Topographia Franconiae: Rotenburg

Topographia Germaniae
Rotenburg (heute: Rothenburg ob der Tauber)
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Rotenfels
aus: Matthäus Merian (Herausgeber und Illustrator) und Martin Zeiller (Textautor):
Merian, Frankfurt am Main 1648, S. 84–90.
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Rotenburg / an der Tauber.

Ein vornehme Reichs-Stadt / so vorhin eigene Grafen und Hertzogen / gehabt hat. Von den Alten zwar / die von den Sicambris, und dem ersten Hertzog in Francken Genebaldo, und deß ersten Christlichen Hertzogen Gosberti II. daselbst Brudern / Cuniberto, oder Gumprechten / dem ersten Grafen zu Rotenburg / biß auff Wernerum, (so entweder besagten Gumprechen Ur-Enckel / oder auß Käyser Carls deß Grossen Geschlecht erbohren; doch aber mit Bluts-Freundschafft den vorigen Grafen zugethan gewesen / und der dem letzten Sicambrischen Grafen Ratulpho succedirt / und umbs Jahr 897. Hertzog in Francken worden / auch die ihme angefallene Graffschafft Rotenburg bekommen haben solle) hergeführet werden / hat man keinen gründlichen Beweiß / darauff man sich sicher zu verlassen hätte: Gleich wie auch noch ungewiß ist / ob Pharamundus, Marcomiri deß Andern Sohn / das Schloß / oder die Burg / Anno Christi 418. oder 19. zu Rotenburg / wider die Schwaben / erbauet / darzu Anno 515. auch die Stadt / oder derselben Erweiterung / kommen seyn solte / wie dann gleiches Bedencken auch mit Dünckelsbühel / so wider [85] die Francken / von den Schwaben: und Schweinfurt / von den Francken wider die Thüringer / wie man fürgibt / erbauet worden seyn sollen / vorfällt. In gleichem / und nicht weniger gezweiffelt wird / ob eben vorzeiten die Rotenburger Jovem, und Dianam, und nicht vielmehr andere der Heydnischen Teutschen Abgötter angebetet: ehe sie auff deß H. Chiliani Predigten / zu obgedachtes Gosberti II. Zeiten / den Christlichen Glauben angenommen haben sollen. Folgends wird Käysers Arnolphi Sohn Conradus, ein Hertzog in Francken / Hessen / und der Wetterau / Käysers Conradi deß ersten Vatter / gesetzt: und von dessen andern Kindern gesagt / daß sie / wegen viel ihres Geschlechts / und daß das Hertzogthumb / wegen der übermässigen Schenckungen / in Abgang gerathen / nur Grafen zu Rotenburg sich zu schreiben angefangen; auß denen im Jahr Christi 1098. Einhardus / der letzte Graff zu Rotenburg / zum Bischoff zu Würtzburg erwehlet worden / und gestorben Anno 1114. und seye also hiemit das mannlich Fränckische Geblüt der Hertzogen zu Francken abgangen / und das Land Käyser Heinrichen dem Vierdten heimgefallen; und habe sein Sohn / Käyser Heinrich der Fünffte / die Grafschafft Rotenburg / mit dem Hertzogthumb Francken / seiner Schwester Sohn / Conrado III. Hertzogen zu Schwaben / geschenckt / deme es aber Käyser Lotharius genommen / und dem Bischoff zu Würtzburg Erlango, geben; wiewol / nach sein deß Käysers Tod / gedachter Conradus der Dritte es wieder bekommen / und auff seinen Sohn Friederichen gebracht; den hernach sein Vetter / Käyser Friederich der Erste / auch ein Hertzog in Schwaben / weilen besagter Hertzog Friederich in Schwaben und Francken / der reiche Rotenburger genannt / keine mannliche Leibs-Erben hinterlassen / Anno 1168. geerbt / der folgends das Hertzogthum dem Bischoff zu Würtzburg übergeben / welcher ihme auch ein bloß Schwerdt / zum Zeichen deß wiederzugestellten Hertzogthums zu Francken das erstemal / vortragen lassen; und von solcher Zeit an / sich die Bischoffe deß Hertzogthums zu Francken allererst recht angemasset; und folgends Bischoff Gottfried von Limpurg sich am ersten Bischoffen zu Würtzburg / und Hertzogen zu Francken / geschrieben; die Graffschafft Rotenburg aber vorermeldter Käyser Fridericus Barbarossa, auß sondern Gnaden / und tragender Affection zu dem Fürsten-Städtlein Rotenburg / wegen seiner geliebten Herrn Vettern / zu dem Römischen Reich / mit sondern Begnadungen / gegeben und verehret / und ewig dabey zu bleiben verordnet: daß also Franckenland keine Weltliche Hertzogen / von Genebaldo an / auß dem Fränckischen / 790. und auß dem Schwäbischen Geblüt 52. Jahr lang / gehabt habe. Siehe unten Würtzburg. Es führten die alten Grafen zu Rotenburg / in ihrem Wappen / oben uffm Schild / eine weisse Tauben / mit außgespannten Flügeln / zwischen zweyen Büffelhörnern / unten / in einem blauen Schild / ein vergüldten Löwenkopff / mit zweyen gelben Sporn zwerchs auß dem Mund gehend; die Helmdecke war gelb / und roth / welches Wappen das Stifft Comberg / weiln es die Grafen von Rotenburg gestifftet / noch heut zu Tag führet. Man hat sie auch die Herren von der Tauben / oder Columba, das ist / von dem Wasser / so hernacher von den Innwohnern die Tauber genannt worden / geheissen. Die Stadt Rotenburg aber hat je / und allwegen / eine rothe Burg / mit zweyen rothen Thürnlein / oder Zinnen / in einem weissen Schild / zum Wappen gehabt / dessen sie sich noch heutiges Tags in ihrem Secret-Insigel gebrauchet. Als nun / wie vorgemeldt / Rotenburg dem Reich übergeben worden / haben die Römische Käyser / und König / damit die Stadt desto besser in Gehorsam behalten / und von den Benachbarten / als ein neuer Reichs-Stand / desto minder beleydigt / und bedrangt werden möchte / auff die alte Fürstl. Burg / und Schloß / ihres gefallens / Burggraffen / als Käyserliche Anwäld / und Praesidenten / gesetzt / und verordnet / in massen dann Reginaldus, gedachten Käyser Friederichs mit dem rothen Bart Sohn / der erste Burggraff gewesen; welchem sein Bruder Conradus, auch besagten Käysers Sohn / gefolget / der im Wald / Lussart genannt / umbkommen / und kein Leibs-Erben überlassen. Der dritte Burggraff war Walther / ein Graff von Limpurg / dessen Gemahlin ein Hertzogin zu Teck gewesen. Der 4. war Hermann von Hornburg / Ritter / ein Stiffter deß Barfüsser-Closters / lebte umbs Jahr 1280. und wurde deß H. Röm. Reichs Schlutheiß genannt. Der 5. war Leupolt von Weltingen / deß H. Röm. Reichs Putigal genannt. Der 6. und letzte / so viel man Nachrichtung hat / ist gewesen Otto, ein Graff von Flügellaw. Und hat also diß Burggraffthum bey 150. Jahren gewähret / biß es Anno 1352. der Stadt übergeben / und von Römischen Käysern / und Königen / Land-Richter dahin verordnet worden [86] seyn. Diese Praesidenten / und deß Reichs-Anwäld / haben / zu unterschiedlichen Zeiten ihre besondere Namen gehabt / als / 1. wurden sie Burggraffen genannt; darnach Reichs-Schultheissen / Reichs-Butigal / Reichs- oder Land-Richter / Reichs-Pfänder / Reichs-Amptmänner. Und waren alle dapffere / und Rittermässige Personen / so zum wenigsten Adelstands / und dem H. Reich ohne Mittel unterworffen / und Lehenbar waren; darunter gewesen die Edle Herren von Endtse / die Grafen von Hohenlohe / die Herren zu Brauneck / die Schencken zu Limpurg / die Landgrafen zu Leuchtenberg; die Kuchenmeister zu Seldeneck / und Nortenberg / etc. Als aber im Jahr 1356. an S. Lucas Tag / umb Vesperzeit / die alte Burg / durch ein grosses Erdbidem / sehr zerschüttert ward / hat die Stadt bey Käyser Carlen dem Vierdten / so viel erhalten / daß ihr solche alte Burg abzubrechen erlaubt worden. Da dann zugleich / mit der Burg / auch deß Burggraffthums Namen auffgehoben worden; das Officium und Ampt aber nicht. Dann die jenigen / so vorzeiten Burggraffen genannt worden / jetzt deß Reichs Richter geheissen / und haben gleichmässigen Gewalt / als zuvor die Burggraffen gehabt. Anno 1407. hat König Wentzel den wüsten Thurn in der Vesten / vor der Stadt Rotenburg / der Stadt übergeben. Anno 1425. hat Käyser Sigmund der Stadt / und ihren Nachkommen ermeldten Thurn / sampt den Mauren daran / übergeben / denselben Thurn / und Mauren abzuheben / niederzubrechen / und gäntzlich von dannen zu raumen / welches geschehen / und allein der Thurn stehen blieben. Im Jahr 1274. hat Käyser Rudolph der Erste die Burger von Rotenburg in sein / und deß Reichs ewigen Schutz und Schirm / genommen / und sie sonderlich begnadet / daß ein jeder / der zu einem Burger zu klagen hat / solche Klag vor ihrem Stadt-Richter thun / dessen Außspruch geleben / und vor keinem frembden Richter ziehen: Item / daß das Landgericht zu Rotenburg / nach alter / und bewährter Gewonheit / wie es bißhero gehalten / auch hinfüro gehalten werden soll. Item / da jemand / durch ermeldtes Landgerichts Acht / die Stadt Rotenburg verboten würde / sol dieselbe Acht dem Käyserl. oder Königl. Hof verkündet / in die memorialia eingeschrieben / und durch Käyserl. und Königl. Gnad nicht wieder darauß gelassen werden / er werde dann zuvor / eben an dem Ort / da er geächtet worden / der Acht entlediget. Item; daß alle Burger / und Innwohner der Stadt Rotenburg / und ein jeglicher insonderheit / die Steuer / und Bethe geben / inmassen man den vorigen Käysern / und Königen / geben hat / das ist / daß sie nicht weiters darüber sollen beschweret werden. Item / es sol kein Frembder keinen Innheimischen / oder Burger / umb was Sachen das sey / zu einem Duello, oder Kampff / außfordern. Item / sollen alle Kauff- und Handels-Leute / und sonsten alle und jede / so die drey gefreyte Jahr-Märckt besuchen / im zu- und abreisen / ein Meilwegs von der Stadt deß Reichs-Schutz / Schirm / und starck Geleyt / haben. Item / sollen der Stadt Weg / Strassen / und Weyd / nach alter Gewonheit / ohne männiglichs Eintrag / und Hinderniß / gebraucht werden.

Es hat aber die Stadt Rotenburg den Namen nicht von den roten Ziegeln / oder Schilten: dann sonsten andere Städt auch also müsten genennet werden; sondern von den dreyen Burgen / die der Enden / als eine die Engelburg jenseit der Tauber auff dem Berg: die ander auff dem Berg hinter dem Spital / der Essigkrug genannt: und die Mittelste vor der Stadt / die rothe Burg genannt / gestanden. Und weil diß Castell / oder Burg / mit der Stadt umbfangen / hat dahero auch die Stadt den Namen (und ohne zweiffel / auch obgedachtes Wappen) bekommen / und behalten; Also / daß sie neben Lützelburg / Magdenburg / und Altenburg / unter die vier Burgen deß Röm. Reichs gezehlet worden. Diese Stadt ist sonsten sehr lustig / hat ein gesunden / und temperirten Lufft / und ligt auf einer Seiten gegen Niedergang / da die Burg gestanden / sehr hoch auff einem Berg / darunter im Thal das Wasser / die Tauber genannt / gegen Mitternacht fleußt / und zu Wertheim in den Mäyn kommt. Auff der andern Seiten / gegen Auffgang / hat es ein schön ebenes Baufeld / und ist / von den Gnaden Gottes / der Boden umb die Stadt gantz fruchtbar / der Wein / Geträid / Obs / und dergleichen / reichlich gibt; daß man selten der Stadt Geträid zuführen dörffen; sondern sie noch andern hat mittheilen können. Es ist diese Stadt erstlich gar eng gewesen / als vom Burg-Thor an / biß an S. Johanns-Thor / (so nun weggebrochen ist;) von dannen den alten Stadtgraben hinauff / biß zum Büttelhauß: fürters biß zum Weissen Thurn / von dannen biß zum Thurn hinterm Teutschen Hauß / so abgehoben. Und dann fürters biß wieder zum Burg-Thor / doch das Frauen-Closter mit eingeschlossen. Im Jahr 1204. haben Burgermeister / und Rath allhie / zu sonderlicher [87] Zierd / und Wolfahrt der Stadt / die Mauren besser hinauß geruckt; Nemlich vom Johanns-Thor an / biß an den Siberthurn / von dannen biß an das Röderthor / ferners biß an das Galgenthor / und von dannen biß an das Klingenthor; und An. 1408. die Stadt vom Siebersthurn / biß ans Cobozeller / und Spitalthor / erweitert. Und seynd in der Ringmauer folgende Thurn begriffen / als 1. der eusser / und innere Burgthurn / am Thor. Todtengräbers-Thurn / Closter-Thurn / Straff-Thurn an der Ecken. 2. Klingenthurn am Thor. S. Wolffgangs-Kirch / und die neue Pastey / Anno 1592. erbauet. Klingen- oder Fürbringers-Thürnlein. Darneben Pulverthurn. Der Henckersthurn. Kummereckthurn. 3. Galgenthurn am Thor. Thomasthurn. Weibersthurn. 4. Rödersthurn am Thor. Hochennersthurn. Faulthurn. Schwebelthurn / Ruckesser genannt. Groß- und Klein-Stern. 5. Spital-Thurn an dem Thor. Die Pastey allda Anno 1547. erbauet. Der Wißbader- und der Hunds-Thurn. Kalck-Thurn. Fisch- und Kahlenthurn. 6. Cobozellerthurn oberhalb dem Thor. Weiß-Thürnleins. Heintzlesthurn. Tauberthürnlein / im Johannser-Hof. Keß-Cammer in der Hell. Der Thurn bey deß Fürbringers Scheuren im Eck. Demnach auch die Stadt / ihrer Höhe halber / sonderlich in dürren Jahren / Mangel an Wasser gehabt / als haben die lieben Alten auch diesen Mangel ergäntzt / und den Herterich / oder S. Georgen-Brunnen / An. 1446. in die Stadt führen lassen / welcher im folgenden Jahr in einen höltzern Kasten geleitet worden; aber An. 1491. in einen steinern erstmals gangen; und Anno 1608. der jetzige Kasten von harten Steinen dahin gesetzt worden. Hält 1286. Eymer Nürnberger Eich / thut 107. Fuder 2. Eymer. An Rotenburger Eich aber 1071. und zwey drittheil Eymer / thut 89. Fuder 5. Eymer 21. und ein drittheil Maß. Ist acht Schuh hoch / und 13. Schuh tieff. Den Casten hat Michel Schenisberger Steinmetz; die Säul aber / und das Bild / Christoff Körner / gehauen. Im Jahr 1599. als man noch Mangel an Wasser hatte / und empfande / hat man den Klingenbrunnen in die Stadt führen lassen / und dem Teutschen Orden die Götzen-Mühlen / zu einem Brunnenhauß / abgekaufft. Der steigt nun 1400. Schuh hoch / vom Thal den Berg hinauff / biß auff den Klingen-Thurn / und fällt in einen Kupffern Kasten / von dannen theilt er sich in zween Hauptbrunnen. Der erste stehet auff der Capellen / der ander auff dem Viehemarckt. Sonsten seynd in der Stadt / als auffm Blönlein (dessen Kasten / sammt dem Bogen / und Trog / Anno 1607. gemacht worden;) Item in der Klinggassen / beym Schwartzen Adler / und bey dem Klingen-Thor; Item an der Johanniter-Kirchen / auch springende Bronnen / und 29. gemeine Schöpffbrunnen / ohne was die Burger in ihren Häusern haben / deren eine grosse Anzahl ist. Im Jahr 1373. hat E. E. Rath / und etliche alte erbare Geschlechter / auch andere Gottsförchtige Leut / S. Jacobs Pfarrkirchen angefangen zu bauen. Sie hat 12. Säulen / so den gantzen schweren Bau tragen; darneben zween hohe Kirch-Thürn / so 90. Ellen hoch / oben durchsichtig / und mit Gängen gezieret seyn. So ist der Obere Chor 24. Ellen hoch. Im Jahr 1453. hat man an dem hintern Chor / jetzt die Borkirchen genannt / den ersten Stein gelegt / und ist man mit solchem Gebäu Anno 1471. fertig worden. Auff dem Milch-Marckt stehet eine Capellen / im Jahr Christi 1404. vom Herren Peter Creglingern / dem ältern / Burgern zu Rotenburg / zu ehren der Heil. Jungfrauen Mariae gestifftet. Ist zuvor die alte Judenschul der Enden gestanden / und das Seel-Hauß / oder die elende Herberg / der Juden Tantz-Hauß gewesen: welches Seel-Hauß mit 2. Stuben / Küchen / und andern nothdürfftigen Dingen / darinn arme Leut / die dessen begehren / auff ein par Nächt / beherbergt werden / versehen / und wird denselbigen Saltz / Holtz / und Liecht / mitgetheilt / die Bett / und Bettladen / sollen die Pfleger zu S. Jacob erhalten. S. Wolffgangs-Kirchen vor dem Klingenthor hat grossen Ablaß; und stehet ob der Kirchenthür: Römischer Ablaß auff dem Christtag / Ostertag / Pfingstag / Dienstag nach Bartholomaei / S. Wolffgang / Aller Heiligen / unser Frauen Conceptionis, Annunciationis, jegliches Fest 1240. Tag. Auff dem Tag der Kirchweyh 2480. Tag / durch das gantze Jahr / alle Tag 40. Tag. Am Dienstag Bartholomaei kommen Jährlich die Schäfer auff 3. Meilwegs in Umbcrayß zu Rotenburg zusammen / gehen in der Procession in diese Kirchen / zur Predigt / von dannen in ihr Wirthshauß zum güldenen Lamm / als ihr sonderbare Herberg / machen sich lustig / und frölich / tantzen darnach auff dem Marckt etliche Stunde / und darff kein Handwercksbursch / ohne Erlaubnuß / mit ihnen tantzen / sonsten wird er in den obgedachten Röhrkasten / den Herterich / geworffen. Es haben die Juden / wie obangedeutet / auch allhie ihre Synagogen / Kirchen / [88] Kirchhof / und Tantz-Hauß gehabt / davon der Kirchhof / in der Stadt / und die Judengassen noch den Namen hat / und behält; und werden 4. Grabschrifften im neuen Kornhauß eingemauert gelesen. Dabey zu mercken / daß der Teutschen Juden Jahr-Rechnung / vom Anfang der Welt / biß auff das 1619. Jahr / macht 5379. Jahr. Als sie die Juden anno 1397. wegen vorgehabter Verrätherey / wie man ihnen zugemessen / auß Rotenburg / am Charfreytag / verjagt / und verbrennt worden / hat man darauff den Kirchhof zu der Burger Begräbnuß gebraucht / die Capellen eingenommen / und zur reinen Maria genannt. Dieser Kirchhof / und Capellen / seyn Anno 1520. als die Juden abermals / auff beschehene Auffkündigung / außziehen müssen / geweyhet; die Capellen aber hernach in Bäurischen Auffruhr zu Grund niedergerissen / und verwüstet worden. Den Kirchhof / oder Gotts-Acker / hat man vor das Röderthor hinauß transferirt / umbmauret / und ein Kirchlein darein gebauet / zu den Leichpredigten / welcher / sampt dem Kirchlein / den 16. Julii Anno 1562. ist eingeweyhet worden.

Im Jahr 1274. hat Käyser Rudolph der Erste der Stadt Rotenburg die Freyheit gegeben / drey Jahrmärckt zu halten; als Dienstags nach Ostern / und nach Pfingsten: Item auff S. Jacobs-Tag / und sollen alle und jede / so selbige besuchen / zu / und von den denselben / auff ein Meilwegs / ein Käyserl. und deß H. Reichs starckes Geleyt haben. Anno 1282. den 6. Junii hat höchstgemeldter Käyser Rudolphus, den Jahrmarckt / so die Kirchwey genennt wird / und vorzeiten bey den Franciscanern gehalten worden / 14. Tag nach Pfingsten acht Tag lang zu halten / gefreyet / also / daß alle Handelsleut / so den Marckt besuchen / für sich / ihre Haab / und Güter / ein frey / starck / sicher Geleyt haben / und gleich anderer Frey- und Reichs-Städt Messen / privilegirt seyn sollen. Anno 1331. und 1340. hat Käyser Ludwig die Andreas-Meß / und Niclas-Marckt / zu halten vergönnt / also daß sie den Abend anfangen / acht Tag / währen / auch mit allen Rechten / und Gnaden / als andere ihre Jahrmärckt / befreyet seyn sollen. An. 1370. hat Käyser Carl der Vierdte der Stadt vergont / den S. Lorentzen-Marckt / der vor dieser Zeit zu Gevsattel / in der langen Gassen / als man von S. Lenhard dahin reitet / bey dem Igelspach gehalten worden / in der Stadt zu haben / als dardurch viel Ubel verhütet würde / auch solches dem Reich / und der Stadt nützlicher / und friedlicher wäre: weil sonderlich einsmals / wegen eines / an einem Burger / ergangenen Mords / ein Aufflauff entstanden war. Anno 1406. hat Käyser Rupertus den Bartholomaei-Marckt / daß er / biß auff Egidii Tag währen sol / wie andere Messen / und Jahrmärckt / befreyet.

Das Regiment betreffende / obwoln allbereit in Anno 1230. diese Stadt ihre Burgermeister gehabt / so hatten sie doch auff die von dem Reich vorgesetzte Land-Richter zu sehen / biß vom Käyser Carolo IV. solch Landgericht / mit aller Zugehör / der Stadt übergeben worden / und sie also völligen Gewalt / in Geist- und Weltlichen / in Burger- und Peinlichen Sachen / gleich andern Reichs-Städten / erlangt / und biß dahero exercirt. Und bestehet der innere Rath von 16. Personen / so auß dem eussern Rath erkiest / und unter denselben fünff zu innern-Burgermeistern erwehlet werden / deren zween solch Ampt / einer von Walpurgis biß Leonhardi der ander von dar an / biß wieder Walpurgis / verwalten; deren jedem ein eusserer Burgermeister / auß dem eussern Rath / zugesellet wird. Es werden auch auß dem innern Rath zween Steurer / ein Baumeister / und ein Richter erwehlet / denen auß dem eussern Rath auch einer zugegeben wird; und sind die jenige Personen / in Handlung ihrer eygenen / oder ihrer Freund Sachen / umb ihres interesse willen / beym Rath außzutretten schuldig. Der Sachwalter selbsten / er sey Kläger / oder Antworter / der Anherr / der Vatter / der Sohn / das Enckle / der Bruder / Vatters Bruder / von eines Vatters Schwester wegen; Bruders / und Schwester Sohn / der Schweher / von Leuth wegen / die sein Sohn oder Tochter haben. Von eines solchen Schwehers / Bruders / oder Schwester wegen / der Eydam / oder Tochter-Mann. Schwager / der eines Vatters / oder eines Mutter Schwester hat. Schwager / der eines Schwester hat. Von eines Schwagers wegen / der eines Weibs Schwester hat. Endlich ein Pfleger / oder Vormund. So von jemands wegen ichts fürgelegt / gehandelt / oder gefragt wird / es sey in Rechtssprüchen / Aemptern / oder anderm / so sollen alle desselben Zunahmens / die desselben Geschlechts sind / außtretten / und nichts darinn handeln. Sollen auch in beyde Räth nicht gewehlet werden / Vatter und Sohn / nicht zween Brüder. Sonsten mögen wol darein gewehlet werden / zween die [89] nächsten Schwäger / und zwey Geschwistrigt Kind / aber nicht mehr / derselben Sipp. Auß gedachtem innern Rath werden 2. Pflegere über den Spital / und beyde Clöster; Item die Landvögt in Goi / (Göw / Gau) und Zwerchmair: (über die der Stadt gehörige Flecken / Dörffer / etc.) sampt den Kriegs- und Wildbannsherrn: Item Vormunds Verhörer / und Meelwag Herren / genommen. Den Steinern / und Schiedern / werden etliche auß dem eussern Rath / und der Burgerschafft zugeordnet. Und bestehet solcher eusser Rath in 40. Erbaren / redlichen / und unverleumbdten Personen / darauß ein inner Rath ergäntzet wird. Nach diesen beyden Rähten sind 40. erbare Personen / die nennet man Hauptleuth / und Genannte / darumb / weil sie / neben dem eussern Rath / bey Nachtzeiten / je zween / und zween / die Stadt-thor / und Mauren / auch die Wachten / besuchen / umbgehen / und erforschen: und wird mit diesen Personen der eussere Rath ergäntzet. Und weilen der Stadt Thor sechs seyn / so ist dahero die Stadt auch in sechs Wachten außgetheilet / und hat so viel Wachtbieter / und Thorwarter. Deßgleichen hat ein jedes Handwerck seine geschworne Meister: denen ein innerer Rathsherr zugegeben / die Meisterstuck zu besichtigen / und ihren Zunffttägen beyzuwohnen. So seyn auch sondere Personen verordnet / zum Fleischbeschauen / und Bierschätzen: Item Gewicht / Maaß / Ellen / Würtz / gesaltzen Fisch / Oel / Unschlit / Gold / und Silber / Zinn / Kalck / und Meel / auch allerhand Viehe / zu besichtigen. Was obangeregtes Landgericht betrifft / so diese Stadt / von unerdencklichen Jahren eygen / besonders / und dem Würtzburgischen Landgericht / mit nichten unterworffen gehabt / so ist solches unter dem freyen Himmel / auff der alten Burg (wie dann noch Anzeigungen / und der alte Richterstuhl / heutiges Tags / vorhanden) offentlich gehalten worden: wie dann auch die Hertzogen zu Francken allhie / als in ihrer ältesten / und Hauptstadt / Hof gehalten / und Hertzog Conrad der Dritte einen Thurnir allda angestellet hat. Und solches Landgericht solle sich erstrecket haben / so weit das Bistumb Würtzburg gehet / und als weit die vier Wälde / der Thüringer / Böheimisch / Schwartzwald / und die Schörnitz / oder Odenwald / begriffen seyn / und muste der Land-Richter solches mit gulden Sporen besitzen.

Was zu Rotenburg denckwürdig zu sehen / dessen ist im vorgehendem zum theil Andeutung beschehen: und erhellet das übrige auß der Stadt Abbildung. Allein ist die grosse Glückseligkeit / und der Uberfluß / deren Nicolaus Reusnerus, in der fleissigen Beschreibung dieser Stadt / gedenckt / bey diesen betrübten Kriegszeiten langst nicht mehr vorhanden: sondern es hat Rotenburg viel Widerwärtigkeiten / und grosse Drangsalen / in vorigen Jahren / außstehen müssen / wie berichtet worden ist. Der Mangel aber an gutem Trinckwasser / davon auch er / Reusnerus, Meldung thut / ist allbereit / wie oben gesagt / ersetzt worden: wiewol man sagt / wann es dürre heisse Jahr gebe / daß man allda mehr nach Wasser / als Wein / zu schreyen habe. Es hat allhie ein schones Rathhauß / und ist der Rath der Augspurgischen Confession / wie auch die gantze Stadt / und ihre Unterthanen ausserhalb derselben (deren vor diesem Krieg viel gewesen) zugethan / also / daß obwoln im Johanniter-Hof eine Kirche / doch in derselben; wie auch in dem Teutschen Hauß / so beyde nur ihre Verwalter haben / kein offentlich Exercitium ist. Der Stadt Monatlicher Einfacher Reichs-Anschlag zum Römer- oder Türckenzug / ist 10. zu Roß / 65. zu Fuß / oder 380. Gulden. Es seyn offt Zusammenkunfften allhie angestellt worden; auch anders mehr vorgangen / davon wir aber / ausser deß obigen / keinen Bericht empfangen; finden auch sonsten der Zeit wenig davon / als daß diese Stadt Anno 1406. und 7. vom Burggraffen zu Nürnberg vergebens belagert worden seyn solle: Item / daß An. 1631. nach der Leipziger Schlacht / erstlich die Schweden diese Stadt eingenommen / hernach im Octobri / der General Graff von Tilly / nebenst dem Hertzogen von Lothringen / Generaln von Pappenheim / und andern Generals-Personen / mit vielem Volck belagert / beschossen / und endlich / als sich dieselbe auff Gnad ergeben / und ein Fußfall gethan / und ihr ein starcke Summa Gelds auferlegt worden / occupirt; gleichwol die Häuser / ausser denen / so auff dem Marckt gestanden / die Soldaten geplündert; hernach Anno 32. auß Forcht / verlassen: und darauff abermahls die Schwedischen sich deren bemächtiget haben: aber solche Anno 34. nach der Nördlinger Schlacht / wieder von den Käyserischen mit Accord erobert worden; da dann abermals ein zimlich Stuck Geld springen / und die Stadt jederweilen Käyserliche Guarnisonen halten / auch Winterquartier geben müssen / und ist es sonderlich Anno 44. hart da gestanden. Anno 1645. haben die Frantzosen [90] Rotenburg auffgefordert / beschossen / und nach schlechtem Widerstand / (weil nur 200. Chur-Bayrische / vom Creutzischen Tragoner-Regiment / darinnen gelegen) auff Gnad und Ungnad erobert / die Tragoner untergestellt / und ihren Obrist-Lieutenant in Arrest genommen / und die Stadt mit Frantzösischen Völckern besetzt. Als folgends das Frantzösische Kriegsheer wieder über Rhein gangen / so haben die Bayrischen diese Stadt / mit Accord / wieder bekommen.

Dieser Stadt Reichs-Anschlag ist Monatlich an Geld 380. Gulden / und zu Unterhaltung deß Cammer-Gerichts / Jährlich / ordinariè 90. cum augmento aber 150. fl. den Thaler zu 69. kr. zu rechnen. In der Beschreibung dieser Stadt / die Herr Limnaeus tom. 4. de J. publ. p. 300. seqq. setzet / stehet / unter andern / daß der status Reipublicae, auß der Aristocratia, und Democratia, vermischt seye; doch also / daß die Aristocratia den Vorzug habe; gleichwol die vornehmsten / oder der Innere Rath / von den Bürgern deß eussern Raths / erwehlt; und / zu Anhörung der Stadt-Rechnung / auch etliche von der Burgerschafft beruffen werden; und der eussere Rath Macht hat / auch ihme obligt / sich umb das Leben / Sitten / und Regiment / deß Innern Raths zu erkundigen / und solchen zu reformiren. So wird ein Burgermeister deß Eussern / einem Burgermeister deß Innern Raths / zugegeben; und sitzen auch sonsten von der Burgerschafft etliche bey den vornehmsten Aemptern. Der Burgermeister deß eussern Raths fragt erstlich den regierenden Burgermeister / umb seine Meynung / und so fort an die andern Herren deß Innern Raths. Er aber saget seine Meynung nicht. Uber das / so schweeret der Innere / dem Eussern / und hergegen der Eussere / dem Innern Rath / Jährlich. Es können allhie auch Frembde / Rathsherren / und Burgermeister werden. Es währet aber eines Burgermeisters Ampt ein halbes Jahr; und bestehet der Ordinari / oder Innere / und rechte Rath / von 16. Personen; darunter 5. Burgermeister seyn; bey welchen der gröste Gewalt in der Stadt ist. Im Eussern Rath sitzen 40. von der Gemeind / und andern Bürgern / so die gantze Stadt repraesentieren. In Sachen / daran viel gelegen / ist der Ordentliche / oder Innerliche Rath / verbunden / den Außschuß von der Burgerschafft / und die jenige / so solche vertretten / zusammen zu beruffen / und sie umb ihren Consens, oder Einwilligung / zu ersuchen, Und so viel auß wolehrnernanntem Herrn Limnaeo, der auch p. 307. seqq. unterschiedliche dieser Stadt privilegia, und statuta, setzet; davon / und der Bestellung deß Raths / auch andern Sachen; Item / der Stadt Gebieth / und dergleichen / auch in obberührtem unserm Text / und was sie vor Jahren / für Herren gehabt / und ihren Geschichten / zu lesen ist. Anno 1585. als ein starcke Pestilentz allhie sich erregt / und etlich hundert Personen hinweg genomen / ist nicht einiger unter allen Schülern / deren auff die 500. damaln gewesen / daran gestorben; wie M. Georg Albertus, in deß D. Jacob Killingers Leichpredigt meldet. Anno 1631. als im Octobri, der Herr General / Graff von Tilly / Rotenburg einbekommen / ward der Printz von Pfaltzburg / deß Hertzogen von Lothringen Feldmarschall / in die Stadt gelegt. Daß aber Graff Bisaccioni lib. 2. histor. p. 178. also schreibet: Tilli andò, e prese Rottemburgo, la diede à sacco, e poi la condannò al fero, et al fuoco etc. das ist nicht geschehen. Dann ob es wol ohne Plünderung nicht gar abgangen; so hat man doch mit Feuer / und Schwerdt / als dieser Graff schreibet / da nicht gewütet: wie Herr Johan-Georg Styrtzel / von Augspurg / wolverdienter Burgermeister allhie zu Rotenburg / und hochgelehrter Herr / mich / vor Jahren / mündlich allhie / in Ulm / berichtet hat. Anno 34. haben Strozzi, und Joan de Werth, vor dieser Stadt nichts außgericht. Aber / nach der Nördlinger Schlacht / eroberte der Herr General Piccolomini, den 8. Septembrs, sie mit accord. Was dabey Kemnitzius, im 2. Theil vom Schwedischen Krieg / am 584. b. erinnert / und berichtet / mag man bey ihme selbsten lesen; und die der Sachen Wissenschafft haben / davon urtheilen.