Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Sohn des Kleinias, von Sikyon, geb. 271 v. Chr., bedeutender Staatsmann
Band II,1 (1895) S. 383390
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2) Sohn des Kleinias und der Aristodama (Paus. II 10, 3), von Sikyon, geb. 271/0 v. Chr. Damals war Sikyon seit längerer Zeit von Tyrannen beherrscht, die meist Parteigänger der makedonischen Könige waren. Der Vater A.s, Kleinias, war einer der angesehensten Gegner dieser Tyrannen und wurde nach dem Sturze eines von ihnen, des Kleon, zusammen mit Timokleides vom Volke mit der höchsten Gewalt bekleidet. Aber bald, um 264 v. Chr., erhob sich (vielleicht im Zusammenhang mit den Erfolgen des Antigonos Gonatas im chremonideischen Kriege) ein neuer Tyrann, Abantidas. Kleinias ward mit mehreren seiner Anhänger getötet, andere entflohen ins Ausland; unter diesen war auch der siebenjährige Sohn des Kleinias, A., der von einer Verwandten gerettet und nach Argos geschafft wurde und hier bei Gastfreunden seines Hauses aufwuchs, als ein Jüngling von kräftigem Körper und hohen Geistesgaben, der, sobald er erwachsen war, die Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Seine Herkunft und seine Eigenschaften machten ihn zum Haupte der sikyonischen Verbannten, und er beschloss, seine Vaterstadt zu befreien. Nachdem [384] er sich vergeblich um Beistand an Antigonos Gonatas und Ptolemaios II. von Ägypten gewandt hatte, beschloss er, es mit eigener Kraft zu unternehmen. Seine Absichten waren dem damaligen Tyrannen von Sikyon, Nikokles, dem zweiten Nachfolger des Abantidas, nicht entgangen, und dieser liess ihn beobachten. Dennoch glückte es dem A., in einem waghalsigen Unternehmen nachts mit einigen Bewaffneten die Mauern von Sikyon zu übersteigen, die Leibwache des Tyrannen gefangen zu nehmen und die Stadt zu befreien; der Tyrann war entkommen (Ol. 132, 2 = 251/50 v. Chr. Plut. Arat. 2–9. Polyb. II 43, 3). A. hatte anfangs grosse Schwierigkeiten zu überwinden. Es kehrten jetzt fast 600 Verbannte zurück, von denen mancher 50 Jahre lang in der Fremde gelebt hatte. Sie forderten ihren früheren Besitz zurück, der längst in andere Hände übergegangen war, und es entstand die Gefahr neuer bürgerlicher Unruhen, aus denen leicht eine neue Tyrannis entstehen konnte, zumal da die junge Freiheit der Stadt auch durch Antigonos Gonatas bedroht war, der den A. jetzt als seinen Feind ansah. Um diesen Schwierigkeiten zu begegnen, schloss sich das befreite Sikyon unter A.s Führung an den Bund der achaeischen Städte an, die sich seit 281 v. Chr. allmählich von der makedonischen Herrschaft befreit und vereinigt hatten. Durch den Beitritt Sikyons dehnte sich der Bund zum ersten Male über die Grenzen Achaias hinaus, und da das neue Mitglied viel bedeutender war, als die achaeischen Städte, so nahm es bald den ersten Platz im Bunde ein. Gegen die inneren durch die Rückkehr der Verbannten erzeugten Schwierigkeiten fand A. den Beistand des Ptolemaios von Ägypten, der stets bedacht war, die vollständige Unterwerfung Griechenlands unter Makedonien zu verhindern. Schon gleich nach der Befreiung wandte er dem A. 25 Talente zu; bald darnach begab sich dieser unter allerlei Fährlichkeiten selbst zu ihm und veranlasste den König, zur Abfindung der Verbannten der Stadt Sikyon 150 Talente in mehreren Raten zu schenken. A. ward von den Sikyoniern zum Mittler zwischen den Verbannten und ihren Gegnern erwählt. Er zog 15 andere angesehene Sikyonier hinzu und brachte mit Hülfe der von Ptolemaios geschenkten Summe nach mühseliger Arbeit einen befriedigenden Ausgleich zu stande, der den Sikyoniern den innern Frieden gab und dem A. selbst den ersten Platz in seiner Vaterstadt sicherte (Plut. Arat. 9–15. Cic. de offic. II 81f.).

Im J. 245/4 bekleidete A. zum ersten Male die Strategie des achaeischen Bundes und führte im Bündnis mit den Boeotern einen Krieg gegen die Aetoler; er vermied eine Feldschlacht und kam den Boeotern gegen die Aetoler zu spät zur Hülfe. Weit namhafter ist seine zweite Strategie, 243 v. Chr., in welcher es ihm gelang, mit einer Handvoll Leute Korinth, Akrokorinth und Lechaion durch nächtlichen Überfall (Plut. Arat. 18–23. Polyaen. VI 5) den Makedoniern zu entreissen und dem achaeischen Bunde zuzuführen. Bald folgten die benachbarten Orte, Megara, Epidauros und Troizen, und traten ebenfalls dem Bunde bei. A. wurde durch diese Erfolge der erste und leitende Staatsmann des ganzen Bundes. So oft es gesetzlich möglich war, jedes Jahr um das andere, [385] ward er zum Strategen erwählt. Ptolemaios III. von Ägypten verbündete sich mit den Achaeern und wurde zum obersten Feldherrn des Bundes erwählt (Plut. Arat. 16–24. Polyb. II 42, 4).

In seiner dritten Strategie (241/40 v. Chr.) führte A. wiederum gegen die Aetoler Krieg, die mit einem Angriff auf den Peloponnes drohten. Damals waren die Achaeer mit den Lakedaimoniern verbündet, deren König Agis III. sich bei Korinth mit A. vereinigte (o. Bd. I S. 820). Gegen die Meinung des Agis und vieler Achaeer weigerte sich A., den Aetolern zur Schlacht entgegenzurücken, sondern beschränkte sich auf den Schutz der Landschaft und der damals begonnenen Ernte. Als dann die Bundesgenossen der Achaeer entlassen waren, fielen die Aetoler in den Peloponnes ein und nahmen Pellene durch Überfall. Aber schnell eilte A. herbei, überraschte die Aetoler, vertrieb sie und brachte ihnen starke Verluste bei (Plut. Arat. 31; Agis 15). A. bestrebte sich den Bund weiter auszubreiten und die Makedonier gänzlich aus dem Peloponnes zu verdrängen. In diesem Kampfe gegen die Makedonier und ihre peloponnesischen Parteigänger, vornehmlich die Tyrannen, war es für A. sehr wertvoll, dass es ihm bald nach dem Tode des Antigonos Gonatas (240/39 v. Chr.) gelang, zwischen den Achaeern und Aetolern ein Bündnis zu schliessen, wozu auf aetolischer Seite der einflussreiche Pantaleon half (Plut. 33). Beide Völker führten nunmehr den Krieg gegen Demetrios, den Sohn des Antigonos, gemeinschaftlich. Im Peloponnes waren A.s Anstrengungen besonders darauf gerichtet, Argos zu gewinnen und von den makedonisch gesinnten Herrschern zu befreien. Er versuchte zuerst den Tyrannen Aristomachos zu beseitigen; als dieser ermordet war, wandte er sich gegen den Nachfolger Aristippos, der A.s Todfeind war und sogar Mörder gegen ihn aussandte. A.s wiederholte Angriffe (einer ward sogar mitten im Frieden unternommen, weshalb A. von einem Schiedsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt ward) misslangen teils durch seine eigenen Fehler teils durch die Gleichgültigkeit der Argiver. Nur Kleonai im Gebiete von Argos ward von A. besetzt, und als der Tyrann dieses wieder erobern wollte, ward er durch einen geschickt vorbereiteten Angriff der Achaeer überrascht und geschlagen; er fand auf der Flucht sein Ende. Da aber gleich darnach mit makedonischer Hülfe Aristomachos II. in Argos zur Herrschaft kam, so war auch diesmal A.s Versuch auf die Stadt ohne den gewünschten Erfolg. Dagegen gelang es, um 233 v. Chr. Megalopolis zu gewinnen; der Tyrann der Stadt, Lydiadas, legte seine Gewalt nieder und führte die Megalopoliten in den achaeischen Bund hinüber (Plut. Arat. 25–30). Auch ausserhalb des Peloponnes finden wir den A. im Kriege gegen Makedonien thätig. Einmal erlitt er von Truppen des Demetrios eine Niederlage bei Phylakia (unbekannter Lage). Ferner versuchte er wiederholt, Athen, das damals makedonisch war, mit Güte oder Gewalt von Makedonien loszureissen; auch Salamis wurde angegriffen (Plut. 33).

Eine grosse Förderung erhielten die Unternehmungen A.s durch den Tod des Königs Demetrios und die darauf folgenden Unruhen in Makedonien, mit denen Demetrios Nachfolger Antigonos Doson beschäftigt war (Ol. 137, 3 = 230/29 v. [386] Chr.). Damals riefen ihn zunächst die Athener zur Hülfe; A. half mit dazu, dass der Piraeus und Munichia, Sunion und Salamis von der makedonischen Besatzung geräumt ward. Den Anteil A.s an der Befreiung Athens darf man nicht verkleinern; die von U. Koehler Herm. VII 2f. dagegen angeführten athenischen Ehrendecrete für Eurykleides und Mikion sind sehr einseitige Zeugnisse. Jedoch den Anschluss Athens an den Bund konnte A. nicht erreichen, und es blieb zwischen ihm und den Athenern eine gewisse Verstimmung übrig. Bald darnach legte der Tyrann Aristomachos von Argos seine Gewalt nieder und trat dem Bunde bei; es folgten Aegina und die Tyrannen von Phlius und Hermione (229 v. Chr.). Etwa die Hälfte des Peloponnes war damals achaeisch. Polyb. II 44, 2. Plut. Arat. 34.

Aber durch das Wachstum des Bundes, vornehmlich seine weitere Ausbreitung über die arkadischen Städte, wurde der Krieg mit den Lakedaimoniern unter Kleomenes III. und den Eleern herbeigeführt, der sog. kleomenische Krieg (229–222 v. Chr.). Einen erheblichen Anteil daran hatten die Megalopoliten, die, seitdem ihre Stadt bestand, mit Sparta und ebenso meist mit Elis verfeindet waren und jetzt auch den Bund in diese Feindschaft hineinzogen. In diesem Kriege zeigten sich sehr zum Schaden des Bundes die militärischen Schwächen A.s. A. war ein erfahrener Politiker und Parteimann; er hatte oft schon bei Handstreichen und Überfällen verwegenen Mut gezeigt und sein Leben nicht geschont. Aber einen Krieg zu führen und eine Feldschlacht zu leiten, war er nicht fähig. Dabei ist jedoch auch die mangelhafte Wehrverfassung des Bundes in Rechnung zu ziehen. Schon früher hatte A. sich öfters durch Zaudern und ängstliche Zurückhaltung Tadel zugezogen und war zum Gespött seiner Gegner geworden (Plut. Arat. 28. 31). Im Kriege gegen Kleomenes, der ein geschickter und entschlossener Feldherr war und ein geübtes Heer hatte, ward A.s kriegerisches Ungeschick vollends allen offenbar.

Der Krieg begann damit, dass Kleomenes das Athenaion im Gebiete von Megalopolis besetzte (229 v. Chr.). Nach verschiedenen kleineren Unternehmungen in Arkadien begegnete im J. 228 das achaeische Heer unter Aristomachos dem kleomenischen bei Pallantion. Kleomenes bot die Schlacht an, obwohl er viel weniger Truppen hatte; aber auf die Autorität A.s, der sich beim Heere befand, lehnte Aristomachos das Treffen ab. Ein Jahr später 227 fiel A. in Elis ein, ward aber auf der Rückkehr am Lykaion (im Gebiete von Megalopolis) von Kleomenes angegriffen und besiegt. Es gelang ihm freilich, kurz darauf durch einen Überfall Mantineia zu nehmen; aber nicht lange darnach, noch in demselben Jahre, erlitt er bei Ladokeia in der Megalopolitis eine völlige Niederlage; der achaeische Reiterführer, Lydiadas, fiel. Die Niederlage war weniger durch A. verschuldet als durch den gefallenen Lydiadas, aber die Erbitterung des Heeres wandte sich gegen A., und die Achaeer beschlossen, ihm für den Krieg gegen Kleomenes kein Geld mehr zu bewilligen; man sah diesen Krieg als die eigene Sache A.s an. Nach diesem Siege stürzte Kleomenes in Sparta die Verfassung, machte sich zum Herrn der Stadt und setzte seine [387] Reformen ins Werk. Seine Macht ward dadurch ansehnlich erhöht, zumal da er jetzt nach solchen Erfolgen bei Ptolemaios III. von Ägypten bereitwillige Unterstützung fand. Nachdem Kleomenes im J. 226 Mantineia wieder erobert hatte, rückte er zum Angriff auf Achaia los und schlug die Achaeer unter Hyperbatas am Hekatombaion bei Dyme. Es schien damals, dass A. selbst die Sache verloren gebe; er lehnte für 225/4 die Wahl zum Strategen ab. Die Achaeer wählten den Timoxenos und knüpften mit Kleomenes Unterhandlungen an; der Sieger verlangte, dass der ganze achaeische Bund sich der spartanischen Hegemonie unterwerfe, und die Achaeer schienen anfangs dazu bereit. Jedoch der Abschluss der Unterhandlungen ward durch eine plötzliche Erkrankung des Kleomenes unterbrochen, und in dieser Zeit setzte A. alles daran, diesen Frieden zu hindern, und sein Einfluss drang bei den Achaeern wieder durch. Vielleicht ward er dabei von den besitzenden Klassen unterstützt, die von Kleomenes allerlei gewaltsame Veränderungen fürchteten, ähnlich wie dieser sie in Sparta vorgenommen hatte. Da die Aetoler und auch die Athener sich weigerten, den Achaeern zur Hülfe zu kommen, so wandte sich A. an Antigonos Doson, den König von Makedonien, trotz seiner früheren Feindschaft gegen ihn. Die Vermittelung übernahmen die den Makedoniern von je her befreundeten Megalopoliten. Diese, durch den Krieg am meisten betroffen, baten zuerst im Einvernehmen mit den Achaeern den König um Hülfe, und Antigonos sagte zu und erklärte sich bereit, auch den Achaeern beizustehen. Freilich trug A. Bedenken, das Anerbieten anzunehmen, da Antigonos einen hohen Preis forderte, Korinth und Akrokorinth, und zögerte daher abzuschließen (Polyb. II 47–51. Plut. Arat. 35–39; Cleom. 4–16).

Aber Kleomenes, der bei der Wiederaufnahme der unterbrochenen Unterhandlungen (224 v. Chr.) die veränderte Lage erkannte, erklärte den Achaeern sogleich aufs neue den Krieg, rückte in Achaia ein und gewann hier und in Arkadien mehrere Plätze. Auch Argos und die benachbarten Städte gingen zu ihm über; überall neigte sich die niedere besitzlose Bevölkerung ihm zu, und sogar in Sikyon und Korinth wurden Verbindungen mit ihm entdeckt. A. erhielt zur Unterdrückung dieser Bewegungen in Sikyon und Korinth eine besondere dictatorische Befugnis; aber während er in Korinth seines Amtes waltete, erhob sich diese Stadt, ging zu Kleomenes über, und kaum entging A. der Gefangenschaft; nur Akrokorinth blieb im Besitz der Achaeer. Sikyon selbst ward drei Monate lang von Kleomenes eingeschlossen. Durch diese Ereignisse wurden die Verhandlungen A.s mit Antigonos zur Vollendung gebracht. Kleomenes machte zwar noch einen Versuch, sich mit A. zu verständigen und bot ihm ein jährliches Gehalt an; aber A. konnte das nicht annehmen, er hätte sich immer seinem Widersacher unterordnen müssen. Jetzt wählten ihn die Achaeer, um die Verhandlungen mit Antigonos zu Ende zu führen, zum ausserordentlichen Strategen mit unbeschränkter Vollmacht. Als solcher schloss er den Vertrag mit Antigonos ab, der sogleich, noch im Sommer 224, mit mehr als 20 000 Mann erschien. A. ging ihm mit den achaeischen Damiurgen bis Pagai entgegen, wo die Eide gewechselt wurden. Bald [388] darauf, nachdem Argos von Kleomenes wieder abgefallen war, drang Antigonos in den Peloponnes ein und nahm und besetzte Korinth. Nun nahm der Krieg seinen weiteren Verlauf bis zur Schlacht bei Sellasia und der Flucht des Kleomenes (222 v. Chr. Polyb. II 52. Plut. Arat. 39–44; Cleom. 17–29).

A. hatte mit Antigonos die alte Gastfreundschaft erneuert, er empfing den König in seinem Hause in Sikyon; auf seinen Antrag wurden die Besitzungen des argivischen Tyrannen Aristomachos, der hingerichtet ward, dem Antigonos geschenkt; A. ward ferner Oikist der an Stelle des zerstörten Mantineia neu gegründeten achaeischen Stadt Antigoneia und stand noch vor Antigonos Ende seinem Nachfolger Philippos bei seiner ersten Reise im Peloponnes zur Seite (Plut. 45f.). Auch nach dem Tode des Antigonos (221 v. Chr.) behielt A. die Leitung des achaeischen Bundes. Unter seiner Strategie und seinem Einflüsse brach 220 der Krieg des achaeischen Bundes gegen die Aetoler und ihre Bundesgenossen aus, der sog. Bundesgenossenkrieg (220–217 v. Chr.). Auch hier war es ihm nicht beschieden, kriegerische Lorbeeren zu pflücken; gleich zu Beginne der Feindseligkeiten liess er sich bei Kaphyai von einer weit geringeren Streitmacht der Aetoler schlagen (Potyb. IV 11. Plut. Arat. 47). Wiederum wurde Makedoniens Hülfe angerufen, und Philipp musste am Kriege das Beste thun. A. stand bei ihm in grossem Ansehen; unter seinem Beistande wurde damals das Bündnis zwischen Philipp und den Kretern abgeschlossen (Polyb. IV 53. Plut. Arat. 48); aber es gab in Philipps Umgebung manche angesehene Männer, wie Apelles, die A.s Einfluss zu beseitigen suchten und sehr feindlich gegen ihn auftraten. Es gelang ihnen, auf den König Eindruck zu machen; eine Folge davon war es, dass auf Philipps Betreiben nicht A., sondern Eperatos für das Jahr 218 zum achaeischen Strategen gewählt ward (Polyb. IV 82, 2. Plut. Arat. 48). Aber A. erwies sich als unentbehrlich, und bald söhnte sich Philipp wieder mit ihm aus (Polyb. V 1, 6). A. begleitete den König bald darnach auf dem Feldzuge nach Aetolien und befestigte seinen Einfluss: seine Widersacher am Hofe wurden bestraft (Polyb. V 7f. 15, 3f. 25f.). Im J. 217 war A. wieder Strateg des Bundes und verstärkte damals die Heeresmacht der Achaeer so, dass sie den Aetolern und ihren Verbündeten mit Erfolg widerstehen konnten (Polyb. V 91). Um dieselbe Zeit legte er als Schiedsrichter nach Bundesbeschluss die bei der Neugründung von Megalopolis entstandenen Streitigkeiten bei (Polyb. V 93). Noch in demselben Jahre machte der Friede von Naupaktos dem hellenischen Kriege ein Ende, und Philipp wandte sich dem Kriege gegen die Römer in Illyrien zu. Allmählich änderte sich jedoch die Politik Philipps den Hellenen gegenüber, und A. verlor seinen Einfluss bei ihm. Die Entfremdung begann bei dem Eingreifen Philipps in den Parteikampf in Messene, wo der König die Parteien aufreizte statt sie zu versöhnen (214 v. Chr.). Ein offener Bruch ward damals jedoch vermieden, und auf Abraten A.s stand Philipp von der Besetzung des Ithomatas, der Burg Messenes, ab. Den König nach Illyrien zu begleiten, lehnte A. ab. Aber nach seiner Rückkehr mischte sich Philipp aufs neue in [389] die messenischen Händel ein; zugleich ward dem A. offenbar, dass der junge König das Gastrecht missbraucht und mit der Frau des jüngeren A. Ehebruch getrieben habe; so kam es zu einem vollkommenen Zerwürfnis zwischen Philipp und A. Philipp, so wird erzählt, liess ihm bald darnach ein langsam wirkendes Gift beibringen, an dem A. in seiner 17. Strategie zu Aigion starb (213 v. Chr.). Er ward in Sikyon mitten in der Stadt auf dem Arateion beigesetzt und empfing heroische Ehren; alljährlich wurden ihm zwei Feste gefeiert, die in geringen Überbleibseln sich bis in Plutarchs Zeiten erhielten (s. Arateia). Bei Pausanias findet man sogar den Glauben erwähnt, dass er Sohn des Asklepios gewesen sei (Paus. II 10, 3. IV 14, 7). Auch sein Geschlecht dauerte in Sikyon und Pellene fort; Polykrates, dem A.s Biographie gewidmet ist, gehörte zu seinen Nachkommen (Plut. Arat. 49–53. Polyb. VII 10–14).

Die Beurteilung A.s war im Altertum verschieden; von vielen wurde es ihm zum schweren Vorwurf gemacht, dass er den achaeischen Bund an Antigonos anschloss und dadurch bewirkte, dass Makedonien wieder in den Peloponnes eindrang. Namentlich der Historiker Phylarchos hat sich in heftigen Ausfällen gegen A. ergangen, wogegen ihn Polybios verteidigt und zu erweisen sucht, dass das Bündnis mit Antigonos eine unvermeidliche Notwendigkeit war (Polyb. II 56f. 47f. Plut. Cleom. 16; Arat. 38. 45). Polybios stellt gewiss nicht ohne eine gewisse Voreingenommenheit dar; dennoch wird man A.s Verfahren nicht leicht verdammen können, da in Wahrheit der Bestand des achaeischen Bundes mit der Hegemonie Spartas, selbst wenn diese dauernd möglich gewesen wäre, nicht zu vereinigen war. Nur durch den Anschluss an eine stärkere Macht konnte der achaeische Bund damals gerettet werden, und man kann es dem A. nicht ernstlich verargen, dass er alles that, um sein Werk zu erhalten. Denn dem Bunde, seiner Ausdehnung und Einrichtung hatte A. seine Kräfte gewidmet; er hat ihn unter Anwendung aller Mittel, deren sein erfinderischer Geist mächtig war, mitten unter übermächtigen feindlichen Gewalten zu erhalten und zu erweitern gesucht. Freilich stand die innere Befestigung des Bundes zu der raschen äusseren Ausbreitung in keinem rechten Verhältnis, und so kam es, dass der Bund dem Kleomenes so geringen Widerstand leisten konnte. Hierin lag die wesentliche Schwierigkeit, und es war für den Bund sehr zu beklagen, dass A. so wenige militärische Begabung hatte und dass für die Ausbildung der Wehrkraft nicht genug geschah. Man erkennt die Bedeutung A.s am besten daran, dass trotz allen seinen Mängeln und Misserfolgen die Achaeer doch niemals an ihm irre wurden, sondern ihm mit kurzen Unterbrechungen immer wieder ihr Vertrauen schenkten. Er war daher bis zu seinem Tode der Leiter des Bundes. Die Nebenbuhler die ihm erwuchsen, wie Lydiadas und Aristomachos, konnten sich ihm gegenüber nicht behaupten. Sein Äusseres, sein hoher kraftvoller Wuchs trug dazu bei, den Eindruck seiner Persönlichkeit zu erhöhen. Hierüber giebt Plutarch Arat. 3 einige Andeutungen. Statuen von ihm werden in Olympia, Sikyon und Korinth erwähnt, s. Polyb. XXXIX 14, 10. Paus. II 7, 5. VI 12, 5.

[390] Wahrscheinlich durch die Angriffe, die er erfuhr, veranlasst, schrieb A. unter dem Titel ὑπομνήματα seine Geschichte bis zum Ende des kleomenischen Krieges in mehr als 30 Büchern; es war eine Rechtfertigung, die Polybios als wahrhaft rühmt, jedoch zugiebt, dass manches darin verschwiegen war. Abgefasst ist diese Schrift wohl erst nach dem Tode des Antigonos Doson, dem viel Übles nachgesagt ward (Plut. Cleom. 16), also in A.s letzter Lebenszeit. Die Darstellung war ohne Kunst, wie A. überhaupt auf die Redekunst wenig Wert legte. Vgl. FHG III 21. Klatt Forschungen zur Geschichte des kleomen. Krieges I 9ff. Aus diesem Werk und der entgegengesetzten, dem A. feindlichen Darstellung Phylarchs ist in der Hauptsache die Plutarchische Biographie zusammengesetzt, wenn auch Plutarch wohl weder den einen noch den andern Schriftsteller selbst benutzt hat. Was Pausanias II 8f. giebt, ist aus Plutarch abgeleitet ohne eigenen Wert und mit manchen Irrtümern vermengt. Irrig ist auch die Nachricht desselben Autors von einem Siege, den A. zusammen mit den Mantineern und Lydiadas über den König Agis von Lakedaimon erfochten habe (Paus. VIII 10, 5. 8, 11).

Streitig ist in der Geschichte A.s die Chronologie: allgemein anerkannt ist, dass die Befreiung Sikyons, die A. als Zwanzigjähriger ausführte, ins J. 251/50, die erste Strategie A.s ins J. 245/4 gehört, die zweite mit der Befreiung Korinths ins J. 243/2. Die Strategie ward damals im Frühjahr angetreten. Sehr bestritten ist dagegen die Chronologie des kleomenischen Krieges, wobei viel von der Bestimmung der Schlacht bei Sellasia abhängt. Man wählt meistens mit Schömann das J. 221 v. Chr., aber nach dem Zeugnisse des Polybios IV 35, 8 und aus anderen Gründen muss man sich mit den älteren Historikern (z. B. Manso und Clinton) für das J. 222 v. Chr. entscheiden. Was ferner A.s Strategien anlangt, so hat (darüber besteht wenig Streit) er zuerst in den J. 245–227 regelmässig ein Jahr ums andere, also zehnmal das Amt bekleidet. Schwieriger sind die nächsten Strategien zu ordnen: wahrscheinlich sind die späteren in die J. 224/3, 222/1, *220/19, *217 (in diesem Jahr wurde wahrscheinlich der Antritt der Strategie vom Frühling auf den Herbst verlegt, wodurch diese oder die nächste nur halbjährig wird), 216/5, *214/3 zu setzen (für die mit einem * bezeichneten Jahre ist die Strategie A.s bezeugt). Diese sind zusammen 16 Strategien; dazu kommt das ausserordentliche Amt, das ihm im J. 225/4 für die Unterhandlungen mit Antigonos übertragen ward, und damit wird die von Plutarch bezeugte Zahl 17 voll. Vgl. Schömann Plutarchi Agis et Cleomenes prol. XXXVIIIf. Reuss N. Jahrb. f. Philol. CVII 589f. CXIII 605f. Klatt Forschungen zur Gesch. d. ach. Bundes I 63f. 122f. Niese in Sybels histor. Zeitschr. N. F. IX 489f.

Allgemeine Litteratur über A.: Schorn Gesch. Griechenlands 65ff. Droysen Hellenismus III 1, 336f. 410f. III 2, 28f. 51f. Freemann History of federal Government I 357f. Neumeyer Aratos von Sikyon, Neustadt 1886. 1887. Oben Bd. I S. 176f.

[Niese. ]