Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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IV., König von Lakedaemon 245 v. Chr.
Band I,1 (1893) S. 819 (IA)–821 (IA)
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4) Agis IV., König der Lakedaemonier, aus dem Hause der Eurypontiden, Sohn des Eudamidas II., dem er um das J. 245 nachfolgte. Trotz seiner Jugend (er war noch nicht 20 J. alt) beschloss er, die damaligen Zustände Lakedaemons gründlich zu bessern. Die alte Verfassung bestand zwar noch, war aber immer mehr oligarchisch geworden. Die Zahl der Bürger von Sparta (Spartiaten) war auf 700 zurückgegangen, von denen nur etwa 100 Land und Vermögen besassen; ein grosser Teil des Besitzes war in den Händen der Frauen. Die Übrigen waren arm, unlustig und unzufrieden, dazu durch die Gesetze von jeder Arbeit ausgeschlossen. Die spartanische ἀγωγή, Erziehung und Lebensweise [820] ward kaum noch beobachtet; die Reicheren lebten üppig, nicht anders wie ihresgleichen im übrigen Hellas, und waren vielfach verschuldet. So war Sparta auch nach aussen hin wehrlos und schwach. A. suchte diese Übelstände zu beseitigen; indem er selbst sich mit allem Eifer der alten Lebensweise hingab, wünschte er sie überall wieder herzustellen und die kriegerische Kraft des Staates aufs neue zu beleben und zu dem Zweck eine neue Aufteilung des Landes, eine Ausgleichung des Besitzes und zugleich eine Vermehrung der Bürgerschaft vorzunehmen. Er fand bei den jüngeren vielen Anklang, während die älteren Leute sich von ihm abwendeten und nur drei Männer, Lysandros, Mandrokleidas und Agesilaos, sich ihm anschlossen. Letzterer war sein Oheim, und durch ihn gewann er auch seine Mutter und Grossmutter, zwei sehr reiche Frauen. Dagegen die übrigen begüterten Frauen, in Sparta sehr einflussreich, bekämpften ihn heftig und veranlassten namentlich den zweiten König, Leonidas, ihm entgegenzuwirken. Er wurde beschuldigt, er wolle sich mit Hülfe der grossen Menge zum Tyrannen machen. Plut. Agis 2–7.

Durch A.s Einfluss ward nun im J. 243 Lysandros Ephor und brachte von A. veranlasst den Antrag ein, dessen Inhalt war: die Schulden aufzuheben, das Land der Spartiaten im Eurotasthale (zwischen Pellene, Taygetos, Sellasia und Malea) in 4500 gleiche Lose zu teilen und die Zahl der Spartiaten durch geeignete Fremde und Perioeken auf diese Höhe zu bringen; ferner das übrige Lakedaemon in 15 000 Ackerlose zu teilen und diese den waffenfähigen Perioeken anzuweisen. Die Spartiaten sollten zugleich zur Handhabung der ἀγωγή in 15 Phiditien zu je 200 bis 400 Mann eingeteilt werden. Dieser Antrag veranlasste allgemeine Erregung. Das Volk ward von A. und seinen Freunden gewonnen, zumal da A. selbst sein ganzes Vermögen, viel Land und 600 Talente in Geld, hingab. Aber in der Gerusia, wo über den Antrag zuerst beraten werden musste, erlangten Leonidas und die übrigen Gegner das Übergewicht; der Antrag fiel mit einer Stimme Mehrheit und konnte nicht an das Volk gebracht werden. Nunmehr griffen die Anhänger der Reform zu anderen Mitteln. Lysander setzte den Leonidas wegen seiner Verstösse gegen die spartanischen Gesetze in Anklagezustand und veranlasste dessen Eidam, Kleombrotos, das Königtum in Anspruch zu nehmen. Leonidas ward abgesetzt und Kleombrotos König an seiner Statt. Aber die neuen Ephoren, die Herbst 242 ins Amt kamen, waren Gegner der Reform, nahmen sich des Leonidas an und erhoben gegen Lysander und Mandrokleidas Anklage. Aber im Einverständnis mit den beiden Königen griffen Lysander und Genossen zur Gewalt, verjagten die Ephoren, liessen andere wählen, darunter Agesilaos, bewaffneten die Jugend, befreiten die Gefangenen und nötigten den Leonidas zur Flucht nach Tegea; A. rettete ihm hiebei das Leben. Plut. c. 8–12.

Nunmehr begann die Ausführung der Reform. Es ward jedoch auf Betrieb des Agesilaos, der sehr begütert, aber auch sehr verschuldet war, durchgesetzt, dass mit der Schuldentilgung begonnen ward; es wurden daher die Schuldtafeln gesammelt [821] und auf dem Markte verbrannt. Aber die Teilung des nunmehr entlasteten Landes ward von Agesilaos hingehalten. Damals kam auf Ansuchen des Aratos und des achaeischen Bundes A. mit dem lakedaemonischen Aufgebot den Achaeern gegen die Aetoler zu Hülfe, die mit einem Einfalle drohten. A.s Truppen zeichneten sich durch Zucht und gute Ordnung aus. Er vereinigte sich bei Korinth mit Aratos und war dafür, den Aetolern eine Feldschlacht zu liefern, ordnete sich jedoch dem Aratos unter, als dieser sich dagegen entschied. Plut. Agis 13–15; Arat. 31. Als er nach Sparta zurückkam, fand er die Sache der Reform sehr verschlechtert. Agesilaos hatte nicht nur die neue Ackerteilung nicht ausgeführt, sondern sein Amt nur zum eigenen Vorteil geführt und beging eine Reihe von Gesetzwidrigkeiten und Gewaltsamkeiten. A. verlor ihm gegenüber jeden Einfluss und ward von ihm zurückgedrängt. So ging ihm auch der Anhang, den er im Volke hatte, verloren. Sehr bald erhoben sich die Gegner, führten den Leonidas in das königliche Amt zurück und brachten die Stadt in ihre Gewalt. A. und seine Freunde mussten an ihre Rettung denken. A. nahm seine Zuflucht in den Tempel der Athena Chalkioikos und weigerte sich, obgleich Leonidas ihm Verzeihung versprach, den Ort zu verlassen. Er ward aber bald darnach vom Ephoren Amphares, der ihn sicher zu machen gewusst hatte, auf dem Rückwege vom Bade festgenommen und ins Gefängnis geführt. Hier wurde er vor den ihm feindlich gesinnten Geronten einem kurzen Verhör unterworfen und dann sogleich in die Henkerkammer (die sogenannte δεχάς) geführt und hier schnell, ehe seine noch immer zahlreichen Anhänger in der Stadt sich sammeln konnten, erdrosselt. Auch seine Mutter und seine Grossmutter, die hochbetagte Archidamia, erlitten das gleiche Schicksal (Herbst 241). Plut. c. 16–21.

Litteratur: Droysen Hellen. III 1, 420ff. Schorn Gesch. v. Griechenl. 97ff. Schömann Plutarchi Agis et Cleomen., praef. XXXff. Plass griech. Tyrannis II 163ff. 171.

Einige Nachrichten des Pausanias über A., seinen Sieg über die Megalopoliten und die Belagerung von Megalopolis (VIII 27, 13), die Überrumpelung von Pellene (II 8, 5. VII 7, 3) und seinen Tod in der Schlacht bei Mantineia gegen die Arkader (VIII 10, 5ff.) beruhen auf grober Nachlässigkeit und Verwechslung. S. Manso Sparta III 2, 123.