Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Flußgott
Band II,2 (1896) S. 17061708
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8) Mythologisch wurde A. als boiotischer und phliasisch-sikyonischer Flussgott aufgefasst. Den Plataeern galt er neben Kithairon als alter König ihrer Stadt (Paus. IX 1, 2), und das sikyonische Land, für welches er das Wasser des nach ihm benannten Flusses auffand (Paus. II 12, 4), führte nach ihm ursprünglich den Namen Asopia (Eumel. bei Schol. Pind. Ol. 13, 74 und Paus. II 3, 10, vgl. Paus. II 1, 1). Er war der Sohn des Poseidon und der Pero (Akusil. bei Apollod. III 12, 6, 4) oder der Kelusa (Paus. II 12, 4). Nach [1707] andern stammte er von Okeanos und Tethys, oder von Zeus und Eurynome ab (Apollod. a. a. O. Diod. IV 72, 1). Aus seiner Verbindung mit Metope (Pind. Ol. 6, 84f. mit Schol.), der Tochter des Flussgottes Ladon, gingen zwei Söhne, Ismenos und Pelasgon oder Pelasgos hervor (Apollod. Diod. a. a. O.); seine genealogisch-mythologische Bedeutung aber beruht auf der grossen Zahl seiner Töchter (θυγατρογόνου ποταμοῖο Nonn. Dionys. VII 212), durch die er zum Stammvater der berühmtesten Helden von Hellas geworden ist. Ob bei den einzelnen der boiotische oder sikyonische Flussgott als Vater anzunehmen ist, ergiebt sich grossenteils aus den von ihnen abgeleiteten geographischen Benennungen, war aber bei manchen, z. B. bei Thebe, schon im Altertum streitig (Paus. II 5, 2). Auf dem Weihgeschenke der Phliasier in Olympia waren beim Raube der Aigina durch Zeus als Zuschauer neben A. ihre Schwestern Nemea, Harpina, Korkyra und Thebe zugegen (Paus. V 22, 6. Overbeck Kunstmythol. Zeus 399; nach Pausanias II 5, 2 scheint es, als hätten die Phliasier ihm nur drei Töchter zugeschrieben, Korkyra, Aigina und Thebe. Apollodor giebt ihre Zahl auf zwanzig an, nennt jedoch nur Aigina und an andern Stellen Ismene (II 1, 3, 1) und Salamis (III 12, 7, 1). Diodor zählt zwölf auf: Korkyra, Salamis, Aigina, Peirene, Kleone, Thebe, Tanagra, Thespeia, Asopis, Sinope, Ornia und Chalkis (die nach Steph. Byz. s. Χαλκίς und Eustath. Il. II 536 auch Kombe hiess), fügt aber selbst noch Harpina, die Mutter des Oinomaos, hinzu (IV 73, 1; vgl. Paus. V 22, 1. Schol. Apoll. Rhod. I 752, Steph. Byz.). Die wichtigsten unter ihnen sind Aigina, die Mutter des Aiakos (s. u.), und Thebe (Pind. Ol. 6, 84f. mit Schol.; Isthm. 8, 19 mit Schol. Herodot. V 80); Ovid (am. III 6, 33) nennt sie Gattin des A., wie andrerseits Metope und Eurynome gelegentlich unter seinen Töchtern erscheinen. Durch Korkyra wurde er Grossvater des Alkinoos (Diod. Paus. a. a. O. Steph. Byz. s. Φαίαξ). Andere Zeugnisse sind für Salamis Paus. I 35, 2. Schol. Pind. Ol. 6, 84. Tzetz. exeg. in Il. 132 ed. Herm. (nach Tzetz. Lycophr. 110 hatte A. selbst, von Theben kommend, zuerst Besitz von der gleichnamigen Insel genommen), für Kleone Paus. II 15, 1. Tzetz. exeg. a. a. O., für Tanagra Korinna bei Paus. IX 20, 1, für Thespia Paus. IX 26, 6; über die Schicksale Sinopes, der Stammmutter der Syrer, vgl. ausser Diod. a. a. O. Apoll. Rhod. II 946ff. mit dem aus Eumelos und Aristoteles u. a. gezogenen Bericht des Scholions und Etym. M. s. Σινώπη. Als Tochter des A. wird von der älteren Überlieferung vor allem auch Antiope bezeichnet, die später besonders bei den Tragikern als Tochter des Nykteus gilt (Hom. Od. XI 260. Asios bei Paus. II 6, 1 und 4. Apoll. Rhod. I 735 mit Schol. Tzetz. Lycophr. 436). – Ausserdem werden noch genannt: Ismene, die durch ihren Gatten oder Sohn Argos Grossmutter der Io wurde (Apollod. II 1, 3, zum Teil nach Kerkops), Plataia (Paus. IX 1, 2), Oëroë (Herodot. IX 51. Paus. IX 1, 1), Thisbe (Steph. Byz. Schol. Il. II 502), Euboia (Scymn. 569. Schol. Il. II 535. Hesych. s. Τιτανίδα], Pronoe (Schol. Il. II 517), Rhode, die Geliebte des Helios (Schol. Od. XVII 208), Metope, die Schol. Pind. Isthm. 8, 19 im Gegensatz zu [1708] Thebe und Aigina als eine der älteren Töchter bezeichnet wird, Eurynome (Clem. Rom. recogn. 10, 23), Philyra (Akesandr. v. Kyr. Schol. Pind. Pyth. 9, 27) und Euadne (nach A. Riese Euanthe), die Geliebte des Nilus (Ovid. am. III 6, 41). Vgl. E. L. M. Hagen De Asopi liberis. Regim. 1833. Unger Theb. Parad. 56f. 363f. A. F. Pott Jahrb. f. Philol. Suppl. III 311f. Preller-Robert Griech. Myth. I⁴ 547. 549f. 553.

Die Person des Flussgottes tritt, abgesehen von Nonn. Dionys. XXVII 275. XLIV 8, nur in der Sage vom Raube der Aigina hervor (dargestellt auf zwei Vasenbildern Mus. Greg. II 20. De Witte Cat. Durand 3). Als Aigina (s. d. Nr. 2) von Zeus entführt worden war, kam der Vater auf der Verfolgung des Räubers nach Korinth, wo Sisyphos, dem er zuvor aus dem dürren Felsen von Akrokorinth die berühmte Tempelquelle (Peirene) entspringen lassen musste, ihn auf die Spur des Zeus wies, wofür er später in der Unterwelt büssen musste. Aber Zeus schreckte den Flussgott durch seinen Blitzstrahl in sein Bett zurück (vgl. E. Curtius Peloponn. II 581), in welchem seitdem Kohlen gefunden werden (Pherekyd. bei Schol. Il. VI 153. Apollod. III 12, 6. I 9, 3. Diod. IV 72. Hyg. fab. 52. Anton. Lib. 38. Eurip. Iph. Aul 697. Kallim. hymn. in Del. 78 mit Schol. Nonn. Dionys. XIII 215ff. u. ö. Stat. Theb. VII 319; vgl. auch Schol. Pind. Isthm. 4, 44 und Steph. Byz. s. Αἴγινα). Nach Schol. Hom. Il. I 180 hatte Zeus, um den nacheilenden A. zu täuschen, Aigina in die nach ihr benannte Insel und sich selbst in einen Stein verwandelt.

Die hervorragende Rolle, welche A. gleich andern Flussgöttern in den Geschlechtsregistern der Hellenen spielt, beruht wohl hauptsächlich auf der richtigen Würdigung der lebenspendenden Kraft aller Wasserläufe für das Land, wie sie gerade in zwei der hier angeführten Sagen deutlich zu Tage tritt. Gewiss spiegeln sich auch in den bedeutsamen Namen der Töchter mehrfach uralte historische Beziehungen wieder (z. B. Thebe und Aigina, vgl. Herodot V 80 und E. Meyer Gesch. d. Altert. II 317. 538). Unkritisch aber war es, auf den Katalog Diodors von unbekannter Entstehungszeit und Zusammensetzung allgemeine Kombinationen zu bauen, wie z. B. Kruse (Hellas I 426) in den A.-Töchtern alte Colonien der Pelasger erblickte, während H. Donndorf (die Ionier auf Euboia 42ff.) in ihnen die Überlieferung von einem uralten Städtebunde wieder zu erkennen glaubte (dagegen E. Curtius Jahrb. f. Philol. 1861, 459).