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So läßt sich die Darstellung der Glaubenslehre unter mannigfache Gesichtspunkte stellen und auf die mannigfachste Weise wird aus ihr das Licht der Erkenntnis dadurch widerspiegeln. Ich möchte die Glaubenslehre unter einem andern recht naheliegenden Gesichtspunkt darlegen. Löhe hat in seinem Büchlein „von der Barmherzigkeit“ die ganze biblische Geschichte und auch die Glaubenslehre unter den Gedanken der Barmherzigkeit gestellt. Ich möchte das Gebiet erweitern und die Glaubenslehren, von denen ich sprechen möchte, darstellen unter dem Gesichtspunkt der Liebe.

 Es soll demnach der Gegenstand dieser Vorträge sein:

Die wichtigsten Glaubenslehren unter dem Gesichtspunkt der heiligen Liebe.

 Heilige Liebe, dafür könnten wir auch Gottesliebe sagen. Unter Gottesliebe kann man verstehen Gottes Liebe zu uns und unsere Liebe zu Gott. Ich brauche nicht zu sagen, daß beides aufs engste zusammengehört. 1. Joh. 4, 10 sagt der Apostel: „Darin stehet die Liebe: nicht, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß Er uns geliebet hat.“ Dieser Apostel hat in noch tieferer Erkenntnis von beidem, von dem Wesen Gottes und dem Wesen der Liebe den bekannten tiefsinnigen Satz ausgesprochen: „Gott ist die Liebe.“

 Was wird darum das Thema des ersten Vortrags anders sein können, als daß wir reden:

Vom Urquell der Liebe in Gott,
zuerst vom Dasein Gottes,
dann vom Gottesbegriff,
endlich vom Leben, das in Gott ist.

 I. Daß die christliche Glaubenslehre mit der Lehre von Gott beginnen muß, ist offenbar; denn von ihm, durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Von Gott geht alles aus, auf ihn zielt alles hin, durch ihn allein kann das von ihm Ausgehende dem von ihm gewollten Ziel entgegengeführt werden. Er ist Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit, er ist zugleich das A und O, der Anfang und das Ende, der am Anfang wie am Ende der ganzen Entwicklung der Welt und der Geschichte steht, sonderlich am Anfang und Ende dessen, was geschehen ist zum Heil der Menschen. Ob nun aber die Glaubenslehre gerade beginnen müsse mit einer Belehrung über das Dasein Gottes, darüber sind die Theologen durchaus nicht einer Meinung. Man kann mit Recht sagen: Das Dasein Gottes steht jedem Christen fest und für das Dasein Gottes kann ein zwingender Beweis nie geführt werden, denn der Glaube ist einmal nicht jedermanns Ding. Doch haben schon die Heiden mit der