Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Namusa Römischer Jurist
Band II,2 (1896) S. 22942295
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31) Aufidius Namusa, römischer Jurist im Anfang des 8. Jhdts. d. St. Selbst ein Schüler des Ser. Sulpicius Rufus, hat er ein Sammelwerk verfasst, in dem er seine und seiner Mitschüler schriftstellerische Arbeiten zusammenfasste. Pomp. Dig. I 2, 2, 44: Ab hoc (Ser. Sulpicio) plurimi profecerunt, fere tamen hi libros conscripserunt: (1) Alfenus Varus [Gaius], (2) Aulus Ofilius, (3) Titus Caesius, (4) Aufidius Tucca, (5) Aufidius Namusa, (6) Flavius Priscus, (7) Gaius Ateius, (8) Pacuvius Labeo [Antistius] Labeonis Antistii pater, (9) Cinna, (10) Publi[ci]us Gellius. Ex his decem libros octo conscripserunt, quorum omnes qui fuerunt libri digesti sunt ab Aufidio Namusa in centum quadraginta libros. Trotz aller Mühe, die man sich um die Auslegung dieser Stelle gegeben hat, ist es nicht gelungen, den Widerspruch, dass Pomponius aus der Menge (plurimi) der Schüler des Servius zuerst zehn, dann aber nur acht als Schriftsteller kennt, zu beseitigen. Die Stelle ist, wie ja auch die Überlieferung der Namen zeigt, offenbar verderbt; wahrscheinlich haben auch, hier, wie so oft in diesem Fragment, die Compilatoren Iustinians den Text ungeschickt gekürzt und zusammengezogen. Es ist also schon an sich nicht rätlich, auf Grund eines so unsicheren Textes die Frage aufzuwerfen, welche acht von jenen zehn Juristen bei Namusa Aufnahme gefunden haben; noch misslicher aber ist es, sie dadurch zu beantworten, dass man den Alfenus und Ofilius als ausgeschlossen ansieht, weil diese Juristen von Labeo (Dig. XXXIII 4, 6) unmittelbar neben dem Sammelwerk angeführt werden (so H. Pernice 33. A. Pernice I 19, 13. Krüger 66, 63). Gewiss darf es als zweifellos gelten, dass selbständige Schriften von ihnen vorhanden waren; es geht das nicht nur aus der angeführten Stelle, sondern auch aus der ganzen Art, wie sie von anderen Juristen benutzt und citiert werden, hervor; ein verhältnismässig grosses Material aus ihren Schriften (Lenel Paling. I [2295] 38–54. 795–804) ist uns ohne jede Beziehung auf Namusa überliefert, vor allem aber hat ohne Frage dem Paulus für seine Bearbeitung der Digesten des Alfenus (s. o. Bd. I S. 1473) ein eigener Text dieses Schriftstellers vorgelegen. Die von Mommsen vermutete Identität dieses letzteren Werkes mit dem des Namusa ist lediglich auf seinen Digestenbegriff (s. d. Art. Digesta) gestützt, lässt sich aber aus den Quellen nicht erweisen. Andererseits ist es aber auch wenig glaubhaft, dass Namusa gerade die hervorragendsten Schüler des Servius nicht herangezogen haben sollte: die Annahme von selbständigen Ausgaben ihrer Schriften und deren Benutzung durch Namusa, kann, wenn man nur den modernen Begriff des litterarischen Eigentums ausser Betracht lässt, in keiner Weise befremden und steht auch zu dem Bericht des Pomponius nicht im Widerspruch. Schliesslich sind aller Wahrscheinlichkeit nach auch von C. Ateius (vgl. Ateius Nr. 3) und Cinna selbständige Werke vorhanden gewesen, wenigstens haben wir kein Recht, die vereinzelt vorkommenden Citate aus ihren Schriften (Lenel Paling. I 71. 171) auf Namusa zurückzuführen. Namentlich ist darauf hinzuweisen, dass auch Ateius wie Alfenus und Ofilius ganz in der Nähe von Namusa genannt wird (Dig. XXXIX 3, 2, 4 und 6; andrer Meinung Krüger 66, 63).

Fragmente aus Namusas Sammelwerke begegnen öfter in den Digesten (Lenel Paling. I 75; doch ist die Zugehörigkeit von frg. 9 zweifelhaft, vgl. Aufidius Nr. 10, und ist Dig. XXXIII 7, 12 pr. als 4 a nachzutragen; vgl. Lenel II 1261). Sie werden teils mit dem Namen Aufidius oder Namusa (1. 2. 3. 6. 8), teils mit Servii auditores (4. 4 a. 5. 7) bezeichnet, denn dass wir es hier mit demselben Werke zu thun haben, darf nicht bezweifelt werden. Citiert wird in diesen Bruchstücken nur der Meister Ser. Sulpicius (frg. 3. 4 a. 5. 6), nie ist einer der Schüler genannt, und vielleicht ist das auch im Original nicht der Fall gewesen. Jedenfalls war eine sachliche Ordnung durchgeführt, die wir freilich nicht mehr zu erkennen vermögen: es liegt das schon im Begriff des digerere. Der Titel des Werkes ist nicht bekannt. Zurückzuweisen ist Coniectanea (so Rudorff, Voigt aus Gell. VII 5, 1; vgl. Bd. I S. 1474); eher wäre dem Wortlaut des Pomponius entsprechend Digesta möglich (vgl. Mommsen, Lenel, Krüger), eine Bezeichnung, die auch sachlich den Charakter des Werkes am besten zum Ausdruck bringt. Bedenken erregt die hohe Zahl der Bücher (140): Mommsen will centum im Text des Pomponius streichen.

Litteratur: Zimmern Gesch. d. R. Priv. R. I 293f. Dirksen Hinterl. Schr. I 54, 129. Rudorff R. R.-G. I 163. 165. Mommsen Ztschr. f. R.-G. VII 480f. Teuffel R.-E. I² 2129, 19; R. Litt.-Gesch. § 174, 5. H. Pernice Miscellanea 31ff. A. Pernice Labeo I 19, 13; vgl. 2, 3. Karlowa R. R.-G. I 485. 487. 670. vgl. R. Civilpr. 379, 4. Krüger Quellen u. Litt. d. R. R. 66, 61–64. Voigt R. R.-G. I 247.