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und der Mannigfaltigkeit in der Einheit kund. Die Zusammenfassung bleibt der Satz des Apostels Johannes: „Gott ist die Liebe.“ Darum bleibt die Mahnung von Wichtigkeit, die hieraus schon sich ergibt: „Wer Liebe hat, der ist von Gott geboren und kennet Gott.“ Amen.

Psalm 9, 1–15. Lied 249, 1. 6. 10.





2. Stunde
am Donnerstag, den 23. November, nachmittags 4 Uhr.
Von der grundlegenden Liebestat der Schöpfung.
Lied 250. Psalm 104, 1–16, 29–35. Kollekte 224, 52.

 Es gibt eine religöse Richtung, welche den ersten Glaubensartikel zu sehr heraushebt auf Kosten des 2. und 3.; ja die den Christenglauben oder die Religion der Hauptsache nach auf denselben beschränkt. Das war einst die Richtung des alten Rationalismus, der von der geoffenbarten Wahrheit nur das gelten ließ oder nur das vortrug, was der menschlichen Vernunft noch am meisten einleuchtete, der insbesondere auch die Wunder leugnete und sie umdeutete auf natürliche Vorgänge, wie sie im Laufe der Erhaltung und Regierung der Welt und der Menschheit je und je geschehen. Es ist anzuerkennen das große Maß von Gottvertrauen, das der Rationalismus den von ihm Geführten einzupflanzen wußte und das sich zum Beispiel in den Kriegen vor 100 Jahren schön betätigt hat. Aber freilich die Hauptwahrheit fehlte, daß man durch Christum allein zum Vater kommt. Christus ist vom alten Rationalismus tatsächlich nicht gepredigt worden und damit ist sein Urteil gesprochen. Der neue Rationalismus, die moderne Richtung, steht im Grunde ähnlich. Wenn er auch nicht in diesem Maße Christum zurücktreten läßt, so stellt er ihn doch ebenso entschieden auf Seite der Menschheit. Die Wunder leugnet auch der neue Rationalismus durchaus; er beschränkt sich auch in wesentlichen auf die Wahrheiten, die der menschlichen Vernunft am leichtesten eingehen. Daraus erklärt sich der Beifall, den er in weiten Kreisen zumal bei den Gebildeten findet; denn das Aergernis des Kreuzes, kann man sagen, schafft er beiseite.