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Einsegnungsstunden 1916
2. Stunde »
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1. Stunde
am Donnerstag, den 23. November, vormittags 9 Uhr.
Lied 2, 1. 2. 4. Psalm 115. Kollekte[1] 220, 41.


 Im Herrn geliebte Schwestern!

Wer auf einer Bergeshöhe angelangt ist, schaut zurück ins Tal, rückwärts auf die durchmessene Strecke des Weges. Sie sind auch auf einer Höhe Ihres Diakonissenlebens angelangt, denn wer würde unter unsern Schwestern nicht die Einsegnung und den Einsegnungsunterricht als einen Höhepunkt ansehen? So schauen auch Sie zurück auf die durchmessene Strecke des Weges. Die Einzelnen unter Ihnen blicken zurück auf ihren Lebensweg, den sie der Herr führte und ich darf annehmen, daß Sie doch alle eins sind in dem Dank dafür, daß Gottes Hand Sie sichtlich geführt und Ihnen diesen Weg gezeigt hat. Sie schauen auch zurück auf die bisherige Strecke Ihres Diakonissenlebens, auf die Zeit der Vorbereitung, die nun ihrem Ende entgegengeht. Ist Ihnen diese Zeit vielleicht lang geworden oder ist es Ihnen gegangen wie einst Jakob, der als er sieben Jahre um Rahel hatte dienen müssen, meinte es deuchten ihm nur Tage gewesen zu sein? Es ist Ihnen vielleicht manchmal diese Zeit des Wartens und der Bereitung lang geworden; doch sind Sie gewiß jetzt auch eins in der Ueberzeugung, daß die unter uns eingeführte Ordnung gut und heilsam ist und daß sie auch Ihnen zum Segen war. Das Diakonissenwerk, der Diakonissenberuf, schaut auch auf eine sehr lange Zeit des Bestandes zurück. Der Name Diakonisse, dem Griechischen entnommen, erinnert daran, daß diese Einrichtung| in der alten Kirche wurzelt und Sie wissen, sie geht bis in die Apostelzeit selber zurück, ziemlich einzig dastehend. Das, was der Herr Seiner Kirche selber eingestiftet und gegeben hat, Wort und Sakrament und damit das Amt der Gnadenmittel, das hat natürlich ununterbrochenen Bestand von Anfang bis jetzt, denn die Existenz, das Dasein der Kirche, ist daran geknüpft. Aber unter den Einrichtungen, welche die Kirche nach der ihr vom Herrn gestatteten Macht und Freiheit selbst getroffen hat, ist kaum eine, die so weit, bis in die Apostelzeit, zurückreicht. Die Konfirmation, diese wie Löhe sagt, von Segen triefende Einrichtung in der Kirche, entstand viel später, die Beichte in ihrer jetzigen Form geht auch nicht bis in die früheste Zeit zurück. Der Diakonissenberuf aber läßt sich schon zur Apostelzeit nachweisen. Römer 16 sind nicht nur Frauen genannt, die freiwillig sich zum Dienst dargaben und viel gearbeitet haben in dem Herrn, sondern es wird dort auch Phöbe genannt, als ganz sichtlich in einem gemeindlichen Amt der Dienerinnen stehend und im Timotheusbrief finden wir nicht nur Kapitel 5 Witwen erwähnt, die eine besondere Ehrenstellung in der Gemeinde einnahmen und welche eine gewisse Aufsicht geübt haben werden über die Mitchristen ihres Geschlechtes, sondern nach meiner festen Ueberzeugung sind 1. Tim. 3, 11 nicht – wie Luther übersetzt – „ihre d. i. der Diener Weiber,“ sondern „die Weiber“ genannt, die auch eine berufliche Stellung den Diakonen entsprechend in der Gemeinde eingenommen haben müssen. So geht dies Amt bis in die Apostelzeit zurück. An der erwähnten Stelle wird nun zunächst, was die Diener anlangt, gesagt, daß man sie erst erproben oder versuchen solle, dann erst lasse man sie dienen, setze sie in das Amt des Dienstes ein. Nun wird in der Apostelzeit freilich diese Erprobung der Diakonen und entsprechend der Diakonissen nicht so lange Zeit wie jetzt in Anspruch genommen haben. Es wird gewesen sein wie beim Predigtamt selber. Dem Amt der Bischöfe, dem neutestamentlichen Hirtenamt, wird gewiß auch eine Zeit der Erprobung vorausgegangen sein, wie denn der Apostel sagt, daß man nicht einen Neophyten, nämlich einen Neubekehrten (Luther: Neuling) mit dem Amt des Wortes betrauen soll. Aber von einem langjährigen Studium, einer durch Jahre dauernden Erprobung und Einführung ins Amt wird schwerlich die Rede gewesen sein. Es war der Gaben Fülle, die über die Kirche des Herrn ausgegossen war, viel reicher und zum Teil wunderbarer und es war das Gemeindeleben ein viel lebendigeres und kräftigeres. Die Kirche der Gegenwart ist in jeder Hinsicht auf bescheidenere Wege gewiesen. Es ist nunmehr so, daß das, was an Mannigfaltigkeit und Fülle der Charismen, an hohen Geistesgaben unserer Kirche mangelt, ersetzt werden muß durch umso größere Treue, durch eingehenderes Studium, durch Viel länger währende Erprobung im Amt. Auch was den Diakonissenberuf anlangt, sind wir auf bescheidenere| Wege gewiesen. Sie wissen und wir werden zum Schluß noch einmal darauf zurückkommen, daß der Diakonissenberuf, der unter den Augen der Apostel eingeführt worden ist, in der Kirche allmählich abnahm und schließlich ganz abkam, daß er abgelöst wurde vom Klosterwesen und daß auch die Reformation es zu keiner Erneuerung dieses besonderen Berufes gebracht hat, da sie darauf gewiesen war auf eine andere Art der Betätigung des Glaubens und seiner Bewährung durch gute Werke ihr Auge zu richten. Als dann im Jahre 1836 in der evangelischen Kirche die weibliche Diakonie erstand, da weist schon gleich der Name, den man wie von selbst wählte, auf die älteste Zeit der Kirche zurück, an die man wieder anknüpfen wollte. Man hatte dabei gewiß zugleich das Vorbild der römischen Kirche, die barmherzigen Schwestern, vor Augen und man war zur Erneuerung des Diakonissenberufes geführt worden durch die Werke der Barmherzigkeit, durch Betätigung der inneren Mission, welche die damalige Zeit, wie auch jetzt noch in erhöhtem Maße die Gegenwart, gebieterisch forderte. So gebieterisch kann man sagen, daß das Diakonissenwesen der evangelischen Kirche eine reife Frucht der bisherigen kirchengeschichtlichen Entwicklung ist, ausgehend vom Gemeindeamt durchs Klosterwesen hindurch zur freien Liebesarbeit gelangt, wie sie der Kirche der Gegenwart sonderlich vom Herrn geschenkt ist. Aber es ist dabei nicht zu verkennen, daß die Diakonie der Gegenwart in bescheidener Weise aufzutreten Ursache hat. Ein Gemeindeamt, ein von der Kirche selbst geordneter Beruf ist sie nicht mehr, sondern vielmehr freier Tätigkeit überlassen. Es hat schon Löhe gerne darauf aufmerksam gemacht, daß unsere Diakonissen nicht sowohl auf das Beispiel der Phöbe, der gemeindlichen Diakonisse, ein Recht hätten sich zu beziehen, sondern auf das Haus Stephana 1. Kor. 16, 15, das sich freiwillig zum Dienst begeben hat. Eine freiwillige Dienstleistung ist es und die Form, in der das Diakonissenwesen erneuert wurde, ist die Art einer freien Genossenschaft, eines Mutterhauses. Gleichwohl dürfen wir doch darin einen in den Dienst der Kirche mit vollem Bewußtsein gestellten geordneten Beruf erblicken. Wir sind darum auch zu einer Einsegnung berechtigt. Wenn wir bei der Konfirmation, die keinen Grund in der Schrift hat, lediglich Kirchenordnung ist, unter Handauflegung segnen, warum sollten wir es nicht beim Amt einer Diakonisse tun, wo es sich wenigstens um einen Beruf für die Gemeinde handelt und wobei man sich beziehen darf auf das Beispiel der apostolischen Kirche, in der gleichfalls von der Kirche berufene Diakonen ohne jede Frage durch Auslegung der Hände in ihr Amt eingewiesen worden sind. Und, wenn man etwa darauf hinweisen will, daß es sich bei der Konfirmation immerhin um eine eigentliche im vollen Sinn von der Kirche geordnete Handlung handelt, während die Einsegnung der Diakonissen durch einen vollzogen wird,| der zwar im Amt des Wortes steht, aber doch nur als Hausgeistlicher der Diakonissengemeinde seine kirchliche und rechtliche Existenz besitzt, so darf man sich füglich darauf berufen, das etwas Aehnliches obwaltet bei einem viel größeren Werk, das der Herr seiner Kirche selbst befohlen hat, das ist das Werk der Heidenpredigt, die Mission. Auch hier ist es so gekommen, das nicht die Kirche als solche durch kirchliche Organe das Werk betreibt, sondern eine freie Vereinigung gläubiger Christen. Die aber bei der Aussegnung den Missionaren die Hand auflegen, dürfen das Bewußtsein in sich tragen, das sie so tun namens der Kirche Jesu Christi, der der Herr das Werk übertragen hat. Wenn es auch durch freie Vereinigung ausgeübt wird, ist es und bleibt es ein kirchliches Werk. So darf ich sagen, das mir die Einsegnung der Schwestern niemals innerlich Schwierigkeit gemacht oder Zweifel an der Berechtigung derselben hervorgerufen hätte. Wir haben, nachdem der Herr seine Kirche so führte, Recht und Pflicht, unter Handauflegung die Schwestern in ihren Beruf einzuführen und sie der Genossenschaft, innerhalb derer sie Dienst tun wollen, einzuverleiben. Was wird diese Auflegung der Hände anders bedeuten, als das wir die Schwestern vor allem des Schutzes und Segens des allmächtigen Gottes für ihren Beruf versichern, ihnen die Zusicherung geben, das der Herr Jesus Christus, der bei seiner Kirche sein will alle Tage bis an der Welt Ende, auch mit ihnen sein will in ihrem bescheidenen Beruf und das der heilige Geist, der in der Gemeinde Jesu Christi waltet, sie ausrüsten wird mit seinen Gaben. So verleiht ganz sicher die Einsegnung der Diakonissen ein bleibendes Gut, auf das man sich immer wieder zurückbeziehen darf, dessen man sich immer wieder von neuem getrösten kann, solange man in diesem Beruf steht. Einschränkend muß freilich daran erinnert werden: ein Sakrament ist die Einsegnung der Schwestern nicht. Es werden nicht bestimmte himmlische Gnadengüter durch sichtbare Zeichen bürgschaftsweise mitgeteilt, aber zugesichert wird immerhin ein himmlisches Gnadengut, das der Glaube ergreifen und erfassen kann. Wenn demnach das Herz dem, was bei der Einsegnung geschieht, nicht offensteht, dann wirkt es nicht und wenn nicht immer wieder von neuem das erfaßt und ergriffen wird, was bei der Einsegnung zugesichert ward, so geht ihr Wert verloren. Darum fordert sie besonders, das das Herz offenstehe dem, was in der Einsegnung von oben her durch den Geist Gottes zugewendet werden will. Die Stärkung von oben will am Tage der Einsegnung und alle Tage immer wieder von neuem erbeten werden. Und so wünsche ich angelegentlich, das Ihre Herzen recht offen stehen dem, welchem Sie nun nach dem Willen des Herrn und Seiner freundlichen Führung entgegengehen. Darum ist auch eine Bereitung auf die Einsegnung notwendig. Die Probezeit durch die Sie gegangen sind, sollte eine stete Vorbereitung für das sein, dem Sie entgegengeführt wurden. Auch die besondere Vorbereitung,| zu der Sie sich hier zusammengefunden haben, ist von Wert. Sie ist nur kurz, sie beschränkt sich auf 8 Tage; in manchen Häusern ist diese Vorbereitungszeit länger. Es scheint mir indeß so wie es bei uns ist weislich geordnet zu sein. Es ist nicht so leicht eine lange Reihe von Tagen hindurch innerlich auf der Höhe zu bleiben. Andererseits können auch in wenigen Tagen viele heilsame Gedanken durch die Seele gehen und in das Gemüt sich einprägen. Ich möchte nun, indem ich mich dem Teil der Einsegnungsvorbereitung zuwende, der mir obliegt, zurückerinnern an den Grund, der in Ihnen gelegt wurde in der Diakonissenschule. Das war doch der erste Höhepunkt Ihres Diakonissenlebens, wie die Einsegnung der zweite noch größere und erwünschtere ist. Ich habe jedesmal beim Beginn meines Unterrichts in der Diakonissenschule darauf hingewiesen, daß es mir darauf ankomme, in der Heilserkenntnis zu stärken. Die besondere Vorbereitung auf den Diakonissenberuf ist der Lage der Sache nach in andere unmittelbar erfahrene Hände gelegt. Aber zur Stärkung der Heilserkenntnis möchte ich auch jetzt in diesen Vorträgen etwas bieten dürfen.
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 Wir sprechen von den wichtigsten Glaubenslehren. Es muß aber zur speziellen Einleitung davon geredet werden, unter welchen Gesichtspunkt wir dieselben stellen wollen. Die Lehrer unserer Kirche, die sich mit der Darstellung der Glaubenslehren befaßt haben, haben sie unter sehr mannigfache Gesichtspunkte gestellt. Melanchthon war der erste, der eine Glaubenslehre für die Kirche der Reformation verfaßte. Luther hat das nicht für seinen Beruf erachtet; seine Schriften waren sämtlich Gelegenheitsschriften. Melanchthon, der Schulmann, hat seine Zusammenfassung der Glaubenslehre mit dem Titel „Die Loci d. h. Fundörter“ bezeichnet. Als Fundorte für das Wissen und die Erkenntnis der Kirche hat er, der praeceptor germaniae, der Lehrer Deutschlands die Glaubenslehre dargestellt und auch die späteren Väter unserer Kirche auf diesem Gebiet sind bei dieser Benennung geblieben. Diejenigen, die zu unsern Zeiten die Glaubenslehre unserer Kirche vollständig und zusammenfassend darzustellen unternahmen, haben mannigfache Gesichtspunkte gewählt. Thomasius, der hervorragende Dogmatiker von Erlangen, nennt seine Dogmatik „die Lehre von Christi Person und Werk“, damit andeutend, daß Christus, seine Person und sein Werk im Mittelpunkt der gesamten Glaubenslehre stehen sollten. Hofmann, sein Amtsgenosse, der Schrifttheologe, nennt sein Werk: „Schriftbeweis“, weil er besonders unternahm zu zeigen, wie dasjenige, was der Christ vermöge seines Glaubensstandes aussagt, aus der Schrift allezeit wieder erwiesen werden müsse. Frank, der der Nachfolger der beiden Männer war, nannte seine Glaubenslehre das „System der christlichen Wahrheit“, um anzudeuten, daß es sich darum handle die Wahrheit in innerem Zusammenhang auszusagen.| So läßt sich die Darstellung der Glaubenslehre unter mannigfache Gesichtspunkte stellen und auf die mannigfachste Weise wird aus ihr das Licht der Erkenntnis dadurch widerspiegeln. Ich möchte die Glaubenslehre unter einem andern recht naheliegenden Gesichtspunkt darlegen. Löhe hat in seinem Büchlein „von der Barmherzigkeit“ die ganze biblische Geschichte und auch die Glaubenslehre unter den Gedanken der Barmherzigkeit gestellt. Ich möchte das Gebiet erweitern und die Glaubenslehren, von denen ich sprechen möchte, darstellen unter dem Gesichtspunkt der Liebe.

 Es soll demnach der Gegenstand dieser Vorträge sein:

Die wichtigsten Glaubenslehren unter dem Gesichtspunkt der heiligen Liebe.

 Heilige Liebe, dafür könnten wir auch Gottesliebe sagen. Unter Gottesliebe kann man verstehen Gottes Liebe zu uns und unsere Liebe zu Gott. Ich brauche nicht zu sagen, daß beides aufs engste zusammengehört. 1. Joh. 4, 10 sagt der Apostel: „Darin stehet die Liebe: nicht, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß Er uns geliebet hat.“ Dieser Apostel hat in noch tieferer Erkenntnis von beidem, von dem Wesen Gottes und dem Wesen der Liebe den bekannten tiefsinnigen Satz ausgesprochen: „Gott ist die Liebe.“

 Was wird darum das Thema des ersten Vortrags anders sein können, als daß wir reden:

Vom Urquell der Liebe in Gott,
zuerst vom Dasein Gottes,
dann vom Gottesbegriff,
endlich vom Leben, das in Gott ist.
 I. Daß die christliche Glaubenslehre mit der Lehre von Gott beginnen muß, ist offenbar; denn von ihm, durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Von Gott geht alles aus, auf ihn zielt alles hin, durch ihn allein kann das von ihm Ausgehende dem von ihm gewollten Ziel entgegengeführt werden. Er ist Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit, er ist zugleich das A und O, der Anfang und das Ende, der am Anfang wie am Ende der ganzen Entwicklung der Welt und der Geschichte steht, sonderlich am Anfang und Ende dessen, was geschehen ist zum Heil der Menschen. Ob nun aber die Glaubenslehre gerade beginnen müsse mit einer Belehrung über das Dasein Gottes, darüber sind die Theologen durchaus nicht einer Meinung. Man kann mit Recht sagen: Das Dasein Gottes steht jedem Christen fest und für das Dasein Gottes kann ein zwingender Beweis nie geführt werden, denn der Glaube ist einmal nicht jedermanns Ding. Doch haben schon die Heiden mit der| Aufstellung von Beweisen für das Dasein Gottes sich beschäftigt; denn Gottesleugnung hat es freilich je und je gegeben. Wir haben im Psalter zwei fast gleichlautende Psalmen: 14 und 53, die beide von dem Satz ausgehen: Die Thoren sprechen in ihrem Herzen: es ist kein Gott. Ja, Gottesleugnung hat es je und je gegeben, meist zuerst die praktische Gottesleugnung, d. h. ein Dahinleben ohne Gott, ihr kann alsdann leicht die theoretische Gottesleugnung d. i. die im Denken sich vollziehende nachfolgen. Schwestern selbst sind nicht in Gefahr, irre zu werden an Gottes Dasein. Christen sind in dieser Gefahr auch in schwerster Zeit nicht. Die jetzt die Rede führen: Wie kann es einen Gott geben, der solche Dinge zuläßt, wie sie im jetzigen Kriege geschehen, die haben Gott nie erkannt. Schwestern haben aber viel Gelegenheit von der Leugnung Gottes in ihrem. Beruf zu hören. Wie groß ist vor allem in den Städten die Zahl derer, die an Gottes Dasein irre geworden sind. Durch den Krieg sind nicht wenige wieder zu Gott zurückgeführt worden, aber manche sind auch noch weiter von ihm abgekommen. Die Gottesbeweise, die man aufstellen kann, werden allerdings nie imstande sein, einen Menschen zwingend zu überführen, daß er ihn anerkennen müßte; denn Gott wird eben nur erkannt durch den Glauben d. i. durch die innere Ueberführung seines Daseins. Doch sind die Gottesbeweise im gewissen Sinn Stützen für den Glauben; sie sind Versuche, auch dem menschlichen Denken es nahe zu bringen, daß es einen Gott gibt. Sie helfen dazu den Leugnern die Entschuldigung zu benehmen; sie können sogar Führer zu Gott hin werden, es können manche Einwürfe gegen das Dasein Gottes zunichte gemacht werden. Der Apostel Paulus hat auch den Beweis vom Dasein Gottes wiederholentlich angetreten in dem Brief an die Gemeinde, die im Mittelpunkt der damaligen Heidenwelt Zeugnis ablegen sollte vom Glauben an den lebendigen Gott. So dürfen auch wohl Schwestern, welche im gemeindlichen Beruf stehen, oder solche, die die Jugend zu leiten und zu führen haben, von den Beweisen, die man für das Dasein Gottes führen kann, etwas wissen.
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 Es gibt Beweise von drei Verschiedenen Gesichtspunkten aus. Einmal nämlich von der Welt aus gedacht, aus dem Dasein der Welt, indem man von der Bewegung aus füglich schließen kann auf einen Antrieb, von der Wirkung, die Vor Augen steht auf etwas, das sie gewirkt hat. Es gibt mancherlei Versuche, die Entstehung der gegenwärtigen Welt, besonders des Planetensystems zu erklären, wie es dahin gekommen sein kann, daß die Himmelskörper sich in diesem Umlauf befinden, daß die Erde um die Sonne und die Monde wieder um die Planeten kreisen, dafür hat man mancherlei Theorieen aufgestellt, die nicht geradezu irrig genannt werden müssen, weil es wohl möglich ist, daß der, der die Welt in allmählichem Werden erstehen ließ, einen ähnlichen Weg gegangen sein kann.| Aber immer ist bei all diesen Versuchen die Entstehung der Welt zu erklären, die große Frage: von wem geht der erste Anfang aus? Wer hat den ersten Anfang geschaffen, wer den ersten Antrieb zur Bewegung der Planeten gegeben? Durch wen ist das Leben, das organische Leben, dann das bewußte Leben in die Welt gekommen? Bei ernsterem Nachdenken wird man auf diese Fragen geführt und die Antwort kann doch nur sein: ein Schöpfer allein kann das alles ins Dasein gerufen haben. So sagt ja eben St. Paulus Röm. 1, 20 daß Gottes unsichtbares Wesen, sein ewige Kraft und Gottheit aus seinen Werken, nämlich aus der Schöpfung der Welt, zu erkennen sei. Damit wird man nun aber von selbst auf den zweiten Gottesbeweis von der Welt aus geführt. Das ist der Beweis aus der Zweckmäßigkeit der Welt. Je tiefer man eindringt in die Beobachtung der Lebensvorgänge, desto mehr staunt man über diese wunderbare Zweckmäßigkeit im Großen und Kleinen. Auch was Schwestern im ärztlichen Unterricht darüber hören, wie Gott den menschlichen Körper künstlich und fein bereitet in wunderbarem Zusammengreifen der einzelnen Organe, kann dazu dienen. Und wer es weiß, wie Aehnliches auf niederem Gebiet bei Pflanzen und im Leben der Tiere zu beobachten ist, sollte der nicht darauf geführt werden, das kann nur Gott, die höchste Vernunft, sein, der die Natur in dieser Zweckmäßigkeit ins Dasein rief.

 Die zweite Gruppe von Beweisen für das Dasein Gottes ist von der Menschheit aus gedacht. Da hat der Heide Cicero, als Redner und Staatsmann bekannt, zugleich ein Vertreter der Philosophie, der Geisteswissenschaft, den Beweis von der Zusammenstimmung aller Völker aufgestellt und darauf hingewiesen, daß alle Völker etwas von Religion haben. Und nach unserer noch viel genaueren Kenntnis des Völkertums müssen wir sagen: alle Völker weisen irgendwie etwas vom Gedanken eines höheren Wesens auf und wenn ihre Religion auf der tiefsten Stufe steht, wie des Geisterglaubens der Ostasiaten, welche meinen: die Geister der Verstorbenen umgeben die Lebenden teils schädigend, teils fördernd und es tue not, sie zu versöhnen, damit sie nicht schädigend sondern fördernd wirken. Es ist zwar ein tiefstehender Glaube, aber doch eine Überzeugung davon, daß es eine höhere Macht gibt, die ins Leben der Menschen eingreift und ein Gebundensein an eine höhere Welt. Die höherstehenden Religionen, die Natur-Religionen, zeigen das viel deutlicher. Nicht minder wichtig ist der Beweis vom Dasein Gottes, abgeleitet von der Leitung der Geschicke der Völker. Wie die Menschheit gelenkt wird nach einem höheren Plan, ergibt sich uns aus der Beobachtung der Geschichte. Da tritt uns an manchem entscheidenden Punkt ein höheres Eingreifen entgegen. Wie den Weltstürmern gestattet wird, eine Zeitlang vorwärts zu gehen, bis ihnen eine höhere Hand vorschreibt: „Bis hieher und nicht weiter.“

|  Die wichtigste Gruppe der Beweise ist aber die vom einzelnen Menschen aus. Da hat man vom menschlichen Denken her den Gottesbeweis aufgestellt, indem man sagte: Was der Mensch als notwendig denken muß, das muß auch wahr sein. Wenn der Mensch innerlich dazu genötigt ist, einen bestimmten Gedanken zu fassen und festzuhalten, dann muß das Grund und Wahrheit haben. Man kann über den Wert dieses Beweises sehr verschiedener Meinung sein. Umso wichtiger und bedeutsamer ist der andere Beweis, der vom einzelnen Menschen ausgeht, der Beweis aus dem Gewissen. Der Apostel weist Römer 1, wie wir hörten, darauf hin, daß die Heiden sich nicht entschuldigen können „daß sie wissen, daß ein Gott sei, ist offenbar, denn Gott hat es ihnen geoffenbaret damit, daß Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird ersehen, so man es wahrnimmt, an den Werken, nämlich an der Schöpfung der Welt, also daß sie keine Entschuldigung haben.“ Er sagt aber weiter im 2. Kapitel dieses größten seiner Briefe von den Heiden, daß sie selbst sich ein Gesetz seien und daß ihr Gewissen sie bezeugt, nämlich die Gedanken, die sich untereinander verklagen und entschuldigen. Man kann sagen: das Gewissen ist das Gesetz, das Gott den Menschen ins Herz geschrieben hat. Wenn Paulus im Römerbrief sagt, daß die Heiden das Gesetz nicht kennen, so meint er damit das heilsgeschichtliche Gesetz, das durch Mose am Sinai gegeben wurde. Dieses Gesetz hat die Sünde erst recht lebendig gemacht und zur Erkenntnis gebracht. Aber eben darum hebt er hervor, daß „wenn die Heiden das Gesetz nicht haben, sind sie ihnen selbst ein Gesetz, als die da beweisen: des Gesetzes Werk sei geschrieben in ihren Herzen.“ Auch ohne Kenntnis des heilsgeschichtlichen Gesetzes haben die Heiden in sich selbst ein Gesetz, indem ihre Gedanken sie bald anklagen und bald entschuldigen. Durchs Gewissen hat der Mensch ein Wissen um seine sittliche Verantwortung über sein Tun und das ist im Grund ein untrüglicher Beweis dafür, daß er nicht tun kann, was er will, daß er vielmehr gebunden ist an einen andern höheren Willen, vor dem er sich zu rechtfertigen hat. So bleibt dieses Zeugnis des Gewissens der wichtigste Beweis für das Dasein Gottes. Wenn man mit Ungläubigen zu reden kommt, wenn man dann genötigt ist, für seinen Gottesglauben einzutreten, dann wird man hinweisen dürfen auf die wichtigen Beweise von der Welt her, nämlich der Entstehung der Welt und der Zweckmäßigkeit der Welt. Aber entscheidend wird sein, den Leugnern der Gottheit zu sagen: Dein Gewissen selber gibt Dir Zeugnis, daß Du unter einer höheren Macht stehst, nicht tun darfst, was Du willst.
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 So haben alle Menschen Kunde von dem Dasein Gottes, zunächst durch die Ueberlieferung von der Urzeit her, da Gott sich den ersten Menschen in Gnade und Ernst offenbarte. Diese Ueberlieferung| von der Urzeit her war gestützt und getragen durch das Zeugnis des Gewissens. Es muß freilich gesagt werden, daß das Gewissen abgestumpft werden kann und durch die Gewohnheit des Sündigens abgestumpft worden ist. Es ist darum auch die natürliche Gotteserkenntnis allmählich getrübt worden. Wir sehen aus der Geschichte der Religionen und den Andeutungen der heiligen Schrift die allmähliche Entstehung des Heidentums, wie die Menschen neben dem wahren Gott zugleich Naturkräfte göttlich verehrt haben, wie etwa in Abrahams Familie die Kenntnis des wahren Gottes zwar nie verloren ging, aber doch daneben auch falschen Göttern gedient, Naturkräften, Gestirnen u. a. m. göttliche Verehrung gezollt wurde. So ist allmählich das Heidentum aufgekommen, aber Gott behielt sich allezeit einen heiligen Samen übrig. In der Zeit vor der Sintflut waren es die Sethiten, in deren Geschlecht sich die Kenntnis des wahren Gottes fortpflanzte. Auch zu Abrahams Zeiten finden wir außerhalb des Kreises der Offenbarung noch Einzelne, die den wahren Gott kannten und ernstlich suchten. Hiob, der zur Patriarchenzeit gelebt haben mag, ist solch ein merkwürdiges Beispiel eines Mannes, der Gott ernstlich suchte und dessen Wunsch und Sehnen in seinem schweren Leiden immer ernstlicher darauf ging, daß er Gott schauen möchte, bis Gott sich ihm offenbarte und ihn damit zum Frieden brachte. Auch Melchisedek ist ein solches Beispiel aus der Urzeit. Weil aber diese Gotteserkenntnis sich mehr und mehr trübte, hat Gott den Weg der eigentlichen Offenbarung eingeschlagen. So ist das Wissen von Gott uns einigermaßen von Natur vergönnt, aber hauptsächlich durch die Offenbarung fest gegründet. Dieser Offenbarung Gottes antwortet das einstimmige Bekenntnis der ganzen Menschheit, soweit sie Gott kennt mit der Aussage, daß es einen Gott gibt und mit der Anrufung seines Namens.
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 II. Wir schreiten aber weiter zum Gottesbegriff, das heißt, soweit es möglich ist, zum Verständnis dessen, was der große Gedanke der Gottheit in sich schließt. Ist es nicht ein Widerspruch in sich selbst, vom Gottesbegriff zu reden? Wir kennen die Sage vom heiligen Augustin, daß er nachdenkend über das Geheimnis der heiligen Dreieinigkeit am Meeresgestade hinwandelte. Da trifft er einen Knaben, der sich im Sand eine Grube gemacht hat und mit seinem Hütlein eifrig Wasser aus dem Meer in die Grube trägt. Nachdem er ihm eine Zeitlang zugesehen hat, fragt er ihn: „Mein Sohn, was machst du?“ und eifrig antwortet der Knabe: „nun ich will doch das Wasser des Meeres hier in die Grube tragen, die ich gemacht habe.“ Da soll Augustinus sich gesagt haben: Dies törichte Unterfangen des Kindes, ist es nicht mein eigenes? Wie kann ich das Meer der Gottheit, das unergründliche und unfaßbare, in die enge Grenze meines menschlichen Geistes einschließen wollen? – Wenn wir schon von den Wegen und Gerichten Gottes sagen| müssen, daß sie unbegreiflich und unerforschlich sind, wie viel mehr ist es Gott selber! Nur müssen wir andernteils sagen: Eine Kenntnis von Gott müssen wir haben, denn auch Paulus sagt an der öfter erwähnten Stelle Röm. 1, 20: „Gottes unsichtbares Wesen, seine ewige Kraft und Gottheit wird erkannt.“ Manche begnügen sich mit einem zerfließenden Gottesbegriff und in solche Allgemeinheiten der Gedanken und Reden haben sich je und je die Ungläubigen geflüchtet. So kennen wir von Goethe das Wort: „Wer darf ihn nennen und wer bekennen: Ich glaube ihn. Wer empfinden und unterwinden, zu sagen: „Ich glaube ihn nicht.“ Gott ist und bleibt ihnen etwas Unfaßbares, Unbestimmtes, fast Wesenloses, sicher etwas Unpersönliches und es ist nicht möglich und nötig sich zu bemühen, ihn denkend zu erfassen. Aehnlich mystisch klingende Gedanken von der Gottheit haben auch die Modernen. Wir aber wissen: Gott hat sich uns geoffenbart dazu, daß wir ihn kennen und ihn zugleich nennen dürfen, um zu ihm rufen. So gibt es denn Namen Gottes. Freilich die Namen, welche die Völker der Gottheit gegeben haben, sind merkwürdigerweise ihrem Verständnis nach sehr dunkel. Am deutlichsten sind die hebräischen Worte. Sie gehen auf das Wort El d. h. die Kraft zurück. Das lateinische Wort für Gottheit deus dürfte wohl mit dem Himmel zusammenhängen, in dem man sich Gott wohnend denkt. Der griechische Theos, von dem Theologie und Theophanie u. a. herkommen, ist gleichfalls dunkel. Man nimmt meist an: es bedeute „den sich selbst Hinstellenden.“ Das deutsche Wort für Gott bringt Luther mit „Gut“ in Zusammenhang, was manche Sprachforscher noch für möglich halten, andere sagen: es bedeute „der Verborgene.“ – Die Namen, die Gott sich selbst gegeben hat für uns Menschen, sie sind völlig klar; es ist der Bundesname Jehova und vollends der teuere Jesus-Name, in dem Gott sich uns offenbarte. Wir wollen jetzt nicht ausführlicher von den sogen. Eigenschaften Gottes reden, das sind die Betätigungen Gottes nach außen, durch die wir ihn kennen, daß er einesteils von der Welt geschieden ist als der Ewige, Unsichtbare und Unermeßliche und doch in der Welt wirksam als der Allgegenwärtige, Allwissende, Allmächtige, Allweise und daß er von der sündigen Menschheit sich scheidet durch seine Heiligkeit und andererseits doch in Liebe und Erbarmung sich ihrer annimmt. Wir wollen nur auf die Selbstaussagen Gottes eingehen, die uns sein göttliches Wesen insoweit erkennen lassen, daß wir an ihn glauben, ihn lieben und zu ihm beten können. Das Grundlegende ist dabei das, was wir aus Jesu Gespräch mit der Samariterin entnehmen können: „Gott ist ein Geist.“ Damit wird ausdrücklich gesagt: er ist ein unsichtbares Wesen, und Paulus betont 1. Tim. 6 ausdrücklich, daß Gott wohnet in einem Lichte, da niemand zukommen kann. Er ist der Gott, den niemand gesehen hat, noch sehen kann, der Unsichtbare, der| allein Weise. Man könnte fragen, wie sich diese Aussagen von der Unsichtbarkeit Gottes mit den Gotteserscheinungen vereinbaren lassen. Wir werden zu sagen haben: die sichtbaren Erscheinungen Gottes im alten Testament sind je und je durch Engel vermittelt gewesen, wie uns das im neuen Testament von der wichtigsten, größten Gotteserscheinung am Sinai ausdrücklich bezeugt wird. Apg. 7, 53 „empfangen durch der Engel Geschäfte“; Gal. 3, 19 „es ist gestellet von den Engeln durch die Hand des Mittlers.“ Ja, Gott ist ein Geist, er ist unsichtbar und die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten. Das nur kann die rechte Anbetung Gottes sein, wenn man der steten Gegenwart des ewigen unsichtbaren Gottes gewiß ist im Glauben, wenn man weiß: unser Geist darf sich zu Gott, dem höchsten Geist erheben und zu ihm beten. – Gott ist weiter der ewige Geist. Das liegt wieder im Wesen Gottes selbst begründet, daß er der ist, der keinen Anfang hat und kein Ende. Damit bekennen wir Gott auch als persönlichen Gott. Er ist nicht nur die höchste Kraft des All. Das ist wiederum der Gedanke der modernen Welt, der Pantheismus, der Gott als die Naturkraft ansieht, in der alles sich zusammenfaßt. Aber jeder der meint, daß Gott nicht Wunder tun könne, innerhalb der Welt und ihres Ganges sich nicht wunderbar eingreifend bezeugen könne, der steckt im tiefsten Grunde in pantheistischen Gedanken. Die Schrift kennt nur den persönlichen Gott, der Augen hat zu sehen, Ohren zu hören, einen Arm zu strafen, eine Hand zu helfen. Nicht als ob wir damit die Sichtbarkeit von Gott aussagten, aber sein persönliches Wesen, das sich betätigen kann. Er ist der Gott, der über dieser Welt thront und doch in der Welt allgegenwärtig und wirksam ist.

 III. Wir können nun überhaupt sagen: Gott ist der Urquell alles Lebens, alles Guten, aller Kraft. Gott ist die Vollkommenheit, so könnte man sein Wesen am einfachsten zusammenfassen. Er ist die vollkommene Klarheit in der Erkenntnis, die vollkommene Seligkeit in Seinem Fühlen, die vollkommene Heiligkeit in seinem Wollen. Und dies alles ist so zu denken, daß Gott sich selbst weiß, sich selbst fühlt und sich selbst will. Dies letzte: Er will sich selbst d. h. Er ist der sich selbst setzende, das könnte man schon als einen eigentlichen christlichen Gottesbegriff ansehen. Damit ist die Ewigkeit Gottes, sein persönliches Wesen und Leben aus gesagt. Er weiß sich selbst, fühlt sich selbst, will sich selbst; es ist also das Leben der Vollkommenheit in ihm.

 Unser Gott ist im Himmel. Wenn wir das sagen, so meinen wir damit die unsichtbare Welt, die Ueberweltlichkeit, in welcher Gott thront. Das hat Luther hervorgehoben: „Die Rechte Gottes ist überall.“ Gott ist nicht gebunden an einen Ort. Offenbarung 4 schaut der heilige Seher das Thronen Gottes über dieser Welt.| Er sieht den Thron im Himmel gesetzt, er sieht Einen auf dem Thron, den er nicht beschreibt, er sieht, daß Einer thront, aber er unterfängt sich nicht, Ihn näher zu schildern. Er tritt ihm entgegen leuchtend wie Jaspis und wie Sardes voll tiefen Glanzes, undurchsichtig, weil niemand in das innerste Wesen Gottes eindringen kann. Um den Thron ist ein Regenbogen als Zeichen des Friedens, des Gnadenbundes, den er mit der Menschheit schließt. Dieser Regenbogen leuchtet wie ein Smaragd im lieblichen Glanz, also friedevoll und freundlich anzusehen. Sieben Fackeln brennen vor dem Thron, das sind die siebenfachen Wirkungen des Geistes Gottes, die ausgehen in alle Lande. Auf den mittleren Thronesstufen sieht er die Cherubim stehen als Vertreter der Engelwelt, der Weltgegenwart und Weltwirksamkeit Gottes. Vor Gott ausgebreitet ist ein krystallenes Meer. Das Meer ist das Bild der Menschheit der unruhigen Völkerwelt, in der nie Ruhe ist, in der die Wogen sich gegeneinandertürmen, aber vor Gott liegt sie da wie ein Krystall, er kennt alles, er blickt auf den Grund der Dinge, vor ihm liegt alles friedlich und harmonisch da, weil er schon den Ausgang der Dinge kennt. Gewiß ist das nur ein Bild und Gesicht, das dem heiligen Seher zu schauen verstattet war, aber wir wissen, wenn auch der Himmel, in dem Gott thront, die Ueberweltlichkeit, die Unsichtbarkeit und Unermeßlichkeit ist, Gott offenbart doch den Engeln und Seligen seine Herrlichkeit. Und er herrscht über die Welt, er sitzt auf seinem Thron und wir hoffen auch, einst vor dem Thron zu stehen und schwingen uns jetzt schon im Geist auf zu ihm und stimmen ein in das dreimal Heilig, das die Vertreter der himmlischen Gewalten vor ihm anstimmen, wie nach Jesaja 6, so nach diesem Gesicht Offenbarung 4. Wenn wir so die Gottheit nennen den Urquell aller Vollkommenheit, so haben wir Gott, wie wir meinen könnten, nach seiner Offenbarung recht erkannt in seinem Unterschied von der Welt. Aber wir sind noch nicht genugsam in die Fülle göttlichen Lebens eingedrungen. Gott thront nicht in unnahbarer Ferne, er ist ein Gott, der nahe ist und ein Gott, der ferne ist. Jer. 23. Gott thront nicht einsam, sondern er ist umgeben von himmlischen reinen Geistern, die 24 Aeltesten sitzen auf Stühlen vor seinem Thron, aber er ist auch in sich selbst nicht einsam. Die Herrlichkeit Gottes ist uns schon im alten Testament genugsam offenbart und doch ist diese Offenbarung nur vorbereitend; die vollkommene Offenbarung Gottes haben wir erst im neuen Testament und durch Christum kennen wir Gott als den Dreieinigen. Wir wissen, daß von ferneher die Dreieinigkeit Gottes schon im alten Testament angedeutet wird auf den ersten Blatt der Bibel in der Schöpfungsgeschichte, dann weiter im aaronitischen Segen, im Dreimal Heilig bei Jesaias, im Hervortreten des Geistes, den Gott sendet, im Hervortreten der Weisheit in den Sprüchen Salomonis, die Gott beraten hat schon im Anfang seiner| Werke. Das sind Hindeutungen auf die Dreieinigkeit. Durch Christum erst ist Gott als der Dreieinige offenbar geworden. Da erschien der Sohn, gesandt vom Vater; da kam der heilige Geist, gesandt vom Vater und vom Sohn und der Herr hat selber im gewaltigen Reichsbefehl die drei Namen nebeneinandergestellt: Vater, Sohn und Geist, nachdem er je länger je mehr es bezeugt hatte, daß der Vater ihn in die Welt gesandt hat und daß er den heiligen Geist vom Vater senden wird. In den Namen Vater, Sohn und Geist ist uns zunächst geoffenbart, was Gott uns in Christo geworden ist. Der Schöpfer unser Vater, der von Gott in die Welt Geborne und Gesandte unser Bruder und Erlöser, der vom Vater und Sohn gesandte Geist soll in uns der Geist eines neuen Lebens werden. Aber dahinter, das zeigt uns die Schrift, zumal das Evangelium Johannes, aber auch manche andere Stellen, liegt das tiefe Geheimnis innergöttlichen Wesens, daß der ewige Gott, der sich selbst ewig will, sich nicht anders ewig weiß und will als in dem Dreieinigen, als in dem, von dem alles ist, als in dem, der des Vaters Abbild, nämlich das Gegenbild seines Wesens ist und als in dem, der vom Vater und Sohn ausgehend beide ewig zusammenschließt. Wir dürfen sagen: Gott wäre nicht wirkliches Leben, wenn Er nur etwas Einsames und lediglich Einfaches wäre. Das Leben ist nur auf den tiefsten Stufen ganz einfach; je mehr und höher es sich erhebt, desto mehr tritt uns die Harmonie und Einheit in der Mannigfaltigkeit entgegen. So ist die Gottheit selber die höchste Harmonie, Mannigfaltigkeit in der Einheit, Einheit in der Mannigfaltigkeit. So ist Gott wirkliches Leben in sich selber und dieses Leben ist ein Leben der Liebe. Gott könnte nicht wirkliches Leben sein, wenn er nicht der Dreieinige wäre. Er könnte nicht in sich selbst die Liebe sein, wenn er nicht der Dreieinige wäre. Der Vater liebt den Sohn im heiligen Geist von Ewigkeit her, allezeit. Und was wir bekennen von Jesus, daß er ist vom Vater in Ewigkeit geboren und was wir bekennen vom heiligen Geist, daß er in Ewigkeit vom Vater und vom Sohn ausgehe, das darf ja nicht gefaßt werden als Vorgang, der vorweltlich oder vorzeitlich sich irgend zugetragen hätte. Dann wäre der Sohn und Geist nicht ewig. Nein, das ewige Verhältnis des innergöttlichen Wesens wird uns darin vor Augen gestellt. Und so haben wir denn im dreieinigen Gott erst die volle Erkenntnis vom Wesen der Gottheit und durch ihn auch erst die völlige Offenbarung. Da ist uns der größte wichtigste Beweis vom Dasein Gottes geliefert, daß der Sohn Gottes selbst uns nahegekommen ist und daß sein Geist an uns sein Werk hat. Dadurch ist uns auch der rechte Gottesbegriff ermöglicht, daß Gott über der Zeit wohnt und dennoch in die Zeit und in die Geschichte eingeht. Hier wird uns das göttliche Leben in seinem wunderbaren ewigen Wesen der Einheit in der Mannigfaltigkeit| und der Mannigfaltigkeit in der Einheit kund. Die Zusammenfassung bleibt der Satz des Apostels Johannes: „Gott ist die Liebe.“ Darum bleibt die Mahnung von Wichtigkeit, die hieraus schon sich ergibt: „Wer Liebe hat, der ist von Gott geboren und kennet Gott.“ Amen.
Psalm 9, 1–15. Lied 249, 1. 6. 10.





  1. Die Kollekten sind sämtlich aus dem II. Teil von Löhes Haus-Schul- und Kirchenbuch entnommen.


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