Von dem göttlichen Worte (Wilhelm Löhe)

Textdaten
Autor: Wilhelm Löhe
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Titel: Von dem göttlichen Worte, als dem Lichte, welches zum Frieden führt.
Untertitel: Ps. 119, 54. Deine Rechte sind mein Lied im Hause meiner Wallfahrt.
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Auflage: 2. ungeändert
Entstehungsdatum: 1835/1837
Erscheinungsdatum: 1842
Verlag: J. Ph. Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
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Quelle: Commons, MDZ München
Kurzbeschreibung: Nicht unser Rennen und Laufen, sondern das offenbarte Wort Gottes in der Schrift macht den Glauben aus.
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Von dem
göttlichen Worte,
als dem Lichte,
welches zum Frieden führt.



 


 
Ps. 119, 54.
Deine Rechte sind mein Lied im Hause
meiner Wallfahrt.


Zweite ungeänderte Auflage.

Nürnberg,
in Commission der J. Ph. Raw’schen Buchhandlung.
1842

Druck der Brügel’schen Officin.


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| Woher kommt es doch, daß bei so vielen kräftigen Predigern, welche Gott in den letzten Jahren Seinem Volke geschenkt hat, zwar eine ziemliche Zahl Erweckter, aber so wenige Menschen gefunden werden, welche zum Frieden der Rechtfertigung hindurchdringen? – St. Johannes in seinem ersten Briefe 3, 2. spricht mit großer Zuversicht von sich und den Seinigen: „Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder“ – v. 14.: „Wir wissen, daß wir aus dem Tod in’s Leben gekommen sind“ – u. 4, 4. redet er sie an: [„]Kindlein, ihr seyd von Gott!“ Es giebt also eine Gewißheit von der Kindschaft Gottes, und Menschen, die von sich sagen können, sie seyen vom Tode zum Leben hindurchgedrungen. Warum giebt es denn aber heut zu Tage so wenig solche Menschen? warum erschrecken die meisten Menschen, wenn ihnen unausweichlich, auf Ja und Nein die Frage vorgelegt wird: „Bist du wiedergeboren? bist du ein Kind Gottes? bist du im Leben, das aus Gott ist?“ Warum kommt so selten auf dergleichen Fragen ein stilles, demüthiges, festes: „Ja, du sagst es!“?| warum meistens ein erröthendes: „Nein!“ ein verlegenes: „Ich weiß nicht!“ ein stürmisches, leidenschaftliches: „Ja!“ dem man es gleich abmerkt, daß es, vom Augenblick geboren, schlechter ist, als: „Nein!“ und „Ich weiß nicht!“? – Warum wachen in den Predigten evangelischer Lehrer so viele, namentlich junge Herzen auf, hören sehnsuchtsvoll und fleißig, ringen und kämpfen, daß man für ihre Redlichkeit einstehen zu können glauben sollte; – und nach wenigen Jahren, bei Veränderung der Verhältnisse, wenn sie sich verehelichen, oder überhaupt ihren eigenen Heerd bauen, verschwindet das jugendliche Christenthum mit den rothen Wangen; und eben jene hoffnungsvollen Erweckten, die Freude und Krone ihrer Lehrer, werden erfunden als des Grases Blume, die, nicht von jenseits, sondern aus der Erde entsprossen, ihre Zeit hatte, wie alles Ding in der Welt? Was ist’s, daß mancher reifende Mann, manche nüchtern gewordene Frau auf die Erweckung ihrer Jugend schmerzlich lächelnd sehen, und behaupten, diese Erweckung sey ihre Jugendfreude gewesen, wie denn ein Jeder seine Jugendfreude habe, – sie sey aber, wie andre Jugendfreuden, obschon allerdings reiner und heiliger, doch nur Schwärmerei gewesen? Woher kommt’s, daß so Mancher auf junge, in der ersten Erweckung glühende Seelen mit einer Art von Geringschätzung herabsieht, und spricht: „So bin ich auch einmal gewesen; es war aber Nichts!“?
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 Es können vielleicht von diesen traurigen Erscheinungen unsrer Tage mancherlei Ursachen nachgewiesen| werden. Ich möchte insbesondere Folgendes eurem Urtheile vorlegen. Bedenket, Brüder, ob, was ich sage, wahr ist?
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 Wenn eine Seele erweckt ist, und nun ernstlich fragt: „Was muß ich thun, daß ich selig werde? so heißt es ganz richtig: „Suche Jesum und Sein Licht! Alles andre hilft dir nicht!“ Aber wo man Christum suchen solle, davon wird in der Regel eine schlechte Anweisung gegeben. Meistens weist man den Fragenden an, auf seinen Knieen den Herrn zu suchen, mit Sehnsucht und Verlangen des Geistes nach Ihm zu rufen; so werde Er nicht ermangeln, zu erscheinen – zu Seiner Zeit, zur beschlossenen Stunde. Die armen Seelen versuchen nun Alles; sie schreien; sie laßen den Allgegenwärtigen nicht, Er segne sie denn; und der Allgegenwärtige, welcher das Schreien der jungen Raben hört, segnet sie auch mit freudigem Bewußtseyn Seiner Nähe. Wonnevoll steht der Erweckte auf von seinen Knieen, und glaubt, – glaubt, daß er seinen Heiland nun gefunden habe; sein zitterndes Herz stürbe, wie Simeon, gern; denn es hat Gottes Heil erfahren. – Aber ach, das ist vorübergehend; dem Kinde, dem Jüngling in Christo werden solche Stunden oft gegeben; je älter man im Christenthum wird, desto weniger solche Freudenregungen empfängt man; und hat man nach ihnen sein Christentum gemessen, so fällt’s dahin; man geräth in ein trübes Sehnen nach dem, was dahinten ist, und wird eine traurige Salzsäule, wie Loth’s Weib, welche rückwärts sah, und darüber das vor ihr liegende| Zoar, den stillen Ort der Rettung, nicht erreichte. – Diese Gefahr erkennt auch mancher redliche Diener Gottes; darum sucht er nun allerlei Mittel, ihr auszuweichen: er sucht seine Schaafe zusammenzubringen (nach Zinzendorf’s oft wiederholtem Rathe); er ermahnt sie zu herzlicher Gemeinschaft, bildet ecclesiolas in ecclesia, heißt seine Kindlein einander lieben, einander warnen und vermahnen, einander reizen, auf daß keines die erste Liebe verliere; er heißt einen Bruder mit dem andern beten; er giebt mancherlei Regeln, macht allerlei Anstalt, müht sich Tag und Nacht ab: – und wer wollte ihn tadeln? Es ist wohl gemeint, und wird, wofern in gleichem Maaße Gottes Gnadengüter in den Herzen sich mehren, nicht unnütz seyn, – hat auch Verheißung von dem Herrn. Aber leider kann ein solch innerlich nahes Zusammenleben in die Länge nur da bestehen, wo es, wie bei der Brüdergemeinde, zur Gemeinordnung geworden ist, und wo man dafür gesorgt hat, entweder, daß man es überall wieder finde, oder, weil das unmöglich ist, daß die Erweckten nur an solche Orte kommen, wo sie es finden können. Das aber ist selten der Fall, – bleibt auch immer nur eine äußere Ordnung, welche nutzlos wird, wenn der Zufluß der Gnade aufhört. Nach den gewöhnlichen Verhältnissen der streitenden Kirche geht es ganz anders her. Der Herr, welcher andre Wege wählt, als den Menschen wohlgefallen, welcher einst die erste Gemeinde zu Jerusalem zerstreute, da sie am einmüthigsten und herzlichsten zusammenhielt,| führt den Einen hiehin, den Andern dahin in die Welt, wo selten sich wahre Seelsorge und brüderliche Zusprache findet, wo selten ein Häuflein Solcher ist, die sich einander tragen und trösten, wo ein Christ mit seinem Kreuze in der Einsamkeit alleine steht. Dadurch ist nun das schwache Herz in großer Gefahr; die Nähe der Welt, in welcher Satan wohnt, bringt Anfechtung und Versuchung; das Schifflein kommt in Sturm und Wasserwogen. „Wach’ und bete!“ ruft der Herr, an Sein Wort erinnernd, in die Seele; aber die Seele, ungewohnt, alleine, ohne der Brüder Gegenwart, zu wachen und im Streit zu stehen, ohne Aaron und Hur zu beten, erfährt, daß der Geist willig, das Fleisch schwach ist, – daß ihr Beten und Seufzen zu kurz ist, Gottes Hülfe einzuholen. – Indeß oft geschieht’s, oft wird’s einem so gut, daß er ungestört in der Gemeinschaft seiner Brüder bleiben kann; er lebt nicht in der Welt; aber die Welt lebt in ihm. Er muß erfahren, daß auch die Gemeinschaft der Brüder nicht der Himmel auf Erden ist; – er erfährt, daß die Christen auch Launen und Stimmungen zu überwinden haben: heut ist er fröhlich unter seinen Brüdern; morgen, obwohl auch unter ihnen, ist er traurig; heut schwelgt er in der Liebesgemeinschaft treuer Herzen; morgen fühlt er sich in der Mitte ebenderselben, auch wohl bey stärkeren Aufforderungen zu Lieb’ und Dank, als gestern, dennoch einsam; heut ist er voll Tumult des Gefühls; wenn er Flügel hätte, er flöge zu Jesu Thron; morgen wandert er in der Wüste; und| Gottes Manna däucht ihm eine lose Speise; er ist aus der Ruhe in Anfechtung gerathen, hat das Gleichgewicht verloren, weiß sich selbst nicht zu beurtheilen; sein schwankendes, von den widerstrebendsten Gefühlen zerrissenes Herz thut ihm so weh: er kommt sich vor, wie der verlorne Sohn, wie in weiter Ferne von seinem Vater; – sein ganzes Christenthum, die Stunden, in welchen er Gott so nahe war, erscheinen ihm wie Schwärmerei; – er girrt und weint, bis wieder eine Freudenstunde kommt und ihn das Leid vergessen läßt auf eine kleine Weile; dann verliert er die Freude wieder, verliert sie öfter wieder, bis er über dem dauernden Wechsel ernstliche Zweifel bekommt, bis sein Herz, beklommen, schwer angefochten von der Furcht, von Gott verlassen zu seyn, sich nicht mehr halten kann, und unter heißen Thränen Trost bei Freunden und Nachbarn, bey Lehrern und Seelsorgern sucht. Diese sinnen und sinnen, wie dies Herz zu trösten sey: ihr Schluß ist, daß es am Glauben fehlen müße; was aber zu ihrem Troste die kranke Seele in ihren Anfechtungen zu glauben habe, das wird ihr nicht gesagt, weil es nicht sagen kann, wer es nicht weiß. Oder es sagt’s einer, wie er’s zu wissen glaubt; er spricht: „Glaube, daß dir Gott bei all dem dennoch gnädig sey,“ oder so etwas. Wenn aber die bekümmerte Seele fragt: [„]Weißt du’s gewiß, daß Er mir gnädig ist? Wie beweisest du mir’s? Ich fühle das Gegentheil!“ – da kann der Rathgeber in der Eile die Beweise für die Gewißheit, die Bürgschaft für seinen| Trost nicht finden (er hat sie nicht vorräthig in seinem Gedächtniß, weil nicht im Herzen – da liegt der Fehler!); oder er hat sie gelernt, kann sie aber nicht mit eigner Sicherheit des Glaubens vorbringen (hat die Methode des Glaubens nicht, auf welche viel ankommt, welche keine Form ist, sondern Wesen) – und so stirbt das arme Herz in seinem Gram dahin, hat keinen sichern Trost, keinen im Leben, viel weniger im Sterben. Ach! da darf man wahrlich beten:

Heiliger Herre Gott!
Heiliger, starker Gott!
Heiliger, barmherziger Heiland,
Du ewiger Gott!

 Lieben Brüder! dieser Weg führt nicht zum Frieden, nicht zu der gottergebenen Zuversicht, daß uns von der Liebe Gottes nichts mehr scheiden könne. Dieser Weg ist offenbar nichts anderes, als ein Weg des Gefühls und der Werke; man geht ihn auf Krücken; und unversehens ist einem das selige Evangelium des großen Gottes zu einem werkheiligen, eigensinnigen Mysticismus umgeschlagen; – und es ist keineswegs ganz ohne, wenn man die neueren Prediger und ihre Anhänger mit dem Namen Mystiker bewirft. Wir sind alle aus einer entnervten Zeit, die keine Freude kennt, als die des Gefühls, und keine Größe, als die der Werke: Tugend und Gefühl sind Schlagwörter in der neuern Zeit. Daher hängt es uns auch noch im Christenthum, ja im Amte an, daß wir auf Gefühl und Werke (wozu Anstalten, Vereine etc. gewiß auch gehören)| so oft, bewußt oder unbewußt, unser Heil bauen, obwohl ein so sentimentaler und katholischer Weg eben so wenig von den heil. Aposteln, als von den Reformatoren empfohlen wird. Denn man wird in ihren Briefen und Schriften vergeblich Stellen suchen, in denen sie dem Gefühle oder den Werken (sublim Tugend genannt) solche Macht, wie die Heutigen, einräumen. Was man in den Psalmen der Art findet, ist zum Theil nicht von der Art; zum Theil aber ist es gerade dazu geschrieben, daß wir daran den Ausweg aus so traurigen Labyrinthen unsrer Seele finden lernen. Auch zur Zeit der Reformatoren gieng man einen ganz andern Gang in der Seelenführung: man kannte und bekämpfte wohl das unruhige Meer der Gefühle; aber man wußte frey über’s Meer zu schiffen, ja zu gehen, statt an der brandenden Küste hinzuschleichen. Man machte nicht einmal jene Eintheilung der Facultäten menschlicher Seele in Denken, Wollen und Empfinden, – setzte etwa an die Stelle des Gefühls oder Empfindens das Gedächtniß. Und wollte Gott, wir hätten dem Gedächtniß auch eine größere Wichtigkeit gelassen in Lehr und Leben, so hätten wir vielleicht den einst wohlbekannten Weg des Friedens nicht so gar bald vergessen. Wir verwechseln insgemein den Glauben mit dem Gefühle, während der Glaube, gerade wenn er in der ihm eigenen Größe in uns steht, unserm Gefühle widerspricht, der Gegensatz des Gefühls, und, in Abwesenheit des süßen Gefühls, unter dem schwülen Drucke trauriger Gefühle, unser himmlischer, besserer Ersatz, unser| Prophet und Tröster auf den Himmel seyn soll. Wenn Jemand erweckt ist, sollte es daher mit unser erstes Geschäft seyn, ihm zu sagen, daß die Aufregung seines Gemüths und seine etwa vorhandene Freude (denn nicht jede Erweckung geht durch starke – sey es süße oder bittere – Gefühle) nicht das Bleibende und Große bei der Sache sey, – er solle sich freuen, als freue er sich nicht, keinen so großen Werth auf dies Gefühl legen, daß er in dessen Ermangelung in den Grundsäulen seines Wesens wanken würde und beben, vielmehr solle er – und das ist die Hauptsache, welche wir rathen – vom Anfang bis an’s Ende seines geistlichen Lebens nicht auf das Veränderliche in ihm selber sehen, sondern auf die unveränderlichen Verheißungen des Wortes Gottes, welche, Gott sey Dank! außer uns, von unsern Gefühlen unangetastet, stehen, eine göttliche Bürgschaft und Gewißheit und eitel Sicherheits- und Freibriefe erlöster Seelen sind. Ja, wir sollten diese Verheißungen Gottes den neuerweckten Christen noch als größer und wichtiger hinstellen, denn ihren Glauben. Denn der Glaube ist im Werke unserer Erlösung das, was im Menschen und dem Menschen anvertraut ist, aber eben darum auch nicht immer sich selber gleich, bald schwach, bald stark, während Gottes Wort schon Jahrtausende lang ohne Wanken feststeht. So viel höher Gott ist, als der Mensch: so viel höher ist Gottes Wort und Verheißung, als unser Glaube. So viel mehr bei unserer Seligkeit auf Gott ankommt, als auf uns: so viel bedeutender| und wichtiger ist es, daß Gottes Wort nicht fehle, als daß unser Glaube nicht fehle. Der Glaube ist klein und groß; Gottes Wort ist ein Mal, wie das andere Mal. Gottes Wort ist Gottes offenbarte Treue und Barmherzigkeit; Gottes Wort ist Gottes Gnaden- oder Zornesgegenwart, je nachdem man es will; – wo Gottes Wort und Verheißung, da auch Gottes Gnaden- und Lebenskräfte.
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 Ist darum eine Seele erweckt, so gebe man ihr allerdings den Rath: „Suche Jesum und Sein Licht! Alles andre hilft dir nicht!“ Aber man weise sie in Gottes Wort und spreche: „Dies ist’s, was von Ihm zeugt!“ Man heiße nicht erst auf den Knieen Offenbarung Gottes erbitten, sondern die vorhandene Offenbarung und Erscheinung Gottes in der Schrift auf den Knieen voll Dankes und Freuden annehmen. Man zeige aus Gottes Wort mit einfachen, kräftigen Sprüchen, wer Jesus, was Sein Amt und Beruf sey, wie groß Seine Treue: dann spreche man mit dem Ansehen und der Zuversicht eines erlöseten Gotteskindes und eines Engels: Nun kennst du Ihn; Er ist allgegenwärtig, namentlich wo Sein Wort, Seines Namens Gedächtniß ist; Er liebt, die Ihn nicht suchen: warum nicht, die Ihn suchen? – Was darfst du Seinen Verheißungen widersprechen um deines trotzigen und verzagten Herzens willen? Meinst du, Sein Herz sey wie deines? Nein, nein! Sein ist Erbarmung und Treue: du bist unbarmherzig und Ihm untreu. Er weiß es, Er kennt dich. Trau Seinem Worte; werde nur an dem nicht irre; alles Andere| mag dir untergehen; mit allem Andern mag es gehen, wie es will; – Seine Verheißung fehlt dir nicht. In der Welt hast du Angst – was ist’s? Bei Ihm, in Seinen Verheißungen hast du Frieden! – Hat man die Seelen also (Boos’ens Selbstbiographie enthält gute Beispiele) in die Enge getrieben, daß sie endlich sich ergeben müssen, auf’s Wort hin selig zu werden: so vertraue man forthin nicht auf Anstalten, nicht auf unser Beten und Wachen, Summa, nicht auf unser Rennen und Laufen; sondern dasselbe Mittel, welches die Seelen mit Jesu bekannt gemacht hat, behalte sie auch in Seinem Namen, nämlich unbedingter Glaube an Gottes Wort und Verheißung. Es komme einer in Anfechtungen, in Verwirrungen, in Gefühle, welche es seyn mögen: so bleibe man immer bei dem strengen Unterschiede zwischen Gott und Menschen, Gottes Wort und Gefühl, Gottes Treue und Menschenglaube stehen, – und dränge auf diese Weise wieder auf den unbedingten, fühllosen Glauben, der allein am Worte hängt, – auf den schmalen Weg Thomä, nicht zu sehen und doch zu glauben, zurück; man lobe und preise den Hüter Israels, der nicht schläft, noch schlummert, der alle bekümmerten Seelen und ihr Wehe kennt, und ihnen darum so herrliche, herzergreifende Worte von Seinem unumstößlichen Friedensbund geoffenbart hat, damit sie, rings umgeben von Hunden und wilden Ungeheuern, über sich unantastbar ihres Fußes Leuchte hätten, Seine Zusagen, die wie Sonne auf-, aber mit dem Heile unter ihren Flügeln nicht mehr untergehen.| Auf diese Weise gibt man den Seelen einen Punkt außerhalb der Welt, von wo aus diese aus den Angeln gehoben, und ihr Leid in eitel Gedanken des Friedens verkehrt wird; so macht man stille, feste Herzen, welche geduldig ausharren im Krieg des Lebens! Wer sich in diesem blinden (aber auch wie lichten!) Vertrauen auf’s Wort übt, der lernt den Kampf des Glaubens verstehen; er schlägt seine Arme nicht blos um das Wort, sondern im Worte um den Herrn selber, der ein Fels heißt, und nimmt so nach und nach des Felsens Natur selber an, der keinem Unfall zu Gefallen von seinen Wurzeln und Grundfesten weicht. Man zeige angefochtenen Seelen überall und in allen Fällen, daß aller Mangel verschwinde, alle Sünde vergeben sey, so wie man sich nur wieder mit unbedingtem Vertrauen zum Worte vom Kreuze wende, ja, daß aller ihr Jammer nur daher komme, sammt allen Sünden, daß man immer wieder von dem reinen, fühllosen Glauben und Vertrauen auf Gottes Verheißungen weiche. Man suche zu solchem Zweck für die verschiedenen Krankheiten des geistlichen Lebens einige wenige, helle, deutliche Sprüche der Schrift, und wende sie betend zum Trost der geängsteten Seelen an in aller Einfalt. Prächtige Reden menschlicher Weisheit, oder Gottes Wahrheit, in menschliche Gewänder eingehüllt, helfen hie nicht: Gottes Worte zu Gottes Meinung, diese, den Herzen vorgesagt und gelehrt, wie man sie üben solle (denn ohne Uebung geht es nicht in rechter Glorie!) thun viel mehr, als aller Welt Beweise.| Ein angefochtenes Herz hört ja kaum auf Gott, und muß durch der Seelsorger Engelansehen aufgerafft werden, das schwache Auge des Glaubens vom Staube weg, Gottes Worte zuzukehren; es versteht kaum Gottes nach der Unmündigen Verständniß abgefaßte Rede, geschweige mühsame Schlüsse und Demonstrationen von der Gewißheit des ewigen Heils. „Ich glaube Alles ganz einfach“ spricht das getröstete Herz eines im Herrn Sterbenden, und stößt mit Recht den Menschentrost von dannen. Man fürchte nicht, daß es unrecht sey, auf wenige, einzelne Sprüche das Heil der Menschen zu setzen: es ist ja doch vergeblich, daß man die Leute heiße allen Gottestrost und alles Gotteswort austrinken; das können Gelehrte eben so wenig, als ungelehrte Laien. Man fürchte auch nicht, daß der Geist der Anfechtung die armen Leute lehre, sich auf andere, gegentheilige Sprüche zu berufen; man theile nur nach des Apostels Gebot Gottes Wort richtig, so muß offenbar werden, daß jeder Spruch ganz wahr und ein Himmel voll Seligkeit ist. Man bleibe getrost bei wenigen Sprüchen, und wiederhole sie; man versichere dabei oft und mit treuem Fleiße, daß diese Sprüche Gottes Worte von ewiger Gewißheit, alle Menschen aber Lügner sind. Man vergebe der Schrift Nichts, und gebe neben ihr keinem Menschen Recht, auch wenn er richtig redet, damit das Volk von Menschen absehe, welche unzuverläßig sind und nicht bleiben, und allein an seinen Gott sich zu wenden, aus Seinem Worte allen Trost zu nehmen sich gewöhne. Ist einer von Zweifeln angefochten, so| bringe man nicht zur Widerlegung des Zweifels Vernunftbeweise; denn der Angefochtene sieht nicht ein, daß Zweifel nicht aus der Vernunft, sondern aus Unvernunft und Unverstand kommen: er glaubt eben recht vernünftig zu seyn, wenn er zweifelt. Man halte dem Zweifler ein Gotteswort vor, und bleibe fest dabei, daß es über alle Zweifel erhaben ist: solche Glaubenszuversicht eines Seelsorgers schlägt den Zweifel nieder, und weckt Vertrauen auf, wo es entschlafen ist; freie, auf Gottes Wort trotzende Verachtung der Vernunft, welche sich wider Gott auflehnt, treibt sie von dem Plan. – Ist Einer in tiefer Buße, so spreche man die Absolution des Herrn mit göttlicher Gewalt, und predige, daß die Absolution größer und mächtiger sey, als alle Sünden der Welt. Wird einem bange im Tode, so stimme man ein Dankgebet zu Dem an, in dessen h. Schrift bei jedem dritten Worte vom ewigen Leben geredet wird, und preise dem Sterbenden die große Sicherheit der göttlichen Verheißung, gegen welche auch der Tod mit allem seinem Grausen ein schändlicher Lügner sey. Wird einer von Satans List und Gewalt angefochten: wir wissen, welch ein Schwert wir in seine Hände zu geben haben. Will einer sich selbst reinsprechen und rechtfertigen: man zeige ihm Gottes Urtheil über alle Menschen in Seinem Worte, und wie Gottes Urtheil aller Menschen Wahn zernichte. Will einer sündigen, man zeige ihm in Gottes Sprüchen Gottes Liebe und Warnung, Zorn und Fluch – was kann man mehr?
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|  So bekämpfte Christus Seine Feinde – die Schlange und den Schlangensaamen, und überwand sie allemal – bis zum: „Es ist vollbracht!“ So erschlug Luther im Namen Gottes des Papstes Herrlichkeit und alle seine Lügen. So kann ein Jeder für sich den Sieg erringen. Man bekenne sich in Wort und Leben allezeit, in allen Fällen zu Gottes Wort: das ist der beste, schärfste, ruhigste, gewissenhafteste Protestantismus. Denn ohne die Grundlage des göttlichen Worts schwebt der Glaube in den Lüften und im Nebel, ist Traum und Einbildung.
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 Dieser Weg schafft Frieden: er scheint leicht; aber es ist nichts schwerer, als ihn – gehen und gehen lehren. Man schaue die Predigten der meisten Prediger an, was sind sie? Schöne Worte, wohlgeordnete Sätze, prächtige Tiraden, Aufwand, Qual und Qualm der Worte; aber die Methode des Glaubens, die Seelen auf Gottes Wort zu gründen, verstehen sie nicht. Von unsern Predigern und Seelsorgern sind hundert mystisch und Werkprediger, bis Einer in selbstverläugnender Liebe zu Gottes Wort Nichts zu sagen begehrt mit Allem, was er sagt, als was Gott sagt, bis Einer sich seine größte Ehre daraus macht, Gottes Worte triumphiren zu lassen über sich und seine Gabe, anstatt mit seiner Gabe über Gottes Wort und Text zu schreiben,[WS 1] und an ihnen zum Ritter werden zu wollen. Hätten mehr Prediger ihren Frieden in Gottes Worten gefunden, so gäbe es weniger gelehrte Schwätzer auf den Kanzeln, unter denselben mehr| befriedigte Gemüther, die da wüßten in Gewißheit, an welchen sie glauben, die in Noth und Tod ruhig behaupten könnten: „Mein Freund ist mein, und ich bin Sein!“

 Ueberlegt es, liebste Seelen; – und ist es falsch, so redet besser; denn es ist der Mühe werth, über den Weg zum Frieden zu reden!

Friede mit euch! Amen.




Anmerkungen (Wikisource)

  1. in der Vorlage: 'schreiben', in späteren Ausgaben 'schreiten'.