Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Art des blutigen Opfers
Band III A,2 (1929) S. 16691679
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Σφάγια. Während das Verbum σφάγειν von allen blutigen Opfern, auch beim Speiseopfer (z. B. Hom. Od. III 454) gebraucht wird, bezeichnet das Substantivum σφάγιον im Gegensatz zu ἱερεῖον eine besondere, dem Speiseopfer scharf gegenüberstehende Art von blutigen Opfern. Aus dem Altertum selbst besitzen wir darüber nicht eine genaue und klare Erklärung, wie sie sicher die antiken Kultschriftsteller boten, und die darauf zurückgehenden Angaben der Lexikographen und Scholiasten sind, weil zum Teil durch Mißverständnisse und Kürzungen entstellt, allein kein zuverlässiger Ersatz. Wir sind also auf die zerstreuten Zeugnisse der Literatur selbst angewiesen und müssen aus ihnen Art und Bedeutung der σ. zu rekonstruieren versuchen. Erschwert wird dies dadurch, daß die Schriftsteller vor allem in späterer Zeit die einzelnen Termini wie ἱερεῖον und σφάγιον, θύειν, σφάττειν, ἐντέμνειν nicht immer scharf genug unterscheiden. Schon Homer wird von den alten Grammatikern vorgeworfen, daß er bei dem Totenopfer in der Nekyia fälschlich ἱερήια sage (Eustath. zu Od. XI 23), und selbst Pausanias, der doch fortwährend Dinge des Kultus zu erklären und deshalb am ehesten Korrektheit in dieser Hinsicht nötig hatte, verstößt wiederholt dagegen. (Für die Unzuverlässigkeit des Sprachgebrauchs bei Apollonios Rhodios bringt Stengelbezeichnende Beispiele Jahresber. des Philol. Vereins zu Berlin XLVI 153f.) Trotzdem können wir im wesentlichen zum Ziele gelangen; der methodische Weg dazu ist, daß wir erst feststellen, für welche Gelegenheiten und Gottheiten die σ. sicher bezeugt sind, und dann zur Ergänzung die Zeugnisse heranziehen, die zwar das Wort selbst nicht anwenden, aber dieselbe Sache meinen. Homer z. B., bei dem die Sache wiederholt vorkommt, kennt oder braucht das Wort überhaupt nicht.

I. Am häufigsten werden mit σ. bezw. dem abgeleiteten Verbum σφαγιάζεσθαι (Suid. richtig: σφαγιαζόμενος· διὰ σφαγίων θυσίαν ἐπιτελῶν) Opfer vor der Schlacht oder anderen wichtigen Unternehmungen wie einem Flußübergang, einer Seefahrt bezeichnet: Aesch. Sept. 212. 362. Thuk. VI 69, 2. Herod. VI 112. IX 41. 45. 61. VII 180. Eurip. Heraclid. 399. 673. Ion. 278. Orest. 1603. Phoen. 174. Xen. anab. I 8, 15. IV 3, 18. VI 5, 8. 21; hell. III 4, 23. IV 6, 10. VII 4, 30. Laked. pol. XIII 3. 8, später vor allem bei Plutarch. Sodann ist das Wort σ. sicher bezeugt für Eidopfer: Aristoph. Lys. 204. Eurip. Suppl. 1196. 1205. Antiph. V 12. Plut. Pyrrh. 6, für Reinigungs- und Sühnopfer: Polyb. IV 21 und bes. Plut. quaest. Rom. 68: τῷ δὲ κυβὶ πάντες ὡς [1670] ἔπος εἰπεῖν Ἕλληνες ἐχρῶντο καὶ χρῶνταί γε μέχρι νῦν ἔνιοι σφαγίῳ πρὸς τοὺς καθαρμούς, für Totenopfer: Eurip. El. 514. Hel. 1564 σφάγια τῷ τεθνηκότι, Hek. 118. 135. 305, später noch Maxim. Tyr. XIV 2 in guter Terminologie ἐντεμὼν σφάγια χεάμενος χοὴν ἀνεκαλεῖτο ψυχήν, für Heroenopfer Plut. Sol. 9 und endlich für chthonische Gottheiten wie die Eumeniden (Aesch. Eum. 984), soweit sie wenigstens in engerem Sinne als die dämonischen, finsteren Mächte der Unterwelt verstanden wurden (bezeichnend für diesen Unterschied z. B. Paus. VIII 34, 3). Als solch chthonische Mächte empfangen ohne Zweifel auch die Winde (Xen. anab. IV 5, 4 und Aesch. Ag. 201, wo Iphigenie als παυσάμενος θυσία bezeichnet wird, die Eur. Iph. Aul. 1200 korrekt ein σφάγιον nennt) und die Flüsse (Herod. VI 76. Xen. anab. IV 3, 18) als Opfer σ.

Ich habe hier zunächst die Opfer nach den üblichen Kategorien geschieden, bin mir aber bewußt und betone ausdrücklich, daß diese Scheidung nicht ohne Bedenken ist, daß die ganze Klassifikation der Opfer nach Sühn-, Reinigungs-, Eid-, Totenopfer u. ä. mehr gelehrter Konstruktion als dem lebendigen Volksbewußtsein entspricht, daß vor allem der Begriff ,Sühnopfer‘ meines Erachtens für die griechische Religion leicht zu mißverständlicher Auffassung führt. Überblickt man die oben gegebenen Beispiele, so ergibt sich doch wohl ohne weiteres ein allen gemeinsamer Zug: es sind überall Opfer, die in kritischen Momenten dargebracht werden, wo es sich um Leben und Existenz des oder der Opfernden handelt und wo man deshalb den unheilbringenden Einfluß finsterer, dämonischer, wohl meist in der Erde gedachter Mächte, die Isokr. V 117 im Sinne hat, fürchtet und deshalb zu befriedigen sucht. Welche Vorstellung tiefer zugrunde liegt, darüber sei am Schluß noch ein kurzes Wort versucht. Die mit den σ. oft verbundene Zeichenbeobachtung ist natürlich für diese Opfer nicht wesentlich, sondern sekundär (s. darüber unter IV).

II. Was die Vollziehung der Opferhandlung selbst angeht, so stehen vor allem zwei Fragen zur Beantwortung: 1. wie der Ritus des Schlachtens gehandhabt wurde, und 2. was nach der Opferung mit dem Körper des getöteten Tieres geschah. Eine völlige Gleichförmigkeit wird man dabei nicht erwarten und auch nicht finden. Doch sind bestimmte Riten weitaus vorherrschend, und die eigentümlichen Abweichungen, die für einzelne meist abgelegenere Orte bezeugt sind, stammen wohl aus ältester Zeit. Für die spätere Zeit ist ein Nachlassen in der Strenge des Ritus bemerkbar.

1. Nach den wiederholten eindringenden Untersuchungen Stengels (Opferbräuche 103ff. 113ff. Herm. LIX 313ff.) ist über den gewöhnlichen Ritus des Schlachtens bei den σ. kein Zweifel mehr möglich: Während im Kult der himmlischen Gottheiten, vor allem also bei den Speiseopfern, dem Opfertier der Hals zurückgebogen (das αὐερύειν bei Homer) und dann meist durch einen Stich (σφάζειν) die Halsschlagader oder die Kehle geöffnet wurde (s. die deutliche Darstellung auf einem Marmordiskus bei Stengel Opferbr. 117 Abb. 2), wurde im Gegensatz dazu bei den σ. dem Opfertiere der Hals niedergedrückt (καταστρέφειν) und dann die Kehle durchschnitten, [1671] wofür in historischer Zeit der technische Ausdruck ἐντέμνειν war. Homer hat freilich auch dieses Wort noch nicht und gebraucht dafür ἀποδειροτομεῖν oder στόμαχον ἀποτέμνειν, hat aber sicher denselben Ritus im Auge. Herodot hat zwar nicht ἐντέμνειν, aber II 119. VII 191 das davon abgeleitete ἔντομα ποιεῖν; ἐντέμνειν zuerst bei Thuk. V 11 ὡς ἥρωί τε ἐντέμνουσι; später Plut. Sol. 9 ἐντεμεῖν σφάγια und quaest. Rom. 111 (κύων) ἀποτροπαίων καὶ καθαρσίων ἐπέχει μοῖραν· ἐν δὲ Λακεδαίμονι .. Ἐνυαλίῳ σκύλακας ἐντέμνουσι, Plut. Pelop. 22 von dem Totenopfer vor Leuktra und Arrian. Ind. 20 σφάγια τῷ Ποσειδῶνι ἐντεμεῖν; vgl. auch Schol. Apoll. Rhod. I 587 ἔντομα δὲ τὰ σφάγια und Schol. Hom. Il. I 459. Der Körper des Tieres brauchte dabei nicht, wie v. Fritze Arch. Jahrb. XVIII 59ff. gemeint hatte, die Erde zu berühren, er konnte hoch über die Erde oder den Altar gehoben werden, nur darauf kam es an, daß der Hals niedergedrückt wurde, damit das Blut nach unten dahin strömte, wohin man es haben wollte; vgl. die charakteristische Darstellung der Opferung der Polyxena Journ. hell. stud. XVIII 1898, 281, pl. XV, danach bei Jane Harrison Proleg. S. 62 Fig. 9.

Daher erklären sich Ausdrücke wie εἰς πυρὰν σφάξας Plut. Arist. 21 und ähnlich Plat: Rep. III 4, ἐς βόθρον oder βόθρους Paus. II 12, 1. IX 39, 6. Apoll. Rhod. III 1031, ἐς σάκος Aesch. Sept. 43, εἰς ἀσπίδα Aristoph. Lys. 188f. und Xenoph. anab. II 2, 9, ἐν τρίποδι Eur. Suppl. 1197 coll. 1201, εἰς πηγάς Hom. Il. XXIII 148, εἰς τὸν ποταμόν Xen. anab. IV 3, 18. Denn je nach dem Zwecke des Opfers sollte das Blut auf den Altar, den Scheiterhaufen, auf oder in das Grab (Paus. X 4, 10), in den Fluß oder die Quelle oder in das Meer (Eur. Hel. 1586f.) strömen, auch in einen Dreifuß oder einen Schild, um darin das Blut aufzufangen und dann die Hände hineintauchen zu können (Aesch. Sept. 44.).

Eine besondere Stellung nehmen unter den σ. die Eidopfer ein. Das Schlachten geschieht allerdings bei ihnen ebenso wie bei den übrigen (vgl. Il. III 292 und XIX 266), aber es kommt eine Besonderheit hinzu, die wir bei den andern σ. wenigstens nicht als üblich nachweisen können. Hier steht nämlich, um die Opferung zu bezeichnen, nicht ἐντέμνειν, sondern das einfache τέμνειν, besonders der allgemeine Ausdruck ὅρκια τέμνειν, wo ὅρκια eigentlich die Opfertiere selbst bedeutet (Il. III 245 und 269, auch Dion. Hal. V 1), dann aber allmählich in seiner Bedeutung verblaßt, so daß ὅρκια τέμνειν einfach ein Ausdruck für ,einen Eid schwören‘ wird (schon Il. III 73 und 94 und ganz deutlich Herod. VII 132) und von da aus sogar ein σπονδὰς τέμωμεν Eur. Hel. 1235 oder φιλίην ἔταμον Kallim. frg. 199 II gewagt wird. Früher setzte man dieses τέμνειν meist mit dem oben erklärten ἐντέμνειν gleich. Auffallend war nur, daß sich gerade bei den Eidopfern wiederholt ein subst. τόμια fand, und zwar trat der Schwörende bei Ableistung des Eides auf diese τόμια; Hauptstelle ist Dem. XXIII 68 διομεῖται … στὰς ἐπὶ τῶν τομίων κάπρου καὶ κριοῦ καὶ ταύρου, außerdem Dion. Hal. VII 50. Paus. III 20, 9. IV 15, 8. V 24, 11, auch Arist. Ath. pol. 55, 5, wo jetzt die Lesung ἐφ’ ο[ὗ] statt ὑφ’ ὧ[ι] gesichert scheint. Man verstand früher [1672] meist ,Fleischstücke‘ darunter, d. h. also Teile vom Körper des geschlachteten Tieres und dachte wohl dabei an die für einzelne σ. bezeugte Zerstückelung des Opfertieres (s. auch Hesych. τόμια· τὰ ἀποτμήματα καὶ ἀκρωτηριάσματα τοῦ νεκροῦ). Doch diese Zerstückelung findet sich sicher nur in einzelnen Fällen (s. u.), und wenn andrerseits auch von den ganzen Tieren das Wort τόμιον gebraucht wurde (Stengel Herm. XLLX 90f.), so konnte der Plural, τόμια in der Verbindung mit dem Genetiv eines Opfertieres das doch kaum bedeuten, vgl. z. B. Paus. V 24, 11 τὸν γοῦν κάπρον καθ’ ὅτου τῶν τομίων Ἄγαμ· ἐπώμοσεν. Die schwierige Frage hat Stengel wiederholt eingehend behandelt (Opferbr. 78ff.; Herm. 49, 90ff. und 59, 318ff.) und es meines Erachtens erwiesen, daß unter den τόμια die Hoden der Opfertiere zu verstehen sind, daß also die für das Eidopfer geforderten männlichen Tiere (Schol. Hom. Il. XIX 197, Opferbr. 196) beim Opfer kastriert wurden. Entscheidend ist neben den Zeugnissen für den Sprachgebrauch (Suid. s. τομίας. Antiphanes bei Athen. IX 402 e. Etym. M. 345, 24. Schol. Apoll. Rhod. I 587; für τέμνειν = kastrieren Hes. Erg. 786 und 790. Lukian. de dea Syr. 15) die vielbehandelte Stelle Aristoph. Lys. 185ff., wo nach Stengels einleuchtender Darlegung nicht ἐντεμοίμεθα, sondern mit dem Ravennas ἐκτεμοίμεθα zu lesen ist und jedenfalls ein Zeugnis für das Kastrieren des Opfertieres beim Eidopfer vorliegt, sowie Demosth. 54, 39 (von den Genossen des Konon) τοὺς ὄρχεις τοὺς ἐκ τῶν χοίρων, οἱς καθαίρουσ’, ὅταν εἰσιέναι μέλλωσι, συλλέγοντας ἑκάστοτε συνδειπνεῖν ἀλλήλοις καὶ ῥᾷον ὀμνύναι κἀπιορκεῖν ἢ ὁτιοῦν was zunächst freilich nur für Reinigungsopfer beweist (doch s. Stengel S. 95). Eine weitere Eigentümlichkeit, die aber mehr zum Ritus des Eides als des Opfers selbst gehört, sei angefügt: von den Schwörenden wurden entweder die geschlachteten Tiere berührt (Antiphon. V 12. Apoll. Rhod. II 719) oder die sog. ἱερά in die Hand genommen (Aeschin. I 114. Lyk. Leokr. 20; vgl. auch Herod. VI 68, wo allerdings das von Demarat selbst dargebrachte Opfer kein Eidopfer ist, aber die Aussage der Mutter, um die er ἐσθεὶς ἐς τὰς χεῖράς οἱ τῶν σπλάγχνων bittet, doch eine Art Eid darstellen oder, wie wir sagen dürfen, eben durch das Indiehandnehmen der ἱερά in die Form eines Eidschwures gebracht werden soll). Was ist nun unter den ἱερά zu verstehen? Da sie bei der Eidzeremonie auch in der Formel ὀμνύναι, ὁρκίζειν καθ’ ἱερῶν τελείων vorkommen, liegt es nahe, wegen der bekannten Bedeutung von τέλειος = ausgewachsen hier ἱερά gleich ἱερεῖα zu setzen, also die geschlachteten Opfertiere zu verstehen. Demgegenüber verwies Stengel (Herm. 49, 97) auf den Satz der magnesischen Inschrift Syll.³ 685, 27 ἁναβάντες ἐπὶ τὸν βωμὸν τῆς Ἀ. τῆς Λευκοφρυηνῆς σφαγιασθέντος ἱερείου ὠμόσαμεν καθ’ ἱερῶν und suchte aus Stellen wie Aesch. I 114. Eurip. El. 826 ἱερὰ δ’εἰς χεῖρας λαβὼν Αἴγισθος ἤθρει καὶ λοβὸς μὲν οὐ προσῆν σπλάγχνοις, Herod. VI 68 ἐσθεὶς ἐς τὰς χεῖράς οἱ τῶν σπλάγχνων und Xen. anab. II 1, 9 ὅπως ἴδοι τὰ ἱερὰ ἐξῃρημένα zu erweisen, daß die ἱερά die ausgenommenen Eingeweide, die σπλάγχνα sind. Daß in der Tat häufig diese gemeint sind, ist ja sicher (vgl. Eur. El. 828), aber es bleiben, [1673] fürchte ich, doch noch Bedenken: so die Frage, wie man mit dem Berühren oder Indiehandnehmen der ἱερά den wiederholt in Inschriften vorkommenden Ausdruck ἱερῶν καιομένων oder ἱερῶν νεοκαύτων vereinigen soll (Stengel: ,Die Regel muß gewesen sein, daß die Schwörenden die ἱερά anfaßten, wenn sie den Flammen übergeben wurden‘, was nicht befriedigt), und auch ein Zweifel gegenüber der von Stengel versuchten Erklärung von τελείων durch omnia et integra (,Bei andern Opfern verbrannte man nur Teile der σπλάγχνα‘), die der gewöhnlichen Bedeutung von τέλειος im Opferritus widerspricht, zumal der koische Bürgereid ausdrücklich bestimmt τὰ δὲ ὁρκωμόσια ἔστω ταῦρος κάπρος κριός, τέλεια πάντα (Opferbr. 82, 2).

Während der Ritus des ἐντέμνειν in historischer Zeit die Regel gewesen zu sein scheint, finden sich doch in einzelnen Kulten Abweichungen, besonders eigentümlich die Zerstückelung des Opfertieres, sicher bezeugt für Lykosura bei Paus. VIII 37, 8 τῶν ἱερείων δὲ οὐ τὰς φάρυγγας ἀποτέμνει ὥσπερ ἐπὶ ταῖς ἄλλαις θυσίαις, κῶλον δὲ ὅτι ἂν τύχῃ τοῦτο ἕκαστος ἀπέκοψε τοῦ θύματος, was sich trotz ἱερείων doch nur auf σ. beziehen kann. Eine Zerteilung, wenn auch wesentlich anderer Natur, erfolgte auch bei gewissen Lustrationen (vgl. Eitrem Beitr. z. griech. Religionsgesch. II 8ff.), so in Boiotien: Plut. quaest. Rom. 111 Βοιωτοῖς δὲ δημοσίᾳ καθαρμός ἐστι κυνὸς διοτομητέντος τῶν μερῶν διεξελθεῖν und bei den Makedonen, wenn das Heer gereinigt wurde, so nach Alexanders Tode Curt. X 9, 12 und im J. 182 v. Chr. Liv. 40, 6: caput mediae canis praecisae et pars ad dextram, cum extis posterior ad laevam ponitur; inter hanc divisam hostiam copiae armatae traducuntur. Hier wurde also ein Hund in zwei Teile oder wenigstens in zwei Hauptteile zerschnitten und das Heer oder die Gemeinde zwischen den Teilen hindurchgeführt (Vgl. auch Dict. Cret. I 15 und II 49). Auf eine thessalische Variante, wonach das σφάγιον hierbei in mehrere Teile zerschnitten oder wirklich zerstückelt wurde, läßt vielleicht die Sage bei Apollod. III 13, 7 schließen, wo es von Peleus heißt Ἀστυδάμειαν ... φονεύει καὶ διελὼν μεληδὸν διήγαγε δι’ αὐτῆς τὸν στρατόν und μεληδὸν kaum von nur zwei Stücken gesagt werden konnte (richtig Eitrem S. 9). Wiederum etwas anders war ein Ritus in Methana Paus. II 34, 2 bei einem apotropäischen Windopfer: ἀλεκτρυόνα τὰ πτερὰ ἔχοντα διὰ παντὸς λευκὰ διελόντες ἄνδρες δύο ἐναντίοι περιθέουσι τὰς ἀμπέλους, ἥμισυ ἑκάτερος τοῦ ἀλεκτρυόνος φέρων. Es gehört das zu den Umgangsriten, die überall bei Reinigungen eine große Rolle spielen und mit jenen Durchquerungen nahe verwandt sind, (viel Material bei Eitrem Opferritus und Voropfer bei Griechen und Römern 6ff.). Für die griechischen σ. besonders wichtig Polyb. IV 21, 9 Μαντινεῖς ... καθαρμὸν ἐποιήσαντο καὶ σ. περιήνεγκαν τῆς τε πόλεως κύκλῳ καὶ τῆς χώρας πάσης und Phot. Lex. καθάρσιον· ᾧ ἐκάθαιρον τὴν ἐκκλησίαν οἱ λεγόμενοι περιστίαρχοι ἀπὸ τοῦ περιεστίχειν. Endlich sei der merkwürdige Ersatz des normalen ἐντέμνειν bei den Chthonia in Hermione erwähnt: Paus. II 35, 7: τέσσαρες δὲ ἔνδον ὑπολειπόμενοι γρᾶες αὗται τὴν βοῦν εἰσιν αἱ κατεγραζόμεναι· δρεπάνῳ γὰρ ἥτις ἂν τύχῃ τὴν φάρυγγα [1674] ὑπέτεμε τῆς βοός, was aber nicht von einer Zerstückelung des Opfertieres zu verstehen ist; über die Sichel als Opfermesser s. Laum Das Eisengeld der Spartaner 1ff. und 24ff.

2. Was geschah nun nach der eigentlichen Opferhandlung mit den geschlachteten Opfertieren? Nach dem ganzen Charakter dieser Opfer ist apriori anzunehmen, daß sie, als verfallen den Mächten, der Tiefe, beseitigt wurden (vgl. immerhin Ada Thomsen Arch. f. Relgwiss. XII 481ff.), und dazu stimmen auch viele einzelne in der Literatur vorkommende Beispiele ebenso wie die allgemeinen auf die Kultschriftsteller zurückgehenden Angaben (z. B. Porph. de abst. II 44 πάντες γὰρ ἐν τούτῳ ὡμολόγησαν οἱ θεολόγοι ὡς οὔτε ἁπτέον ἐν ταῖς ἀποτροπαίοις θυσίαις τῶν θυομένων καθαρσίοις τε χρηστέον), so daß man sagen kann, daß der ursprüngliche strenge Ritus in der Tat die Vernichtung der Körper der Opfertiere erforderte, von dem Fleisch also der σ. nichts genossen werden durfte (θυσίαι ἄγευστοι). Die beiden hauptsächlichsten Arten der Beseitigung waren, wie es die Natur der Sache ergibt, Vergraben und Verbrennen, von denen das Vergraben vielleicht die ältere Stufe darstellt (s. Eitrem Opferritus 473f.). Vor allem bei Eidopfern war das Vergraben Sitte: das bezeugt ausdrücklich Schol. Hom. Il. III 310 ἔθος γὰρ ἦν τὰ ἐπὶ τοῖς ὅρκοις γιγνόμενα ἱερεῖα τοὺς μὲν ἐγχωρίους γᾖ περιστέλλειν, τοὺς δὲ ἐπήλυδας εἰς τὴν θάλατταν ῥίπτειν, wobei das letztere nicht nur aus XLX 267f. erschlossen zu sein braucht. Ein Beispiel aus der Literatur bietet Paus. III 20, 9 (Sage, aber doch wohl dem Kult entnommen), und bei Eur. Suppl. 1205f. befiehlt Athene Theseus, sogar das Messer, mit dem die drei Schafe, die beim Eide als Opfer dienten, geschlachtet seien, ἐς γαίας μυχούς zu bergen. Aber auch bei andern σ. kam das Vergraben vor: so wurde in Methana der zu dem lustrierenden Umgang benutzte Hahn (s. o.) vergraben.

Einen viel weiteren Geltungsbereich hat das Verbrennen, das im Toten- und Heroenkult durchaus vorherrscht. Rituelle Worte dafür sind einmal ὁλοκαυτεῖν oder καρποῦν und ἐναγίζειν (daneben auch καταγίζειν, aber dies nicht in dem spezifischen Sinne). Ὁλοκαυτεῖν schon bei Xen. anab. VII 8, 5 Ξενοφῶν … ἐθύετο (dem Zeus Μειλίχιος) καὶ ὡλοκαύτει χοίρους τῷ πατρίῳ νόμῳ, ferner Plut. quaest. symp. VI 8, 1. Schol. Soph. Oed. Kol. 42 von dem Opfer an die Eumeniden, Porph. de abst. II 26. Über καρποῦν s. Stengel Opferbr. 166ff.; es kommt wiederholt in Inschriften vor: IG III 77 Z. 5. IG XII 3, 330 und besonders wichtig der koische Opferkalender Syll.³ 1025 von einem mit dem Hauptopfer verbundenen lustrierenden Ferkelopfer Z. 33: καρπῶντι τὸμ μὲν χοῖ[ρον] (Z. 31 τὸν καυτόν genannt) καὶ τὰ σπλάγχνα ἐπὶ τοῦ βωμοῦ ἐπι[σπέν]δοντες μελίκρατον· ἔ[ντερα δ]ὲ ἐκπλύναντες παρὰ τὸ[μ βωμὸν καρπ]ῶντι und Syll.³ 997 (Smyrna) ἐὰν δέ τις τῶν ἰχθύων ἀποθάνῃ, καρποῦσθω αὐθημερὸν ἐπὶ τοῦ βωμοῦ, dann häufig in der Septuaginta; vgl. dazu Hesych. καρπωθέντα· τὰ ἐπὶ βωμοῦ καθαγισθέντα, Suid. ἁγιάσαι· καρπῶσαι, καῦσαι ἁγίως, Phot. καυστόν· καρπωτόν, ὃ ἐναγίζεται τοῖς τετελευτηκόσιν.

Viel öfter aber kommt ἐναγίζειν nebst den davon abgeleiteten Substantiven ἐναγισμός, ἐναγίσματα vor. Das Wort hat eine bemerkenswerte [1675] Entwicklung durchgemacht. Ursprünglich bedeutete es ganz allgemein ἁγνὰν d. i. tabu machen und wurde dann das übliche und spezifische Wort für Toten- und Heroenopfer, schon bei Herod I 167. II 44 und später immer häufiger wie bei Plutarch und Pausanias (bezeichnend die Gegenüberstellung Herodot II 44 τῷ μὲν ὡς ἀθανάτῳ, Ὀλυμπίῳ δὲ ἐπωνυμίην θύουσι, τῷ δὲ ἑτέρῳ ὡς ἥρωι ἐναγίζουσιν, ähnlich Paus. II 11, 7. II 10, 1; vgl. Philostr. Her. p. 742f.) Das vermittelnde Zwischenglied in dieser Entwicklung bildet gerade die Bedeutung verbrennen, weil eben die vorherrschende Art der kultischen Vernichtung die Verbrennung und diese wiederum für den Toten- und Heroenkult besonders charakteristisch war. Dabei ist freilich festzuhalten, daß ἐναγίζειν doch immer noch eine weitere Bedeutung behielt: jedes Verbrennen von σ. ist allerdings ein ἐναγίζειν, aber nicht jedes ἐναγίζειν braucht unbedingt ein Verbrennen von σ. oder überhaupt ein Verbrennen zu sein, wenn ich auch überzeugt bin, daß die Griechen vor allem diese Vorstellung damit verbanden, wie ja auch καθαγίζειν besonders gern ,den Flammen weihen‘ bedeutet. Deutliche Beispiele dafür: Schol. Hom. Il. III 273 τῶν ἐναγιζομένων οὐκ ἐμβαλλουσι τὰς τρίχας πυρί, Paus. IX 18, 3. Klearchos περὶ βίων bei Athen. VIII 344 c. Im ganzen gibt deshalb Suidas, abgesehen davon, daß er die Bedeutung bei Herodot ohne genügenden Grund zu eng auffaßt, den sprachlichen Bestand s. v. ἐναγίζειν richtig so wieder: παρὰ Ἡροδότῳ τὰς χοὰς φέρειν· ἢ θύειν τοῖς κατοιχομένοις ἢ τὸ διὰ πυρὸς δαπαμᾶν. Vgl. auch Schol. Apoll. Rhod. I 587 und Schol. Eur. Phoen. 274.

Das Fell des Opfertieres wurde mitverbrannt, s. Eurip. El. 513f. πυρᾶς δ’ἐπ’ αὐτῆς οἶν μελγχιμον πόκῳ σφάγιον ἐσεῖδον (von dem Opfer auf dem Grabe) und Plut. quaest. symp. VI 8, 1 Σμυρναῖοι … θύουσι Βουβρώστει ταῦρον μέλανα καὶ κατακόψαντες αὐτόδορον ὁλοκαυτοῦσιν. Besondere Eigentümlichkeiten zeigt das große holokaustische Opfer im Kult der Artemis Laphria zu Patrae Paus. VII 18, 12, wo nicht nur gewöhnliche Opfertiere, sondern auch Geflügel und Wild, sogar junge Bären, lebendig auf den Altar (natürlich trotz des von Paus. gebrauchten Wortes βωμός hügelartig aus Erde und Rasen zu denken) geworfen und dann verbrannt wurden, und ein ganz ähnliches für die Kureten in Messene (Paus. IV 31, 9), nur daß hier die Tiere in einem μέγαρον, also einem unterirdischen Raum, verbrannt wurden. Wenn es so feststeht, daß der strenge Ritus bei den σ. nach Vollzug der eigentlichen Opferhandlung die kultische Vernichtung der Körper der geschlachteten Tiere sei es durch Vergraben, sei es durch Verbrennen, sei es auf irgend eine andere Art (Versenken in den Fluß oder das Meer, oder das ἐκφέρειν der der Hekate geopferten Hunde, Plut. quaest. Rom. 68. 111) forderte, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, daß später dieser strenge Ritus nicht immer befolgt wurde und man sogar von den Eidopfern zu essen wagte. Das geht klar hervor aus Paus. V 24, 10, der über das Eidopfer der Athleten in Olympia sagt: τῷ κάπρρῳ δὲ ὅτι χρῆσθαί σφισι μετὰ τῶν ἀθλητῶν τὸν ὅρκον καθέστηκεν, οὐκ ἐμνημόνευσα ἐπερέσθαι· ἐπεθ τοῖς γε ἀρχαιοτέροις ἐπὶ ἱερεῖα ἧν καθεστηκός, [1676] ἐφ’ ᾧ τις ὅρκον ἐποιήσατο, μηδὲ ἐδώδιμον εἶναι τοῦτο ἔτι ἀνθρώπῳ· δηλοῖ δὲ οὺχ ἥκιστα καὶ Ὅμηρος (Il. XIX 266ff.) … οὕτω μὲν τὸ ἀρχαῖον τὰ τοιαῦτα ἐνόμιζον. Und Spuren solch laxeren Gebrauches sind in der Tat vorhanden. Denn wenn in einigen Fällen von dem ἀναλίσκειν oder καταναλίσκειν des Fleisches die Rede ist (Paus. II 27, 1. VIII 38, 8. X 4, 10. 38, 8. Porph. de abst. II 26. Syll.² 554, 7), so kann man ja zweifeln, ob damit ein Beseitigen durch Essen oder durch Verbrennen gemeint ist. Doch halte ich mit Stengel KA³ 135, 2 das erstere für wahrscheinlicher (selbst bei Porph. a. a. O. bedeutet ἀναλίσκειν nicht, wie Stengel meint, ὀλοκαυτειν, es gehört vielmehr sowohl zu ἑστιώμενοι wie zu ὁλοκαυτοῦντες. Dagegen kann man meines Erachtens den Ritus bei dem Menschenopfer an Lykaios nicht als eine solche Ausnahme ansehen; s. u.

III. Es bleiben einige Einzelfragen kurz zu beantworten. Die Farbe der σφάγια war naturlich in der Regel schwarz, wie es den in Betracht kommenden Kulten entsprach, doch kommen auch weiße Tiere vor wie der Hahn in Methana (Paus. II 34, 2), schwarze und weiße Hunde für Hekate, schwarze und weiße Lämmer bei der Sühnung durch Epimenides, immer weiße Pferde; s. darüber Stengel Opferbr. 187ff., wo auch die Belegstellen ausgeschrieben sind, und KA³ 151f. Ebenso s. über das Geschlecht Stengel Opferbr. 191ff. Die Art der Tiere war, wie aus den im Vorhergehenden angeführten Beispielen hervorgeht, sehr verschieden und nach lokaler Sitte wechselnd, nur für die gewöhnlichen Reinigungsopfer kann man wohl neben dem Hund (Plut. quaest. Rom. 68) das Ferkel als besonders üblich bezeichnen. Das σφάγιον, das der Konig der Spartaner vor der Schlacht der Artemis Agrotera zu schlachten pflegte (Xen. hell. IV 2, 20; Lac. pol. XIII 8 sowie Plut. Lyk. 22), war eine Ziege χίμαιρα. Damit kann man die Ziegen (500 Stück nach Xen. anab. III2, 12) vergleichen, die in Athen der Archon Polemarchos (Plut. de Herodoti mal. 267, vgl. mit Arist. Ath. pol. 58, 1) der Artemis Agrotera angeblich zur Erinnerung an die Schlacht bei Marathon und das damalige Gelübde alljährlich am 6. Boedromion opferte, obwohl es sich hier allerdings offenbar nicht um σ. handelte, da in allen Zeugnissen, auch bei Xenophon, das Verbum θύειν gebraucht wird. Eingehend hat über diese Ziegenopfer gehandelt und einen sympathetischen Zauber darin erkennen wollen Fr. Schwenn Arch. f. Religonswiss. XXI 62ff.

Zu den σ. gehört endlich auch der größte Teil der überlieferten Menschenopfer, über die wir jetzt eine treffliche Monographie besitzen von Schwenn Die Menschenopfer bei den Griechen und Römern (RGVV XV 3), Gießen 1915, wo nicht nur das ganze Material sorgfältig gesammelt, sondern auch das religionsgeschichtliche Problem eindringend und unter neuen wenn auch nicht überall überzeugenden Gesichtspunkten behandelt ist. Hier gehen uns nur die Menschenopfer an, die in der Form von σ. vollzogen wurden, oder, wie die meisten der Sage, so vollzogen gedacht wurden, und die Riten, die hier in der Überlieferung erscheinen, vor allem bei Euripides, stimmen fast durchweg mit den sonst für die σ. geltenden überein bezw. sind nach ihnen gebildet. [1677] Besondere Erwähnung verdient das Menschenopfer auf dem Berge Lykaios, an dessen Geschichtlichkeit mit Stengel (KA³ 131) zu zweifeln mir kein genügender Grund zu sein scheint. Nach den verschiedenen Zeugnissen (zusammengestellt von Immerwahr Kulte und Mythen Arkadiens 1ff., vgl. Nilsson Griech. Feste 8ff. Roscher Abhdl. d. sächs. Ges. d. Wiss. phil.-hist. Kl. 17 III. Schwenn 20ff.) scheint der Ritus so gewesen zu sein, daß der Priester ein Kind opferte, seine σπλάγχνα mit denen von anderen Opfertieren vermischt verzehrte und dann fliehen mußte (s. bes. Plat. Rep. VIII 565 d ...ὁ γευσάμενος τοῦ ἀνθρωπίνου σπλάγχνου, ἐν ἄλλοις ἄλλων ἱερείων ἑνὸς ἐγκατατετμημένου, ἀνάγκη δὴ τούτῳ λύκῳ γενέσθαι, vgl. Plin. n.h. VIII 22, 80f.). Daß hier der Genuß der Eingeweide nichts mit jener aus Pausanias feststehenden Abschwächung des strengen Ritus zu tun hatte, bedarf keines Wortes; aber auch die Erklärung Schwenns, der ein Kommunionsopfer annimmt und eine Verwandtschaft mit einem Speiseopfer zugibt, operiert mit Begriffen, die für diesen Fall kaum passen und nur fremde Vorstellungen hineintragen. Mit dem gewöhnlichen Speiseopfer hat jedenfalls dieser Ritus nichts gemeinsam, er steht vielmehr meines Erachtens in engem Zusammenhang mit der darauf folgenden Flucht und der Vorstellung von der Verwandlung in einen Wehrwolf. Ich würde dieses Opfer trotz der von dem Priester ausgeübten und scheinbar widersprechenden Zeremonie als eine θυσία ἄγευστος zu bezeichnen wagen.

Als Spenden finden sich neben dem Wein, der, und zwar ungemischt, vor allem für die Eidopfer gesichert ist (schon Il. II 341. IV 159) auch die in chthonischen Kulten üblichen nüchternen Spenden, νηφάλια, Milch, Honig und Wasser, sei es getrennt (Homer bei der Totenbeschwörung Od. XI 27), sei es gemischt als μελίκρατον wie z. B. im koischen Opferkalender (s. die Stelle oben) bei dem lustrierenden Ferkelopfer und in manchen Kulten unter ausdrücklichem Ausschluß des Weines wie in dem der Despoinai zu Olympia (Paus. V 15, 10) und vor allem dem der Eumeniden (Aisch. Eum. 107; Schol. Soph. Oed. Kol. 100). Jedoch glaube ich, daß man festhalten muß, daß bei allen wirklichen σ. die eigentliche Spende das Blut ist, das der Erde und den in ihr hausenden Mächten bestimmt ist. Bezeichnend scheint mir, daß noch in der späten Mysterienordnung von Andania für die Vereidigung der sog. ἱεροί ausdrücklich vorgeschrieben ist: αἷμα καὶ οἶνον σπένδοντας; und αἷμα an erster Stelle steht.

IV. Σ. bei Zeichenbeobachtung. Außer den Opfertieren wurden auch die ihnen entnommenen Zeichen σ. genannt und von dem kultkundigen Xenophon scharf von den ἱερά genannten unterschieden (anab. VI 5, 21 τά τε ἱερὰ ἡμῖν καλὰ τά τε σ. κάλλιστα, I 8, 15 und IV 3, 9 neben 18). Die schwierige Frage, worin dieser Unterschiede bestand und was die Zeichen der σ. waren, ist durch die verdienstlichen Untersuchungen Stengels (zusammenfassend Opferbräuche 96ff., dazu immer noch Arch. f. Religionsw. XIII 85ff. gegen Th. Szymanski, der in dem Anhang seiner Dissertation Sacrificia Graecorum in bellis militaria S. 72ff. ebenfalls den Unterschied von ἱερά und σ. behandelt) zwar leider noch nicht völlig geklärt, [1678] aber doch wesentlich gefördert worden, für die σ. vor allem durch die genaue Interpretation des Hauptzeugnisses, das von jeher dem Verständnis große Schwierigkeiten bereitet hatte (vgl. den bekannten Kommentar von Valkenaer z. d. St.), Eurip. Phoen. 1255ff. und der für die Erklärung unentbehrlichen Scholien. Danach darf jetzt wohl als ziemlich sicher gelten, daß man bei dem Verbrennen der Eingeweide einmal die Entwicklung, Form und Höhe der entstehenden Flamme beobachtete (darauf bezieht sich ἐμπύρους τ’ ἀκμάς, Schol. ἀναδόσεις τῆς φλογς , und ἄκραν τελαμπάδα, Schol. τὸ ἄκρον τοῦ πυρός, εἰ μὲν ὀξὺ τὸ πῦρ ἔρχεται, νίκην δηλοῖ, εἰδ’ εἰς πλατύ, ἧτταν, dann aber auch darauf achtete, wohin die Galle und die Harnblase, deren Mündung man mit einem Wollfaden umband und schloß (daher Soph. frg. 362 N² τὰς μαλλοδέτας κύστεις beim Bersten (ῥήξεις) die Feuchtigkeit ausspritzte, ob in der Richtung auf die Feinde oder das eigene Heer (Schol. Aisch. Prom. 484 τῆς χολῆς ἥτις ἐκβληθείσα καὶ ἀνατιναγεῖσ πρὸς τὸ τῶν πολεμίων μέρος ἧτταν τούτων ἐσήμαινεν, vgl. Schol. Eur. Dind. III 327), dagegen erklärt Stengel ὑγρότητ’ ἐναντίαν jetzt als das die Entwicklung der Flamme hindernde Naß. Daß es ein höchst ungünstiges Zeichen war, wenn die Flamme überhaupt nicht brennen und die Opferstücke verzehren wollte, ist begreiflich und durch Soph. Ant. 1005ff. bekannt.

Neben der Galle ist noch die Leber wichtig; besonders die sog. πύλαι, die Leberpforte, spielten wie in der chaldäischen so in der griechischen Hieroskopie eine Rolle (Eurip. El. 828. Nikand. Ther. 561. Poll. On. II 215. Cass. Dio LXXVIII 7, 2), und Thulin Die Götter d. Martianus Cap. u. d. Bronzeleber von Piacenza (RGVV III 1), Gießen 1906, hat mit daraus die Abhängigkeit der griechischen von der chaldäischen Hieroskopie zu erweisen gesucht. Auch der von Hesych überlieferte Terminus ποταμὸς ἐπὶ τοῦ ἥπατος σημεῖον scheint zu chaldäischer Anschauung zu stimmen. Dagegen ist die für die Römer bezeichnende Unterscheidung der pars familiaris und hostilis, die die Chaldäer auch zu kennen scheinen, den Griechen von Thulin mit Unrecht zugeschrieben worden (s. Stengel Hermes 34, 642f., auch G. Körte Die Bronzeleber von Piacenza, Röm. Mitt. XX 348ff.). Allein ob die Beobachtung dieser Eigentümlichkeiten auch bei den σ. stattfand, ist zweifelhaft; Eur. El. 828 handelt es sich um kein σφάγιον, sondern um ein Festopfer an die Nymphen, und es heißt V. 826 ἱερὰ δ’ εἰς χεῖρας λαβών. Die Frage, welche Zeichen nur bei den σ. und welche nur bei den ἱερά beobachtet wurden, scheint mir noch genauerer Untersuchung zu bedürfen. Für wahrscheinlich halte ich, daß bei den σ. es sich um die Beobachtung der brennenden Eingeweide handelte, daß also die σ. zugleich immer ἔμπυρα sind. Das Wort wird oft an Stellen, die sich auf σ. beziehen oder beziehen können, gebraucht, s. z. B. Soph. Ant. 1005. Eurip. Suppl. 155; Iph. Taur. 16; Iph. Aul. 58ff.; Phoen. 954.

V. Zuletzt sei kurz die Frage berührt, welche religiöse Vorstellung den σ. zugrunde liegt. Man hat in letzter Zeit auch hier Zauberhandlungen sehen wollen, und ich leugne nicht, daß in einzelnen Fällen entsprechende Vorstellungen mitwirken. Aber wenn man die Gesamtheit der [1679] Fälle überblickt, dann muß sich doch meines Erachtens als Grundlage für die Erklärung die Tatsache aufdrängen, daß bei allen σ. das dem Opfertier entströmende Blut das Wichtigste ist, und wenn man dann dazuhält, daß die σ. wie oben schon bemerkt, in kritischen Momenten dargebracht wurden, wo man unheilbringende Mächte fürchtete und abzuwehren suchte, so muß man doch wohl folgern, daß man durch jenes Blut eben den Blutdurst jener Mächte zu befriedigen suchte, die das σφάγιον an Stelle des opfernden Menschen nehmen sollten, daß also die Idee der Stellvertretung bestimmend ist. Daher erklärt sich auch das Menschenopfer, das eben die wertvollste und wirkungsvollste Vertretung bedeutet (so auch E. Mogk Arch. f. Religionsw. XV 426. 428). Nur bei den Eidopfern scheint eine ganz verschiedene Vorstellung bestimmend zu sein, die dem Analogiezauber verwandt ist: so wie das σ. soll auch der Mensch, falls er falsch schwört, verbluten, wie es ganz klar schon Homer, wenn auch mit Vertauschung von Blut und Wein, ausdrückt, Il. III 300 ὧδέ σφ’ἐγκέφαλος χαμάσις ῥέοι ὡς ὅδε οἶνος und wie später die übliche Formel ὀμνύναι κατ’ ἐξωλείας u. ä. erkennen läßt. Dann würden sich hier eben zwei Vorstellungen, wie es so oft in der Religion geschieht, kreuzen. Doch möchte ich die Frage aufwerfen, ob nicht hier ursprünglich eine viel rohere, aber jener anderen Idee entsprechende Vorstellung wirkte: Der Meineidige verfällt den Unterirdischen, und da diese als blutgierige Dämonen überall auf Beute lauern, fürchtet der Schwörende, daß sie ihn zum Meineid verleiten, und bringt ihnen deshalb prophylaktisch ein Opfer, ein σφάγιον dar. Eine solche Vorstellung ist allerdings für ein fortgeschrittenes religiöses Bewußtsein unerträglich, aber wir wollen doch nicht vergessen, wer selbst noch bei Homer den Pandaros zum Bruche des beschworenen Vertrages verführt. Eine solche Erklärung der σ. widerspricht nicht einmal der wiederholt von Stengel betonten Ansicht, daß sie, zumal die Eidopfer, überhaupt keiner Gottheit dargebracht wurden und man Götter wie Zeus und Helios nur dabei ‚angerufen‘ habe (Opferbr. 19ff. und 100f.; Herm. LIX 318). Denn Gottheiten im Sinne einer fortgeschrittenen Religion wurden diese σ. allerdings nicht dargebracht, sondern jenen finsteren dämonischen Mächten, die die älteste und unterste Schicht jeder Religion bilden, aber eben deshalb auch immer im tiefsten Bewußtsein des Volkes lebendig bleiben.

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