Seite:Wilhelm Löhe - Von dem göttlichen Worte.pdf/9

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Löhe: Von dem göttlichen Worte, als dem Lichte, welches zum Frieden führt

Trost nicht finden (er hat sie nicht vorräthig in seinem Gedächtniß, weil nicht im Herzen – da liegt der Fehler!); oder er hat sie gelernt, kann sie aber nicht mit eigner Sicherheit des Glaubens vorbringen (hat die Methode des Glaubens nicht, auf welche viel ankommt, welche keine Form ist, sondern Wesen) – und so stirbt das arme Herz in seinem Gram dahin, hat keinen sichern Trost, keinen im Leben, viel weniger im Sterben. Ach! da darf man wahrlich beten:

Heiliger Herre Gott!
Heiliger, starker Gott!
Heiliger, barmherziger Heiland,
Du ewiger Gott!

 Lieben Brüder! dieser Weg führt nicht zum Frieden, nicht zu der gottergebenen Zuversicht, daß uns von der Liebe Gottes nichts mehr scheiden könne. Dieser Weg ist offenbar nichts anderes, als ein Weg des Gefühls und der Werke; man geht ihn auf Krücken; und unversehens ist einem das selige Evangelium des großen Gottes zu einem werkheiligen, eigensinnigen Mysticismus umgeschlagen; – und es ist keineswegs ganz ohne, wenn man die neueren Prediger und ihre Anhänger mit dem Namen Mystiker bewirft. Wir sind alle aus einer entnervten Zeit, die keine Freude kennt, als die des Gefühls, und keine Größe, als die der Werke: Tugend und Gefühl sind Schlagwörter in der neuern Zeit. Daher hängt es uns auch noch im Christenthum, ja im Amte an, daß wir auf Gefühl und Werke (wozu Anstalten, Vereine etc. gewiß auch gehören)

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Von dem göttlichen Worte, als dem Lichte, welches zum Frieden führt. in Commission der J. Ph. Raw’schen Buchhandlung, Nürnberg 1842, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Von_dem_g%C3%B6ttlichen_Worte.pdf/9&oldid=- (Version vom 1.8.2018)