Mathematische Principien der Naturlehre/Buch3-IV

Buch III. Abschnitt III. Mathematische Principien der Naturlehre (1872) von Isaac Newton, übersetzt von Jakob Philipp Wolfers
Buch III. Abschnitt IV.
Buch III. Abschnitt V.


ABSCHNITT IV.
Von der Präcession der Aequinoctien.

Fig. 204.

§. 44. Lehnsatz. Es stelle APEp die gleichförmig dichte Erde, C ihren Mittelpunkt, AE den Aequator, P und p ihre Pole vor. Ferner sei Pape die zum Mittelpunkte C und mit dem Radius CP eingeschriebene Kugel, QR stelle eine Ebene vor, welche durch die, vom Mittelpunkte der Sonne nach dem Mittelpunkte der Erde gesogene, gerade Linie perpendikulär geschnitten wird. Endlich wollen wir voraussetzen, dass alle einzelnen Theilchen, welche den ausserhalb der Kugel befindlichen Theil der Erde bilden, das Bestreben haben, sich beiderseits von der Ebene QR mit einer Kraft zu entfernen, die ihrem Abstände von dieser Ebene proportional ist. Alsdann werden zuerst alle Theilchen, welche sich in der Ebene des Aequators AE befinden, und gleichförmig um die Kugel in Form eines Ringes geordnet sind, zum Behuf der Drehung der Erde um ihren Mittelpunkt eine Kraft besitzen, welche sich zu derjenigen Kraft, die alle diese Theilchen auf die kreisförmige Drehung der Erde ausüben würden, wenn sie am weitesten von der Ebene QR auf dem Aequator befindlich wären, wie 1 : 2 verhält. Es wird ferner diese kreisförmige Bewegung um eine Axe erfolgen, welche im Durchschnitt des Aequators und der Ebene QR liegt.

Fig. 205.

Man beschreibe nämlich aus dem Mittelpunkte K mit dem Radius KL den Halbkreis JNL, denke sich den letzteren in unzählige kleine Stücke getheilt und aus jedem der Theile N den Sinus NM auf den Durchmesser JL gefüllt. Alsdann wird die Summe der Quadrate aller Sinusse NM gleich der Summe der Quadrate aller Sinusse KM und jede dieser Summen gleich der halben Summe der Quadrate eben so vieler Halbmesser KL sein[1].

Man theile nun die Peripherie des zu denkenden Kreises AE in eben soviel gleiche Theile, und fälle aus jedem dieser Theilchen F ein Perpendikel FG auf die Ebene QR, so wie vom Punkte A das Perpendikel AH. Die Kraft, womit das Theilchen F sich von der Ebene QR entfernt, ist nach der Voraussetzung dem Perpendikel FG proportional, und multiplicirt man diese Kraft durch den Abstand CG, so wird das Produkt die Wirksamkeit des Theilchens F, in Bezug auf die Drehung der Erde um ihren Mittelpunkt, ausdrücken. Es verhält sich daher die Wirksamkeit eines Theilchens im Orte F zu der eines Theilchens in A, wie FG · GC : AH · HC, d. h. wie FC² : AC². Folglich verhält sich die Wirksamkeit aller Theilchen in ihren verschiedenen Orten F zur Wirksamkeit eben so vieler Theilchen in den Orten A, nach dem eben bewiesenen Satze, wie 1 : 2.   W. z. b. w.

Weil ferner diese Theilchen wirksam sind, indem sie sich in perpendikulärer Richtung von der Ebene QR entfernen, und weil dies gleichmässig auf beiden Seiten der letzteren geschieht, bewirken sie, dass die Peripherie des Aequators, wie auch die damit verbundene Erde sich um eine Axe dreht, welche in der Ebene QR und in der des Aequators liegt.

§. 45. Lehnsatz. Unter denselben Voraussetzungen behaupte ich zweitens: Es verhält sich die Kraft und die ganze Wirksamkeit, welche alle rings um die Kugel befindlichen Theilchen haben, um die Erde um dieselbe Axe zu drehen, zu derjenigen Kraft, welche eine gleiche Anzahl, ringförmig auf dem Kreise des Aequators anzunehmender, Theilchen in Bezug auf eine ähnliche kreisförmige Drehung der Erde haben würde, wie 2 : 5.

Es sei JK (Fig. 204.) ein beliebiger, dem Aequator AE paralleler kleinerer Kreis, L und l zwei beliebige in diesem Kreise gleich gelegene Theilchen, ausserhalb der Kugel Pape. Auf die Ebene QR, welche auf dem nach der Sonne gezogenen Radius vector perpendikulär steht, fälle man die Perpendikel LM und lm; alsdann werden alle Kräfte, mit denen diese Theilchen sich von der Ebene QR zu entfernen streben, diesen Perpendikeln proportional sein. Vorausgesetzt nun, dass Ll der Ebene Pape parallel sei und in X in zwei gleiche Theile getheilt werde, ziehe man durch X die Linie Nn parallel der Ebene QR, und es schneide Nn die Perpendikel LM und lm in N und n. Fällt man hierauf das Perpendikel XY auf die Ebene QR, so werden die beiden entgegengesetzten Kräfte der Theilchen L und l, in Bezug auf die Drehung der Erde im entgegengesetzten Sinne, proportional sein den Produkten LM · MC und lm · mC, d. h. LN · MC + MN · MC und ln · mC — mn · mC, oder LN · MC + MN · MC und LN · mC — MN · MC. Ihr Unterschied

1.   LN · Mm — MN · (MC + mC)

wird die Kraft dieser beiden Theilchen, in Bezug auf Drehung der Erde, zusammengenommen ausdrücken. Der positive Theil dieser Differenz LN · Mm = 2LN · NX verhält sich zur Kraft 2AH · HC zweier gleichgrosser, in A befindlicher Theilchen, wie

2.   LX² : AC².

Der negative Theil MN (MC + mC) = 2XY · CY verhält sich zur Kraft 2AH · AC, wie

3.   CX² : AC².

Der Unterschied dieser Theile, d. h. die Kraft zweier zusammengenommener Theilchen L und l, in Bezug auf Drehung der Erde, verhält sich zur Kraft zweier Theilchen, welche ihnen gleich und in A befindlich wären, und welche eben so auf Drehung der Erde hinwirken würden, wie

4.   LX² — CX² : AC².

Ist aber die Peripherie JK in unzählige gleiche Theile L getheilt, so verhalten sich alle LX² zu eben so vielen JH², wie 1 : 2 (nach §. 44 ), folglich zu eben so vielen AC², wie

5.   JH² : 2AC².[2]

Ferner verhalten sich eben so viele CH² zu gleich vielen AC², wie

6.   2 · CX² : 2 · AC².

Die vereinigten Kräfte aller Theilchen auf der Peripherie des Kreises JK verhalten sich also zu den vereinigten Kräften eben so vieler gleicher, in A befindlicher Theilchen, wie

7.   JX² — 2 · CX² : 2 · AC²;

folglich (nach §. 44.) zu den vereinigten Kräften eben so vieler, auf der Peripherie des Kreises AE befindlicher Theilchen, wie

8.   JX² — 2 · CX² : AC².[3]

Nun stelle man sich den Durchmesser Pp der Kugel in unzählige gleiche Stücke getheilt vor, in denen eben so viel Kreise JK sind, gezogen vor. Die Materie auf dem Umfange irgend eines beliebigen Kreisel derselben wird JX², und daher ihre Kraft, in Bezug auf Drehung der Erde JX² (JX² — 2 · CX²) (Verh. 7.) proportional sein. Wäre aber dieselbe Materie auf dem Umfange des Kreises AE angebracht, so würde ihre Kraft JX² · AC² proportional sein. Die Kraft aller Theilchen der Materie, welche ausserhalb der Kugel auf dem Umfange aller dieser Kreise angebracht ist, verhält sich also zur Kraft eben so vieler, auf dem Umfang des grössten Kreises angebrachter Theilchen, wie alle JX² (JX² — 2 · CX²) : gleich vielen JX² · AC², d. h. wie

Σ [(AC² — CX²) (AC² — 3 · CX²)] : Σ [(AC² — CX²) AC²]
= Σ [AC4 — 4 · AC² · CX² + 3 · CX4] : Σ [AC4 — AC² · CX²]

und wenn man CX = x setzt,

= [AC4 — 4 · AC² · x² + 3x4] dx : [AC4 — AC² · x²] dx
= AC4 · AC — 4/3 · AC² · AC³ + 3/5AC5 : AC4 · AC — ⅓ AC² · AC³,
= 2 : 5.   W. z. b. w.

§. 46. Lehnsatz. Unter denselben Voraussetzungen behaupte ich drittens, dass die Bewegung der ganzen Erde um die vorher beschriebene Axe, welche aus den Bewegungen aller ihrer Theilchen zusammengesezt ist, sich zur Bewegung des vorher bemerkten Ringes verhalten wird, wie die Materie der Erde zur Materie des Ringes, und wie das dreifache Quadrat aus dem Viertelbogen jedes Kreises zum doppelten Quadrate des Durchmessers zusammengenommen. Beide Bewegungen stehen also im zusammengesetzten Verhältniss der Materie zur Materie und der Zahlen 925275 : 1000000.

Die Bewegung eines Cylinders, welcher sich um seine als fest vorausgesetzte Axe dreht, verhält sich nämlich zur Bewegung der eingeschriebenen Kugel, welche sich zugleich um dieselbe Axe dreht, wie 4 gleiche Quadrate zu 3 in diesen eingeschriebenen Kreisen.

Ferner verhält sich die Bewegung des Cylinders zur Bewegung eines sehr dünnen Ringes, der die Kugel und den Cylinder in ihrem gemeinschaftlichen Berührungspunkte umgiebt, wie die zweifache Materie des Cylinders zur dreifachen des Ringes. Endlich verhält sich die gleichförmig fortgesetzte Bewegung dieses Ringes um die Axe des Cylinders zu seiner gleichförmigen und gleichzeitigen Bewegung um seinen eigenen Durchmesser, wie die Peripherie des Kreises zu seinem doppelten Durchmesser.[4]

§. 47. Zweite Hypothese. Wenn der besprochene Ring allein seinen Umlauf in der Ebene der Erdbahn und mit der jährlichen Bewegung macht, während der ganze übrige Theil der Erde fortgenommen ist; wenn er sich inzwischen durch die tägliche Bewegung um seine Axe, welche um 23½° gegen die Ebene der Ekliptik geneigt ist, dreht: so wird die Bewegung der Aequinoctialpunkte dieselbe sein, mag dieser Ring fest oder flüssig sein.

§. 48. Aufgabe. Man soll die Präcession der Aequinoctien bestimmen.

Die mittlere stündliche Bewegung der Mondknoten in einer kreisförmigen Bahn war, wenn diese Knoten sich in den Quadraturen befinden, = 16,"6, und die Hälfte hiervon oder 8,"3 ist, aus den früher erklärten Gründen, die mittlere stündliche Bewegung der Knoten in dieser Bahn. Diese Bewegung beträgt daher während eines ganzen siderischen Jahres

1.   20° 11' 46" (20° 12' 29").[5]

Es würden sich daher die Mondknoten in einer solchen Bahn jedes Jahr um 20° 11' 46" rückläufig bewegen, und wenn mehrere Monde vorhanden wären; so würde (nach §. 107., Zusatz 16. des ersten Buches) die Bewegung der Knoten eines jeden der Umlaufszeit proportional sein.

Wenn also der Mond sich um die Erde, in der Nähe ihrer Oberfläche und in der Zeit eines Sterntages bewegte, so würde sich die jährliche Bewegung seiner Knoten zu 20° 11' 46" verhalten, wie die Dauer eines Sterntages zur Umlaufszeit des Mondes, d. h. wie

2.   23h 56m : 27d 7h 43m = 1436 : 39343.

Dieselbe Bewandtniss wird es mit einem Ringe von Monden haben, welcher die Erde umgiebt; mögen die letzteren zusammenhängend sein, oder mögen sie flüssig werden und einen zusammenhängenden Ring bilden, oder mag die Materie dieses Ringes hart und unbiegsam werden.

Setzen wir nun voraus, dieser Ring sei, der Menge seiner Materie nach dem Theile PapAPepE (Figur 204.) der Erde gleich, welcher Theil sich ausserhalb der Kugel Pape befindet.

Diese Kugel verhält sich zu jenem äusseren Theile, wie aC² : AC² — aC², d. h. (weil PC : AC = aC : AC = 229 : 230) wie

3.   52441 : 459.

Umgäbe der Ring die Erde längs der Ebene des Aequators, und drehten sich beide zugleich um den Durchmesser des Ringes; so würde sich die Bewegung des letzteren zur Bewegung der inneren Kugel (nach §. 46.) verhalten, wie 459 : 52441 und 1000000 : 925275 zusammengenommen, d. h. wie

4.   4590 : 485223.

Es würde demnach die Bewegung des Ringes sich zur vereinigten Bewegung desselben und der Kugel verhalten, wie

5.   4590 : 489813.

Ist daher der Ring mit der Kugel verbunden und theilt er ihr seine Bewegung, vermöge welcher seine Knoten oder die Aequinoctialpunkte zurückweichen, mit; so wird die ihm übrig bleibende Bewegung zur ursprünglichen im Verhältniss 5. stehen.

In demselben Verhältniss muss die Bewegung der Aequinoctialpunkte vermindert werden. Die jährliche Bewegung des, aus dem Ringe und der Kugel zusammengesetzten, Körpers wird sich also zu 20° 11' 46" verhalten, wie 1436 : 39343 und 4590 : 489813 zusammengenommen, d. h. wie

6.   100 : 292369.

Die Kräfte, vermöge deren die Knoten des Mondes (wie ich oben erklärt habe) und folglich die Aequinoctialpunkte des Ringes zurückweichen, d. h. die Kräfte 3 · JT (Figur zu §. 34.) sind aber in jedem Theilchen dem Abstande desselben von der Ebene QR (Figur 204.) proportional, und vermöge dieser Kräfte entfernen sich die Theilchen von derselben Ebene. Wenn also (nach §. 45.) die Materie des Ringes über die ganze Oberfläche der Kugel verbreitet ist, so dass sie auf dem oberen Theile der Erde die Gestalt PapAPepE hat; so wird die ganze Kraft und Wirksamkeit aller Theilchen, in Bezug auf die Drehung der Erde um einen beliebigen Durchmesser des Aequators, also auch in Bezug auf die Bewegung der Aequinoctialpunkte, im Verhältniss 2 : 5 kleiner als vorhin werden (§. 45.). Folglich verhält sich die jährliche Zurückweichung der Aequinoctien zu 20° 11' 46", wie

7.   10 : 73092[6],

d. h. sie ist = 9II 56III 50IV (9,"9).

Uebrigens muss diese Bewegung, wegen der Neigung der Ebene des Aequators gegen die der Ekliptik, im Verhältniss

8.   cos 23,°5 : 1 = 91706 : 100000

vermindert werden, und sie ergiebt sich daher 9II 7III 20IV = (9,"1).

Dies ist die jährliche Präcession der Aequinoctien, welche durch die Kraft der Sonne hervorgebracht wird. Die Kraft des Mondes, in Bezug auf die Bewegung des Meeres, haben wir zu der ihr entsprechenden Kraft der Sonne im Verhältniss von beiläufig 4,4815 : 1 gefunden (§. 42., Zusatz 3.), und es steht die Kraft des ersteren, in Bezug auf die Bewegung der Aequinoctialpunkte, zur entsprechenden Kraft der Sonne in demselben Verhältniss. Die durch den ersteren hervorgebrachte Präcession der Aequinoctien muss daher 40II 52III 52IV (40,"9) betragen Die ganze durch beide Kräfte hervorgebrachte jährliche Präcession ist = 50II 0III 12IV (50,"0), welcher Werth mit den Erscheinungen übereinstimmt, indem die astronomischen Beobachtungen ungefähr 50" jährlich ergeben haben.

Ist die Erde am Aequator um mehr als 171/6 Meilen höher, als an den Polen, so muss ihre Materie am Umfange weniger dicht, als am Mittelpunkte sein. Die Präcession der Aequinoctien wird daher, vermöge dieser grösseren Höhe des Aequators vergrössert und vermöge dieser geringeren Dichtigkeit verkleinert werden müssen.

Wir haben bis jetzt das System der Sonne, der Erde, des Mondes und der Planeten beschrieben; es bleibt uns noch übrig, von den Kometen zu reden.


Bemerkungen und Erläuterungen [des Übersetzers]

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  1. [643] No. 293. S. 455. (Fig. 205.) Die Wahrheit dieser Behauptung würde sich leicht durch Raisonnement darthun lassen; man kann sie aber auch folgendermassen durch Rechnung beweisen. Es werde SNJ in n gleiche Theile getheilt, so dass jeder derselben = π = x sei, alsdann haben wir, für den Radius = 1, die beiden Summen: [644]
    S = sin² π + sin² π + ... + sin² π
    S' = cos² π + cos² π + ... + cos² π.

    Durch Einführung der bekannten Exponential-Functionen wird

    ,
    .

    Hier ist, wie bekannt, i = , ferner folgt aus x = π, 2nx = 2π, (n — 1)2x = 2π — 2x, cos(n — 1)2x = cos 2x, cos 2nx = 1; mithin S = ¼ + ½(n — 1) = ½n. Was die Summe S' betrifft, so wird zunächst

    + ½ n = ½n, weil cos 2nx = 1 und cos (n + 1)2x = cos (2π + 2x) = cos 2x.

  2. [644] No. 294. S. 457.[WS 1] Bezeichnet Σ die Summe der Theilchen, so haben wir Σ(LX²) : Σ(JX²) = 1 : 2 (§. 44.) Σ(JX²) : Σ(AC²) = JX² : AC² (weil JX und AC constant sind), also Σ(LX² : Σ(AC²) = JX² : AC².
  3. [644] No. 295. S. 457.[WS 2] Bezeichnet Σ(JK) die Summe aller auf der Peripherie, Σ(A) die Summe aller in A befindlicher Theilchen, so hat man Σ(JK) : Σ(A) = JK² — 2 · CX² : 2 · AC² (Verh. 7.) Σ(A) : Σ(AC) = 2 : 1 (§. 44.), also (JK) : Σ(AC) = JK² — 2 · CX² : AC².
  4. [644] No. 296. S. 458. Zur Verdeutlichung des Inhalts dieses §. mögen folgende Sätze hier hinzugefügt werden. I. Satz. Die Grösse der Bewegung eines Kreises, welcher mit constanter Geschwindigkeit um seinen Mittelpunkt getrieben wird, ist dem Cubus des Radius proportional. [645] Setzt man Ca = r, so ist die Menge der kleinen Körper eines, Peripherie umgebenden sehr schmalen Ringes proportional 2rdr.
    Fig. 271.

    Ist die Winkelgeschwindigkeit constant, so wird die Geschwindigkeit in a proportional r; also das Differential der Grösse der Bewegung in a proportional 2r²dr · r = 2r²dr und die Bewegung des Kreises proportional

    1.   2r²dr = ⅔r³,

    d. h. dem Cubus des Radius.

    Zusatz 1. Würde alle Materie auf dem äussern Kreise AD vereinigt, wo CA = R; so wäre das Differential der Masse wie vorhin proportional 2rdr, die Geschwindigkeit in A proportional R, mithin das Differential der Grösse der Bewegung selbst proportional R · 2rdr und in diesem Falle die Grösse der Bewegung selbst proportional

    2.   R · rdr = R2rdr = R³.

    Aus Gleichung 1. folgt für r = R die Grösse der Bewegung = ⅔R³.

    Demnach verhält sich die Bewegung im letzten Falle zu der im erstem Falle stattfindenden Bewegung, wie

    3.   3 : 2

    Zusatz 2. Die Bewegung eines Kreises verhält sich zur Bewegung eines sehr dünnen kreisförmigen Ringes, welcher mit gleicher Winkelgeschwindigkeit wie jener um den Mittelpunkt getrieben wird, wie die zweifache Materie des Kreises zur dreifachen des Ringes.

    Für Aa = α ist nämlich dieses Verhältniss ⅔R³ : R2rdr

    = ⅔R³ : R [(R + α)² — R²]
    4.   = 2R² : 3[(R + α)² — R²] = 2 Kreis: 3 Ring.

    Zusatz 3. Werden Cylinder von gleicher Höhe um ihre Axen mit gleicher Winkelgeschwindigkeit gedreht, so verhalten sich die Grössen ihrer Bewegungen wie die Cuben der Radien ihrer Grundflächen.

    Jeder dieser Cylinder ist nämlich als ein Aggregat gleich vieler, ihrer Grundfläche gleicher, Kreise anzusehen.

    Zusatz 4. Wäre die ganze Materie des Cylinders auf dem Mantel vereinigt, so würde bei gleicher Geschwindigkeit die Grösse der Bewegung [646] in diesem Falle sich zu der im vorigen Falle verhalten, wie 3 : 2. Dies folgt aus Zusatz 1.

    Zusatz 5. Wenn bei unveränderter geringer Dicke der Wand, wie auch unveränderter Breite des innern Raumes, durch allmählige Abnahme der Höhe, die Wand selbst sich zusammenzieht und zuletzt in einen Ring oder eine Zone übergeht; so wird, wenn auf der in einen Ring zusammengezogenen Wand dieselbe Materie bleibt, welche früher innerhalb des ganzen Cylinders befindlich war, auch die Bewegung des Ringes unverändert bleiben und sich zur ursprünglichen Bewegung des Cylinders verhalten, wie 3 : 2.

    Zusatz 6. Die Bewegung eines um die Axe herumgetriebenen Cylinders verhält sich zur Bewegung eines sehr dünnen, den Cylinder umgehenden Ringes, wie die doppelte Materie des Cylinders zur dreifachen Materie des Ringes.

    Denkt man sich

    einen Cylinder C, dessen Radius = r und Materie = m,
    einen andern C', „ „ = r „ „ = μ
    und einen Ring R, „ „ = r „ „ = μ

    so hat man, wenn C, C', R zugleich die Bewegung dieser drei Körper bezeichnen, C : C' = m : μ, C' : R = 2 : 3 (Zusatz 5.), also C : R = 2m : 3μ.

    Fig. 272.

    II. Satz-Aufgabe. Um den Kreis GBJL ist das Quadrat ACMK und innerhalb des erstern die Figur GBEJL so beschrieben, dass für jede Ordinate DE

    1.   DE : DF = DF² : HJ²

    sei; man soll den Flächeninhalt dieser Figur mit dem des Kreises vergleichen.

    Man setze DE = y', DF = y, HD = x, HJ = r, alsdann ist nach Proportion 1. y' : y = y² : r², also

    2.   y' =

    Es ist aber y² = r² — x², mithin y' = und so jener Flächeninhalt von HBEJ.

    3.   .

    Der erste Ausdruck auf der rechten Seite verschwindet für beide Grenzen x = o und x = r, das Integral auf derselben Seite ist gleich dem Flächeninhalt des Quadranten HBFJ. Setzt man daher den Flächeninhalt des ganzen Kreises = A, so wird der Flächeninhalt von

    4.   GBEJL = ¾A.

    III. Satz. Wenn der eine Ring ACD gleichförmig um sein Centrum [647] B, der andere EFKJ mit derselben Winkelgeschwindigkeit um den Durchmesser EK bewegt wird; so verhält sich die Grösse der Bewegung des ersten Ringes zu derjenigen des ihm gleichen zweiten Ringes, wie

    Fig. 273.

    π : 2. Ist der Radius beider Kreise = r, AC = EF, das Element der Winkelbewegung in beiden Fällen = dv; so wird das Element der Geschwindigkeit des Punktes C im ersten Ringe = rdv, im zweiten hingegen = FG · dv = ydv. Die Geschwindigkeit des Punktes C kommt allen Punkten desselben Ringes zu, und wenn wir daher dieselbe, mit der ihnen allen zusammen entsprechenden Materie = 2rπ multipliciren; so wird

    1.   2rπ · rdv = 4r²π²

    die Grösse der Bewegung dieses Ringes, wenn derselbe einen ganzen Umlauf zurückgelegt hat.

    Setzen wir im zweiten Ringe EFKJ das Element der Peripherie in F = ds, so ist ds · ydv das Element der Bewegung dieses Ringes, und es muss das Integral von dv, wie auch das von yds über die ganze Peripherie erstreckt werden. Für HG = x haben wir aber r² = x² + y² und ds² = dx² + dy² d. h. o = xdx + ydx und so ds² = dx² + also

    2.   yds = rdx.

    Statt yds über die ganze Peripherie haben wir jetzt rdx von x = — r bis x = + r zu integriren, wodurch wir den Halbkreis ETK berücksichtigen. Damit auch die andere Hälfte KJE beachtet werde, haben wir das bestimmte Integral noch mit 2 zu multipliciren. Die Grösse der Bewegung des zweiten Ringes ist demnach

    3.   2r dx dv = 8πr².
    [648] Nach 1. und 3. verhält sich daher die Bewegung des ersten Ringes zu der des zweiten, wie
    4.   π : 2.

    Aus den bisherigen 3 Sätzen folgt nun leicht die Wahrheit der in §. 46. ausgesprochenen Behauptung.

    Denkt man sich nämlich in obiger Figur zum II. Satz den Cylinder und die Kugel mit gleichförmiger Bewegung um die Axe BL gedreht, so wird für den DN entsprechenden Kreis, nach II. Satz, die Grösse der Bewegung proportional DN³ = r³ und für den DF entsprechenden Kreis proportional DF³ = y³; mithin, wenn wir die Grösse der Bewegung des Cylinders durch (C), und die der Kugel entsprechende durch (K) bezeichnen,

    1.   d(C) : d(K) = r³ : y³ = ry : yy' = r: y' (II. Satz, Gl. 2.)
    = Constans, d(C) = Const. rdx

    und durch Integration

    2.   (C) = Const. rdx = Const. r²

    oder, um es über das ganze Quadrat ACMK zu erstrecken,

    3.   (C) = Const. 4r².

    Ferner

    4.   (K) = 4 Const. y'dx = Const ¾r²π (II. Satz)

    und

    5.   (K) : (C) = ¾r²π : 4r² = 3r²π : 4 · (2r)².

    Die Kugel verhält sich zum umschriebenen Cylinder wie

    6.   4/3r³π : 2r³π = 2 : 3.

    Da nun im I. Satz, Zusatz 6. die Masse des Cylinders durch m bezeichnet wurde, so wird jetzt (nach Gleichung 6.) die Masse der Kugel m' = ⅔m.

    Ferner wollen wir die Bewegung des Ringes ACD um seinen Mittelpunkt durch (R) und die Bewegung des Ringes EFKJ um seinen Durchmesser EK durch (R') bezeichnen; alsdann ist nach III. Satz, 4. (R) : (R') = π : 2. Verbinden wir nun die folgenden Proportionen mit einander: (K) : (C) = 3r²π : 4(2r)², (C) : (R) = 2m : 3μ = 3m' : 3μ = m' : μ, (R) : (R') = π : 2; so ergibt sich

    7.   (K) : (R') = m' · 3r²π² : 8μ(2r)²

    oder kürzer (K) : (R') = m' ·  : μ; (K) : (R') = 925275m' : 1000000μ.

    Diese hier aufgeführten Sätze sind im Wesentlichen der Angabe von Newton’s Werken: Isaaci Newtoni Opera quae extant omnia. Commentarius illustrabat Samuel Horsley. L. L. D. R. S. S. Londini MDCCLXXXII. entlehnt. Nur die Führung der Beweise weicht von der dortigen etwas ab.

  5. [649] No. 297. S. 458. Im ursprünglichen Texte hat Newton die stündliche mittlere Bewegung der Knoten = 16II 35III 16IV 36V angegeben, deren Hälfte = 8II 17III 38IV 18V den im Text aufgeführten Werth für das siderische Jahr ergibt. Aus dem von mir benutzten abgekürzten, etwas zu grossem Werthe 8,"3 hat sich der in Klammern aufgeführte Werth für das Jahr ergeben.
  6. [649] No. 298. S. 459. Aus 100 : 292369 und 2 : 5, folgt durch Zusammensetzung 10 : 73092.

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. war: 477
  2. war:169. S. 323


Buch III. Abschnitt III. Nach oben Buch III. Abschnitt V.
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