Mathematische Principien der Naturlehre
herausgegeben
von
Prof. Dr. J. PH. WOLFERS.
Verlag von Robert Oppenheim.
1872.
Es sind nahezu zwei Jahrhunderte verflossen, seitdem das Werk Newton’s zum ersten Male erschienen ist. Die Wahrheit der in demselben enthaltenen Lehren hat sich in diesem langen Zeitraume desto deutlicher und vollständiger gezeigt, je mehr es seinen Nachfolgern gelungen ist, sie der Mechanik des Himmels anzupassen. Bereits vor länger als 20 Jahren war der Herausgeber des vorliegenden Werkes in den Besitz der ersten Ausgabe des Originals gelangt. Um dasselbe kennen zu lernen, hat er es nicht nur mit der Feder in der Hand studirt, sondern er schrieb zugleich den gesammten Text in deutscher Sprache nieder und fügte zugleich Bemerkungen und Erläuterungen gesondert hinzu, welche ihm zum Verständniss dienen sollten. Später verglich er die so erhaltene Uebersetzung mit den späteren Ausgaben des Originals und berichtigte oder ergänzte dieselbe nach den letzteren.
Auf diese Weise ist das vorliegende Werk entstanden, und ohne dass der Herausgeber an eine Veröffentlichung desselben dachte, blieb es über zwei Jahrzehnte liegen, während welcher es ihm und einigen mathematischen Freunden zum Nachschlagen gedient hat. Jetzt bot sich ihm die Gelegenheit zur Veröffentlichung des Werkes, und er nahm keinen Anstand, es hierzu herzugeben. Die von Newton begründete und aufgestellte Lehre der allgemeinen Anziehung hat nicht allein einfache Gesetze für die Bewegung der Wandelsterne im Weltraume geliefert, sondern es stellt sich fortwährend eine grössere Uebereinstimmung zwischen der Theorie und Beobachtung heraus, je mehr es den Geometern gelingt, die erstere auf Newton’s Grundlage auszubilden und anwendbar zu machen.
Während Newton sich in dem Weltsystem darauf beschränkt hat, die Anwendung seiner Principien auf die Bestimmung der Bahnen der Planeten, Trabanten und einiger Kometen zu zeigen; hat man in der neueren Zeit erfahren, dass dasselbe Gesetz der Anziehung sich eben so bei der Bestimmung der Bahnen der Doppelsterne anwenden lässt. Das aus den Erscheinungen in unserem Sonnensystem abgeleitete Gesetz der allgemeinen Anziehung hat sich hiernach auch in Abständen als gültig erwiesen, von deren Grösse man sich kaum Vorstellung machen kann. Wir erinnern hier an den Begleiter des Sirius, dessen Vorhandensein Bessel im Voraus als wahrscheinlich verkündet hatte nach Unregelmässigkeiten, welche sich in der eigenen Bewegung dieses Fixsternes gezeigt hatten. Dieser Begleiter ist später entdeckt und seine Bahn berechnet worden.
Während vor Newton der Begriff der Masse eines Himmelskörpers eigentlich nicht vorhanden war, ist es seitdem gelungen, die Massen der Planeten sehr nahe zu bestimmen, in so weit sich dieselben überhaupt als wirksam zeigen. Die Berechnung der Störungen, welche die Wandelsterne auf einander ausüben, würde aber schwerlich durchzuführen sein, wenn nicht glücklicherweise die Massen der bei Weitem zahlreichsten Planeten und Kometen so unbedeutend wären, dass man sie mit vollem Rechte ausser Acht lassen kann.
Bis vor einem Vierteljahrhundert war nur die Aufgabe vorgekommen, die Störungen zu berechnen, welche ein Wandelstern ausüben konnte, dessen Ort und Masse mehr oder weniger nahe bekannt war. Um diese Zeit unternahmen es hingegen zwei Männer, Leverrier und Adams, aus den Störungen, welche sich im Laufe des Uranus durch Beobachtungen gezeigt hatten, umgekehrt den Ort eines noch unbekannten Planeten herzuleiten, welcher im Stande sei, durch seine Anziehung diese Störungen hervorzubringen. Dass es jedem der zwei genannten Männer gelang, den Ort des Neptuns so genau anzugeben, dass es nur einer Nachsuchung an der betreffenden Stelle bedurfte, um den bis dahin unbekannten Planeten aufzufinden, ist allgemein bekannt. Dieses Ereigniss, die Frucht der von Newton aufgestellten Lehre der allgemeinen Anziehung, wird als ein grosses Denkmal des Letzteren dienen, so lange die Astronomie in ihrer Blüthe verharret.
Ueber die Einrichtung dieser Uebersetzung, im Vergleich mit dem Original, bedarf es nur weniger Worte. Sie stimmt im Wesentlichen mit dieser überein, nur hat sich der Herausgeber erlaubt, die einzelnen Sätze mit fortlaufenden Paragraphen zu versehen; hauptsächlich um die einzelnen Sätze auf einfachere Weise anführen zu können. Die ziemlich zahlreichen Bemerkungen sind nicht unter dem Texte aufgeführt worden, weil hierdurch die Aufmerksamkeit des Lesers getheilt und geschwächt wird. Sie folgen hinter dem Texte, und in diesem ist durch eine einfache Zahl angedeutet, dass und wo man eine hinzugefügte Bemerkung zu finden habe. Der Herausgeber wünscht nur, dass diese die Erwartung den Leser nicht zu sehr täuschen möge. Er selbst hat sie, wie bereits oben bemerkt, dargestellt, um sich die betreffenden Stellen des Textes klar zu machen, und muss abwarten, wie dieselben künftig von Anderen beurtheilt werden dürften.
Bei der Correctur und Revision des Werkes haben einige Missverständnisse obgewaltet, welche mehr Druckfehler übrig gelassen haben, als wünschenswerth ist. Gegen das Ende des Druckes wurde der Herausgeber durch ein Augenleiden verhindert, die Revision des Werkes zu Ende zu bringen. Glücklicherweise fand sein Freund, Herr Dr. Tietjen, sich bereit, statt seiner hier einzutreten. Für diese Bereitwilligkeit fühlt er sich gedrungen, demselben hier seinen innigen tiefgefühlten Dank abzustatten.
- Berlin, im Juli 1871.