Dresdner Reisende des 16. und 17. Jahrhunderts

Die Anfänge der Dresdner Lokalgeschichtschreibung Dresdner Reisende des 16. und 17. Jahrhunderts (1896) von Viktor Hantzsch
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896)
Aus dem Leben Moritz Retzschs
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Dresdner Reisende
des 16. und 17. Jahrhunderts.
Von Dr. Viktor Hantzsch.


1. Hans Breißinger.

Auf der Dresdner Königlichen öffentlichen Bibliothek befindet sich die handschriftliche Lebensbeschreibung (Cod. F. 171c) eines gewissen Hans Breißinger aus Dresden, der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, [275] wie so viele tausend deutsche Landsknechte, dem österreichischen Kaiserhause in Ungarn gegen die Türken diente. Er wurde von diesen gefangen und nach Konstantinopel geführt, unternahm von hier aus als Sklave große Reisen und kehrte nach seiner Befreiung in seine Vaterstadt zurück. Hier lebte er lange Jahre als kurfürstlicher Trabant, wurde aber dann wegen Altersschwäche entlassen und verfaßte als Greis eine Schilderung seiner Erlebnisse. Die Originalhandschrift dieses Werkes überreichte er in der Hoffnung auf eine Unterstützung dem Kurfürsten Johann Georg I., der sie seiner Bibliothek einverleibte. Sie ist bisher ungedruckt und wohl auch eines vollständigen Abdruckes kaum werth, da sie zahlreiche sachliche Irrthümer enthält und in Ausdruck und Schreibweise nur allzu deutlich die überaus mangelhafte Bildung ihres Verfassers verräth. Doch zeichnet sie sich durch einen naiven und treuherzigen Ton der Darstellung aus und verdient darum, wenigstens auszugsweise wiedergegeben zu werden. Sie beginnt mit einer kurzen Aufzählung der Feldzüge, an denen sich Breißinger betheiligte. „In dem Namen Gottes des Allmächtigen. Im 1568. Jahre zog ich das erste Mal in das Land zu Ungarn dem Haus Oesterreich zu dienen wegen Beschützung des christlichen Glaubens. Hab ich mich ehrlich und treulich für einen Soldaten zu Wasser und zu Land brauchen lassen 24 Monate oder 2 Jahre. Darnach im 1587. hab ich wiederum dem Haus Oesterreich zu Komorn in der Besatzung 6 Jahre lang gedient.“ Das Fähnlein, bei welchem er stand, wurde eines Tages bei einem Ausfalle von den Türken umzingelt. Diese hieben die meisten seiner Genossen nieder und führten ihn selbst gefesselt nach Ofen in ein schlimmes Gefängniß. Nach einiger Zeit brachten sie ihn zu Schiffe auf der Donau nach Griechisch-Weißenburg (Belgrad), dann zu Lande über Sofia nach Adrianopel. Hier mußte er mit einem andern an ihn geketteten Sklaven die abgeschnittenen und getrockneten Köpfe seiner gefallenen Kameraden durch die Stadt tragen. „Darnach kamen wir auf Konstantinopel, mußten die abgehauenen Christenköpfe in des türkischen Kaisers Saal um eine marmelsteinerne Säule herum tragen. Da saß der türkische Kaiser Morat Soldan (Murad III.) in einem güldenen Stuhl.“ Breißinger wurde nach dieser Vorstellung beim Sultan auf dem öffentlichen Markte als Sklave verkauft und durchzog mit seinen neuen Herren beinahe alle Küstenländer des östlichen Mittelmeeres. „Hab ich müssen große türkische Herren fahren, welche mit Kaufmannschaft gehandelt haben auf Schie (Chios), auf Rhodus, in Asia, nach Schmirn (Smyrna), auf Rossikastell (Rosette), in Gräcia, auf Allgeir (Kairo) in Egypten.“ Alle diese Orte beschreibt er ziemlich eingehend, doch etwas unklar, wie beispielsweise seine Schilderung von Kairo zeigt. „13 Meilen ist die Stadt Allgeir im Umfang. Sie haben kein ander Wasser zu trinken oder zu kochen, als aus dem großen Wasser Nilus, welches in Egypten liegt, da muß man das Wasser auf Mauleseln und Kamelen führen. Das Schloß zu Allgeiro begreift um sich als eine ziemliche Stadt, aber das Holz ist gar theuer, ist auch nicht weit zum Rothen Meere, wo das gelobte Volk durchgeführt ist worden, ist auch nicht weit in Syrien, Babylon und Marschillia (Marseille), aber nach Babylon kann man nicht wegen des Wassers Nilus und giftiger Würme, aus denen ein großer Gestank kommt.“ Hier in Kairo wurde Breißinger von einem vornehmen Türken aus Rhodus gekauft, der ihn mit in seine Heimat nahm und als Rudersklaven auf einem Schiffe verwendete, das den Jahrestribut dieser Insel im Betrage von 18 Tonnen Goldes dem Sultan nach Konstantinopel überbringen sollte. „Als wir auf das hohe Meer kamen, wollten 2 türkische Herren, welche aus Cypern kamen, auf Rosette hinfahren und 6 gefangene Christen sollten die zwei Herren auf einem Rennschiff nach Rosette hinführen. Als sie aber auf das hohe Meer kamen, haben sie 3 Malteser Galeonen ersehen, und die Christen haben sie gar wohl erkannt, aber sich nichts merken lassen. Als aber die Türken die Schiffe eben wahrnahmen und fleißig zuschauen wollten, erwischten die Christen der türkischen Herren ihre Säbel und hieben sie im Rennschiff darnieder und schifften den Maltesern zu mit gutem Wind.“ Sie wurden von ihren Glaubensgenossen hilfsbereit aufgenommen und erzählten ihnen, daß auf dem türkischen Schiffe noch gegen 200 Christensklaven angeschmiedet währen. Die Malteserritter waren sofort bereit, auch diese zu retten. Sie griffen das feindliche Schiff an, erstiegen es nach tapferer Gegenwehr „und in einer halben Viertelstunde waren wir alle der Eisen ledig und schlugen den Türken die Eisen an, eben dermaßen, wie sie uns gethan hatten. Da sprachen die Ritter von Malta: Ihr lieben Christen und Kriegsleute, wir bitten euch, ihr wollet uns die Galeone gen Malta führen. Es ist besser, ihr zieht ungefähr 30 Tage die Ruder, als wenn ihr euer Leben lang ziehen sollt.“ Die geretteten Christen gingen auf diesen Vorschlag gern ein und kamen nach kurzer Fahrt glücklich in Malta an. „Malta ist die vornehmste Festung und Schlüssel der Christenheit. Wie wir zu Malta eingesegelt, haben wir mit uns gefänglich bracht 246 Türken ohne Weiber und Kinder, 2 Juden und 2 junge Mohren, sind auch wieder ledig worden 222 Christen. Als wir nun von den Herren und Rittern zu Malta abgefertigt wurden, haben wir beschlossen, unsere Reise nach Deutschland als unserm Vaterlande zu nehmen.“ Sie wurden von den Maltesern auf ein Schiff gebracht und kamen „auf eine reiche und schöne fruchtbare Insel, [276] Messina genannt, welche in Sicilien liegt. Hart dabei liegt ein großer hoher Berg, welcher Tag und Nacht, Jahr und Tag brennt, der Berg Aetna genannt, welchen man für ein sonderliches Mirakel hält. Zu Messina ließen uns die Herren auf einem Schiff nach Neapolis führen, eine gewaltige vornehme Stadt. Darnach zogen wir auf Rom, da viel wunderbarliche Sachen zu sehen, darnach auf Florenz. Hab auch schöne Sachen da gesehen, bin auch nachher weiter gezogen und habe 3 Jahre für einen Leibtrabanten gedient. Darnach zogen wir auf Mantua, darnach auf Verona und Trient, darnach zog ich durch das Etschland und auf der Donau weiter nach Komorn in Ungarn, vermeinte allda meine Sachen zu finden, aber es war alles hinweg. Begab ich mich weiter in das Land zu Sachsen und bei meinen gnädigsten Kurfürsten und Herrn seliger Gedächtniß in der hoch- und weitberühmten Festung Dresden. Nun bin ich in das 17. Jahr hier und dieweil mich vor 6 Jahren der Schlag in der linken Seiten getroffen, leider Gott erbarm es, daß ich meines Herrn Dienst nimmer verrichten kann und mein armes Weib in ihrem Haupt gar verwirrt ist, hab ich so ein schweres Kreuz, daß es Gott erbarmen möchte, wer nur das Elend ansieht.“

Zum Schluß faßt Breißinger den Inhalt seiner Erzählung noch einmal kurz zusammen: „Hab mich 18 Jahr wider den Erbfeind brauchen lassen und sonst auch in Italien, Frankreich und Niederland und bei der Schlacht auf dem Meere (Lepanto?) und bei der Einnahme des Königreichs Portugal und des Passes in India, Terceira genannt.“ Ueber seine Theilnahme an der Eroberung Portugals durch die Spanier, sowie über seinen Aufenthalt auf der Azoreninsel Terceira spricht er sich leider nicht weiter aus. Vermuthlich hat er in den Reihen der deutschen Landsknechte gekämpft, die Philipp I. 1579 anwerben ließ, um mit ihrer Hilfe seinen Gegner, den König Anton von Portugal, aus diesem Lande zu vertreiben. – Am Schlusse des Werkes steht die eigenhändige Unterschrift des Verfassers: Hanß Breißinger, meines Alters etliche und 70 Jahr.


2. Nikolaus Schmidt.

Ganz ähnlich wie Breißinger erging es einige Jahrzehnte später dem Dresdner Bürger und Kürschner Nikolaus Schmidt, der gleichfalls 5 Jahre lang in türkischer Gefangenschaft zubrachte und nach seiner Rückkehr in die Vaterstadt eine Schilderung seiner Leiden in Buchform herausgab[1]. Wie das mehrfach aufgelegte und nicht uninteressant geschriebene Werk berichtet, ließ sich Schmidt nach beendigter Lehrzeit im Jahre 1605 zu Dessau anwerben, um dem Hause Habsburg in Ungarn gegen den Erbfeind zu dienen. Mit andern sächsischen Söldnern wurde er zunächst nach der Grenzfestung Komorn geführt und hier mehrere Monate hindurch im Gebrauche der Waffen geübt. Bei den Schießübungen dienten ausgestopfte und auf Stangen gesteckte Türkenköpfe als Zielpunkte. Als er aber eines Tages bei einem Ausfalle das eben Gelernte erproben sollte, wurde er von den Türken umzingelt und gefangen nach Ofen geführt. Hier kaufte ihn ein Pascha um hohen Preis, da geschickte Kürschner bei den Türken sehr gesucht waren, und fuhr mit ihm die Donau hinab bis Belgrad. In dieser Stadt machte Schmidt die Erfahrung, daß die Türken ihre religiösen Gebräuche nicht ungestraft verhöhnen ließen. „Ich habe allda“, berichtet er, „der Türken, so vom Thurn wunderlich geschrien und ihrem Brauch nach die Betstunde angekündiget, aus Unwissenheit gespottet, welches mir aber sehr übel bekommen, alldieweil ich 50 Streiche auf die Fußsohlen empfangen und also zum erstenmal hart geprügelt wurde. Das Prügeln verursachet solche Schmerzen, die nicht auszusprechen, und ist von dergleichen Kraft, daß es auch den wildesten und unbändigsten Menschen zur Furcht und Demuth bringen kann.“ Bald darauf setzte der Pascha seine Reise nach Konstantinopel fort und nahm seinen Diener mit sich. Schmidt blieb mehrere Monate in der Hauptstadt, bis er auf ein Landgut seines Herrn versetzt wurde, wo er den ganzen Tag über Korn dreschen und in der Nacht die Weinberge vor dem Einbruch wilder Schweine bewachen mußte. Als nach einiger Zeit der Pascha kinderlos starb, gingen die Sklaven sammt der übrigen Hinterlassenschaft in den Besitz des Sultans über und wurden zu allerhand schweren öffentlichen Arbeiten verwendet. Im Frühjahr 1606 rüstete der türkische Kaiser eine gewaltige Kriegsflotte aus, welche im Mittelmeere auf spanische und Malteser Schiffe kreuzen sollte. Schmidt wurde auf einer Galeere als Rudersklave angeschmiedet und mußte sich zwangsweise an der Fahrt betheiligen. Das [277] Geschwader segelte zunächst nach Rhodus. Hier ließ sich unser Berichterstatter von den griechischen Einwohnern die bekannte Geschichte vom Kampf mit dem Drachen erzählen und sah mit Verwunderung den Kopf der Schlange über dem Stadtthore angenagelt. Nach einigen Ruhetagen begab sich die Flotte nach Malta. In der Nähe dieser Insel kam es zu einem Seegefecht mit Malteser Galeeren, das für die Türken glücklich verlief und mit der Eroberung einiger feindlicher Schiffe endigte. Dann ging die Fahrt weiter bis in die Gegend von Gibraltar. Hier stellte sich den Türken eine spanische Flotte entgegen, die ebenfalls nach dem Verlust einiger Schiffe das Weite suchen mußte. Nach diesen Erfolgen hielten die Türken den Feldzug für beendigt und begaben sich in den Hafen von Alexandria, das beinahe einem Trümmerhaufen glich. Nachdem Schmidt als Begleiter und Diener einiger vornehmer Herren Kairo besucht hatte, kehrte er nach Konstantinopel zurück und verbrachte den Winter in dem kaiserlichen Gefängnisse zu Galata. Im Frühjahr 1607 wurde abermals eine Flotte gegen die Spanier und Malteser ausgerüstet. Schmidt mußte mit 800 anderen gefangenen Christen auf dem Admiralschiffe als Ruderknecht dienen. Eines Tages wäre das gewaltige Fahrzeug durch seine Schuld beinahe in die Luft geflogen, da er sich fahrlässiger Weise mit einem offenen Lichte nach der Pulverkammer begeben hatte. Als Strafe seines Leichtsinns empfing er 100 Streiche auf die Fußsohlen, die ihn dermaßen schmerzten, daß er drei Tage lang weder stehen, gehen noch sitzen konnte. Bald darauf nahm die Flotte den vereinigten Spaniern und Maltesern in einer Seeschlacht 10 Schiffe weg und fuhr dann wiederum nach Alexandrien, von wo aus sie siegesfroh nach Konstantinopel zurückkehrte. „Diese Reise war den Türken glücklich, uns armen Gefangenen aber wegen harter Arbeit und vielfältiger dabei erlittener Streiche sehr beschwerlich und trübselig gewesen.“ Auch in den folgenden drei Jahren wurde Schmidt während des Sommers als Ruderknecht auf kaiserlichen Schiffen verwendet, während er den Winter im Gefängniß zu Galata zubrachte. Hier mußte er Steine tragen und andere schwere Arbeiten verrichten. Doch durfte er in den Freistunden unter Aufsicht eines Janitscharen in der Stadt umhergehen und betteln. Im Jahre 1610 gelang es ihm endlich zu entfliehen. Als während des Beiramfestes die Gefängnißwächter betrunken waren, brach er mit 20 christlichen Genossen aus, verließ unerkannt die Stadt und gelangte bis in die Gegend von Adrianopel. Hier wurden die Flüchtlinge von ausgeschickten Reitern eingeholt, nach kurzer Gegenwehr gefangen und in einen festen Thurm gesperrt. Nach drei Tagen sollten sie gespießt werden. Aber in der Nacht vor der Hinrichtung erbarmte sich ihrer der Kerkermeister, der ein geborener Ungar war. Er versah seine Gefangenen mit Waffen und entfloh mit ihnen in den Wald. Hier lauerten sie allen vorüberziehenden Türken auf, tödteten sie und nahmen ihnen die Pferde und das Gepäck. Nachdem sie reiche Beute gewonnen hatten, eilten sie in starken Nachtmärschen durch Bulgarien und die Walachei nach Siebenbürgen. In Kronstadt wurden sie vom Rathe freundlich aufgenommen und mit einer für sie gesammelten Kirchenkollekte beschenkt. Dann reisten sie auf großen Umwegen durch das nördliche Ungarn bis nach Komorn. Hier traf Schmidt noch viele von seinen ehemaligen Genossen. Im Juli 1611 kam er wohlbehalten in seiner Vaterstadt Dresden an.


3. Georg Meister.

Meister, dessen Geburtsort unbekannt ist, erlernte in Sachsen die Gärtnerei, begab sich dann, um sich in seiner Kunst weiter auszubilden, auf Reisen, durchzog beinahe ganz Europa, hielt sich seit 1677 zwölf Jahre lang im holländischen Indien und in Japan auf und kehrte 1689 nach Sachsen zurück. Er fand in Dresden Anstellung als kurfürstlicher Kunst- und Lustgärtner, hatte also auch vermuthlich die Verwaltung des jetzigen Großen Gartens und benutzte die Muße, die ihm dieses Amt ließ, zur Abfassung einer Reisebeschreibung, die mit trefflichen Kupfern des heute vergessenen Dresdner Künstlers M. Bodenehr geziert ist und sich solcher Beliebtheit erfreute, daß sie die ungewöhnliche Zahl von sechs Auflagen erlebte[2]. Das Werk war zu seiner Zeit wichtig wegen der in ihm enthaltenen Nachrichten über die Flora Hinterindiens und Japans. Heute ist es höchstens noch wegen der Abbildungen brauchbar, welche die merkwürdigsten Nutzgewächse jener Gegenden in meist lebenswahrer Darstellung zeigen. Ueber die Reiseerlebnisse Meisters berichtet das Buch folgendes:

Im Frühjahr 1677 trat er zu Amsterdam in den Dienst der holländisch-ostindischen Kompagnie und fuhr auf dem gewöhnlichen Seewege zunächst nach dem Kap der guten Hoffnung. Hier beobachtete er mit Erstaunen [278] die eingeborenen Hottentotten, von deren Nahrung und Kleidung, Sitten, Lebensweise und Beschäftigung er ein nicht uninteressantes Bild entwirft. Am Weihnachtsabend 1677 landete er auf der Rhede von Batavia. Nachdem er einen Kriegszug gegen einen aufständischen Stamm im Innern der Insel Java mitgemacht hatte, wurde er dem in Batavia als Diener der Kompagnie ansässigen deutschen Arzte Andreas Cleyer als Arzneigärtner beigegeben. Er mußte für seinen Herrn einen botanischen Garten einrichten und lernte dadurch die wichtigsten nutzbaren, heilkräftigen und giftigen Gewächse der Insel kennen. Viele dieser Pflanzen beschreibt er sehr eingehend, namentlich die Kokospalme, die er den nützlichsten Baum der Welt nennt. In den Jahren 1682–1687 unternahm Meister im Gefolge Cleyers von Batavia aus zwei große Reisen nach dem damals wenig bekannten Japan. Er landete in Nagasaki, durfte aber nicht weit in das Innere des Landes eindringen. Doch genügte ihm das, was er sah, um eine eingehende Schilderung der Japaner zu entwerfen. Er rühmt sie über die Maßen, ohne indeß ihre Schattenseiten zu verschweigen. „Sie sind ein Volk von klugen Conduiten, sowohl verschmitzt in Staatsregierung und Negotien, als tapfer und eines unerschrockenen Muthes im Kriege. Sie geben an Verstand und Klugheit den zehnmalklugen Franzosen nichts nach, wie solches auch aus ihren künstlichen Arbeiten, unvergleichlichen Schildereien, Lackwerk, Goldarbeiten, vortrefflichen Säbeln, schönen Porzellangefäßen genugsam erhellet.“ Während seines Aufenthalts in Japan sammelte er nicht nur Pflanzen, die er theilweise eingehend beschreibt und in Abbildungen vorführt, sondern er brachte auch ein japanisches Vokabular zusammen, das er seinem Werke eingefügt hat. Als besondere Merkwürdigkeit erwähnt er, daß 1656 ein Landsmann, Zacharias Wagner aus Dresden, als holländischer Gesandter in Jeddo gewesen sei[3]. Als Meister von Japan nach Batavia zurückgekehrt war, erfaßte ihn die Sehnsucht nach der Heimath. Er erbat deshalb seinen Abschied, nahm noch im Auftrage Cleyers für die botanischen Gärten in der Kapstadt und in Amsterdam allerlei indische Samen mit und schiffte sich dann nach dem Kap der guten Hoffnung ein. Er erreichte es nach glücklicher Fahrt und fand während eines kurzen Aufenthalts Gelegenheit, einige Ausflüge in das Innere des Landes zu unternehmen und hierbei die wunderbare Formenfülle und Farbenpracht der Kapflora zu bewundern. Am 12. August 1688 traf er wohlbehalten in Amsterdam ein. Im folgenden Jahre begab er sich nach Dresden, wo er im Umgange mit der ihm liebgewordenen Pflanzenwelt den Rest seines Lebens verbrachte. Wann er gestorben ist, hat sich bisher nicht ermitteln lassen. [WS 1]


4. Benjamin Olitzsch.

Während des 17. und 18. Jahrhunderts traten viele Tausende von Deutschen, unter ihnen zahlreiche Sachsen, in den Dienst der holländisch-ostindischen Kompagnie, um im Auslande ihr Glück zu machen. Manche von ihnen kehrten nach Jahren zurück und gaben wohl auch eine Beschreibung ihrer Reiseerlebnisse und der von ihnen besuchten Länder heraus. Andere dagegen fanden im fernen Indien durch Feindeshand oder durch den Einfluß des ungewohnten Klimas ein frühes Ende. Zu diesen letzteren gehört auch Benjamin Olitzsch aus Dresden, der 1680 als Berghauptmann der Goldgruben auf Sumatra in den Dienst der Kompagnie trat. Die Beschreibung seiner Reise[4] nach der hinterindischen Inselwelt verdanken wir einem seiner Unterbeamten, dem Bergschreiber Elias Hesse aus Königstein, der glücklich die Heimath wieder erreichte und als ein scharfer Beobachter und wahrheitsliebender Berichterstatter gerühmt werden muß. Aus seinem Reisewerke geht hervor, daß Olitzsch mit Hesse und 16 Berg- und Hüttenleuten im Sommer 1680 von Dresden aus zu Schiffe die Elbe hinab bis Hamburg und dann zur See bis Amsterdam fuhr. Hier schlossen sich ihnen noch gegen 30 anderwärts angeworbene deutsche Bergleute an. Auf einem Schiffe der Kompagnie segelten sie nun zunächst nach dem Kap der guten Hoffnung. Während der Reise erblickten sie jede Nacht den berühmten großen Kometen, der in jenem Jahre erschien und sich durch die außerordentliche Länge seines Schweifes auszeichnete. Während eines kurzen Aufenthaltes in der Kapstadt fanden die Reisenden hinreichende Gelegenheit, die Hottentotten zu beobachten, von denen Hesse eine eingehende Schilderung entwirft. Auf der Weiterreise erlag Olitzschs Frau den ungewohnten Anstrengungen und Beschwerden des Schiffslebens. Endlich kam die Gesellschaft glücklich in Batavia an. Hesse beschreibt die Stadt und ihre Umgebung ausführlich, besonders das Chinesenviertel, in dem er mit Vorliebe zur Befriedigung seiner „Curiosität“ spazieren ging. Nachdem sich Olitzsch einigermaßen von der Fahrt erholt hatte, fuhr er mit seinen Leuten nach Sumatra über. In der Sundastraße gerieth das Schiff [279] in große Gefahr durch ein Seebeben, das durch einen Ausbruch des auch in neuerer Zeit berüchtigten Vulkans Cracatau erzeugt worden war.

Am Weihnachtstage landete die Gesellschaft an der Küste Sumatras. Olitzsch begab sich nach dem Innern der Insel und legte hier mit Hilfe der deutschen Bergleute und mehrerer hundert malaiischer Sklaven eine Anzahl Goldgruben an. Leider hatte er eine klimatisch wenig begünstigte Gegend erwählt, so daß unter den Ansiedlern bald ein heftiges Fieber ausbrach. Bereits im Mai 1682 erlag Olitzsch der Krankheit, nachdem er sein unmündiges Söhnlein dem treuen Hesse mit der Bitte übergeben hatte, sobald als möglich nach Deutschland zurückzukehren. Hesse trat auch nach einiger Zeit die Rückreise an und traf am 11. Dezember des folgenden Jahres wohlbehalten in Dresden ein.[WS 2]


5. Adam Schleißing.

Georg Adam Schleißing, ein Rechtspraktikant in Dresden, hatte nach seiner Studienzeit mehrere Jahre in Rußland und dessen asiatischen Besitzungen als Offizier gelebt und verfaßte nach seiner Heimkehr zwei geographisch-historische Werke[5], die nicht nur wegen ihres wissenschaftlichen Gehaltes, sondern auch wegen ihrer humorvollen, mit drastischen Redensarten gewürzten Sprache lesenswerth sind. Das erste dieser Bücher, gewöhnlich kurz als „Regimentsstab“ citirt, schildert zunächst die Jugend Peters des Großen, sowie das Leben seines schwachsinnigen Bruders Iwan und die Bemühungen seiner ränkevollen Schwester Sophie, sich selbst die Krone aufs Haupt zu setzen. Es entwirft eine ebenso wahrheitsgetreue als anschauliche Schilderung dieser merkwürdigen Personen. Peter wird als ein schöngestalteter, kräftiger, lernbegieriger und den Deutschen über die Maßen zugethaner Herr beschrieben. Iwan dagegen als ein häßlicher, doch frommer Schwachkopf und Sophie als eine ungemein kluge und herrschsüchtige Person. Weiterhin kommt Schleißing auf die Hofhaltung der Großfürsten, auf ihre Einkünfte und auf die Verwaltung des Reiches zu sprechen. Dann giebt er eine mit allerhand Anekdoten ausgeschmückte Schilderung der Stadt Moskau und des Kreml. „Moskau ist eine sehr weitläufig angelegte Stadt, einer kleinen Welt vergleichbar, von außen prächtig anzusehen, inwendig aber höchst jämmerlich.“ Sie besteht in der Hauptsache aus hölzernen Häusern, „weshalb der rothe Hahn öfters darinnen gar grausam krähet.“ Das wesentliche Merkmal der Bewohner ist ihre unüberwindliche Neigung zur Trunksucht. „Dem Russen ist sein Saufen lieber als sein Leben.“ Diesem nationalen Laster sind selbst die Geistlichen ergeben. „Die Popen sind leichtfertige versoffene Buben und Idioten, die in den Tag hinein leben wie das dumme Vieh.“ Auch sonst sind an den Russen wenig gute Eigenschaften zu rühmen. „Wenn ich alle Laster der Welt vollkommen abmalen sollte, könnte ich sie nicht besser als in dieser Nation abbilden und gleichsam als in einem klaren Spiegel vor Augen stellen.“ Nach Schleißings Meinung stehen sie überhaupt geistig wenig höher als das „dumme Rindvieh“. „Kunst und Wissenschaft halten sie für Zauberei und Teufelswerk, aber in Schachern, Wuchern, Betrügen und Uebervortheilen und dergleichen Griffen sind sie noch über die Jüden.“ Nachdem unser Autor Sitten und Lebensweise der Russen eingehend geschildert hat, geht er zu einer Beschreibung des Landes über, dessen reiche Bewässerung und außerordentliche Fruchtbarkeit rühmend hervorgehoben werden. Zum Schluß folgen vermischte Nachrichten über die zahlreichen Deutschen in Rußland, die unter dem Schutze und zum Theil im Dienste des Zaren als Gelehrte, Künstler, Offiziere, Kaufleute und Handwerker lebten.

Auch das andere Werk Schleißings, sein „Neuentdecktes Sibirien“, dem eine schlechte Karte und einige unbedeutende Kupfer beigegeben sind, gehört zu den lesenswerthen unter den zahlreichen Reisebeschreibungen des 17. Jahrhunderts. Es ist zwar nicht frei von Irrthümern, doch auf Grund eigener Augenzeugenschaft verfaßt. Interessant sind namentlich die Berichte über das Leben der russischen Ansiedler und der umherschweifenden eingeborenen Jäger und Fischer. Unter diesen Leuten traf Schleißing unerwartet einen Landsmann aus Dresden, Christian Trobusch, der vom Großfürsten zur Aufsuchung von Bergwerken ins Land geschickt worden war. Nachdem unser Autor eine übersichtliche Beschreibung des ganzen Landes und seiner Bewohner gegeben hat, geht er zu einer Erzählung seiner eigenen Reiseerlebnisse über. Er zog von Moskau [280] über Tobolsk ungefähr auf demselben Wege, der heute durch die große sibirische Bahn bezeichnet wird, bis an die chinesische Grenze, kehrte dann nach Tobolsk zurück, begab sich darauf mit einem Fähnlein russischer Soldaten nach Astrachan, wo er eine Zeit lang bei der Garnison verblieb, fuhr dann die Wolga hinauf bis Moskau, wurde später in Geschäften, über die er sich nicht näher ausspricht, in das Land der Samojeden geschickt und kehrte endlich nach Sachsen zurück. Er ließ sich in Dresden als Rechtspraktikant nieder und verlebte hier vermuthlich den Rest seines Lebens.


  1. Kurtze vnd wahre Beschreibung Der Fünff Jährigen harten Gefängnüs, Welche Nicolaus Schmidt, Bürger vnd Kürschner in Dreßden, vnter den Türcken, beydes zu Constantinopel, vnd dann auff denen Reisen, so er nach Aegypten vnd an andere Orte, als ein Sclav, zu Wasser vnd Lande thun müssen, erbärmlicher Weise, in Eisen vnd Banden außgestanden, Worbey Viel Newe denckwürdige vnd in andern dergleichen Reise Büchern nicht befindliche Geschichte, deren theils mit Figuren angedeutet, auß selbest eigener Erfahrung, erinnert vnd angeführet werden. Mit angehängten Verzeichnüs etlicher Türckischen wörtern. Gedruckt zu Dreßden, Bey vnd in Vorlegung Wolff Seyfferts Buchhändlers Anno MDCXXXV. 4°.
    Eine 2. Auflage erschien Leipzig 1684. 4°. Später wurde das Werk auch ins Holländische übersetzt: „Reysbeschryvinge na Constantinopolen en Egypten 1605“. Von dieser Ausgabe sind mir zwei in Leyden 1702 und 1707 erschienene Auflagen bekannt geworden.
  2. Der Orientalisch-Indianische Kunst- und Lustgärtner, das ist: Eine aufrichtige Beschreibung derer meisten Indianischen, als auf Java major, Malacca und Jappon wachsenden Gewürtz-, Frucht- und Blumen-Bäume, wie auch anderer raren Blumen, Kräuter und Stauden-Gewächse, sampt ihren Saamen, nebst umbständigen Bericht deroselben Indianischen Nahmen, so wol ihrer in der Medicin als Oeconomie und im gemeinen Leben mit sich führendem Gebrauch und Nutzen, wie auch noch andere denckwürdige Anmerkungen, was bey des Autoris zweymahliger Reise nach Jappon, von Java Major, oder Batavia, längst derer Cüsten Sina, Siam und rückwerts über Malacca, daselbsten gesehen und fleißig observieret worden. Dresden 1692. 4. 1699. 4. 1710. 4. Leipzig 1713. 4. 1730. 4. 1731. 4. Das Buch ist von seinem Verfasser dem Kurfürsten Johann Georg IV. gewidmet.
  3. Dessen Reisebeschreibung ist nach der Handschrift im Königl. Kupferstichkabinet veröffentlicht von P. E. Richter in der Festschrift zur Jubelfeier des 25 jährigen Bestehens des Vereins für Erdkunde zu Dresden (Dresden 1888), S. 57–91.
  4. Ost-Indianische Reise-Beschreibung oder Diarium, Was bey der Reise des Churfl. Sächs. Raths und Bergk-Commissarii D. Benjamin Olitschens im Jahr 1680 von Dreßden aus bis in Asiam auf Sumatra Denckwürdiges vorgegangen, aufgezeichnet von Elias Hessen. Dreßden 1687. 12. Andere Auflagen erschienen zu Leipzig 1690, 1734 und 1735 in 8°.
  5. 1. Derer Beyden Czaaren in Reußland Iwan und Peter Alexewiz, nebst dero Schwester der Princeßin Sophia, Bißhero Dreyfach-geführter Regiments-Stab, und was darauff erfolget ist, nebst dem ietzigem Zustande in Reußland und allerhand Curieusen Sachen, so sich bißhero darinnen zugetragen, auch denen sich darinnen auffhaltenden Teutschen. Worbey Eine kurze Beschreibung des wilden und zuvor unbewohnten Sieweria, durch und durch mit Kupfferstücken gezieret und wolmeinend herausgegeben von Georg Adam Schleißing, in Czaarischen Diensten gewesenen Capitaine-Lieutenant. Von dieser Schrift erschienen folgende, jedesmal im Titel veränderte Auflagen: Hamburg 1688. 16. – Zittau 1688. 16. – Jena 1690. 16. – Zittau 1693. 16. – O. O. u. J. (1694). 16.
    2. Neu-entdecktes Sieweria, Worinnen die Zobeln gefangen werden, wie es anietzo angebauet und bewohnet ist, Nebst desselbigen Landes Gräntzen, sowohl biß an Kithaiskia, Königreich China und die gantze Asiatische Tartarey, als auch Samojedia und Nova Zembla. Jena 1690. 16. Zittau 1693. 16.
    Beigegeben sind dem Werke eine Karte von Sibirien und mehrere Kupferstiche.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe auch: ADB:Meister, Georg
  2. Siehe auch: Elias Hesse