Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Urwesen d. jüngeren orphischen Kosmogonien
Band VI,1 (1907) S. 452453
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Erikepaios (Ἠρικεπαῖος und Ἠρικαπαῖος; über das Verhältnis der beiden Namensformen zu einander vgl. Gruppe Jahrb. f. class. Philol. Suppl. XVII 1890, 740, 1), ein mann-weibliches Urwesen der jüngeren orphischen Kosmogonien. Die bekannteste Version (vgl. die sog. rhapsodische Theogonie) läßt als erstes Prinzip den Chronos (s. d.) erscheinen, die ,nimmer alternde Zeit‘, selbst ohne Anfang; darauf entsteht eine erste Dyas: Aither und Chaos, die zusammen mit dem Weltei die erste Trias bilden; aus der Befruchtung dieses [453] Eies geht das orphische Wunder- und Allwesen hervor, der orphische Eros, der Phanes, der Urgott des Lichtes, der selbst wieder eine Trias ist, bestehend aus Metis (Μῆτις m.) = νοῦς, E. = δύναμις und Phanes = πατήρ, Damask. quaest. de primis princ. p. 380 Kopp = Orph. frg. 48 Abel; vgl. auch frg. 56, wo die Begriffe Μῆτις, Φάνης, Ἠρικεπαῖος in die gewöhnliche Sprache übertragen werden mit βουλή, φῶς, ζωοδοτήρ (Malalas) oder ζωή (Suid.). E. verbindet in sich das Weibliche und das Männliche, Orph. frg. 62 Abel. In der jüngeren orphischen Mystik wird E. allgemein gleichgesetzt mit Phanes (s. d.); doch will Nonnos Abbas zwischen beiden unterscheiden, Orph. frg. 66. E. als erster Weltenkönig, Beherrscher des Kosmos, Orph. frg. 78. 85; er heißt da περικλυτός (ebenso κλυτός frg. 61); nach E. = Phanes, ihrem Vater, herrschte die Nyx mit dem Zepter des E. in Händen, Orph. frg. 85. 87. Wie E. das Epitheton πρωτόγονος führt (Orph. frg. 120 a), so erscheint anderseits wiederum E. unter den ἐπικλήσεις des orphischen Protogonos, Orph. hymn. VI 4; E. als Beinamen des Dionysos, Hesych. s. v. Die Etymologie von E. ist durchaus unsicher. Nach Malalas chronogr. IV 74 Dind. bedeutete das Wort soviel wie ζωοδοτήρ, nach Suid. s. Ὀρφεύς soviel wie ζωή, Orph. frg. 56. Man hat an orientalischen Ursprung gedacht, an ägyptischen, vgl. Zoega Abh. 261ff., oder an phoinikischen, vgl. Büchsenschütz De hymn. orph. 26, 7; weiteres bei Schuster De vet. orph. theogoniae indole (1869) 97f. Zeller Phil. d. Gr. I5 96, 1. Ferner hat man im zweiten Teil die Wurzel καπ- finden wollen, vgl. κάπτω, καπύω schnappen, atmen, καπνός Rauch, und dann im ersten Teil entweder ἔαρ, ἦρ Frühling (so Goettling) oder ἠρι- früh wie in Ἠριγένεια (so Diels) und hat somit E. erklärt als ,der Frühlings- und Lebenshauch‘ oder ,der früh Verschluckte‘ (quia ab Iove mane devoratus sit). Vgl. Zoega Über den uranfänglichen Gott der Orphiker (Abh. 211–264). Lobeck Aglaoph. I 478ff. Goettling De Ericapaeo Orphicorum numine, Progr. Jen. 1862 (Opusc. acad. 206–214). Gerhard Gr. Myth. I 517, 3. Preller-Robert Gr. Myth. I 42. Diels bei Kern De Orphei Epim. Pherec. theog. (1888) 21f.; dag. Kern Herm. XXIV 1889, 503. Gruppe Jahrb. f. class. Phil. Suppl. XVII 1890, 687ff.; bei Roscher Myth. Lex. Art. Phanes Bd. III Sp. 2259. 2267 und Gr. Myth. I 431.

[Waser. ]