Die landwirtschaftlichen technischen Gewerbe (1914)

Textdaten
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Autor: Karl von Buchka
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Titel: Die landwirtschaftlichen technischen Gewerbe
Untertitel:
aus: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band, Sechstes Buch, S. 47–58
Herausgeber: Siegfried Körte, Friedrich Wilhelm von Loebell, Georg von Rheinbaben, Hans von Schwerin-Löwitz, Adolph Wagner
Auflage:
Entstehungsdatum: 1913
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Reimar Hobbing
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Erscheinungsort: Berlin
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[495]
Die landwirtschaftlichen technischen Gewerbe
Von Prof. Dr. K. v. Buchka, Geh. Oberregierungsrat im Reichsschatzamt, Berlin


Einleitung.

Als landwirtschaftliche technische Gewerbe bezeichnet man im allgemeinen solche Gewerbszweige, die in wirtschaftlicher und meist auch in räumlicher Verbindung mit der Landwirtschaft betrieben werden. Sie verarbeiten landwirtschaftliche Rohstoffe und bilden daher oft einen wesentlichen Teil eines Landwirtschaftsbetriebes. Indessen fallen nicht alle Gewerbsanstalten, in denen landwirtschaftliche Erzeugnisse weiterverarbeitet werden, unter jenen Begriff. Vielmehr haben sich auch Gewerbszweige, die früher in unmittelbarer Verbindung mit der Landwirtschaft betrieben wurden, zu selbständigen Gewerben entwickelt. Dadurch ist ihr Zusammenhang insonderheit mit der einheimischen Landwirtschaft gelockert. Denn es liegt in dem Begriff der landwirtschaftlichen Gewerbe, daß in den zu ihnen gehörenden Gewerbsanstalten vorwiegend, wenn nicht ausschließlich die Erzeugnisse des wirtschaftlich und räumlich mit ihnen verbundenen Landwirtschaftsbetriebes verarbeitet werden. Der Entwicklung dieser Gewerbsanstalten ist daher eine gewisse natürliche, durch den Umfang des dazu gehörigen Landwirtschaftsbetriebs gegebene Grenze gezogen. Sobald der Übergang zum Großbetrieb einsetzt und die Verarbeitung auch fremder oder gar ausländischer Rohstoffe notwendig wird, hören diese Betriebe auf, im engeren Sinne noch zum landwirtschaftlichen Gewerbe zu zählen. Diese Entwicklung hat die Müllerei und haben viele Brennereien genommen, welch letztere ursprünglich nur als landwirtschaftliche, Getreide oder Kartoffeln verarbeitende Brennereien betrieben wurden, dann aber ihren Betrieb erweiterten, von der Landwirtschaft sich loslösten, auch zur Verarbeitung von nicht selbst erzeugten oder ausländischen Rohstoffen, z. B. von Mais übergingen und so zu rein gewerblichen Brennereien wurden. Danach schwankt der Begriff der landwirtschaftlichen Gewerbe, je nachdem man die Grenze enger oder weiter zieht. In dem Nachstehenden sind als ein landwirtschaftliches Gewerbe betreibend nur die folgenden berücksichtigt: die Molkereien, die Rübenzuckerfabriken, die Kartoffelflockenfabriken, die Kartoffelstärke- und Stärkezuckerfabriken, die Branntweinbrennereien und die Bierbrauereien.

Allen diesen Gewerben ist die Verarbeitung landwirtschaftlicher Rohstoffe und im allgemeinen ein enger Zusammenhang mit der Landwirtschaft gemeinsam. Wie die Landwirtschaft darauf bedacht sein muß, ihre Erzeugnisse: Milch, Zuckerrüben, Kartoffeln, Getreide, so vorteilhaft wie möglich zu verwerten, so sind jene Gewerbe wiederum darauf angewiesen, ihre Rohstoffe so billig wie möglich zu beziehen. Aus dieser engen Zusammengehörigkeit ergeben sich einerseits für beide Teile mancherlei Vorteile; [496] andererseits aber können sich hieraus auch Schwierigkeiten entwickeln, sofern entweder ungünstige Futter- oder Ernteverhältnisse die landwirtschaftlichen Rohstoffe an Menge oder Beschaffenheit verringern und daher verteuern oder aber technische oder wirtschaftliche Schwierigkeiten den Absatz der in den landwirtschaftlichen Gewerbebetrieben fertig gestellten Erzeugnisse erschweren. Die Landwirtschaft und die landwirtschaftlichen Gewerbe sind also beide eng auf einander angewiesen, in guten wie in schlechten Zeiten.

Außerdem greift aber auch die Nahrungsmittelgesetzgebung sowie die Steuergesetzgebung unmittelbar in die landwirtschaftlichen Gewerbe ein. Denn die Erzeugnisse der Molkereien, nämlich Milch, Butter, Käse, ferner der Rübenzucker, die Kartoffelstärke und der Stärkezucker, auch die Kartoffelflocken, die Trinkbranntweine und das Bier sind wichtige Nahrungs- oder Genußmittel und daher den Bestimmungen des Nahrungsmittelgesetzes unterworfen. Der Rübenzucker, der Branntwein und das Bier aber sind seit alter Zeit Gegenstände der Besteuerung und daher den geltenden Steuergesetzen unterworfen. Die Entwicklung der letzten 25 Jahre ist nach allen diesen Richtungen hin von großer Bedeutung für die hier in Frage stehenden Gewerbe gewesen.

Die Molkereien.

Die Erzeugnisse der Molkereien sind in erster Linie Milch, Butter und Käse. Die Entwicklung der Dinge in den letzten Jahrzehnten hat es aber mit sich gebracht, daß die Milch von ihren Erzeugungsstätten heute nicht mehr wie früher nur als frische Milch, als Sahne oder auch als saure Milch, Magermilch, Buttermilch oder auch nach Abscheidung des Fettes und des Käsestoffs als Molken abgegeben wird. Vielmehr beschäftigen die Molkereien sich heute auch mit der Herstellung und Abgabe von Milch, die durch Erhitzen auf bestimmte Wärmegrade haltbar gemacht ist und dann als pasteurisierte, sterilisierte oder Dauermilch abgegeben wird. Oder sie nehmen mit der Milch auch gewisse Veränderungen vor, die im wesentlichen darauf abzielen, die Kuhmilch der Frauenmilch ähnlicher und damit auch diese Milch zur Ernährung der Säuglinge geeigneter zu machen. Die so behandelten oder unter besonderer Vorsicht gewonnenen Milchsorten kommen als Kindermilch oder Vorzugsmilch oder unter anderen Bezeichnungen in den Verkehr. Ferner befassen die Molkereien sich neuerdings vielfach auch mit der Herstellung gegorener Milchgetränke, die dann als Kefir oder Joghurt oder auch unter anderen Bezeichnungen abgegeben werden. Auch die Herstellung eingedickter (kondensierter) Milch, von Trockenmilch oder von Milchpulver geschieht heute in größerem Umfange als noch vor wenigen Jahrzehnten. Endlich gewinnen manche Molkereien auch noch als letztes Erzeugnis den Milchzucker. Diese große Mannigfaltigkeit der Erzeugnisse erklärt es ohne weiteres, daß der ganze Betrieb solcher Molkereien heute völlig anders ist als früher. Die Molkereien befinden sich augenblicklich in einem Übergang zu Betrieben, die ohne sachverständige Leitung durch chemische und bakteriologische Fachmänner nicht mehr geführt werden können. Es wird daher über kurz oder lang die Zeit kommen, wo die Molkereien aufhören werden in dem ursprünglichen Sinne noch landwirtschaftliche Gewerbsanstalten zu sein und wo sie vielmehr mit größerem Recht den rein gewerblichen Anstalten zugerechnet werden müssen. [497]

Die Milch.

Die große Bedeutung der Milch für die Ernährung der Bevölkerung braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Die Hauptmenge der im Inlande verbrauchten Milch wird auch hier erzeugt, zumal das leichte Verderben der Milch ihre Versendung auf weite Strecken nicht zuläßt. Daneben findet aber auch eine Einfuhr von Milch und Milcherzeugnissen, vornehmlich aus der Schweiz und aus Dänemark statt.

Verschiedene Ursachen haben dazu beigetragen, daß die Milchversorgung sich immer schwieriger gestaltet hat.

Zunächst ist hierbei der Bevölkerungszuwachs zu berücksichtigen. 1888 betrug die Bevölkerungszahl des Deutschen Reiches rund 48 Millionen, heute nach annähernder Schätzung wohl 66 Millionen. Diese Vermehrung der Bevölkerung um etwa 18 Millionen Köpfe machte eine entsprechende Vermehrung des Milchviehbestandes seit jener Zeit erforderlich, wenn die Milchversorgung in hinreichender Weise gesichert werden sollte. Die stetig sich vollziehende Ansammlung größerer Menschenmassen in den großen Städten und die Entvölkerung des platten Landes brachten weitere Schwierigkeiten mit sich. Die Versorgung einer Stadt wie Berlin mit Milch erfordert völlig andere Maßnahmen als die einer kleinen Stadt oder gar die des Landes. Da sich die Haltung großer Herden von Milchkühen in einer großen Stadt von selbst verbietet, so muß die Milch dorthin aus einem weiten Umkreis bezogen werden. Dies macht aber wiederum besondere Vorsichtsmaßregeln nötig, damit die Milch nicht während der Versendung, namentlich in der warmen Jahreszeit, verdirbt.

Die Erfahrungen der seit den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts sich unter Robert Kochs Leitung entwickelnden Bakteriologie haben einen ganz wesentlichen Einfluß auf die Überwindung der vorstehend angeführten Schwierigkeiten und auf die Umgestaltung des Molkereibetriebes in den letzten 25 Jahren überhaupt gehabt. Ein so wichtiges Nahrungsmittel die Milch ist, so kann sie doch auch ebenso gefährlich für die Gesundheit der Menschen werden, wenn bei ihrer Gewinnung, Versendung und Aufbewahrung nicht die größte Vorsicht beobachtet wird. Es ist dies in der Natur der Milch begründet, die, wie sie für die Menschen und Tiere das wichtigste Nahrungsmittel ist, so auch für die kleinsten Lebewesen, insonderheit auch für die Erreger von Menschen- und Tierkrankheiten einen günstigen Nährboden abgibt.

Deswegen gilt es auch heute vom Standpunkte der Gesundheitslehre aus als erste Voraussetzung, daß nur gesunde Tiere für die Milchversorgung der Bevölkerung herangezogen werden dürfen, und daß die Überwachung des Milchverkehrs bereits mit der dauernden Überwachung des Gesundheitszustandes, der Fütterungsart und der ganzen Haltung der Milchkühe beginnen muß.

Das nächste Erfordernis ist die denkbar größte Reinlichkeit beim Melken und bei der ferneren Aufbewahrung und Versendung der Milch. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte haben zweifellos gelehrt, daß insonderheit auch verlangt werden muß, daß mit bestimmten ansteckenden Krankheiten behaftete Menschen in den Molkereien ohne Gefahr der Übertragung dieser Krankheiten auf die Abnehmer nicht beschäftigt werden dürfen.

Eine Lieferung der Milch unmittelbar von dem Besitzer einer vielleicht kleinen [498] ländlichen Molkerei an den Abnehmer in der Großstadt ist nicht mehr möglich. Hier war die Einschiebung einer vermittelnden Stelle nötig, und so entstanden die kleineren und größeren Sammelmolkereien, welche die Milch unmittelbar in den Erzeugungsstätten aufkaufen und an die Bevölkerung abgeben. Da hierdurch die Zeitdauer zwischen Gewinnung und Abgabe der Milch sich unvermeidlicherweise verlängert, so muß die Milch so bald wie möglich nach ihrer Gewinnung oder nach ihrem Eintreffen in der Sammelmolkerei einer Behandlung unterworfen werden, welche sie länger haltbar macht, indem die etwa in ihr enthaltenen Bakterien, soweit dies nötig ist, durch Erhitzen auf bestimmte Wärmegrade abgetötet werden, ohne daß der Nährwert oder die Verdaulichkeit der Milch dadurch beeinträchtigt wird.

Die Lösung dieser Aufgabe war bei den großen hier täglich in Frage kommenden Milchmengen nur möglich durch die in den letzten Jahrzehnten einsetzende technische Vervollkommnung aller Geräte, welche in den Molkereien zur Verwendung gelangen, insonderheit auch durch die Herstellung geeigneter Einrichtungen zum schnellen Erhitzen der Milch auf bestimmte Wärmegrade und von Vorkehrungen zum Abkühlen der Milch.

Bei der großen Wichtigkeit der Milch als Nahrungsmittel wachen auch die Untersuchungsanstalten für Nahrungsmittel sorgfältig darüber, daß die vorstehend angeführten Gesichtspunkte bei der Gewinnung und beim Handel mit Milch beobachtet werden, und daß nicht etwa durch teilweise Entrahmung oder durch Wässerung der Milch oder auf andere Weise der Nährwert und die Bekömmlichkeit der Milch herabgesetzt werden. Seit das Nahrungsmittelgesetz im Jahre 1879 erlassen wurde, hat sich die Überwachung des Nahrungsmittelverkehrs allmählich immer weiter entwickelt und so sind auch die letzten Jahrzehnte für die Überwachung des Milchverkehrs besonders bedeutungsvoll geworden. Wenn auch trotz mancher wiederholt geäußerter Wünsche ein besonderes Reichsgesetz für den Verkehr mit Milch nicht besteht, so sind doch in den verschiedenen Bundesstaaten des Deutschen Reiches landespolizeiliche und ortspolizeiliche Vorschriften nach dieser Richtung erlassen, die sich im allgemeinen auf der gleichen Grundlage bewegen. Ob es in fernerer Zukunft noch einmal zu einem Reichsmilchgesetz kommen wird, bleibt abzuwarten. Nicht aber kann daran gezweifelt werden, daß man sich die sorgfältige Überwachung des Milchverkehrs dauernd angelegen sein lassen wird, damit die Bevölkerung ständig mit diesem wichtigsten Nahrungsmittel so versorgt werden kann, wie die Gesundheitslehre dies nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte verlangt.

Die Butter.

Die Buttergewinnung bildet einen sowohl in landwirtschaftlicher Hinsicht wie auch für die Versorgung der Bevölkerung mit Speisefetten besonders wichtigen Gewerbszweig. Als einziger Rohstoff für die Buttererzeugung dient in Deutschland die Kuhmilch. Daher ist die Buttererzeugung auf das engste mit dem Molkereigewerbe verknüpft und ein wichtiger Teil der landwirtschaftlichen Gewerbe.

Die für die Buttergewinnung nötige Milchmenge wird fast ausschließlich im Inland gewonnen. Daneben findet aber auch noch eine Einfuhr von Butter aus dem Auslande statt. Umgekehrt führt das Deutsche Reich auch seinerseits wieder Butter in das Ausland aus.

[499] Da die Butter ein sehr wichtiges Nahrungsmittel ist und sie deswegen auch einen hohen wirtschaftlichen Wert besitzt, so hat sich die Nahrungsmittelgesetzgebung wiederholt und eingehend mit der Frage beschäftigt, in welcher Weise der Verkehr mit Butter am zweckmäßigsten zu überwachen sei. Nachdem zu diesem Zweck bereits im Jahre 1887 ein Reichsgesetz, betreffend den Verkehr mit Ersatzmitteln für Butter, ergangen war, wurde diese Frage durch das am 1. Oktober 1897 in Kraft getretene Gesetz, betreffend den Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz und deren Ersatzmitteln, vom 15. Juni 1897 neugeregelt. Dieses letztere Gesetz besteht auch jetzt noch zu Kraft.

Margarine.

Durch seine Bestimmungen werden in erster Linie die Begriffe Butter und Margarine gegeneinander abgegrenzt, um die auch nach dem Gesetz von 1887 noch hervorgetretenen Schwierigkeiten bei dem Wettbewerb zwischen Butter und Margarine nach Möglichkeit zu beseitigen. Der Begriff „Margarine“ wurde dabei möglichst weit gefaßt, indem als solche alle diejenigen der Milchbutter oder dem Butterschmalz ähnlichen Zubereitungen bezeichnet wurden, deren Fettgehalt nicht ausschließlich der Milch entstammt. Hiernach ist es gleichgültig, ob das als Margarine zu bezeichnende Speisefett aus einer Mischung tierischer und pflanzlicher Fette oder nur aus pflanzlichen Fetten besteht, sofern im übrigen nur die vorstehend angeführten Bedingungen erfüllt werden.

Um die allgemeine Erkennbarkeit der Margarine mittels chemischer Untersuchung zu erleichtern, ohne ihre Beschaffenheit und Farbe zu schädigen, wurde vorgeschrieben, daß der Margarine eine bestimmte Menge von Sesamöl zuzusetzen sei. Dieses Öl hatte auch früher schon bei der Margarineherstellung Verwendung gefunden. Es ist durch chemische Reaktionen auch in Mischungen von Margarine mit Butter leicht nachzuweisen und daher für den bezeichneten Zweck sehr geeignet.

Zur weiteren Überwachung der Margarinefabriken wurden ferner durch das Reichsgesetz vom Jahre 1897 den Polizeibeamten gewisse gegenüber den Bestimmungen des Nahrungsmittelgesetzes vom Jahre 1879 erweiterte Befugnisse hinsichtlich der Besichtigung der Herstellungs-, Aufbewahrungs- und Verkaufsräume zugewiesen.

Alle diese Bestimmungen haben zweifellos einen guten Erfolg gehabt, insofern hierdurch die früher beklagten Mißstände bei dem Verkauf von Butter im wesentlichen beseitigt, gleichzeitig die Margarineindustrie aber auf eine gesunde Unterlage gestellt wurde.

Fett- und Wassergehalt der Butter.

Da sich auch beim Verkehr mit Butter, namentlich bei der Ausfuhr, insofern Mißstände eingeschlichen hatten, als Butter zum Teil mit einem übermäßig hohen Wassergehalt in den Verkehr gebracht wurde, so wurde der Bundesrat ermächtigt, das gewerbsmäßige Verkaufen und Feilhalten von Butter, deren Fettgehalt nicht eine bestimmte Grenze erreicht oder deren Wasser- oder Salzgehalt eine bestimmte Grenze überschreitet, zu verbieten. Hiervon wurde im Jahre 1902 Gebrauch gemacht, indem der Bundesrat bestimmte, daß Butter, welche in 100 Gewichtsteilen weniger als 80 Gewichtsteile Fett oder in ungesalzenem Zustande mehr als 18 Gewichtsteile, in gesalzenem Zustande mehr als 16 Gewichtsteile Wasser enthält, gewerbsmäßig nicht verkauft oder feilgehalten werden dürfe. Auch diese Bestimmung hat zur Gesundung der Verhältnisse [500] im Butterhandel beigetragen. Es ist aber gelegentlich und wohl nicht ganz ohne Berechtigung der Wunsch ausgesprochen worden, daß in gleicher Weise auch der Wassergehalt der Margarine gesetzlich festgelegt werden möge, der früher niedriger war, im Laufe der Zeit aber in die Höhe gegangen ist.

Die Erzeugung der Butter im Inlande hält nicht gleichen Schritt mit der Nachfrage. Daher findet eine nicht unerhebliche Einfuhr statt.

Im Jahre 1912 betrug die Einfuhr 55 553 Tonnen. Hieran war Rußland mit nahezu der Hälfte, genauer mit 25 763 Tonnen beteiligt, während aus den Niederlanden 18 231 Tonnen eingeführt wurden. Jener Einfuhr stand eine Ausfuhr im Jahre 1912 von nur 219 Tonnen gegenüber. Da Butter, frisch gesalzen oder eingeschmolzen (Butterschmalz) bei der Einfuhr einer Verzollung in Höhe von 30 M. (vertragsmäßig 20 M.) für den Doppelzentner unterliegt, so handelt es sich hierbei um beträchtliche Werte.

Die erhebliche und andauernde Wertsteigerung, welche die Butter im Laufe der Zeit erfahren hat, erhellt aus der folgenden Zusammenstellung der Großhandelspreise der Butter in den letzten 10 Jahren für 1 Doppelzentner in Mark:

1903: 1904: 1905: 1906: 1907: 1908: 1909: 1910: 1911: 1912:
223,6 227,4 235,2 239,9 234,6 246,1 246,6 244,6 255,0 262,7.

Wenn man bedenkt, welche erhebliche Werte alljährlich für Butter ins Ausland gehen, so erscheint eine jede Maßnahme, welche auf eine Hebung der Milchwirtschaft und daher auf eine Vermehrung der Buttererzeugung im Inlande abzielen, von allergrößter Bedeutung für das Nationalvermögen.

Für die Entwicklung der inländischen Buttererzeugung sind im übrigen auch die Fortschritte von Bedeutung gewesen, die man in bezug auf die Verarbeitung von Milch auf Butter gemacht hat und die im wesentlichen gleichfalls in die Zeit der letzten 25 Jahre fallen. Trotz des großen Wettbewerbes seitens anderer tierischer und pflanzlicher Fette auf dem Weltmarkt gilt die Butter auch heute immer noch als das wertvollste Speisefett.

Käse.

Unter den Molkereierzeugnissen dürfte der Käse in wirtschaftlicher Hinsicht und für die Ernährung der Bevölkerung erst an dritter Stelle stehen. Immerhin aber erblickt man heute im Käse gleichfalls ein sehr wertvolles Nahrungsmittel, dessen Bedeutung für die Ernährung nicht unterschätzt werden darf. Dementsprechend hat sich auch die Käsebereitung in den letzten Jahrzehnten nicht unwesentlich ausgedehnt und nimmt heute, namentlich auch infolge der wissenschaftlichen Forschungen, welche auf diesem Gebiete unternommen wurden, und dank der technischen Fortschritte eine wesentlich andere Stellung als vor 25 Jahren ein.

Der große Bedarf an Milch, die als solche verbraucht wird, erklärt es aber, daß die inländischen Molkereien die Nachfrage nach Käse im Inlande nicht zu decken vermögen. Daher findet eine nicht unerhebliche Einfuhr von Käse aus dem Auslande statt. Diese betrug im Jahre 1912: 194 991 Doppelzentner Hartkäse und 19 455 Doppelzentner Weichkäse. An dieser Einfuhr sind vorwiegend die Niederlande, die Schweiz und Frankreich beteiligt.

Da jener Einfuhr eine Ausfuhr von nur 498 Doppelzentnern Hartkäse und von 7708 Doppelzentnern Weichkäse gegenübersteht, so ergibt sich hieraus für die inländische Käserei die Möglichkeit einer erheblich weiteren Ausdehnung durch Verdrängung der Einfuhr aus dem Auslande und durch eine Vermehrung der eigenen Ausfuhr. Die Erreichung dieses Zieles wird vorwiegend davon abhängen, ob genügend Milch hierfür dauernd zur Verfügung stehen wird. Wissenschaftlich und technisch würde die deutsche Käseerzeugung einer Erweiterung ihres Absatzgebietes gewachsen sein. [501]

Die Rübenzuckerfabrikation.

Für die gewerbliche Gewinnung von Zucker kommt in Deutschland als zuckerhaltige Pflanze allein die Zuckerrübe in Betracht. Es ist bekannt, daß die Rübenzuckerfabrikation deutschen Ursprungs ist. Nachdem Marggraf 1747 zuerst das Vorhandensein von Zucker in der Runkelrübe nachgewiesen hatte, errichtete Achard nach verschiedenen voraufgehenden Versuchen 1801 in Kunern in Schlesien die erste Rübenzuckerfabrik. Entsprechend der seit jener Zeit immer mehr erkannten Wichtigkeit des Zuckers als Nährmittel und vor allem in Rücksicht auf den großen Wert, welchen der Rübenbau für die Landwirtschaft besitzt, hat die Rübenzuckerindustrie eine immer größere Bedeutung erworben.

Im Jahre 1887 wurde im Deutschen Reich eine Fläche von 263 786 ha mit Zuckerrüben bestellt. Im Jahre 1912 aber betrug die mit Zuckerrüben bebaute Fläche 503 290 ha. Sie weist also eine gewaltige Steigerung in Höhe von mehr als 90% auf.

Der Bruttoertrag pro Hektar des überhaupt für Rüben geeigneten Bodens hängt in wesentlichem Maße von den Witterungsverhältnissen ab. Im Durchschnitt kann man 300 dz Zuckerrüben pro Hektar rechnen. Mit Erfolg aber hat man sich bemüht, durch Züchtung den Zuckergehalt der Rübe zu erhöhen. Während vor 25 Jahren im Durchschnitt aus je 100 dz verarbeiteter Rüben 12,5 dz Rohzucker gewonnen werden konnte, stieg diese Menge in den letzten Jahren bis auf durchschnittlich 15,5%. Daß der gesamte Ernteertrag entsprechend der vermehrten Anbaufläche und dem erhöhten Durchschnittsgehalt der Rüben an Zucker seit 1887 sich erheblich vermehrt hat, ist selbstverständlich. 1887 betrug die gesamte Ernte an Rüben: 69 639 606 dz; 1912/13: 166 422 370 dz. Dazwischen kommen allerdings auch Mißernten vor. Das Jahr 1911 brachte nur 90 605 756 dz. Im Durchschnitt der letzten 5 Jahre kann man 136 239 035 dz Rüben annehmen.

Besteuerung des Rübenzuckers.

Auf die Entwicklung der Rübenzuckerindustrie hat die Steuergesetzgebung einen wesentlichen Einfluß ausgeübt. Sie hat im Laufe der Zeit einem mannigfachen Wandel unterlegen. Früher, seit 1841, wurde die Steuer von dem zu verarbeitenden Rohstoff, das heißt von der Rübe, mit der Annahme erhoben, daß 20 Zentner Rüben 1 Zentner Rohzucker lieferten. Begreiflicherweise hatte diese Besteuerungsart zur Folge, daß die Zuckerfabriken sich bemühten, durch eine Verbesserung der Fabrikationsweise ihre Zuckerausbeute zu erhöhen. Nachdem dann in den Jahren 1869 und 1886 dieser erhöhten Ausbeute an Zucker durch eine Änderung der Steuergesetzgebung Rechnung getragen war, wurde durch das Zuckersteuergesetz vom 9. Juli 1887 neben der zum Teil noch bestehenbleibenden Rübensteuer eine Fabrikatsteuer in Höhe von 12 M. für 100 kg Rübenzucker eingeführt. Vom 1. August 1892 ab aber wurde die Rübensteuer ganz aufgehoben und die Steuer lediglich als Verbrauchsabgabe in Höhe von 18 M. für 100 kg erhoben. Nachdem seit 1897 vorübergehend neben einer Verbrauchssteuer von 20 M. für einen Doppelzentner eine Betriebssteuer mit einem gestaffelten Tarif eingeführt war, durch welche Maßnahme eine übermäßige Ausdehnung der Zuckererzeugung verhindert werden sollte, erging im Jahre 1903 das auch heute noch geltende Zuckersteuergesetz, durch welches die Zuckersteuer für je 100 kg auf 14 M. ermäßigt wurde.

Zuckerzoll.

Hand in Hand mit der Besteuerung des Zuckers im Inlande ging auch die Verzollung des aus dem Auslande eingehenden Zuckers. Der bis dahin 36 M. für den Doppelzentner betragende Zoll wurde im Jahre 1896 auf 40 M. erhöht, ein Zollsatz, der auch heute noch zu Recht besteht. [502] Von wesentlicher Bedeutung für die Zuckerindustrie waren auch die Zuckersteuervergütungen und Prämien, die bei der Ausfuhr gezahlt wurden. Durch das Gesetz vom Jahre 1892 wurde bestimmt, daß die Zuckersteuer bei der Ausfuhr zuckerhaltiger Erzeugnisse unerhoben bleiben oder zurückvergütet werden sollte. Ebenso wurde die Steuerbefreiung des zur Viehfütterung oder für lediglich gewerbliche Zwecke, nicht dem menschlichen Genuß dienenden Zuckers bestimmt.

Ausfuhrprämien. Brüsseler Konvention.

Zur Hebung der Ausfuhr von Zucker und zuckerhaltigen Erzeugnissen wurden außerdem vom 1. August 1892 ab Ausfuhrprämien gewährt, die indessen durch die Brüsseler Konvention vom 5. März 1902 wieder aufgehoben wurden. Der Zweck dieses zunächst zwischen dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn, Belgien, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden und Schweden geschlossenen Vertrages war, die Bedingungen für den Wettbewerb zwischen dem Rübenzucker und dem Rohrzucker der einzelnen Länder auszugleichen und andererseits die Ausdehnung des Zuckerverbrauchs zu fördern. Einige andere Staaten traten diesem Vertrage später noch bei, während England inzwischen seine Zugehörigkeit zur Brüsseler Konvention wieder gelöst hat.

Es läßt sich nicht leugnen, daß die Zuckerindustrie infolge der vielen Änderungen in der Zoll- und Steuergesetzgebung seit Einführung der Verbrauchsabgabe im Jahre 1887 schwierige Zeiten durchzumachen gehabt hat. Daß sie dieser Schwierigkeiten Herr geworden ist, darf als ein Zeichen der guten technischen und kaufmännischen Leitung der Zuckerfabriken angesehen werden. Und in der Tat hat die Rübenzuckerfabrikation in den letzten 25 Jahren auf technischem Gebiet ganz wesentliche Fortschritte gemacht.

Die wissenschaftlichen Forschungen auf dem Gebiete der Rübenkultur haben zur Züchtung von besonders ertragsreichen und widerstandsfähigen Zuckerrüben geführt. Die weiter ausgebildete chemische Analyse ermöglicht eine ständige fachmännische Überwachung des gesamten Betriebes der Zuckerfabriken. Die Gewinnung des Zuckers aus der Rübe geschieht allerdings auch heute noch vorwiegend nach dem schon früher angewandten Diffusionsverfahrens, bei welchem die Rüben zerkleinert werden und das Auslaugen der Rübenschnitzel durch Wasser in einer Reihe von hintereinander geordneten „Diffuseuren“ planmäßig vorgenommen wird. An diesen Einrichtungen sowie bei der weiteren Reinigung und bei dem Eindampfen des gewonnenen Zuckersaftes sind im Laufe der Zeit mancherlei, jedoch nicht grundlegende Veränderungen und Verbesserungen angebracht worden. Dahingegen beruht ein seit etwa 10 Jahren, wenn auch nur langsam eingeführtes neues Verfahren, das Steffenssche Brüh- und Preßverfahren, auf einem ganz anderen Grundsatz.

Hierbei werden die Schnitzel in einem geeigneten Gefäß mit etwa 100° C heißem Rübensaft gemischt und dadurch sehr schnell auf etwa 80° C erwärmt. Hierbei werden die Zellen abgetötet. Die gebrühten Schnitzel werden darauf abgepreßt. Der Preßsaft wird wie sonst weiter verarbeitet. Die Schnitzel aber werden getrocknet und entweder ohne weitere Behandlung als Steffenssche Zuckerschnitzel oder nach vorheriger Behandlung mit Abläufen oder mit Melasse zu Viehfütterungszwecken abgegeben. Der Vorzug dieses [503] Verfahrens soll unter anderem in der Gewinnung reinerer Säfte, einer Ersparnis an Kohlen und der Vermeidung der für die Zuckerfabriken und ihre Umgebung sehr lästigen Abwässer beruhen. Ob sich dieses Verfahren allgemeiner einführen wird, kann nur die Zukunft lehren.

Zur Hebung der Erträge sind die Zuckerfabriken von jeher bemüht gewesen, die nach der Abscheidung des Zuckers (Nachprodukt) verbleibende Melasse noch weiter zu verarbeiten, sei es auf Zucker durch die Anwendung des Strontianverfahrens oder durch Verarbeitung auf Spiritus in den Melassebrennereien.

Die entzuckerte Melasseschlempe kann vergast werden. Dabei werden als Enderzeugnisse schwefelsaures Ammonium und Zyannatrium gewonnen. Aus der Schlempekohle wird durch Auslaugen Pottasche erhalten. Es findet also eine sehr vollständige Ausnutzung der Bestandteile des Rübensaftes statt.

Neuerdings wird die Melasse auch in größerem Umfange zu Kraftfutter verarbeitet.

Auch in den Zuckerraffinerien haben die letzten 25 Jahre mannigfache technische Neuerungen gebracht, die wesentlich auf eine Herabminderung der Herstellungskosten und eine Erhöhung der Ausbeute an Zucker abzielen.

Neben den technischen Verbesserungen hat die Zuckerindustrie ständig eine weitere Ausdehnung des Zuckerverbrauchs sowohl für die Verwendung als Nahrungsmittel wie auch zu technischen Zwecken nach vorheriger Unbrauchbarmachung für den menschlichen Genuß angestrebt. Gefördert sind diese Bestrebungen durch verschiedene Umstände.

Die Untersuchungen auf dem Gebiete der Ernährungslehre haben in den letzten Jahren die große Bedeutung des Zuckers als Nahrungsmittel nachgewiesen.

Daß die auf eine Hebung des Verbrauchs als Nahrungsmittel abzielenden Bemühungen nicht ganz ohne Erfolg gewesen sind, geht aus den folgenden Zahlen hervor, die den Verbrauch an Zucker (Rüben- und Rohrzucker) auf den Kopf der Bevölkerung in Kilogrammen während des Betriebsjahres 1902/03 bis 1911/12 erkennen lassen.

1902/03: 1903/04: 1904/05: 1905/06: 1906/07:
12,5 17,2 14,4 16,6 16,8
1907/08: 1908/09: 1909/10: 1910/11: 1911/12:
17,1 17,6 17,5 19,0 16,9

Demgegenüber entfällt in England auf den Kopf der Bevölkerung eine Menge von 41,8 kg Zucker jährlich.

Es muß daher zugegeben werden, daß eine Steigerung des Verbrauchs an Zucker für Ernährungszwecke auch bei uns noch möglich ist. Ob die Bestrebungen der Zuckerindustrie eine Steuerbefreiung des zur Herstellung von zuckerhaltigen Obst- und Fruchterzeugnissen dienenden Zuckers zu erreichen und damit den Zuckerverbrauch zu heben, Erfolg haben werden, kann nur die Zukunft lehren. Die Hoffnungen, die sich an die von den gesetzgebenden Körperschaften bereits beschlossene Herabsetzung der Zuckersteuer auf 12 M. für 100 kg geknüpft hatten, sind nicht erfüllt worden, da dieser Beschluß bei Gelegenheit der Beratungen über die Deckung der Mehrkosten wieder aufgehoben wurde.

Auch die Verwendung von steuerfreiem Zucker für rein gewerbliche Zwecke nach vorheriger Vergällung hat sich weiter entwickelt, nachdem man gelernt hat, den Zucker für die verschiedensten derartigen Zwecke zu verwenden. So wird Zucker [504] zur Herstellung von Seifen, zur Verwendung in der Textilindustrie, zur Herstellung von Pergamentpapier, zum Einstellen von Teerfarbstoffen, zur Herstellung von Ultramarin, von Kupferoxydul, von Tannin und von Oxalsäure verwendet. Außerdem findet Zucker, der zuvor für den menschlichen Genuß unbrauchbar gemacht ist, zur Viehfütterung und bei der Notfütterung der Bienen Verwendung.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß eine derartige technische Verwendung des Zuckers noch einer Ausdehnung fähig ist und dadurch, wie dies auch im Auslande, z. B. in Frankreich der Fall ist, eine weitere Förderung des Zuckerverbrauchs herbeigeführt werden kann.

Schließlich seien noch die folgenden Zahlen angeführt, die ein Bild von dem Stande der Zuckerindustrie in dem letzten Betriebsjahr 1912/13 geben.

Die mit Zuckerrüben bebaute Fläche umfaßte 547 625 ha, also 42 885 ha mehr als im Vorjahr. Die Zahl der rübenverarbeitenden Fabriken betrug 342 wie im Vorjahr. Ferner waren 33 Raffinerien im Betrieb. Insgesamt wurden 166 422 370 dz Rüben geerntet, mit einer Zuckerausbeute von durchschnittlich 15,82 kg aus 1 dz Rüben. Im ganzen wurden 26 322 879 dz Rohzucker gewonnen.

Inländischer und ausländischer Zucker wurde im Jahre 1912/13 in einer Menge von 12 823 092 dz verbraucht oder, auf den Kopf der Bevölkerung berechnet, 19,15 kg. 64 980 dz vergällter fester Zucker wurden gegen 34 924 dz im Vorjahr abgegeben!

Endlich wurden 4 595 823 dz ausgeführt gegen 218 630 dz im Vorjahre.

Die Zuckerindustrie hat in den letzten 25 Jahren schwierige Zeiten durchzumachen gehabt. Wenn sie wie bisher fortfährt auf wissenschaftlicher Grundlage den Betrieb der Zuckerfabriken und die Verwertung des Zuckers zu leiten, und wenn sie auch ferner einer umsichtigen geschäftlichen Leitung anvertraut bleibt, so wird sie auch in Zukunft die angesehene Stellung behaupten, die sie heute im wirtschaftlichen Leben einnimmt.

Die Kartoffeln verarbeitenden Gewerbe (mit Ausschluß der Kartoffelbrennerei).

Die Kartoffel hat in erster Linie Bedeutung als menschliches Nahrungsmittel, sowie als Futter für das Vieh, daneben findet sie aber auch in steigendem Maße für gewerbliche Zwecke verschiedener Art Verwendung. Ihre Verwertung in der Branntweinbrennerei wird bei dieser besprochen werden. Hier sollen nur die anderen gewerblichen Verwendungen der Kartoffel berücksichtigt werden.

Die große Bedeutung des Kartoffelanbaues in landwirtschaftlicher Hinsicht bedarf keiner besonderen Erläuterung. Man darf annehmen, daß in Deutschland etwa 33 Millionen Hektar mit Kartoffeln bebaut sind. Das Ernteergebnis schwankt in den verschiedenen Jahren je nach den Witterungsverhältnissen. Im Durchschnitt kann man einen Ernteertrag von etwa 450 Millionen Doppelzentnern oder etwa 7½ Doppelzentner für den Kopf der Bevölkerung rechnen. Gegenüber der Zeit vor 25 Jahren hat sich die Kartoffelanbaufläche um rund 10%, und der Ernteertrag, der 1887 nur 250 Millionen Doppelzentner betrug, sogar um 80% vermehrt. Auch die Beschaffenheit der Ernte hat durch den Anbau stärkereicher Kartoffeln eine Verbesserung erfahren. Von landwirtschaftlich sachverständiger Seite wird die Ansicht vertreten, daß die Erträge durch sorgfältige Kultur noch weiter gehoben werden können.

Einfuhr und Ausfuhr haben bei der Kartoffel keine besondere Bedeutung, vielmehr wird die geerntete Menge im Inlande verbraucht, und zwar kann man rechnen, daß die durchschnittlich geernteten 450 Millionen Doppelzentner Kartoffeln folgendermaßen verbraucht werden: [505]

163 Millionen Doppelzentner zur Viehfütterung,
130 Millionen Doppelzentner zur menschlichen Ernährung,
65 Millionen Doppelzentner zur Saat,
45 Millionen Doppelzentner Verlust durch Veratmen und Verderben (!)
und 46 Millionen Doppelzentner für gewerbliche Zwecke.

Bei diesen Zahlen fällt vor allem der große Verlust auf, der bei der Aufbewahrung bis zur neuen Ernte oder durch Fäulnis erfolgt. Daher sind auch die seit dem Anfang dieses Jahrhunderts unternommenen Versuche von so großer Bedeutung, die Kartoffeln zu trocknen und sie dadurch haltbarer zu machen. Anfangs waren hierbei große technische Schwierigkeiten zu überwinden, die im wesentlichen jetzt gehoben sein dürften. Die getrockneten Kartoffeln sollen zu den gleichen Zwecken wie die nicht bearbeiteten Kartoffeln, vornehmlich zur Viehfütterung, aber auch für die menschliche Ernährung in Form von Kartoffelbackmehl, für die Bereitung von Backwaren und zu gewerblichen Zwecken Verwendung finden. Es wäre als ein wesentlicher wirtschaftlicher Fortschritt anzusehen, wenn es gelänge, durch die Kartoffeltrocknung einen Ausgleich für die außerordentlich ungleichen Ernteergebnisse der einzelnen Jahre zu schaffen.

Im übrigen findet die Kartoffel gewerblich noch Verwendung zur Herstellung von Kartoffelstärke und von Stärkezucker (Stärkesirup, Kapillärsirup, Couleur, Dextrin).

Die Kartoffelstärkeerzeugung hat sich von etwa 1 Million Doppelzentner vor 25 Jahren auf etwa 2 Millionen Doppelzentner Stärke vermehrt. Ferner wurden damals etwa 0,6 Millionen Doppelzentner der genannten Stärkeerzeugnisse, 1912 etwa 1 Million Doppelzentner gewonnen.

Die Branntweinbrennerei.

Das Brennereigewerbe befaßt sich mit der Gewinnung von Branntwein für Trinkzwecke oder zur gewerblichen Verwendung. Die große Bedeutung des Branntweins für die Reichssteuer einerseits, die Schwierigkeit der wirtschaftlichen Verhältnisse andererseits haben es mit sich gebracht, daß die Steuergesetzgebung seit dem Jahre 1887 wiederholten und sehr tief eingreifenden Veränderungen unterlegen hat. Durch die Bestimmungen der Branntweinsteinsteuergesetze aus den Jahren 1909 und 1912 sind diese Verhältnisse neu geregelt worden. Dabei ist vor allem von Wichtigkeit die 1912 erfolgte Aufhebung des Branntweinkontingents.

Verschiedene Umstände, vor allem auch die Mäßigkeitsbewegung haben dazu geführt, daß der Verbrauch an Trinkbranntwein in den letzten Jahrzehnten ständig zurückgegangen ist.

1897 betrug der Trinkverbrauch 3 Millionen Hektoliter, 1911/12 nur noch rund 2 Millionen Hektoliter Branntwein. Andererseits hat die Branntweinbrennerei sich mit Erfolg bemüht, die Verwendung des Branntweins zu gewerblichen Zwecken zu heben. 1897 wurden etwa 150 000 Hektoliter für gewerbliche Zwecke verwendet, 1911/12 1½ Millionen Hektoliter.

In die Zeit der letzten 25 Jahren fallen wichtige Arbeiten über die Gewinnung des Branntweins und seine Untersuchung. In wirtschaftlicher Hinsicht ist der Zusammenschluß des Gewerbes von größter Bedeutung gewesen. [506]

Die Bierbrauerei.

Für die Bierbrauerei sind die letzten 25 Jahre insofern von großer Wichtigkeit geworden, als in diese Zeit die Änderung des Brausteuergesetzes für das Gebiet der norddeutschen Brausteuergemeinschaft und damit das Verbot der Verwendung von Ersatzstoffen des Malzes (Surrogatverbot) fällt. Nach dem jetzt geltenden Gesetz vom 15. Juli 1909 dürfen zur Herstellung untergärigen Bieres nur Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser verwendet werden. Bei obergärigen Bier sind noch Ausnahmen zugelassen.

In diese Zeit fallen auch wichtige und grundlegende Arbeiten über den Anbau guter Braugersten, über die Gärungsvorgänge und die Bierbereitung. In wirtschaftlicher Hinsicht muß der immer weiter sich vollziehende Übergang vom Kleinbetrieb zum Großbetrieb erwähnt werden.

Die Gesamtbiererzeugung betrug im Jahre 1912: 39 537 719 hl. Es hat in diesem Jahre ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr stattgefunden, der verschiedenen Ursachen, vor allem auch der Mäßigkeitsbewegung und der schwierigen allgemeinen wirtschaftlichen Lage zuzuschreiben sein mag.