Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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aus dem Orient, bei Griechen, Etruskern und Römern vielfach bezeugt
Band VI,2 (1909) S. 19591963
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Fächer, ῥιπίς, flabellum. Der Gebrauch des F.s bei Griechen, Etruskern und Römern ist vielfach bezeugt, für die Griechen überwiegend, für die Etrusker ausschließlich durch Bildwerke, für die Römer mehr durch Schriftstellerzeugnisse. Die Sitte ist vermutlich im 5. Jhdt. aus dem Orient nach Griechenland gekommen; älteste Erwähnung Eurip. Or. 1428, wo Helena von einem phrygischen Sklaven βαρβάροισι νόμοισι gefächelt wird. Daß in Cumae bei der systematischen Verweichlichung der Jünglinge durch den Tyrannen [1960] Aristodemos, um 500 v. Chr., auch der F. eine Rolle spielte (Dion. Hal. VII 9) ist nicht hinlänglich beglaubigt und kann spätere Ausschmückung sein. Dagegen ist im Orient der F. seit alter Zeit üblich. In Ägypten sind die F.-Träger des Königs hohe Hofbeamte; sie tragen als Abzeichen ihrer Würde einen F., der aus einer großen, auf einem Griff stehenden Feder besteht; dagegen wird das wirkliche Fächeln des Königs von Dienern besorgt durch F. in Form eines halbkreisförmigen Schirms auf langer Stange, die auch als Standarten dienen: Erman Ägypten I 98ff. 111f. 289f. II 648. 719. Wilkinson Manners and customs of the ancient Egyptians I2 49. 195. 197. 422. II 324. 436, 7. III Taf. 60 E. 64, 3. Ein ähnlich geformter, aus einem auf einen halbrunden Rahmen gespannten Stoff bestehender F. mit kurzem Griff in einem einen Tauschhandel darstellenden Wandgemälde aus dem alten Reich. Gaz. archéol. VI 1880 Taf. 16 (Maspéro). Auch auf assyrischen Monumenten kommt der F. vor, bestehend aus mehreren auf einem Stil stehenden Federn; mit ihm fächelt der König sich selbst oder wird von Eunuchen gefächelt. Layard Monuments of Niniveh I 5. 12. 30. 48. 49. 50. 77. 82.

Bei Pollux X 127 wird die ῥιπίς unter den γυναικεῖα σκεύη aufgezählt. Meistens wird in der Literatur der F. so erwähnt, daß er von Sklaven gehandhabt wird. Eurip. Or. 1428. Plaut. Trin. 252 (flabelliferae: gute Darstellung einer solchen auf dem pompeianischen Bilde bei Sogliano Mon. dei Lincei VIII 1898, 345; vgl. Röm. Mitt. XI 1896, 76f.). Ter. Eun. 595; diese beiden nach Menander und Philemon. Dion. Hal. VII 9, 3. Plut. Anton. 26 (Kleopatra als Aphrodite von Eroten gefächelt). Ammian. Marc. XXVIII 4, 18. Claudian. in Eutrop. I 109. 463. Doch war es auch allgemein üblich, selbst den F. zu führen. So sind wohl zu verstehen die Epigramme Anthol. VI 206, 5. 207, 4. 290, 1, wo die Braut den F. als Teil ihrer Mädchentoilette der Aphrodite weiht. Deutlicher aber ist dieser Gebrauch bezeugt durch die Monumente: Griechische Terrakottafiguren, Winter Typen der figürl. Terrac. II 23, 7. 24, 7. 33, 8. 36, 4. 6. 38, 2. 39, 1. 53, 2. 56, 6. 7. 90, 5. Heuzey Terresc. du Louvre Taf. 23, 3. 25, 3. 30, 1–3. Dumont-Chaplain Céramiques de la Grèce propre Taf. 14. 16. 17. 23. Griech. Terrac. im Berlin. Museum Taf. 6. 9. 14. 18. Furtwängler Coll. Sabouroff Taf. 85. 99–104. Ferner die weiblichen und noch mehr die männlichen Deckelfiguren der etruskischen Aschenurnen, in großer Zahl vorhanden, namentlich im Museum von Volterra, aber wenig publiziert. Gori Mus. Etr. I Taf. 132. 140. III 4, 1. Mon. d. Inst. VI–VII 60. Daremberg-Saglio Dict. des Ant. II 1151 Fig. 3075 (Louvre). Relief einer Urne Inghirami Mon. Etr. I Taf. 76. Beides, das Selbstfächeln und die Tätigkeit der Begleiterinnen, findet sich oft auf gemalten Vasen.

In den vielen bildlichen Darstellungen des F. scheiden sich zwei Formen deutlich erkennbar aus: der Blatt-F. und der Feder-F.

Der Blatt-F. hat die Form eines großen herzförmigen Blattes, meist mit kurzem Griff oder Stiel zum Selbstgebrauch, seltener mit langem; so die flabellifera des oben zitierten pompeianischen [1961] Bildes. Das Blatt ist bestimmt worden als das einer Pflanze aus der Familie der Araceen (Arum colocasia), die auch jetzt in Griechenland gebaut wird, De Chanot Gaz. archéol. III 1877, 14. Ob in irgend einer der bildlichen Darstellungen ein wirkliches, als F. gebrauchtes Blatt gemeint ist, kann wohl nicht mit Sicherheit gesagt werden; sehr naturalistisch ist die Blattform an der Deckelfigur der etruskischen Urne Gori Mus. Etr. III 4, 1; vgl. auch das Relief Inghirami Mon. Etr. I 76. Dagegen haben die F. anderer Deckelfiguren wohl Blattform, enthalten aber Ornamente, sollten also nicht als wirkliche Blätter erscheinen, Gori a. O. I 132 und unedierte in Volterra. An den Terrakottafiguren ist die Form meist naturalistisch; aber wo die Farbe erhalten ist, zeigt sich vielfach, daß sie nicht grün, also ein wirkliches Blatt nicht gemeint war. Besonders lehrreich sind hierfür die oben zitierten Tafeln der Kollektion Sabouroff; wir finden da einen hochroten F. (85), einen vergoldeten (101; vgl. Ammian. Marc. XXVIII 4, 18), einen weißen mit rotem Rande (100), einen ornamentierten (102). Ornamente auch Griechische Terrakotten im Berl. Mus. 6. So ist auch in dem Sarkophagrelief Maffei Mus. Veron. Taf. 47, 5 der Blatt-F. mit einem Rande versehen. Mehr naturalistisch ist er ebd. Taf. 49, 5 und in Wandgemälden: Aldobrandinische Hochzeit, Baumeister Denkm. Fig. 946; ferner Pitt. di Ercol. II 26. 34. Als naturalistisch gebildeter Blatt-F. kann das prasinum flabellum Martial. III 82, 11 verstanden werden. Als Material aller dieser Blatt-F. kann man sich am ehesten Leder vorstellen. Auf Vasenbildern erscheint der Blatt-F. selten in einigermaßen naturalistischer Form (Heydemann Vasens. zu Neapel, Index: Fächer). Meistens ist hier die Blattform sehr stilisiert, mit gänzlichem Verzicht auf Illusion. Baumeister Denkm. Fig. 745. Arch. Ztg. 1844 Taf. 24. Mon. d. Inst. IV 21. Tischbein Vases Hamilton III 22. Dict. des ant. Fig. 3076.

Der Feder-F. ist auch literarisch bezeugt, Eurip. Or. 1431. F. aus Pfauenfedern Athen. VI 257 b (Φωκαϊκὸν ψῦγμα: von Pfauen aus Phokaia). Claudian in Eutr. I 109: roseis pavonum ventilat alis, also Schwungfedern, nicht Schwanzfedern, wie Prop. III 24. 11, die in der Tat weniger dazu geeignet sind. F. aus Pfauenfedern Pitt. di Ercol. ΙΙΙ 24 (Helbig Wandgem. 1844). Im übrigen sind Hauptquelle für unsere Kenntnis des Feder-F.s die Deckelfiguren der etruskischen Urnen: Dict. des ant. Fig. 3075. Gori Mus. Etr. I 140; unedierte namentlich in Volterra. Die gewöhnliche Form ist die, daß an der Spitze des kurzen Stieles ein Mittelglied in Form eines eiförmigen Blattes (einzeln auch dreieckig) angebracht ist, um welches dann die Federn – Schwungfedern – angebracht sind, meist so, daß das Ganze die Form eines herz- oder eiförmigen Blattes erhält; in dieser Beziehung ist der Feder-F. gewissermaßen eine Unterart des Blatt-F.s. Vereinzelt hat er auch die Form eines schildförmigen Blattes, indem die Federn auch den Ansatz des Stieles decken. Das Mittelglied ist verziert, am Rande, durch Bezeichnung der Mittellinie (so daß es auch hierdurch Blattcharakter erhält) und mit sonstigen Ornamenten; und da es auch gebogen [1962] und unsymmetrisch erscheint, so wird es wohl als Leder mit aufgenähten Glasperlen und gestickten Verzierungen zu verstehen sein.

Eine andere Art Feder-F. zeigt die Vase d’Hancarville Antiqu. Hamilton I 71 (= Elite céram. IV 80). Hier fehlt das Mittelglied und gehen die ziemlich naturalistisch gemalten Federn gleich vom Ende des Stiels palmettenartig auseinander. In mehr stilisierter und schematischer Darstellung findet sich dasselbe Motiv Él. céramogr. IV 73. Stackeλberg Gräber d. Hellenen Taf. 43; man kann hier zweifeln, ob ein wirklicher Feder-F. schematisch dargestellt ist oder ein in anderem Material im Anschluß an diesen stilisierter F. Ähnlich Dubois-Maisonneuve Introd. Taf. 80. Tischbein Vases Hamilton I 18, wo die schematisch angedeuteten Federn nahe ihrem unteren Ende durch ein bogenförmiges Band oder einen Streifen verbunden erscheinen.

Weit öfter aber findet sich auf Vasen ein F. wie der der etruskischen Deckelfiguren, aber auch dieser in so schematischer Ausführung (namentlich ohne deutliche Charakterisierung der Federn), daß man nicht recht weiß, ob ein Feder-F. gemeint ist, oder ein nach Art desselben stilisierter F. anderen Materials. Millin Peint. de vases II 27. 57. Laborde Vases Lamberg I 90. Dubois-Maisonneuve Introd. 28. 37. Gerhard Mysterienbilder 5. 9; Apul. Vas. V 16. Mon. d. Inst. IV 23. Él. céramogr. II 88. Compte-rendu de St. Petersb. 1861 Taf. 5, 1. Dict. des ant. Fig. 2159. Weder hier noch bei der vorhin erwähnten Form kommt die durch Anordnung der Federn bewirkte blattförmige Gestalt vor, vielmehr hat der F. einen annähernd halbkreisförmigen Umriß.

Die allermeisten der auf Vasen dargestellten F. sind offenbar gedacht als aus anderem Material gebildet, aber in Erinnerung an den Feder-F. stilisiert. Eine sehr beliebte Form ist die, daß auf dem in zwei Voluten auslaufenden Ende des Griffes ein Querstab aufliegt, auf diesem ein kleinerer Halbkreis als Mittelglied aufsteht, ein größerer den Umfang des F.s bezeichnet und zwischen beide strahlenförmig Streifen eingezeichnet sind, die mehr oder weniger deutlich an die Federn des F.s der Deckelfiguren erinnern. Millin Tombeaux de Canosa Taf. 8. 13. 14; Peint. de vases II 38. Dubois-Maisonneuve Introd. Taf. 26. 67. Gerhard Mysterienbilder 6. 8. Él. céram. II 103 b. IV 63. Ähnlich auch der F. der etruskischen Deckelfigur Mon. d. Inst. VI–VII 60. Diese Form des F.s stammt sicher aus Ägypten; sie kommt in dortigen Wandgemälden fast genau so vor wie auf den Vasen. Wilkinson Manners and customs I 195. III Taf. 60 E. Erman Ägypten I Taf. 5. Sie ist wohl so zu verstehen, daß in einen Rahmen (aus Holz?) eine Füllung aus Gewebe oder feinem Leder eingespannt und auf diese die ornamentartigen Streifen gemalt oder gestickt sind. Deutlich sind Rahmen und Füllung unterschieden in dem altägyptischen Wandbild Gaz. archéol. VI 1880 Taf. 16, wo freilich der Umriß mehr als einen Halbkreis beträgt und die Füllung einfarbig ist.

Eine andere, ebenfalls häufig auf Vasen vorkommende Form ist die, daß auf der Spitze des [1963] Griffs ein palmettenartiges Gerüst aufsitzt, zwischen dessen Gliedern die Füllung eingespannt ist, ohne abschließenden Rahmen. Nicht selten ist das Gerüst weiß, die Füllung gelbbraun gemalt, d’Hancarville Antiqu. Hamilton IV 24. Millin Peint. de vases II 27. Millingen Peint. de vases de div. coll. 43. Gerhard Apul. Vas. 12–14. Oder auch es sind die strahlenförmig angeordneten Glieder des Gerüstes in einen halbkreisförmigen Rahmen eingelassen, Millin Peint. de vases II 38. Gerhard Mysterienb. 6. 8.

Varianten aller dieser Formen gibt es mancherlei, und es ist bei der schematischen Darstellungsweise der Vasen meist nicht recht klar, wie sie zu verstehen sind. Millin Peint. de vases I 29. Laborde Vases Lamberg I 12. II 28. R.-Rochette Monum. inéd. 45. Dubois-Maisonneuve Introd. Taf. 86. Gerhard. Apul. Vas. 5; Trinksch. u. Gef. II 23. 34. Arch. Ztg. 1844 Taf. 14.

Auf hölzerne Fächer wird gedeutet die tenuis tabella Ovid. am. III 2, 28; ars am. I 161; doch ist die Erklärung unsicher.

Ganz vereinzelt ist auf einem in England gefundenen Relief ein kreisrunder F. dargestellt, allem Anschein nach von der bekannten japanisch-chinesischen Art zum Zusammenklappen, Archaeol. Journ. XXXVI 1879, 177; dort so erklärt.

Ein fahnenförmiger F. ist dargestellt auf dem christlichen Glasgefäß mit Goldfiguren, Garrucci Vetri ornati di figure in oro Taf. 31, 1. Gori Thes. diptych. Taf. 5.

Ῥιπίς, flabellum heißt auch der zum Anfachen des Feuers gebrauchte F., italienisch sventola (aus Federn in einem eisernen Gerüst); in Deutschland unbekannt. Poll. X 94. Aristoph. Ach. 669. 888. Eubulos bei Athen. III 108 b. Anthol. VI 101, 2. 306, 3 (πτερίναν ῥιπίδα); flabellum Cic. pro Flacc. 54; ῥιπίζειν, flabellare auch in übertragenem Sinne. Bildliche Darstellungen in dreieckiger Form schon auf ägyptischen und assyrischen Monumenten, Wilkinson Manners and customs II 35, 302, 3. Gaz. archéol. VI 1880 Taf. 16. Layard Mon. of Niniveh I 30; und ebenso auf dem eine Szene des Isiskults darstellenden Gemälde aus Herculaneum, Helbig Wandgem. 1111 (auch Mau Pompeii in Leben und Kunst 162). Auf der Kroisosvase, Mon. d. Inst. I 54, ist strittig, ob Feuer-F. oder Fackeln gemeint sind. Unsicher ist auch, ob der Gegenstand in der Hand der Bronzestatuette Bronzi d'Ercol. II 56 ein Feuer-F. ist.

Dem F. ist nahe verwandt der Fliegenwedel, μυιοσόβη Poll. X 94, muscarium Martial. XIV 67 (m. pavoninum). 71 (m. bubulum, d. i. aus einem Ochsenschwanz gemacht). Nach Poll. a. O. kann auch er ῥιπίς heißen, v. Leutsch Philol. I 475. Becker-Göll Gallus III 266. Hermann-Blümner Griech. Privataltert. 196. 5. Blondel Hist. des éventails, Paris 1875. Frauberger Gesch. des Fächers I, Leipzig 1876. Fougères Art. Flabellum in Daremberg-Saglio Dict. des ant. II 1149–1152.

[Mau. ]