Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Götterpolster, Kissen in Tempeln vor dem Bild einer Gottheit
Band XXIII,2 (1959) S. 19771978
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pulvinar, das Götterpolster, das Kissen, das man in den Tempeln vor dem Bilde einer Gottheit hinlegte, ante statuam, CIL V 5272[1] Z. 23. Vor das Polster wurde ein Tisch mit den Opferspeisen für den Gott hingestellt. Da man sich vorstellte, daß er persönlich zu dem ihm bereiteten Opfermahl erscheine, so wurde ihm nach menschlicher Sitte ein Speisepolster hergerichtet, das häufig neben p. auch lectus heißt. Gelegentlich wird das p. eines einzelnen Gottes genannt, so der Iuno Sospita in ihrem Tempel in Lanuvium, wo 218 v. Chr. ein Rabe in ipso pulvinari sich niederließ, Liv. XXI 62, 4, das Juppiter auf dem Kapitol, V 52, 6, das 38 n. Chr. ein Wahnsinniger bestieg und darauf Selbstmord beging, Cass. Dio LIX 9, des Sol neben dem Tempel des Quirinus, Quintil. inst. I 7, 12, gestiftet von der gens Aurelia, Fest. 21 s. v., des Castor in Tusculum, ebd. 313. Auch Private erhielten die Erlaubnis, auf ihre Kosten ein Heiligtum mit einem p. zu errichten. So stiftete die Vestalin Licinia der Bona Dea Altar, Kapelle und p. sub saxo sacro, Cic. dom. 136.

Die Sitte, den einzelnen Göttern in ihren Tempeln ein p. zu errichten, übernahmen die Römer von den Griechen, bei denen das p. bald κλίνη, Cass. Dio a. O., bald στρωμνή heißt, Syll.3 589. Nach Diod. I 45 hatte schon der König Menes oder Menas, den die Überlieferung als ältesten Herrscher Ägyptens bezeichnet, für die Götter Tische und Sitze und kostbare Polster eingeführt. Der griechische Ritus wurde zunächst auf Geheiß der sibyllinischen Bücher für die in den römischen Kult aufgenommenen griechischen Gottheiten geübt. Ihre Tempel erhielten als Eigentümlichkeit ein p., auf dem zunächst bei der Gründung des Heiligtums, dann am Jahrestag der Stiftung und bei besonderen Anlässen ein Symbol oder puppenartiges Bild der Gottheit niedergelegt wurde, um die Opfermahlzeit auf einem vor dem p. aufgestellten Tische dargebracht zu erhalten. Wissowa Religion2 422. Hauptsächlich fanden vor den Pulvinaren Götterbewirtungen zur Zeit öffentlicher Gefahren und Bedrängnisse anläßlich der staatlich angeordneten lectisternia statt, worüber ausführlich der Art. Lectisternium, o. Bd. XII S. 1108ff. handelt. Da lectisternium und p. untrennbar zusammengehören, steht p. häufig synonym für lectisternium, Wissowa a. O.

Bei den Kollektivlektisternien von drei Götterpaaren wurde für je ein Paar ein p. hingelegt, beim letzten Lektisternium zu Ehren der zwölf Götter im J. 217 demgemäß sechs Pulvinare, Liv. XXII 10, 9. Seit der Schlacht von Cannae wurden keine öffentlichen Lektisternien mehr abgehalten, sondern beständige Pulvinare in den Tempeln eingeführt, Liv. XLII 30. Arnob. adv. nat. VII 32. Neben den Lektisternien und noch lange nachher wurden Bitt- und Dankfeste in den Tempeln abgehalten, wobei sich häufig die Redensart ad (circa) omnia pulvinaria findet, s. den Art. Supplicationes u. Bd. IV A S. 944, 57. Daher [1978] bedeutet pulvinaria in der Folge soviel wie templa, Serv. Georg. III 533: Pulvinaria pro templis ponimus, quum sint proprie lectuli, qui sterni in templis ... consuerunt, CGlL V 477, 6 p. = templum. Ovid. met. XIV 827. Bei den Götterpolstern fanden bisweilen Mahlzeiten der Magistrate unter Saitenspiel statt, Cic. Tusc. IV 1, 4, oder auch von Privaten, Horat. carm. I 37, 3.

Auch bei den Zirkusspielen hatten die Götter, die man sich anwesend dachte, ihr p., wohin ihre Bilder auf tensae geführt wurden: tensa vehiculum quo exuviae (simulacra, Serv. Aen. I 17) deorum ludicris circensibus in circum et ad p. vehuntur, Fest. 364. In diesem Sinn heißt auch die kaiserliche Loge, die Augustus beim Circus Maximus errichten ließ, p., Mon. Ancyr. IV 4. CIL VI 9822,[2] von wo aus er bisweilen mit der Gattin und den Kindern sitzend, wenn auch ungern, den Spielen zuschaute, Suet. Aug. 45, 1; Claud. 4, 8. Bei Amm. Marc. XIX 11 bezeichnet aureum p. ein auf dem kaiserlichen Thron liegendes Kissen. Im übertragenen Sinn bedeutet p. die Lagerstätte von Göttinnen (Catull. 64, 47) und fürstlicher Frauen, Ovid. Pont. II 2, 271. Iuven. VI 132. Die Zuerkennung eines p. ähnlich wie die von Tempeln und Altären zu Ehren Cäsars galt als Kennzeichen der Apotheose, Cic. Phil. II 110. Suet. Caes. 76, 1. Ebenso wird dem verstorbenen Töchterchen der Poppaea ein p. nebst einem Tempel und Priester vom Senat beschlossen, Tac. ann. XV 23.

Ob auf die Pulvinare Götterbilder oder bloße Symbole gelegt wurden, darüber sprechen sich die Schriftsteller nicht aus. Von Corn. Nep. Timoth. II 2 wird nur erwähnt, daß die Athener nach einem Sieg des Timotheos der Göttin des Friedens ein p. errichteten, von Diod. VIII 42, daß die lokrischen Gesandten den Dioskuren in ihrem Tempel in Sparta eine κλίνη stifteten. Nach Iustin. XX 2, 14 sollen die Lokrer auf ihren Schiffen die Dioskuren durch Pulvinare geehrt haben. Von den Rhodiern hingegen wird bei Val. Max. II 10 Ext. 1 erzählt, daß sie bei der angeblichen Zurückführung der Statuen des Harmodios und Aristogeiton diese auf Pulvinare gestellt hätten. Ebenso wurden beim Zwölfgötterlektisternium in Magnesia im J. 196 v. Chr. die Bilder der Zwölfgötter prächtig gekleidet auf die Polster gelegt, Syll.3 589. In älterer Zeit ersetzte man die Götterstatuen, wie es scheint, durch Symbole, namentlich durch kranz- oder kronenartige Gebilde aus Laubwerk, sog. struppi, s. den Art. Lectisternium o. Bd. XII S. 1113, später nach Liv. XL 59 durch die capita deorum, d. h. ihre Büsten.

[A. Hug. ]

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. Corpus Inscriptionum Latinarum V, 5272.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 9822.