Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
L. f. n. Capito, C. cos. suff. 5 n. Chr.
Band II,2 (1896) S. 19041910
Gaius Ateius Capito in der Wikipedia
GND: 102382395
Gaius Ateius Capito in Wikidata
Bildergalerie im Original
Register II,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|II,2|1904|1910|Ateius 8|[[REAutor]]|RE:Ateius 8}}        

8) C. Ateius L. f. L. n. Capito (so die Cap. Fasten CIL I² p. 29), nach Tac. ann. III 75 avo centurione Sullano (nicht der bei Plut. Sulla 14 genannte A., wie Teuffel R. Litt.-Gesch. § 211, 1 meint, da dieser den Vornamen Marcus hatte; vgl. auch die Bemerkung zu CIL XI 3583. 3584), patre praetorio (der bei Cic. ad fam. VIII 8, 5—9 genannte L. Ateius L. f. An. Capito Nr. 9). Er begegnet uns zuerst zur Zeit der Saecularspiele (737 = 17), als Augustus ihm die Auslegung des Sibyllenorakels übertrug (Zos. II 4), sodann als Consul suffectus des Jahres 5 n. Chr. (Fasti Cap.; vgl. Tac. a. a. O. Dig. I 2, 2, 47. XXIII 2, 29). Aus Tacitus Worten consulatum ei acceleraverat Augustus, ut Labeonem Antistium ... dignatione eius magistratus anteiret, darf man nicht schliessen, dass Capito damals nicht über 40 Jahre alt gewesen, also nicht vor 718 = 36 geboren sein müsse (so Teuffel R-E. I² 1995, vgl. 1164; R. Litt.-Gesch. § 265, 3); die Worte brauchen überhaupt nicht absolut von einem Altersnachlass, sondern können sehr wohl relativ dahin verstanden werden, dass Labeo als der ältere Praetorier hätte erwarten dürfen, vor Capito zum Consulat zu gelangen. Denn einmal bildet nicht das 43, sondern dass 33. Lebensjahr in der Kaiserzeit die Minimalgrenze für das Consulat (Mommsen St.-R. I³ 574), und andrerseits ist es im höchsten Grade unwahrscheinlich, dass Capito, als ihn Augustus im J. 736 = 18 oder 737 = 17 mit der Ausdeutung der sibyllinischen Sprüche betraute, noch in ganz jugendlichem Alter (unter 20 Jahren) gestanden haben sollte; er muss schon damals einen Ruf als Kenner des Sacralrechts gehabt haben. Im J. 13 n. Chr. wurde er zum Curator aquarum bestellt und verwaltete dies Amt (worüber zu vgl. Mommsen St.-R. II³ 1044ff.) bis an sein Lebensende ((Frontin. de aquis II 102). Bald nach seiner Ernennung wurde ihm zugleich mit L. Arruntius die Tiberregulierung übertragen, doch erlangten seine weitgehenden, auf eine Ableitung der oberen Zuflüsse des Stromes hinzielenden Pläne nicht die Zustimmung des Senats (Tac. ann. I 76. 79). Gestorben ist Capito im J. 22 n. Chr. (Tac. ann. III 75)

Seiner politischen Haltung nach war er Anhänger des Principats, und mit Recht führt Tacitus (ann. III 75) die Verleihung des Consulats hierauf zurück. In seinen späteren Jahren that er sich sogar durch eine widerwärtige Unterwürfigkeit gegenüber Kaiser Tiberius hervor (vgl. Suet. gramm. 22. Dio LVII 17. Tac. ann. III 70).

Als Jurist war Capito Schüler des A. Ofilius [1905] (Pomp. 47). Mit seinem Zeitgenossen Labeo stand er auf gespanntem Fusse. Eine gewisse wissenschaftliche Rivalität mag von Anfang an vorhanden gewesen sein, die politische Meinungsverschiedenheit und die Bevorzugung Capitos bei der Besetzung des Consulats haben das ihrige gethan, den Gegensatz zu verschärfen (vgl. Tac. ann. III 75). Indessen hat Capito Labeos juristische Tüchtigkeit, wenn auch in etwas überlegenem Ton, so doch unumwunden anerkannt (Gell. XIII 12, 1-4).

Von seinen Werken sind uns nur Fragmente erhalten; sie sind einesteils bei Huschke Iurispr. anteiust.⁵ 115ff. und anderenteils bei Lenel Paling. I 105f. zusammengestellt. Daraus lassen sich folgende Schriften ermitteln:

1) Coniectanea in mindestens neun Büchern; die auf einer schlechten Lesart bei Gell. XIV 7, 13 und 8, 2 beruhende Annahme von 259 Büchern (in libro CCLVIIII statt in libro COl [= coniectaneorum] VIIII) darf heute als beseitigt angesehen werden; vgl. Hertz Jahrb. f. Philol. LXXXV 55 und in der Ausgabe des Gellius (1885). Huschke 116, 1. Frederking-Mercklin Philol. XIX 656ff. Merkel Proleg. Ovid. fast. XCV. Fragmente bei Gell. II 24, 2. 15 (vielleicht ist die ganze Abhandlung über die leges sumptuariae aus Capito entlehnt). IV 14. XIV 7, 12—13. 8, 2. XX 2, 3. Das Citat IV 14 zeigt, dass das VIII Buch den Sondertitel de iudiciis publicis trug; demgemäss gehört auch Gell. X 6, 2—4 hierher. Das Werk ist, wie Frederking 653 mit Recht hervorhebt, keineswegs als ein ,buntes Allerlei’ aufzufassen (aber gerade darum nicht mit Gellius Noctes Atticae auf eine Linie zu stellen; auch die Parallele mit dem Sammelwerk des Aufidius Namusa, vgl. den Art. [Dirksen Hinterl. Schr. I 54, 129; vgl. Frederking 654], ist keine glückliche); alle unsere Fragmente beziehen sich auf das öffentliche Recht, dessen Darstellung mit reichen historischen Beispielen ausgestattet war. Treffend bemerkt Ritschl Parerga I 373: coniectaneorum libri, qui, etsi ad ius videntur omnes pertinuisse, tamen iuris explicandi causa talia quoque tractarunt, quae per se spectata non minus grammaticum sapiant quam iuris peritum. Man wird das Werk am richtigsten als Belege oder Sammlungen zum öffentlichen Recht charakterisieren. Vielleicht darf man um des gleichen Inhalts willen auch die Citate bei Gell. X 20, 2. 5—6 (Definition von lex und plebiscitum) und Lydus de mag. prooem. (über die Abzeichen der Magistrate), wenn die letztere Stelle überhaupt auf unseren Capito zurückgeht (vgl. u.), für die Coniectaneen in Anspruch nehmen. Die Versuche Frederkings (656), den Inhalt der einzelnen Bücher näher zu bestimmen, beruhen auf ganz unsicheren Grundlagen.

2) de officio senatorio (Gell. IV 10) ist wohl nur der besondere Titel eines Buches der Coniectanneen; auch de iudiciis publicis wird in gleicher Weise citiert (Gell. X 6, 2-4, vgl. o. bei 1). Mit Recht hat man auf das neunte Buch geschlossen, dessen Fragmente (Gell. XIV 7, 12—13. 8. 2) über den Senat handeln. Vgl. Dirksen Hinterl. Schr. 52ff. Mercklin Ztschr. f. Alt.-Wiss. 1846, 876 und Jahrb. f. Philol. Suppl. III 667. Hertz Jahrb. f. Philol. LXXXV 56. Frederking [1906] 654. 656. Teuffel R. Litt.-Gesch. § 265, 4.

3) de iure pontificio in mindestens sieben Büchern: Gell. IV 6, 10. Fest. 154/157 s. mundus. Macrob. VII 13. 11 (apud Ateium Capitonem pontificii iuris inter primos peritum legisse memini ... haec sunt quae lectio pontificalis habet). Auch Fest 162 s. nefrendes. Gell. I 12, 8. Plut. qu. Rom. 50 gehören wahrscheinlich hierher. Zu genaueren Bestimmungen des Inhalts und Umfanges des Werkes, wie sie Frederking 657 versucht hat, reicht unser Material nicht aus.

5) de iure sacrificiorum oder de sacrificiis Macrob. III 10, 3. 7 (ex libro primo sacrificiorum); wohl mit Recht weist Huschke (Iurispr. ant. 119) auch die vom Opfer handelnden Stellen bei Festus (238 s. porcam und propudianus. 285 s. rutilae) dieser Schrift zu. Es ist eine nahe liegende Vermutung, dass wir es auch hier nur mit einem Sondertitel und zwar des eben erwähnten Werke de iure pontificio zu thun haben (so Frederking 657. Teuffel R. Litt.-Gesch. § 265, 4). Aber es ist auffallend, dass Macrob ein erstes Buch anführt, eine Bezeichnung, die zu beanstanden wir keinen ausreichenden Grund haben. Die Vermutung Frederkings, das Buch de sacrificiis sei das erste des ganzen Pontificalrechts gewesen, hat gewiss dem obigen Citat gegenüber ihr Missliches; so bliebe nur übrig, an eine mehrere Bücher umfassende Unterabteilung zu denken, aber mit dieser Folgerung verliert jene Annahme ohne Frage an Wahrscheinlichkeit.

5) Auch über Auguralrecht scheint Capito geschrieben zu haben; vgl. Fest. 351 s. sinistram und stellam (dazu Huschke zu frg. 20). Jedenfalls ist es nicht ohne weiteres zulässig, diese Fragmente (mit Frederking 657) dem Pontificalrecht unterzuordnen, da beide Disciplinen regelmässig von den Juristen geschieden werden.

6) Gellius XIII 12 führt ein interessantes Stück aus einem Briefe Capitos an (in quadam epistula Atei Capitonis scriptum legimus), das seinen Nebenbuhler Labeo behandelt und augenscheinlich erst nach dessen Tode geschrieben ist. Man wird daraus auf eine (von ihm selbst oder einem anderen ?) veröffentlichte Briefsammlung Capitos schliessen dürfen. Über deren Charakter ist allerdings schwer zu urteilen; doch liegt es nach unserem, von der Persönlichkeit Labeos ausgehenden Bruchstück näher an wirkliche Briefe als an die sonst in den libri epistularum beliebte Einkleidung von juristischen Abhandlungen in Briefform (Krüger 133. Karlowa I 668) zu denken.

Die übrigen Fragmente Capitos lassen sich keiner bestimmten Schrift zuweisen; die Vermutungen, welche man in dieser Hinsicht angestellt hat, sind schwach begründet. So Frontin. de aq. II 97 (Frederking 656f. nimmt einen liber de officio curatorum aquarum innerhalb der Coniectaneen an). Macrob. I 14, 45 (von Huschke [frg. 13] zum Pontificalrecht, von Frederking 657 zu den Coniectaneen gezogen). Plin. n. h. XIV 93. XVIII 107f. (nach Ritschl Parerga I 373 und Frederking 657 zu den Coniectaneen gehörig). Suet. gramm. 10; über Fest. 273 s. reus und die in den Digesten erhaltenen Fragmente s. u. [1907] In den blos auf den Namen Ateius lautenden Citaten bei Serv. Aen. I 273. V 45 bleibt es zweifelhaft, ob unser Ateius Capito oder der Grammatiker Ateius Philologus gemeint ist. Das dem Καπίτων καὶ Φοντήιος zugeschriebene Fragment bei Lydus de mag. prooem. hat Wachsmuth in seiner Ausgabe des Lydus de ost. proleg. XIX für Sinnius Capito in Anspruch genommen. Der dafür angegebene Grund, dass die Juristen jener Zeit sich nicht mit Grammatik befasst hätten, ist jedoch — abgesehen davon, dass uns nichts zwingt, die Stelle überhaupt auf einen Grammatiker zurückzuführen — nicht stichhaltig; Capito (s. u.) wie Labeo (o. Bd. I S. 2555f.) sind in dieser Disciplin wohl bewandert gewesen. Das Fragment könnte sehr wohl aus den Coniectaneen stammen. Die von Huschke unter frg. 33 (Suet. gramm. 22) und 34 (Zos. II 4) angeführten Stellen gehen nicht auf Schriften Capitos zurück. Über einige dem Capito mit Unrecht beigelegte Werke s. Frederking 658.

Sehr wenig wissen wir über Capitos Wirksamkeit auf dem Gebiete des Privatrechts. Ausser einigen allgemeinen anerkennenden Äusserungen (Tac. ann. III 70. III 75. Gell. X 20, 2) finden wir ihn vorzugsweise als Gegner Labeos erwähnt (Pompon. 47). Dass der wissenschaftliche Streit der auf Labeo und Capito zurückgeführten Rechtsschulen später auf dem Gebiete des Privatrechts ausgetragen wurde, ist bekannt; man darf annehmen, dass er in der Hauptsache auch hier seine Entstehung gefunden hat. Jedenfalls kann nicht zweifelhaft sein, dass Capito auch im Privatrecht hervorragend bewandert war; ohne Frage hat er als Respondent und — was damit zusammenhängt — als Rechtslehrer einen bedeutenden Namen gehabt; wahrscheinlich ist Sabinus, den Pompon. 48 als seinen Nachfolger bezeichnet, auch sein Schüler gewesen. Privatrechtliche Schriften Capitos aber sind nicht bekannt, aus keinem Citat können sie mit Sicherheit erschlossen werden. Auch Frederkings Vermutung (656f.), dass die Coniectaneen ein eigenes Buch de iure privato gehabt hätten, ist unerweislich. Dass die vier in den Digesten begegnenden, blos den Namen Ateius aufweisenden Citate (Lenel Paling. I 71f.) nicht von unserm Capito sondern von C. Ateius, dem Schüler des Ser. Sulpicius Rufus herrühren, ist oben bei Nr. 3 hervorgehoben. Von den fünf Stellen, welche Lenel Paling. I 105f. für privatrechtliche erachtet, kann frg. 5 (Gell. X 20, 2: Definition von lex) sehr wohl aus den Coniectaneen stammen (übrigens ist § 5. 6 hinzuzufügen; auch Huschke frg. 23 lässt § 5 fort, sein Zweifel bezüglich des § 6 scheint mir nicht begründet). Eher möchte die Definition von reus in frg. 4 (Fest. 273) die Annahme einer privatrechtlichen Schrift rechtfertigen; aber auch sie kann in den Coniectaneen oder im Pontificalrecht gestanden haben. Man denke z. B. an voti reus oder an den reus des (im achten Buche der Coniectaneen behandelten) Strafprocesses, der auch in unserem Fragment Erwähnung gefunden zu haben scheint, denn der den accusator erwähnende Schlusssatz dürfte mit Huschke frg. 25 dem Capito zuzuschreiben sein. Keinesfalls ist Capitos Definition einer Interpretation der zwölf Tafeln entlehnt, denn die Worte dieses Gesetzes werden nur als [1908] Beleg für den Sprachgebrauch angeführt. Frg. 2 (Dig. XXIII 2, 29) enthält eine von Capito als Consul gefällte Entscheidung, frg. 3 (Dig. XXIV 3, 44], wenn überhaupt die Verbesserung Capito statt des hsl. Cato richtig ist, ein Responsum; und ebenso dürfte frg. 1 (Dig. VIII 2, 13. 1 — der Schlusssatz gehört übrigens meines Erachtens nicht dem Capito, sondern dem Proculus) aufzufassen sein. Auch die letzten drei Stellen zwingen nicht zu der Annahme, dass sie aus eigenen Schriften Capitos herrühren, sie können auch von andern Juristen aufgezeichnet sein (z. B. frg. 1 von Proculus, frg. 3 von Nerva, von denen sicher der letztere und vielleicht auch der erstere jüngere Zeitgenossen Capitos waren). Die Möglichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit, dass Capito auch privatrechtliche Schriften verfasst hat, soll nicht in Abrede gestellt werden, aber der sichere Beweis dafür fehlt. Wenn sie existiert haben, so sind sie jedenfalls von geringerer Bedeutung gewesen, als die seines Gegners Labeo; die so sehr häufigen Citate aus den Werken des letzteren, die verschwindenden Anführungen Capitos in den Digesten können nicht auf Zufall beruhen.

Capitos Bedeutung lag auf dem Gebiete des Staats- und Sacralrechts, hier hat er die umfassendsten Studien gemacht. Vor allem waren natürlich die Arbeiten Varros eine ausgiebige Fundgrube für seine Schriften; speciell können wir die Benutzung der Epistolicae Quaestiones (Teuffel R. Litt.-Gesch. § 166, 6 d) nachweisen (Gell. XIV 8, 2; vgl. 7, 2. 11—13). Ob aber diese Benutzung bis zu einer völligen Übernahme des Inhalts des im vierten Buche der Epist. Quaest. wiedergegebenen Isagogicus des Varro (Gell. XIV 7, 2) ausgedehnt war, so dass der ganze Abschnitt XIV 7 von Gellius aus Capito entlehnt wäre (so Dirksen Hint. Schr. I 53f. Mercklin Jahrb. f. Philol. Suppl. III 651. Frederking 654f. mit Note 4 Mercklins. Karlowa I 685), muss dahingestellt bleiben; Gellius scheint jenes Werk Varros nicht blos durch Vermittlung Capitos, sondern auch direct zu kennen (vgl. VI 10, wo Varronis statt Catonis zu lesen ist, und wohl auch II 10). Ausserdem werden in den Bruchstücken der Coniectaneen erwähnt: M. Tullius Tiro (Gell. IV 10, 6—7), M. Iunius Gracchanus und Q. Aelius Tubero (Gell. XIV 7, 13. 8, 2), doch scheinen die Citate der beiden letzteren Schriftsteller aus Varro entlehnt zu sein (deque ea re adsensum esse Capito [Varro]nem Tuberoni contra sententiam Iunii refert). In den Resten des Pontificalrechts wird ausser einer Erwähnung der Commentarii iuris civilis des Cato (Fest 154/157) auch eines decretum pontificum aus der Zeit des Coruncanius gedacht (Gell. IV 6, 10); es ist nicht undenkbar, dass Capito seine Studien bis auf die Urquelle, das pontificale Archiv, ausgedehnt hat. Das Fragment bei Fest. 273 s. reus lässt auf eine Benützung des Aelius Gallus schliessen, bei Macrob. 114, 5 werden Catos Origines genannt, in der Stelle bei Fest. 351 s. stellam wird der Augur P. Servilius als Gewährsmann angeführt; vgl. auch die veteres bei Macrob. VII 13, 11.

Capitos Schriften sind im 1. und 2. Jhdt. viel benützt worden; dem Verrius Flaccus lag das Pontificalrecht und die Schrift de sacrificiis vor [1909] (vgl. Reitzenstein Verr. Forsch. 47. 50f. 54); Plinius führt ihn im Verzeichnis seiner Gewährsmänner als Quelle zu Buch III (vgl. dazu Ritschl Parerga I 374). IV. XIV. XV. XVIII an, doch ist der Umfang der Benützung nicht zu ermitteln (Vermutungen s. bei Frederking 658ff.); auch das Citat bei Frontin de aq. II 97 ist gewiss ein unmittelbares; Gellius hat uns wichtige Stücke aus den Coniectaneen überliefert (s. o. bei 1) und auch vielleicht das Pontificalrecht (I 12, 8. IV 6, 10) noch gekannt; auch Sueton (gramm. 10) wird Capito noch gelesen haben. Weiterhin lässt sich aber eine Bekanntschaft mit Capitos Werken nicht erweisen, die späteren Citate scheinen indirecte zu sein.

Capitos Bildung war eine ausserordentlich vielseitige. In diesem Urteil darf uns auch der bekannte Bericht des Pomponius (Dig. I 2, 2, 47) nicht irre machen: hi duo primum veluti diversas sectas fecerunt: nam Ateius Capito in his quae ei tradita fuerant perseverabat, Labeo ingenii qualitate et fiducia doctrinae, qui et ceteris partibus (operis F) sapientiae operam dederat, plurima innovare instituit. Die Worte in his quae ei tradita fuerant perseverabat (deren Erklärung durch ,Capito war unproductiv’ bei Teuffel R. Litt.-Gesch. § 265, 4 sich durch den Gegensatz, in den sie Pomponius stellt, von selbst verbietet) können nicht dahin verstanden werden, dass Capito sich Neuerungen grundsätzlich verschlossen habe; auf dem Gebiete des Staatsrechts verbot ihm das schon seine politische Haltung; mehrfach finden wir auch in den Fragmenten (Frontin de aq. II 97. Gell. II 24, 15; vielleicht auch Gell. I 12, 8; vgl. Jörs Ehegesetze des Augustus 48) neuere Einrichtungen erwähnt; dem Labeo galt sein Spott, weil er hartnäckig am Hergebrachten festhielt (Gell. XIII 12, 2ff.); für das Privatrecht fehlt es uns an Material, um jene Nachricht zu controlieren. Auch wäre es gewisse verfehlt, aus der Gegenüberstellung der umfassenden Bildung Labeos (qui et ceteris partibus sapientiae operam dederat; vgl. o. Bd. I S. 2555f.) schliessen zu wollen, dass Capito einseitig Jurist gewesen wäre; überall tritt uns in seinen Fragmenten das historische Interesse entgegen, auch mit der Grammatik (vgl. die Etymologien bei Gell. XX 2, 3 siticines. Macrob. I 14, 5 annus. VII 13, 14 pollex) und Litteraturgeschichte (Suet. gramm. 10; vgl. auch Plin. n. h. XIV 93. XVIII 107f.; ein Commentar zum Plautus ist allerdings nicht anzunehmen, Ritschl Parerga I 370ff.) war er wohl vertraut. Wie weit Capito diese seine Kenntnisse für das Recht, speciell für das Privatrecht verwertet hat (Puchta Inst. I 254 will in dem Unterlassen dieser Nutzbarmachung den Gegensatz zu Labeo erblicken), lässt sich nach unsern Quellen nicht entscheiden. Auch die Auffassung von M. Schanz (Philol. XLII 316), dass Capito in der Behandlung des Rechts Anomalist gewesen sei, ist zurückzuweisen; sie wird auch von ihrem Urheber nur daraus gefolgert, dass Labeo dem Grundsatz der Analogie gehuldigt habe, was meines Erachtens ebenfalls nicht erweislich ist (vgl. o. Bd. I S. 2555f.). Wir kommen also hier wie bei Labeo (a. a. O.) zu dem Ergebnis, dass die Notiz des Pomponius mit unseren sonstigen Nachrichten nicht vereinbar und dass ein principieller [1910] wissenschaftlicher Gegensatz zwischen beiden Männern für uns nicht erkennbar ist. Über die auf sie zurückgeführten Schulen der Sabinianer und Proculianer vgl. d. Art. Rechtsschulen.

Litteratur: Zimmern Gesch. d. R. Priv.-R. I 307f. Rudorff R. R.-G. I 167. 237. Kuntze Inst. II 282f. Teuffel R.-E. I² 1955 und R. Litt.-Gesch. § 265, 3—4. Frederking Philol. XIX 650ff. (von Mercklin herausgegeben und mit Zusätzen versehen). Karlowa R. R.-G. I 683ff. Krüger Quell. u. Litt. d. R. R. 145f.

[Jörs. ]