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Wilhelm Löhe: Von dem göttlichen Worte, als dem Lichte, welches zum Frieden führt

so oft, bewußt oder unbewußt, unser Heil bauen, obwohl ein so sentimentaler und katholischer Weg eben so wenig von den heil. Aposteln, als von den Reformatoren empfohlen wird. Denn man wird in ihren Briefen und Schriften vergeblich Stellen suchen, in denen sie dem Gefühle oder den Werken (sublim Tugend genannt) solche Macht, wie die Heutigen, einräumen. Was man in den Psalmen der Art findet, ist zum Theil nicht von der Art; zum Theil aber ist es gerade dazu geschrieben, daß wir daran den Ausweg aus so traurigen Labyrinthen unsrer Seele finden lernen. Auch zur Zeit der Reformatoren gieng man einen ganz andern Gang in der Seelenführung: man kannte und bekämpfte wohl das unruhige Meer der Gefühle; aber man wußte frey über’s Meer zu schiffen, ja zu gehen, statt an der brandenden Küste hinzuschleichen. Man machte nicht einmal jene Eintheilung der Facultäten menschlicher Seele in Denken, Wollen und Empfinden, – setzte etwa an die Stelle des Gefühls oder Empfindens das Gedächtniß. Und wollte Gott, wir hätten dem Gedächtniß auch eine größere Wichtigkeit gelassen in Lehr und Leben, so hätten wir vielleicht den einst wohlbekannten Weg des Friedens nicht so gar bald vergessen. Wir verwechseln insgemein den Glauben mit dem Gefühle, während der Glaube, gerade wenn er in der ihm eigenen Größe in uns steht, unserm Gefühle widerspricht, der Gegensatz des Gefühls, und, in Abwesenheit des süßen Gefühls, unter dem schwülen Drucke trauriger Gefühle, unser himmlischer, besserer Ersatz, unser

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Wilhelm Löhe: Von dem göttlichen Worte, als dem Lichte, welches zum Frieden führt. in Commission der J. Ph. Raw’schen Buchhandlung, Nürnberg 1842, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Von_dem_g%C3%B6ttlichen_Worte.pdf/10&oldid=- (Version vom 1.8.2018)