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 Die wichtigste Gruppe der Beweise ist aber die vom einzelnen Menschen aus. Da hat man vom menschlichen Denken her den Gottesbeweis aufgestellt, indem man sagte: Was der Mensch als notwendig denken muß, das muß auch wahr sein. Wenn der Mensch innerlich dazu genötigt ist, einen bestimmten Gedanken zu fassen und festzuhalten, dann muß das Grund und Wahrheit haben. Man kann über den Wert dieses Beweises sehr verschiedener Meinung sein. Umso wichtiger und bedeutsamer ist der andere Beweis, der vom einzelnen Menschen ausgeht, der Beweis aus dem Gewissen. Der Apostel weist Römer 1, wie wir hörten, darauf hin, daß die Heiden sich nicht entschuldigen können „daß sie wissen, daß ein Gott sei, ist offenbar, denn Gott hat es ihnen geoffenbaret damit, daß Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird ersehen, so man es wahrnimmt, an den Werken, nämlich an der Schöpfung der Welt, also daß sie keine Entschuldigung haben.“ Er sagt aber weiter im 2. Kapitel dieses größten seiner Briefe von den Heiden, daß sie selbst sich ein Gesetz seien und daß ihr Gewissen sie bezeugt, nämlich die Gedanken, die sich untereinander verklagen und entschuldigen. Man kann sagen: das Gewissen ist das Gesetz, das Gott den Menschen ins Herz geschrieben hat. Wenn Paulus im Römerbrief sagt, daß die Heiden das Gesetz nicht kennen, so meint er damit das heilsgeschichtliche Gesetz, das durch Mose am Sinai gegeben wurde. Dieses Gesetz hat die Sünde erst recht lebendig gemacht und zur Erkenntnis gebracht. Aber eben darum hebt er hervor, daß „wenn die Heiden das Gesetz nicht haben, sind sie ihnen selbst ein Gesetz, als die da beweisen: des Gesetzes Werk sei geschrieben in ihren Herzen.“ Auch ohne Kenntnis des heilsgeschichtlichen Gesetzes haben die Heiden in sich selbst ein Gesetz, indem ihre Gedanken sie bald anklagen und bald entschuldigen. Durchs Gewissen hat der Mensch ein Wissen um seine sittliche Verantwortung über sein Tun und das ist im Grund ein untrüglicher Beweis dafür, daß er nicht tun kann, was er will, daß er vielmehr gebunden ist an einen andern höheren Willen, vor dem er sich zu rechtfertigen hat. So bleibt dieses Zeugnis des Gewissens der wichtigste Beweis für das Dasein Gottes. Wenn man mit Ungläubigen zu reden kommt, wenn man dann genötigt ist, für seinen Gottesglauben einzutreten, dann wird man hinweisen dürfen auf die wichtigen Beweise von der Welt her, nämlich der Entstehung der Welt und der Zweckmäßigkeit der Welt. Aber entscheidend wird sein, den Leugnern der Gottheit zu sagen: Dein Gewissen selber gibt Dir Zeugnis, daß Du unter einer höheren Macht stehst, nicht tun darfst, was Du willst.

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 So haben alle Menschen Kunde von dem Dasein Gottes, zunächst durch die Ueberlieferung von der Urzeit her, da Gott sich den ersten Menschen in Gnade und Ernst offenbarte. Diese Ueberlieferung