Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Epaphroditos, griechischer Grammatiker des 1. Jhdt. n. Chr., in Alexandria ausgebildet
Band V,2 (1905) S. 27112714
Epaphroditos von Chaeronea in der Wikipedia
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5) Griechischer Grammatiker. Über seine Lebensverhältnisse berichtet Suidas (Hesych. Mil.) s. Ἐπαφρόδιτος ziemlich ausführlich; die Quelle des Hesychios war wahrscheinlich das Buch des Hermippos Berytios περὶ τῶν διαπρεψάντων ἐν παιδείᾳ δούλοων. E. stammte aus Chaironeia, er geriet als Knabe in Sklaverei und kam in das Haus des alexandrinischen Grammatikers Archias, der auch sein Lehrer wurde (Ἀρχίου τοῦ Ἀλεξανδρέως γραμματικοῦ θρεπτός Suid.; unnötigerweise wollte Bernhardy Ἀρχιβίου für Ἀρψηίου schreiben; vgl. den Art. Archias). Später kam E. in den Besitz des Statthalters von Ägypten (M. Mettius) Modestus, der ihn als Lehrer für seinen Sohn Petelinus annahm und später freiließ; mit vollem römischen Namen hieß er daher fortan M. Mettius Epaphroditus (s. u.). Er lebte und lehrte dann zur Zeit Neros und der Flavischen Kaiser in Rom, wo er zu den angesehensten griechischen Schriftstellern gehörte, die sich damals in großer Anzahl in der Hauptstadt aufhielten. In Rom muß E. zu ansehnlichem Reichtum gelangt sein; denn er besaß zwei Häuser in einem sonst unbekannten Stadtbezirk (ἐν τοῖς καλουμένοις Φαινιανοκορίοις, wofür Urlichs Rh. Mus. XI 253 ansprechend Φαικασιοκορίοις vermutete) und eine große Bibliothek, die 30000 Bücherrollen umfaßt haben soll. Er starb unter der Regierung des Kaisers Nerva im 75. Lebensjahre an der Wassersucht. Auch über sein Aussehen weiß Suidas zu berichten: τὸ δὲ σῶμα ἦν μέγας τε καὶ μέλας ῶς ἐλεφαντώδης. Es scheint, daß ein Bild von ihm auf uns gekommen ist. In der Villa Altieri in Rom befindet sich die Marmorstatue eines sitzenden bärtigen Mannes, der eine Buchrolle in der linken Hand hält, mit der Inschrift: M. Mettius Epaphroditus grammaticus graecus. M. Mettius [2712] Germanus l(ibertus) fec(it) (CIL VI 9454). Mit großer Wahrscheinlichkeit hat Visconti (Iconogr. grecque I 264ff.) nach dem Vorgange von Fulv. Ursinus die Inschrift auf unsern Grammatiker bezogen.

Über die schriftstellerische Tätigkeit des E. hat Suidas nur die allgemeine Angabe συγγράμματα δὲ κατέλιπεν ἱκανά. Aus Zitaten kennen wir von ihm Kommentare zu den Homerischen Gedichten, zu Hesiods Ἀσπίς, zu Kallimachos’ Αἴτια, eine Sammlung von λέξεις und eine Schrift περὶ στοιχείων. Seine Schriften wurden in der Folgezeit sehr geschätzt und stark benutzt; er wird besonders viel zitiert in den Scholien zu Homer, von Stephanos von Byzanz und in den etymologischen Wörterbüchern.

1. Die ὑπομνήματα εἰς Ὅμηρον oder Ὁμηρικά (vgl. Steph. Byz. s. Λαπίθη. Νώρακος. Ὄλμιον) enthielten fortlaufende Erläuterungen der Homerischen Gedichte und erstreckten sich über alle Gesänge der Ilias und der Odyssee, wie mehrere genauere Zitate zeigen: Etym. M. 221, 32 ... οὕτως Ἐπαφρόδιτος ἐν ὑπομνήματι Θ’ τῆς Ἰλιάδος (zu Il. VIII 48 Γάργαρον). Steph. Byz. s. Δωδώνη . .. οὕτω δὲ καὶ Ἐπαφρόδιτος ἐν τῇ Π’ τῆς Ἰλιάδος (zu Il. XVI 233 Δωδωναῖε). Etym. M. 117, 25 ... οὕτως Ἐπαφρόδιτος ἐν ὑπομνήματι τῆς μ’ Ὀδυσσείας (zu Od. XII 89 ἄωροι). Etym. M. 166, 6 . . . Ἐπαφρόδιτος ἐν ὑπομνήσει (l. ὑπομνήματι⟩ εἰς κεφάλαιον ξ’ Ὀδυσσείας . Etym. M. 165, 3 .. . 'Ἐπαφρόδιτος ἐν ὑπομνήματι ξ Ὀδυσσείας. Etym. M. 507, 32 .. . οὕτως Ἐπαφρόδιτος ἐν ὑπομνήματι ⟨α’⟩ τῆς Ὀδυσσείας. Nach den Bruchstücken boten die Kommentare sowohl sachliche als grammatische Erklärungen. Δικαιότατος Κενταύρων Il. XI 832 erklärte E. durch φιλοξενώτατος (Schol. BT Eustath. p. 886, 53). Il. XVIII 313 las er οὔτι (= οὐ) statt οὔ τις (Schol. T). Il. XIX 77 verstand er αὐτόθεν ἐξ ἕδρης dahin, daß Agamemnon sitzend seine Rede hielt (Schol. BT Eustath. p. 1172, 21); er folgte darin seinem Lehrer Archias, von dem Apollon. Soph. 156, 23 dieselbe Erklärung anführt (Lehrs wollte hier allerdings Ἀρίσταρχος für Ἀρχίας schreiben). Zu Od. I 444 verbreitete sich E. ausführlich über die Etymologie des Wortes ἄωτον und seine Bedeutung bei Homer und anderen Schriftstellern; denn auf ihn hat Luenzner auf Grund der kurzen Notiz in Schol. BT zu Il. XIII 599 πολλὰ δὲ δηλοῖ τὸ ἄωτον, ὥς φησιν Ἐπαφρόδιτος wohl mit Recht die Auseinandersetzung des Eustathios p. 1429, 9 bezogen. Zu Il. XIX 324 widersprach E. der Ansicht, daß ἀλλοδαπός durch Zusammensetzung (von ἄλλος und ἔδαφος) entstanden sei; es sei vielmehr als bloße Ableitung (παραγωγή) von ἄλλος anzusehen, also -δαπός nur Suffix (Schol. T); derselben Meinung waren Apollonios Dyskolos und Herodian. Die Etymologie handhabt E. ganz in derselben Weise wie die andern Grammatiker der Kaiserzeit, indem er von den sog. πάθη τῆς λέξεως ausgiebigen Gebrauch macht (Reitzenstein Gesch. d. griech. Etym. 187). Die meisten Bruchstücke aus den Homerkommentaren finden sich bei Stephanos von Byzanz. Sie zeigen, daß E. mit besonderer Sorgfalt und Gelehrsamkeit die geographischen Namen bei Homer erläuterte. Für jeden Namen suchte er den Ursprung zu ermitteln; entweder nannte er einen Heros oder [2713] eine Heroine, nach denen der Ort benannt sei, oder er gab eine Etymologie, die den Namen sachlich begründete. So erklärte er den Namen Εὔτρασις Il. II 502 διὰ τὸ πολλαῖς αὐτὴν πρότερον τετρῆσθαι ῥύμαισ. Den Namen Βατίεια Il. II 813 leitete er ἀπὸ τοῦ πάτου τῶν ἵππων ab, nämlich πλεονασμῷ τοῦ ῑ und τροπῇ τοῦ π εἰς β. Den Namen Ἀλιζῶνες Il. II 856 ließ er aus ἀλαζόνες durch Übergang des α in ι entstanden sein, denn ἀλαζόνας τινὰς εἶναι αὐτοὺς ὑπὸ τῆς εὐδαιμονίας τῆς χώρας ἐπηρμένους (Epim. Cram. An. Ox. I 78, 28). Aus den Zitaten bei Steph. Byz. s. Δωδώνη und s. Ἐφύρα ist ersichtlich, daß er auch auf Homonymien geographischer Namen näher einging und angab, welche der verschiedenen Orte desselben Namens bei Homer gemeint seien. E. konnte für die Erläuterung der Geographika zwei wichtige ältere Quellen zu Rate ziehen, den Τρωικὸς διάκοσμος des Demetrios von Skepsis und Apollodors Kommentar zum Homerischen Schiffskatalog. Stephanos von Byzanz verdankt, wie es scheint, alles was bei ihm aus diesen beiden Werken, insbesondere aus dem Buche des Apollodor, erhalten ist, den Kommentaren des E. Gestritten wird darüber, ob E. den Apollodor (und Demetrios) direkt benutzt hat oder durch Vermittlung der Kommentare des Didymos u. a. Vgl. B. Niese Rh. Mus. XXXII 276. A. Schimberg Analecta Aristarchea (Gryphisw. 1878) 3ff. R. Gaede Demetrii Scepsii quae supersunt (Gryphisw. 1880) 15. Daß E. überhaupt ältere Kommentare und namentlich die des Didymos fleißig benutzt hat, ist an sich wahrscheinlich und geht aus einigen Fragmenten deutlich hervor. Zu den von Luenzner gesammelten Fragmenten kommen noch einige Artikel des Etym. M. hinzu, in denen E. in der Florentiner Hs. des Etym. genuinum (bei Miller Mélanges de littérature grecque) als Autor zitiert wird: Etym. M. 45, 46 ἀκαχμένον· ἀπὸ το[θ ἀκάζω. οὕτως Ἐπαφρόδιτος. σημαίνει δὲ τὸ ἀκονῶ κτλ. Miller Mél. 17. Etym. M. 162, 29 ἀτάσθαλος (2. Etymologie) . . . οὕτως Ἐπαφρόδιτος Miller 51. Etym. M. 211, 51 βρέχω . . . Ἐπαφρόδιτος Miller 71. Etym. M. 277, 35-45 Διόνυσος ... Ἐπαφρόδιτος ἐν ὑπομνήματι Ζ’ Ἰλιάδος Miller 90.

2. Das ὑπομνήμα Ἀσπίδος Ἡσιόδου wird zitiert im Etym. Gud. 36, 13 Ἀλκαία (zu Hesiod. Scut. 431) und Etym. Gud. 69, 43 ἀπότροπος οἶνος (zu Scut. 301).

3. Das ὑπόμνημα Καλλιμάχου Αἰτίων zitieren \ ausdrücklich Schol. Aisch. Eum. 2 (über die Heroine Melantho) und Steph. Byz. s. Δωδώνη] (über die Ableitung des Namens). Luenzner hat darauf auch einige andere Fragmente bei Steph. Byz. und im Etym. M. bezogen. Vielleicht stammen daher auch der Artikel des Etym. M. 117, 33 Ἀῷος (bei Miller Mél. 59 wird dafür E. zitiert) und das neue Fragment bei Miller Mél. 168 Ἴμβρασος· ‚Ἰμβράσου παῖς‘. ἔστι δὲ ὄνομα κύριον ἀπὸ τῆς Ἴμβρου τῆς νήσου. οὕτως Ἐπαφρόδιτος (oder aus dem Homerkommentar zu Il. IV 520?).

4. Die λέξεις werden ausdrücklich nur zitiert in Schol. Ar. Equ. 1150 und Vesp. 352 (über χοιρίναι in der Bedeutung ,Stimmsteine‘) ... ὥς φησιν Ἐπαφρόδιτος ἐν ταῖς λέξεσιν. Auf diese Schrift hat Luenzner alle anderen Fragmente bezogen, die nicht aus den Kommentaren stammen (mit Unrecht wohl frg. 14 im Etym. Or. 125, 22 [2714] πέπλος, das eher aus dem Homerkommentar entlehnt ist, denn dieselbe Erklärung findet sich auch bei Apollon. Soph. 130, 4). Die meisten Fragmente enthalten nur Etymologien, die zum Teil sehr töricht sind: z. B. ἀσελγαίνειν wird abgeleitet von λέχος – λεχαίνειν – λεγαίνειν – ἐλεγαίνειν – ἐλγαίνειν – ἀσελγαίνειν. Die Bruchstücke finden sich fast sämtlich in den etymologischen Wörterbüchern, in die sie durch Vermittlung des Grammatikers Oros gelangt sind, wie die Zitierweise bei einigen zeigt (Etym. M. 489, 8 ... οὕτως Ἐπαφρόδιτος. Ὦρος. Etym. M. 502, 40 ... οὕτως Ἐπαφρόδιτος, ὡς λέγει Ὦρος). Luenzner behauptet, E. habe nur λέξεις κωμικαί behandelt; die Fragmente sprechen aber nicht für diese Beschränkung. Daß die λέξεις κωμικαί des Didymos zu den Quellen des E. gehörten, ist begreiflich und aus einigen Bruchstücken klar ersichtlich: ἀσκωλιάζειν erklärte E. (nach Etym. M. 155, 43) ebenso wie Didymos nach Schol. Ar. Plut. 1129; in dem Artikel κάνναθρον Etym. M. 489, 5 wird zuerst Didymos zitiert und am Schlusse οὕτως Ἐπαφρόδιτος. Ὦρος d. h. Oros hatte das Zitat aus Didymos von E. übernommen.

5. Eine Schrift περὶ στοιχείων wird zitiert im Schol. Theocr. I 115 ... χαριέντως τοῦ Ἐπαφροδίτου λέγοντος ἐν τῷ περὶ στοιχείων, ὡς Ἀρεθούσας καλοῦσι τὰς (πάσας Meineke) κρήνας. Der Titel wurde von Ahrens verdächtigt, der mit Zustimmung von Luenzner für die überlieferten Worte ἐν τῷ περὶ λέξεων κατὰ στοιχεῖον vermutete (vgl. dagegen Schimberg Anal. Aristarch. 16²). E. Luenzner Epaphroditi grammatici quae supersunt, Bonnae 1866.

[Cohn.]