Equus. Sternbild der nördlichen Hemisphäre zwischen Delphin, Schwan, Kepheus, (Eidechse), Andromeda, Fischen, Wassermann, Kleinem Pferd. Die Vorderhufe des stets nur als Protome gestalteten E. berührten nach antiker Astrothesie den Wendekreis des Krebses (Arat. v. 487; vgl. Hipp. in Ar. I 10, 7 p. 100, 11. Eudoxos bei Hipp. in Ar. I 2, 18 p. 20, 12. Anon. II bei Maass Comm. in Ar. rel. p. 112, 10. Hyg. astr. IV 2 p. 100, 1), im Äquator liegen Kopf und Hals (Arat. v. 524, vgl. Hipp. in Ar. I 10, 21 p. 108, 23. Anon. II in Comm. in Ar. rel. p. 112, 20. Hyg. astr. IV 3 p. 102, 19) und nach einer ungenauen Angabe des Eudoxos (Hipp. in Ar. I 10, 22f. p. 110, 3. 6) auch die Hüfte (Stern γ); in unserer bildlichen Tradition reichen bis zum Äquator die Flügel (oder vielmehr der Flügel) des E.: Sterne werden aber in dieser Gegend nie verzeichnet. Der Name des Sternbildes ist bei den griechischen Astronomen stets Ἵππος, erst die Astrologen bringen den mythologischen Namen Πήγασος in Schwang, der dem Bilde geblieben ist (Asklepiades von Myrleia, Antiochos-Teukros; bei Valens meist Ἵππος, nur einmal ὁ καλούμενος Πήγασος, Boll Sphaera 117. 544; Πήγασος bietet auch Nonnos Dion. XXXVIII 401). In älterer [325]
Zeit herrscht auch bei den Römern die Bezeichnung equus durchaus vor (Cic. Aratea frg. 32, 4. Manil V 24. 634. Vitruv. IX 3. Avien. 472 u. sonst), wenn auch der Ausdruck im übrigen erkennen läßt, daß ihnen die Deutung auf den Pegasos geläufig ist. Den Namen Pegasus bringt zuerst Germanicus (222 u. ö.); es folgt gelegentlich Hygin (astr. III 28 p. 93, 10. IV 2 p. 100, 1); durchgedrungen ist Pegasus bei Mart. Capella (nur VIII p. 312, 6 mit dem Beisatz equus). Das Sternbild, das vielleicht aus dem Sternviereck β, α, γ, α Andromedae, was stets zu E. gerechnet wird, hervorgegangen ist – ursprünglich als Standspur eines Vierfüßlers gedacht? –, gehört zum alten Bestand der griechischen Sphäre; schon im 5. Jhdt. operieren damit die Parapegmen und Euripides; wann und wo es gebildet wurde, ist nicht zu ermitteln.
Nach dem Wortlaut der in ihren Zitaten keineswegs unzuverlässigen Catasterismen (c. 18, beste Fassung in den Fragm. Vatic; vgl. Rehm Progr. Ansbach 1899, 4) und nach Euripides frg. 482. 484. 488 (Nauck², vgl. ebd. p. 509f.) ist von Welcker (Griech. Tragiker 849) und Wünsch (Rh. Mus. XLIX 1894, 94) mit zwingender Wahrscheinlichkeit vermutet worden, daß Euripides in der Μελανίππη ἡ σοφή das Sternbild, und zwar als Deus ex machina, verwandte, der den Knoten löst oder wenigstens (nach Welcker) die künftige Lösung weissagt. Darnach ist es Hippe (Εὐίππη schreibt Bethe Pollux IV 141), Cheirons Tochter, von Aiolos Mutter der Melanippe, die, damit dem Vater ihre Schande nicht offenbar werde, schwanger in ein Pferd verwandelt, dann nach der Entbindung durch der Artemis Gnade an den Himmel versetzt wurde und – nach Wünsch als Sternbild – der Tochter ihre naturphilosophische Weisheit mitteilte (Weiterbildungen der Sage s. bei Hyg. astr. II 18 p. 59, 8). Weder hier noch bei Eudoxos oder Arat (v. 205ff.), noch im Sternkatalog der Catasterismen oder bei Hipparch ist E. geflügelt. Arat hat im Anschluß an Hes. Theog. prooem. die Deutung auf das helikonische Quellroß aufgebracht (vgl. zuletzt Möller Studia Maniliana, Diss. Marburg 1901, 2, 9. Hannig De Pegaso, Bresl. philol. Abh. VIII 4, 102. Lermann in Roschers Mythol. Lex. III 1746); aber dieses Quellroß ist noch für Arat, ja selbst für den Verfasser der Catasterismen nicht der Pegasos, das geflügelte Roß des Bellerophon (in den Catasterismen ist trotz Boll Sphaera 118f. der Schlußsatz διὰ δὲ – τὸν λόγον für eine Interpolation nach dem Sternkatalog zu halten, da er dem Anfang des Kapitels widerspricht, eine ungereimte Polemik gegen Arat enthält, an unpassender Stelle steht und in dem einen Zweig der Überlieferung fehlt; vgl. auch Hannig a. a. O. 103). Wenn sich gleichwohl der Name Pegasos durchgesetzt hat, so kommt dies gewiß daher, daß man späterhin die Aratstelle auf den Pegasos bezog. Dann heißt es, nach des Bellerophon Sturz sei der Pegasos zum Himmel aufgeflogen (s. die Catast. und die verwandte Literatur. Schol. vet. Pind. Ol. XIII 130 d Drachm.). Die Motive des Quellrosses und des Bellerophonrosses verbindet Ovid. fast. III 449ff., der auch die Flügel erwähnt, und Avien. 489ff. Einer nichtgriechischen – der babylonischen? – Sphäre gehört der [326]
Hirsch mit Schlangen in den Nüstern an, der wahrscheinlich eine Form des E. ist, vgl. Boll a. a. O. 256. 408. Seit Ovid finden wir (zunächst bei Germanicus, Manil. V 24. 634) E. geflügelt; keine andere Darstellung kennt die bildliche Überlieferung, endlich setzen die Astrologen (Boll a. a. O. 117) und Ptolemaios (synt. VII 5 p. 76ff.) den Typus mit Flügeln voraus. Völlig singulär ist die Darstellung in ganzer Gestalt und mit Flügeln auf der Nolaner Vase Mon. d. Inst. IV 39 (Literatur bei Thiele Ant. Himmelsb. 72. Reinach Rép. Vases I 129); daß hier das Sternbild E. dargestellt sei, ist indes keineswegs ausgemacht.
Die geringste Sternzahl (15) gibt (nach Eratosthenes Catalogi?) Ovid. fast. III 458; 18 Sterne verzeichnet die hsl. Überlieferung der Catasterismen, ebensoviel der Katalog des Hipparch (Bibl. Mathem. 1901, 186), Sterne Ptolemaios a. a. O. In den Parapegmen findet sich verzeichnet: der Spätaufgang Löwe 17 – 12. August, Euktemon bei Ps.-Geminos = Plin. p. 328, 4 Wachsm.; der Frühaufgang Fische 14 = 6. März, Euktemon bei Ps.-Geminos, 7. März bei Clodius, Columella, 10. März bei Clodius, 15. März bei Clodius, 19. März bei Aerius, 21. März bei Clodius, Columella, Plin. p. 325, 3, 25. März bei Clodius, wobei Ps.-Geminos, Clodius und zum 21. März Columella und Plinius fälschlich vom Frühuntergang reden, wie umgekehrt Ovid. fast. III 449 zum 7. März vom Spätaufgang (vgl. Ideler Abh, Akad. Berl. 1823, I37ff.), Beginn des Frühaufgangs Wassermann 19 im ersten milesischen Parapegma (S.-Ber. Akad. Berl. 1903,104); der Frühuntergang 6. September, Eudoxos bei Lydus de mens., 5. September ohne Gewährsmann bei Ps.-Geminos, 6. und 14. September bei Clodius (fälschlich als Frühaufgang bezeichnet). Über unrichtige Ergänzung von Ἵππος bei Ps.-Geminos vgl. S.-Ber. Akad. Berl. 1904, 105, 2.