin, eine Ausstellung seiner sämmtlichen Arbeiten, soweit sie zu bekommen waren, veranstaltet, die, aus nahezu 500 Nummern bestehend, ein übersichtliches Bild seiner künstlerischen Thätigkeit bot und so recht den Ernst und die Strenge seines Schaffens von den ersten Entwürfen und Skizzen, kleinen und großen Naturstudien bis zur durchgebildeten Vollendung des Ganzen erkennen ließ.

Fr. v. Weech, Badische Biographien, 3. Bd. (Karlsruhe 1881). Wiegmann, Die Kunstakademie zu Düsseldorf (Düsseldorf 1856). Wolfg. Müller, Düsseldorfer Künstler aus den letzten 25 Jahren (Leipzig 1854). Max Jordan, Katalog zur Ausstellung der Werke von C. F. Lessing (Berlin 1880).