Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schirmer, Johann Wilhelm“ von Friedrich von Weech in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 312–315, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schirmer,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 5. Dezember 2024, 20:21 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Schirmer, David
Nächster>>>
Schirmer, Michael
Band 31 (1890), S. 312–315 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Wilhelm Schirmer in der Wikipedia
Johann Wilhelm Schirmer in Wikidata
GND-Nummer 118755161
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|31|312|315|Schirmer, Johann Wilhelm|Friedrich von Weech|ADB:Schirmer, Wilhelm}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118755161}}    

Schirmer: Johann Wilhelm S., Landschaftsmaler, geboren am 5. September 1807 in Jülich, † am 11. September 1863 zu Karlsruhe. Aus einfachen bürgerlichen Verhältnissen hervorgegangen, mußte S. sich, wie so viele bedeutende Künstler, durch harte Arbeit und Entbehrungen den Weg zu der Kunst bahnen, in deren Ausübung er frühzeitig seinen Lebensberuf erkannte. Sein aus Schlesien stammender Vater war als Buchbinder nach langen Wanderjahren in Jülich seßhaft geworden. Neben seinem Handwerk betrieb er nicht ohne kunstsinnigen Geschmack das Stempelschneiden. Die Mutter, aus dem verarmten Zweige einer württembergischen Adelsfamilie, eine geborene v. Breitschwert, begegnete sich mit ihrem wackeren Gatten in aufrichtiger Frömmigkeit und entschiedenem Festhalten an dem lutherischen Glauben, in welchem beide die unerschütterliche Grundlage ihres Denkens und Handelns besaßen und auf den Sohn übertrugen. In den Freistunden des Unterrichts, den der junge S. in der reformirten Volksschule seines Wohnortes empfing, begann er zu zeichnen, und das angeborene Talent, das sich bald zeigte, als er eine Zeit lang mit seinem Tuschkasten gearbeitet hatte, fand dann einige Förderung durch den gelegentlichen Unterricht, den ihm ein Vermessungsconducteur ertheilte. Als die Schule durchlaufen und der Knabe confirmirt war, mußte er bei dem Vater in die Lehre treten und die Buchbinderei gründlich erlernen. Nur in spärlich zugemessenen Mußestunden konnte er versuchen, Kupferstiche und Gemälde zu copiren und einige Blätter nach niederländischen Meistern zu radiren. Nachdem er von 1820–1825 in der väterlichen Werkstatt gearbeitet hatte, erhielt er auf die Kunde, daß in Düsseldorf eine Malerakademie bestehe, auf der systematischer Unterricht in der Kunst ertheilt werde, von seinem Vater die Erlaubniß, bei einem dortigen Buchbinder in Arbeit zu treten und sich daneben in der Kunst auszubilden. Des Morgens in der Werkstatt thätig, konnte er mit besonderer Erlaubniß des Nachmittags die Elementarclasse der Akademie besuchen. Auf die Dauer wurde ihm aber dieser Zwitterzustand unerträglich. Er beschloß, sein Handwerk aufzugeben und, wenn er auch mit Noth und Entbehrungen zu kämpfen [313] hätte, doch von nun an ausschließlich der Kunst zu leben. Bald rückte er in die Gypsklasse vor und durfte auch schon im Actsaale sich versuchen. Im J. 1826 erhielt die Akademie einen neuen Director, Wilhelm Schadow, und mit ihm zog ein neuer Geist ein. An Stelle des von Cornelius gepflegten Stiles, dessen schablonenhafte Nachahmung den Schülern zur Pflicht gemacht wurde, trat nunmehr ein eifriges und exactes Studium nach Modell und Natur. Schadow erkannte bald die hervorragende Begabung Schirmer’s, zog ihn in Unterricht und Verkehr näher an sich heran und förderte auch durch Zuwendung von Stipendien, die ihn von der Sorge um das tägliche Brot befreiten, sein Fortkommen. Im Umgang mit den bedeutenden Männern, die sich in Schadow’s Hause einfanden, im freundschaftlichen Verkehre mit den Schülern Schadow’s, die mit diesem aus Berlin an den Rhein gekommen waren; mit Hübner und Sohn, Hildebrandt und Lessing ging dem jungen Künstler eine neue Welt auf. Es war wohl der Einfluß und das Vorbild C. F. Lessing’s, was ihn anzog, sich der Landschaftsmalerei zu widmen. Da aber für dieses Fach kein Lehrer an der Akademie bestellt war und auch Schadow sich auf diesem Gebiete nicht als competent betrachtete, so war S. ausschließlich auf eigenes Studium und den gelegentlichen Rath Lessing’s angewiesen. Mit diesem zog er seit dem Frühjahr 1827 in den Wald hinaus und begann die Natur zu studiren. Gleich das erste große Bild, das er im J. 1828 malte, „Deutscher Urwald“, war ein Treffer, fand einen Käufer und erwarb auf der Berliner Kunstausstellung großen Beifall. Nun erhielt er Aufträge und erweiterte seine Studien, indem er sich bemühte, aus den Motiven, die ihm bei seinen Wanderungen begegneten, geeignete Staffagen für seine Landschaften zu gewinnen. Die Erfolge seiner Arbeiten zeigten sich bald auch in seiner gesellschaftlichen Stellung. Er wurde in die besten Kreise der Düsseldorfer Gesellschaft gezogen, denen damals Männer wie Immermann, v. Uechtritz, Felix Mendelssohn und Schnaase Anregungen gaben, von welchen auch S. reichen Nutzen ziehen durfte. Insbesondere mit Schnaase verband ihn enge Freundschaft. Nicht lange und sein künstlerischer Ruf drang über die Grenzen Deutschlands hinaus. 1838 wurde eine seiner Landschaften im Pariser Salon durch die zweite goldene Medaille ausgezeichnet. Unausgesetzt ging sein Streben dahin, sich mit der Natur in engster Berührung zu erhalten. Seine jährlichen Studienreisen, die ihn den Rhein entlang, nach Belgien, Holland, der Schweiz und Frankreich führten, bereicherten seine Mappen mit einer Fülle von Naturstudien. Aber wenn er auch aus der Ferne bedeutende Eindrücke mitbrachte und in seinen Bildern gerne verwerthete, seine innerste Neigung zog ihn doch immer wieder mit unwiderstehlicher Gewalt zu dem deutschen Walde, dessen Pracht und Herrlichkeit ihm die schönsten Offenbarungen für seine Kunstwerke eingab. Mit einer der „kräftigen Eichen seiner Bilder, die so treu und unbehindert ihre Aufgabe erfüllen, so liebevoll schattend ihre Aeste ausstrecken“, hat ihn sein Freund Schnaase verglichen. Doch war er nicht, wie Lessing, unempfindlich für die eigenartige Schönheit der südlichen Natur. Im Gegentheil wurde eine Studienreise, die er in den Jahren 1839 und 1840 nach Italien unternahm, von höchster Bedeutung für seine fernere künstlerische Entwicklung. „In Italien“, sagt Woltmann, „hatte sich sein Gefühl für die Linien und den Formenadel ausgebildet und er wandte sich jetzt mit besonderer Vorliebe der südlichen Landschaft idealen Charakters zu“. Das Bild, das er unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Italien vollendete, eine Grotte der Egeria im Museum zu Leipzig, wird von vielen für das bedeutendste seiner Werke gehalten. Schon vor seiner Abreise nach Italien war S. zum Professor an der Akademie in Düsseldorf ernannt worden. Nunmehr trat er dieses Amt an und vermählte sich im Juli 1841 mit Emilie v. Bardeleben aus Kassel. Seine italienischen [314] Studien verwerthete S. in den nächsten Jahren zu einer Reihe von Bildern, von denen die „italienische Landschaft mit Pilgern“ in der Düsseldorfer Galerie und das „Kloster Scholastika bei Subiaco“ in der Nationalgalerie zu Berlin erwähnt seien. – Im J. 1854 wurde durch den damaligen Prinzregenten von Baden in Karlsruhe eine Kunstschule begründet und S. zu deren Leiter ausersehen. Nicht ohne innere Kämpfe verließ er das ihm so lieb gewordene Düsseldorf. Aber die Aufgabe, im Süden des Vaterlandes eine neue Kunststätte zu schaffen, zog ihn mächtig an, um so mehr, da ihm in der Auswahl der zu berufenden Lehrer ganz freie Hand gelassen war. Hier konnte er sein organisatorisches Talent um so mehr bethätigen, als es an jeder Vorbereitung für die neue Schule und an allen Hilfskräften für die Verwaltungsarbeiten fehlte. Bald entwickelte sich in Anlehnung an die Kunstschule, für welche Künstler wie Des Coudres, Schrödter, Vollweider, Steinhäuser gewonnen wurden und der auch der als Galeriedirector nach Karlsruhe berufene C. F. Lessing, obgleich er keinen Unterricht ertheilte, anregend nahe stand, in der badischen Residenzstadt ein frisches Kunstleben; durch S. wurde der Grund zu der Thätigkeit gelegt, aus welcher sich nach und nach die heutige Karlsruher Schule entwickelte, die zu den geachtetsten Kunststätten Deutschlands gehört. – Da S. im Beginne seines Karlsruher Aufenthaltes nicht einmal ein bescheidenen Ansprüchen genügendes Atelier besaß, entsann er sich der Technik der Kohlezeichnung, die er auf Grund eines neuen Verfahrens 1850 in Paris kennen gelernt und liebgewonnen hatte. So entstanden von 1854–56 nicht weniger als 26 mit der Kohle sorgfältig ausgeführte landschaftliche Compositionen mit biblischen Staffagen. Sie machten durch die poetische Auffassung und Darstellung großen Eindruck und wurden für die Kunsthalle in Karlsruhe erworben. Im Sinne des Meisters waren es doch nur Entwürfe. Die Themata, die seinem künstlerischen wie religiösen Sinne in gleicher Weise entsprachen, hatten es ihm angethan. Er wählte ähnliche zu großen Oelbildern. Zunächst malte er vier Landschaften zur Parabel vom barmherzigen Samariter, in denen die Stimmung der vier Tageszeiten den Hauptmomenten der Erzählung entsprach. Sie bilden eine Zierde der Karlsruher Kunsthalle. Eine Wiederholung der 26 Kohlezeichnungen als Oelskizzen befindet sich in der Düsseldorfer Galerie, und sechs größere Doppelgemälde, in denen die Geschichte Abrahams ausgeführt ist, fanden ihren Platz in der Nationalgalerie zu Berlin. – Als Landschaftsmaler steht S. in Deutschland neben Lessing als hervorragender Vertreter der Düsseldorfer Schule. An Tiefe des Naturstudiums Lessing ebenbürtig, in der Mannigfaltigkeit der Aufgaben, die er seinem Pinsel stellte, überlegen, steht er als Idealist in der Landschaftsmalerei neben Rottmann und Preller. Nie vergißt er über eingehendem Streben nach charakteristischer Wiedergabe der Details der künstlerischen Wirkung des Ganzen, nie tritt die Staffage, so sorgfältig er sie auch behandelt, aufdringlich aus dem Rahmen des Ganzen heraus. Meister in der Zeichnung, hatte er das feinste Gefühl für eine rhythmische Schönheit der Linien und eine harmonische Ausgestaltung seiner Compositionen. Als Mensch ernst und tief religiös, wohlwollend, charakterfest, der beste Gatte und Vater, der treueste Freund, ein anregender und uneigennütziger Lehrer, gewann er überall, wo er wirkte, die Achtung und Liebe seiner Umgebung. Sein Fleiß war bewunderungswürdig. Man schätzt die Zahl seiner ausgeführten Oelgemälde auf 230, in seiner Jugend führte er auch zahlreiche Radirungen aus, die letzte im Jahre 1846. Ueberaus groß ist die Zahl seiner Studien, Skizzen und Handzeichnungen, von denen viele in der Karlsruher Kunstschule erhalten sind. Von seinen Schülern haben sich Kotsch, Voßberg, Lugo, Fahrbach, Roth, Ebel u. a. als sehr tüchtige Künstler bewährt. – Im kräftigsten Mannesalter wurde er den Seinigen und der Kunst entrissen. Im Herbst 1863 [315] von einer Badereise erfrischt zurückgekehrt, erkrankte er am 9. September und starb am 11. September, erst 56 Jahre alt.

A. Woltmann in den Bad. Biographien Bd. 2 S. 259 ff.