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Autor: Conrad von Wangenheim
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Titel: Innere Kolonisation
Untertitel:
aus: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band, Sechstes Buch, S. 36–46
Herausgeber: Siegfried Körte, Friedrich Wilhelm von Loebell, Georg von Rheinbaben, Hans von Schwerin-Löwitz, Adolph Wagner
Auflage:
Entstehungsdatum: 1913
Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Reimar Hobbing
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Erscheinungsort: Berlin
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[484]
Innere Kolonisation
Von Frhr. von Wangenheim auf Klein-Spiegel


Wenn man in Preußen von innerer Kolonisation spricht, so wird man dabei in der Hauptsache den Blick auf den Osten der Monarchie zu richten haben, welcher als das Land der jüngeren Kultur und als das hauptsächliche Gebiet des Großgrundbesitzes in erster Linie für dieselbe in Betracht kommt. Im Westen hat sich die Aufteilung des Besitzes im ganzen schon sehr viel früher vollzogen. Hier kommen zurzeit in der Hauptsache nur noch die bisher unkultivierten Moore und Heiden für eine großzügige Besiedlung in Frage. Im übrigen ist dort im ganzen die wünschenswerte Mischung der verschiedenen Besitzgrößen erreicht, leider in einzelnen Bezirken auch bereits ein Zwergbesitz entstanden, welcher wirtschaftlich und sozial nicht erstrebenswert ist.

Geschichtlicher Rückblick.

Man kann aber die Arbeiten und Aufgaben unserer Zeit auf diesem Gebiet nur richtig beurteilen, wenn man auch einmal rückwärts blickt auf die Geschichte des preußischen Ostens, die ja von den Anfängen des Deutschtums bis auf unsere Tage in ganz besonderem Sinne als eine Geschichte der dauernden Kolonisation anzusehen ist. Die ersten Anfänge dieser Kolonisation fallen zusammen mit dem Vordringen des Deutschtums und Christentums. Ihre Träger sind die Ritter- und Mönchsorden, welche ein großartiges Kulturwerk auch in der Besiedlung des eroberten Landes schaffen. Ihr Werk kommt zum Stillstande, ja zum Zusammenbruch mit dem Niedergang des Deutschritterordens, und in den ununterbrochenen Kriegen, welche sich dann dort abspielen, wird das Land verwüstet, die Bevölkerung dezimiert.

Eine wirklich umfassende, zielbewußte Kolonisation beginnt dann erst wieder mit dem Großen Kurfürsten. In klarer Erkenntnis dieser größten Aufgabe seiner Zeit versteht er es, aus anderen Landesteilen Deutschlands sowohl als aus dem Auslande den starken Strom einer Abwanderung in die verödeten Landstriche zu lenken, welche größtenteils aus konfessionellen Gründen stattfindet. Friedrich Wilhelm I., dessen Leistungen als Staatsmann noch heute vielfach lange nicht genug gewürdigt werden, Friedrich II., der größte Volkswirt und Kolonisator, setzen das Werk fort, dessen Bedeutung sie über jede andere Maßnahme zur Hebung ihres Landes stellen. Die Tätigkeit dieser Fürsten beschränkt sich aber nicht darauf, freie Bauern, Häusler und stellenweise auch Arbeiter anzusetzen, sondern sie erfaßt auch dasjenige Gebiet, welches wir zurzeit viel zu wenig berücksichtigen: die Städte. Es wurden in erheblichem Umfange Gewerbetreibende [485] und Handwerker in die Städte eingeführt und es war ein glückliches Zusammentreffen, daß die Einwanderer aus den höher kultivierten Ländern, die zu uns kamen, in dieser Beziehung vorzügliches Material lieferten.

Für die Ansiedlung wurde verwendet in der Hauptsache staatlicher Besitz: Forstland und Ödländereien. Außerdem wurden auch von der Regierung die Großgrundbesitzer vielfach veranlaßt, auf wüst gelegenen Höfen Ansiedler anzusetzen. Gerade das Gebiet der Ödlandkultur ist aber damals in einer Weise gefördert worden, wie sie heute noch als mustergültig angesehen werden kann. Friedrich der Große hat an diese Kultur Mittel gewendet, welche im Verhältnis zu dem damaligen Wert des Geldes und zur Finanzlage Preußens weit über das hinausgehen, was in neuerer Zeit bisher geleistet worden ist.

Damals konnte der Landesherr in dem kleineren Staate sich noch um die Einzelheiten, nicht nur bezüglich der Ansetzung der Kolonisten, sondern auch bezüglich ihrer Wirtschaftsweise bekümmern, und mit Bewunderung sehen wir, wie namentlich Friedrich II. auch die technischen Fragen des landwirtschaftlichen Betriebes beherrscht, die Bestellung, die Auswahl der Früchte, den Umfang der Viehhaltung bestimmt und vielfach verbessert. Vor allen Dingen aber hat er auch die schwierigste Frage auf diesem Gebiet zu lösen verstanden, indem er die tüchtigsten Männer heranzog und ihnen eine möglichst weitgehende Machtvollkommenheit gab, um auf diese Weise durch größere Freiheit und Beweglichkeit das gewaltige Kulturwerk zu fördern.

In welchem Umfange diese drei Hohenzollernfürsten ihre Aufgaben erfüllt haben, das läßt sich aus einem Vergleich der Bevölkerungsziffern erkennen. Von derjenigen Bevölkerung, welche beim Tode Friedrichs des Großen vorhanden war, bestand ungefähr ein Drittel aus den seit der Regierung des Großen Kurfürsten Eingewanderten und ihren Nachkommen.

Das 19. Jahrhundert.

Nach Friedrich dem Großen folgt wiederum eine lange Pause von fast einem Jahrhundert. Eine größere Aktion sehen wir nur unter Friedrich Wilhelm III. in der Einwanderung der Zillertaler. Allmählich setzt dann im 19. Jahrhundert diejenige Entwicklung ein, welche einen Abfluß der Bevölkerung vom platten Lande und überhaupt aus unserer Heimat herbeiführt. Es beginnt die überseeische Auswanderung und allmählich mit der steigenden Industrialisierung und mit dem Wachstum der Städte die Abwanderung der Bevölkerung von dem flachen Lande.

Schon in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts verschärft sich dieser Zustand so, daß wir schon in dieser Zeit im Preußischen Landtage und im Kreise einsichtiger Volkswirte vielfach die Frage erörtert sehen, wie der Entvölkerung des platten Landes gesteuert werden könne. Es ist nicht ohne Interesse, daß in diesen Verhandlungen schon in den 70er Jahren ein Mann in den Vordergrund tritt, der später berufen war, auf diesem Gebiet besonders tätig zu sein: Miquel. Dieser hat mit die ersten Verhandlungen über diesen Gegenstand eingeleitet. Leider geht neben diesen Anfängen zur Förderung einer gemeinnützigen Kolonisation aber auch eine weit um sich greifende Privat-Güterschlächterei her. Man hoffte damals vielfach, daß auf diesem [486] Wege etwas Brauchbares geleistet werden könne und es ist tief bedauerlich, daß selbst hervorragende Staatsmänner, wie Miquel, lange Zeit geglaubt haben, die Arbeit dieser Privat-Güterschlächter unterstützen zu sollen. Namentlich in der Geschichte der Provinz Pommern ist ein es sehr trauriges Kapitel auf diesem Gebiet, welches sich an die Namen Lement und Heinrichsdorf knüpft; zwei Unternehmer, welche in einem der schönsten Teile Pommerns auf dem Gebiet der Parzellierung Trauriges geschaffen haben, indem sie vielfach lebensunfähige Kolonien schufen. Es ist später der Kgl. Generalkommission überlassen gewesen, einen großen Teil der Schäden wieder gutzumachen.

Ansiedlungsgesetz.

Der erste Anstoß, auf dem Gebiet der inneren Kolonisation seitens des Staates in großem Maße vorzugehen, wurde uns aufgezwungen durch den Nationalitätenkampf in den Ostprovinzen. Der Kampf konnte vermieden werden, wenn die Bevölkerung in diesen Provinzen, welche nicht deutschen Stammes ist, durch die Tat bewiesen hätte, daß sie treue preußische Untertanen sein wollten. Durch eine gewissenlose antideutsche Agitation ist uns der Kampf aufgezwungen worden und so mußte er geführt werden. Im Jahre 1886 wurde das Ansiedlungsgesetz erlassen und die Ansiedlungskommission gebildet. Wie bei jedem derartigen Unternehmen haben die Arbeiten dieser Kommission zunächst durchaus nicht auf allen Gebieten befriedigt. Der Hauptfehler liegt nach meiner Auffassung darin, daß diese Gesetzgebung nur eine halbe war, mit der man nicht das erreichen konnte, was erreicht werden mußte. Wenn uns ein derartiger nationaler Kampf aufgezwungen wird, dann muß er auch mit allen Mitteln machtvoll durchgeführt werden; wir können aber keinen Erfolg haben, wenn wir auf der einen Stelle das antinationale Polentum auskaufen und ihm dadurch gleichzeitig die Mittel geben, sich nachher an einer anderen Stelle wieder anzusiedeln. Wenn man zu einem wirklichen Erfolge gelangen will, so kann hier nur durch eine noch viel weiter gehende, schärfere Gesetzgebung etwas erreicht werden. Es kommt hinzu, daß die zunächst reichlich bureaukratisch gestalteten Verhältnisse der Ansiedlungskommission jede freie Bewegung ihres Leiters hinderten. Eine Behörde, in welcher so viele Instanzen mitzusprechen hatten und bei welcher der Präsident selbst eigentlich am allerwenigsten zu sagen hatte, war kaum imstande, wirklich etwas Nützliches zu schaffen.

Bis zum Jahre 1911 hatte die Ansiedlungskommission rund 40 000 ha, davon 2/3 aus deutschem und ⅓ aus polnischem Besitz, erworben, immer eine ganz respektabele Fläche. Es soll auch anerkannt werden, daß jetzt die Verhältnisse in der Ansiedlungskommission nach den neueren Bestimmungen wesentlich gebessert sind und sich auch demgemäß ihre Erfolge gehoben haben.

Rentengutsgesetz.

In den Jahren 1890 und 1891 folgten dann die Rentengutsgesetze, und es tritt nunmehr in die Reihe der zu Besiedlungszwecken tätigen Instanzen die Generalkommission ein. Auch hier ist zunächst manches gesündigt worden und es ist leider darauf hinzuweisen, daß eine Generalkommission lange Zeit planmäßig polnische Ansiedler angesetzt hat, bis diesem Unfug ein [487] Ende gemacht wurde. Großes auf dem Gebiet der inneren Kolonisation hat namentlich die Generalkommission in Frankfurt a. O. unter ihrem langjährigen, hochverdienten Präsidenten geleistet.

Gemeinnützige Gesellschaften.

Neben diesen staatlichen Unternehmungen sehen wir in derselben Zeit die ersten Versuche, durch private gemeinnützige Gesellschaften auf diesem Gebiet vorwärtszukommen. Die erste gemeinnützige Ansiedlungsgesellschaft wurde durch den damaligen Ministerialdirektor Dr. Thiel mit Hilfe eines kleinen Kreises für die Aufgabe begeisterter Männer geschaffen. Sie sollte den praktischen Beweis liefern, daß durch derartige Gesellschaften es möglich sei, lebensfähige Ansiedlungen ohne Überteuerung der Ansiedler zu schaffen. Diese Aufgabe ist im kleinen Rahmen tadellos gelöst worden; die Gesellschaft mußte aber dann ihre Tätigkeit einstellen, da ihr die nötigen Mittel zu größerer Arbeit fehlten.

Gegenüber den Versuchen, welche die demokratische Presse macht, eine vollständig falsche Darstellung der Vorgänge auf diesem Gebiet aus einseitigem Haß gegen den Großgrundbesitz zu geben, ist darauf hinzuweisen, daß in den Jahren 1900 und 1901 im Preußischen Abgeordnetenhause zweimal ein Antrag angenommen worden ist, welcher verlangte, daß ein sehr erheblicher Betrag zur Erweiterung des Zwischenkredits von seiten des Staates hergegeben werde. Heute kann man fast täglich in der demokratischen Presse lesen, daß damals von dem Junkertum im Abgeordnetenhause diese Gesetzgebung verhindert sei, aber gerade die berüchtigten Junker und Agrarier waren es, die den damaligen Finanzminister Miquel veranlaßt haben, diese Gesetzgebung einzuleiten, und nicht sie tragen die Schuld daran, daß schließlich das Gesetz im Herrenhause zum Scheitern gekommen ist. Neben diesen gemeinnützigen Bestrebungen sahen wir aber gleichzeitig das Unwesen der Güterschlächterei sich immer weiter auszudehnen, und so ergab sich schließlich bei der zunehmenden Verödung des Landes die Notwendigkeit, mit öffentlichen Einrichtungen in dieser Richtung vorzugehen. Der Kampf, der auf diesem Gebiet geführt worden ist, hat alle interessierten Stellen jahrelang beschäftigt; leider ist in demselben nicht alles erreicht worden, was wir hätten erreichen müssen und die gemeinnützigen Gesellschaften, welche wir jetzt in einer ganzen Anzahl von Provinzen gegründet haben, werden nicht überall und nicht dauernd in der Lage sein, den großen Aufgaben gerecht zu werden, welche ihnen gestellt sind. Der Staat wäre derjenige gewesen, welcher in erster Linie dieses große Kolonisationswerk zu tragen gehabt hätte, denn er allein kann allen Aufgaben gerecht werden, welche hier zu erledigen sind. Es sei nur darauf hingewiesen, daß die Regelung der Schullasten, Kommunallasten usw. in einer für die Neusiedlung entsprechenden Weise nur durch den Staat vorgenommen werden kann.

Neben den gemeinnützigen Gesellschaften sehen wir noch eine Reihe von privaten Erwerbsgesellschaften, darunter in erster Linie die Landbank. Es ist charakteristisch, daß die größte dieser Gesellschaften nach ziemlich kurzer Zeit die eigentliche Arbeit der Kolonisation aufgibt und sich nur noch mit Güterhandel beschäftigt, weil sie sehr bald einsehen mußte, daß für die erstere Aufgabe selbst ihre großen Mittel nicht ausreichten. [488]

Moorbesiedlung.

Neben diesen Arbeiten gehen ziemlich gleichzeitig die ersten Anfänge der Besiedlung der großen Moore im preußischen Westen. Hier sind es zwei Männer, die an der Spitze stehen, welche die ersten Versuche gemacht haben, um ein Vorbild auf diesem Gebiete zu schaffen: Freiherr von Hammerstein und von Bennigsen. Beide haben mit weitschauendem Blick und kühnen Entschluß trotz großen Widerstandes in der Provinzialverwaltung von Hannover das erste Siedlungsunternehmen, das sogenannte Provinzialmoor an der Ems gegründet. Man kann es vielleicht bedauern, daß die preußische Staatsverwaltung diesem Beispiel zu schnell gefolgt ist, ohne zunächst die Erfahrungen abzuwarten, welche gemacht werden mußten, und daraus erklären sich die ungünstigen Urteile, welche über die Moorkultur in Deutschland im Vergleich zu der holländischen gefällt worden sind. Man sollte dabei nicht vergessen, daß in Holland nach jahrhundertelanger Arbeit bei den dortigen Veenkulturen ganz andere Verhältnisse vorliegen als bei uns in Preußen, wo wir gezwungen waren, ein vollkommen neues System der Kultur und Besiedlung der unabgetorften Moore zu schaffen unter Überwindung kolossaler Schwierigkeiten auf den verschiedensten Gebieten. So kam es, daß diejenigen Kolonisationen, welche in erster Reihe entstanden, im Provinzialmoor und im Marcardsmoor, natürlich als die ersten großen Versuche auch an manchen Fehlern jahrelang gekrankt haben. Heute aber stehen wir in der Technik der Moorkultur auf einem so hohen Standpunkte, daß wir auch unter unseren schwierigeren Verhältnissen den Vergleich mit Holland in keiner Weise mehr zu scheuen haben und daß wir bei nötiger Vorsicht ohne Bedenken Kolonisten in unseren Mooren ansetzen können, wenn sonst die Ansetzung praktisch gehandhabt wird und den Kolonisten nicht zu hohe Preise für die Grundstücke abgenommen werden.

Das ungefähr sind die Verhältnisse, wie sie heute liegen. Besiedelt sind in dem Zeitraume bis 1911 von der Ansiedlungskommission, der Generalkommission und den Privatgesellschaften rund 42 000 Stellen, eine stattliche Zahl, aber doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Weshalb innere Kolonisation?

Beschäftigen wir uns nun mit der Zukunft der inneren Kolonisation, so haben wir zunächst die Frage zu beantworten: Weshalb sollen und müssen wir diese fördern? Wir finden in der Geschichte aller Kulturvölker einen Zeitpunkt, der verhängnisvoll für ihre Existenz wird, nämlich den, in welchem aus dem Agrarstaat heraus sich der Handels- und Industriestaat entwickelt, welcher, über die Grenzen des eigenen Landes mit seinen Interessen hinausgehend, vergißt, daß die dauernde Kraft und Stärke des Volkes im Inlands liegt, in welchem man nun, geblendet durch den Glanz dieser Entwicklung, das ganze Schwergewicht auf den Exporthandel legt und damit nicht nur die eigene Landwirtschaft ruiniert, sondern auch die Bevölkerung, welche diese Landwirtschaft betreibt, welche aber gleichzeitig der Jungbrunnen des ganzen Volkes ist. An diesem Wendepunkt steht meiner Auffassung nach heute unser Vaterland. Sehen wir die Entwicklung an, welche in den industriellen Bezirken bereits eingetreten ist, so finden wir dort eine scharfe Scheidung zwischen dem großkapitalistischen Unternehmertum und dem [489] besitzlosen Arbeiterproletariat. Aus dieser strengen Scheidung entspringen die Klassenkämpfe mit allen ihren übelen Folgen. Unsere Aufgabe wird es sein, eine derartige Entwicklung in der landwirtschaftlichen Bevölkerung zu verhindern.

Es muß erstrebt werden, das ganze Land so eng zu besiedeln, wie es die allgemeinen Interessen nur irgend gestatten. Es ist aber dringend zu warnen vor dem Phantom, daß es möglich und zweckmäßig sei, jedem Menschen einen Fetzen Land zu geben und so einen Zwergbesitz zu bilden, wie er sich in einzelnen Teilen von Süddeutschland bereits verhängnisvoll entwickelt hat. Im allgemeinen nationalen Interesse wird eine Grenze zu ziehen sein, bis zu welcher mit der Aufteilung des Besitzes vorgegangen werden kann und es kann nur immer wieder betont werden: Was wir gebrauchen, ist eine gesunde Mischung der verschiedenen Besitzgrößen.

Es ist eine der bedauerlichsten Erscheinungen bei dem ganzen Kampf um die innere Kolonisation, daß für die gesamte Demokratie und ihre Presse das Wort „Innere Kolonisation“ zu einem hohlen Schlagwort geworden ist, nur dazu bestimmt, die Hetze und den Kampf gegen den Großgrundbesitz zu verschleiern. An der ansässigen Landbevölkerung scheitert das Vordringen der Sozialdemokratie; ihr Streben ist es, diese Bevölkerung zunächst der Führer zu berauben, um dann leichter mit ihr fertig zu werden. Der Großgrundbesitz hat auch heute noch seine wichtige Aufgabe im Staatsleben; er ist berufen, Führer und Vorbild des Kleingrundbesitzes zu sein. Er muß sich aber dauernd der Pflichten bewußt sein, die ihm aus dem Besitz deutschen Bodens erwachsen; Grundbesitz und namentlich Großgrundbesitz geben heute nicht nur Rechte, sondern in ganz besonders hohem Maße auch Pflichten.

Die erste Aufgabe unseres Großgrundbesitzes ist, seine Jugend in technischem Wissen und Können so zu vervollkommnen, daß sie vollständig imstande ist, ihren Platz auszufüllen. Unser Kleinbesitz weiß sehr wohl zu unterscheiden, ob der Großgrundbesitz seine Sache versteht oder nicht und hiernach wird im wesentlichen der Einfluß zu bemessen sein, welchen der Großgrundbesitzer hat. Was aber der letztere an besserer Ausbildung besitzt, das soll auch seinen kleineren Nachbarn mit zugute kommen. Bleibt er sich dieser Pflicht bewußt, dann wird er auch den Platz des Führers behaupten; aber dieser Platz wird heute nicht mehr angeboren oder ererbt, er wird erarbeitet und erkämpft. Unsere Landwirtschaft im ganzen aber muß heute dessen eingedenk sein, daß sie, nachdem sie einen Schutz ihrer Produktion erhalten hat, nun um so mehr verpflichtet ist, durch vollkommenste Ausnutzung des Grundes und Bodens das deutsche Volk mit deutschem Brot und Fleisch zu versorgen.

Die Statistik lehrt uns, daß die Viehhaltung, namentlich an Rindvieh und Schweinen, auf derselben Fläche beim Kleinbesitz erheblich stärker ist als beim Großbesitz, welcher letztere allerdings die feinere Qualität erzeugt. Ich behaupte aber – und ein Gegenbeweis ist mir bisher nicht geliefert worden –, daß beim Getreide der Großgrundbesitz der Allgemeinheit größere Massen zur Verfügung stellt, und auch dadurch wird eine gewisse Grenze gegeben sein, wie weit man mit der Aufteilung gehen darf.

Die Landwirtschaft hat aber nicht allein die Nahrungsmittel für das Volk zu schaffen, sondern vor allen Dingen auch eine körperlich und geistig gesunde Bevölkerung, aus [490] welcher auch die Städte sich neu rekrutieren können. Gegenüber den Bestrebungen der Demokratie, jede menschliche und göttliche Autorität zu beseitigen, hat sie in erster Linie die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß Gottesfurcht und Königstreue erhalten wird, denn hierin liegt der letzte Damm gegen die Elemente des Umsturzes.

Wo sollen wir kolonisieren?

Wenn wir weiter fragen: „Wo sollen wir kolonisieren?“, so ergibt sich von selbst, daß wir zunächst diejenigen Gegenden ins Auge zu fassen haben, in welchen der Großgrundbesitz zu stark massiert ist. Auszuschließen von der Kleinbesiedlung sind alle diejenigen Flächen, welche einen zu schweren Boden haben, welcher der Arbeit des Kleinbesitzers einen zu schweren Widerstand entgegensetzt, und ebenso diejenigen mit zu leichtem Boden. Ausgeschlossen sind selbstverständlich auch die großen Forstflächen, die im Besitz des Großgrundbesitzes oder im staatlichen und kommunalen Besitz bleiben müssen. Dringend wünschenswert wäre es, die leider vor einem Jahrhundert geteilten bäuerlichen Forsten und Weiden wiederum nach altem Brauch in den Gemeinden zusammenzulegen.

Schwierigkeiten der Beschaffung.

Selbstverständlich wird die Schwierigkeit der Beschaffung der nötigen Flächen für die Aufteilung immer mehr wachsen. Heute ist aber in den meisten Provinzen noch ein reichliches Angebot vorhanden; wenn wir damit rechnen müssen, daß dasselbe allmählich nachläßt, so wird nur übrigbleiben, daß wir dem Staat Rechte zur Erwerbung von Grundbesitz geben, welche über das, was wir heute haben, hinausgehen. Leider besitzen wir kein Agrarrecht im deutschen Sinne; der Grundbesitz ist zur Ware geworden und wir wissen, daß es große Mengen von Gütern gibt, welche heute – wie man das nennt – im Markte schwimmen und in kurzen Zeitabschnitten immer wieder zum Verkauf kommen. Dieser Besitz hat seine nationale Aufgabe verfehlt, und er ist der erste, welcher dazu bestimmt sein muß, zur Aufteilung zu gelangen. Deshalb würde es durchaus gerechtfertigt sein, wenn durch die Gesetzgebung dem Staate ein Vorkaufsrecht für denjenigen Grundbesitz gegeben würde, welcher, abgesehen von Erbübergängen, in bestimmter kurzer Frist mehr als einmal in andere Hände übergeht. Eine solche Bestimmung würde auch für die national gefährdeten Provinzen von erheblicher Bedeutung sein. Erhalten wir daneben ein Ansiedlungsgesetz mit den nötigen Handhaben, dann dürfte für alle Fälle vorgesorgt sein, dann würde auch der Streit über die Enteignung vollkommen hinfällig werden.

Nun wird an manchen Stellen ein besonderer Wert darauf gelegt, die staatlichen Domänen zu parzellieren. Gewiß mag ein Teil derselben heute entbehrlich sein; sie haben ihre Aufgabe erfüllt, die darin lag, Musterwirtschaften zu schaffen. Wo, wie z. B. in Neu-Vorpommern, der Domänenbesitz und der gebundene Besitz mit den Gütern der Städte und Stiftungen so außerordentlich überwiegt, da mag vielleicht der Domänenbesitz in erster Linie zur Aufteilung berufen sein. Aber auch hier gilt es, sich von Übertreibungen frei zu halten. Fürst Bismarck hat einmal gesagt: „Den preußischen Leutnant macht uns kein Volk nach.“ Ich möchte behaupten: „Den altpreußischen Großgrundbesitzer [491] in seiner Rolle als Führer und Vorbild des kleineren Besitzers macht uns auch so bald kein Volk nach und mit ihm steht auf gleicher Stufe der alteingesessene Domänenpächter.“ Man soll nicht unterschätzen, was es heißt, Pächterfamilien, die vielleicht seit Jahrhunderten auf der Scholle sitzen, leichtfertig zu beseitigen, ohne einen entsprechenden Ersatz dafür zu schaffen.

Mehr wie auf einem anderen Gebiet wird es hier gefährlich sein zu schematisieren und zu schablonisieren; man soll von Fall zu Fall die Entscheidung treffen. Zu erwägen dürfte sein, ob in solchen Bezirken, wo ein Übermaß von befestigtem Besitz besteht, vielleicht im Wege der Pachtung Abhilfe geschaffen werden kann.

Viele Tausende von Familien können noch heute auf unseren Mooren und Heiden mit bestem Erfolge angesetzt werden; es ist zu hoffen, daß auf diesem Gebiet jetzt mit größeren Mitteln vorgegangen wird, nachdem unser allerhöchster Herr wiederholt in den Verhandlungen des Deutschen Landwirtschaftsrats dafür eingetreten ist.

Wie sollen wir kolonisieren?

Endlich haben wir die Frage zu beantworten: Wie sollen wir kolonisieren? Die erste Bedingung ist die, daß wir im Gegensatz zum Güterschlächter nur Kolonisten ansetzen, welche unter schwierigsten Verhältnissen in der Lage sind, sich unbedingt zu behaupten. Es ist sehr gefährlich, wenn man sich in einer Zeit günstiger Konjunktur, wie wir sie in den letzten Jahren hatten, in Landwirtschafts- und Verwaltungskreisen dem Wahne hingibt, daß wir nun niemals wieder Zeiten wirtschaftlichen Rückganges in der Landwirtschaft erleben könnten. Es kann das zu den größten Enttäuschungen, zu den schwersten wirtschaftlichen und sozialen Kalamitäten führen. Darum erscheint es in hohem Maße bedenklich und hier liegt der Kernpunkt, weshalb immer wieder auf den Staat als Träger des ganzen Kolonisationswesens hingewiesen werden muß, wenn man den Kolonisten ihre Grundstücke zu teuer überweisen wollte, namentlich bei der Moorkolonisation würde das in ganz besonderem Maße gefährlich sein. Bei den ersten Beratungen, welche über die Besiedlung der westdeutschen Hochmoore in der Zentralmoorkommission stattfanden, erklärte der damalige Landwirtschaftsminister, Freiherr von Lucius: „Wenn der Preußische Staat für die Millionen, die er in die Moore hineinsteckt, auch keinen Pfennig Zinsen bekäme, so würde er doch ein glänzendes Geschäft machen durch die Zunahme an Steuer- und Wehrkraft.“ Das ist der große Gesichtspunkt, nach dem der Staat auf diesem Gebiet zu arbeiten hat.

Die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse hat inzwischen uns zu der Erkenntnis gebracht, daß es nicht nur darauf ankommt, neue Flächen zu besiedeln, sondern auch die Besitzer, welche wir ansiedeln, in ihrem Besitz so zu befestigen, daß sie alle Kalamitäten überstehen können. Auch hierbei aber ist es dringend notwendig, nicht einseitig vorzugehen und nicht nur an die neuangesetzten Kolonisten zu denken, sondern vor allen Dingen auch diejenigen Besitzer im Auge zu behalten, welche wir schon haben und auch ihnen dieselben Wohltaten zufließen zu lassen, wie den Neuangesetzten. Die Vorteile der Mittelstandskasse und der Bauernbank sollten nicht nur dem neuen Kolonisten, nicht nur den national gefährdeten Provinzen, sondern im ganzen Lande allen Besitzern [492] dienstbar gemacht werden. Es ist nicht unbedenklich, wenn vielfach die Generalkommissionen das Bestreben haben, für ihre neuen Ansiedler eine Extrawurst zu braten. Man soll sich hüten, Staatspensionäre auch nur im kleinsten Maße zu schaffen; man soll alle Besitzer gleichmäßig behandeln. Von ganz besonderer Bedeutung auf diesem Gebiet werden auch die Kappschen Vorschläge bezüglich der Lebensversicherung und der festen Kredite werden; auch sie haben dasselbe Ziel, den Besitz zu befestigen.

Die wichtigste Frage für die Existenz unseres gesamten Grundbesitzes aber, des alten und des neuen, wird die sein, daß wir in Deutschland eine Wirtschaftspolitik behalten, welche uns unabhängig macht von der Konkurrenz des Auslandes, solange uns dieses übermächtig gegenübersteht. Eine Wirtschaftspolitik, welche in die alten Caprivischen Bahnen zurückfiele, wäre der Tod der inneren Kolonisation in unserem Vaterlande.

Neben den staatlichen Organen haben wir für die Durchführung des Kolonisationwerkes heute eine Reihe gemeinnütziger Gesellschaften. Auch sie haben Gutes geleistet, aber die Aufgaben, welche uns auf diesem Gebiete noch bevorstehen, sind so gewaltiger Art, daß ich immer noch Bedenken trage, ob diese Gesellschaften in der Lage sein werden, dieselben durchzuführen. Gewiß ist heute die staatliche Maschine zu schwerfällig, um derartige Arbeiten durchzuführen, aber ebenso gut, wie es Friedrich der Große verstanden hat, die Männer herauszufinden, welche besonders geeignet waren, nach seinen Plänen zu arbeiten, und wie er diesen Männern auch eine weitgehende Selbständigkeit gegeben hat, so könnten wir uns heute auch noch Einrichtungen verschaffen, welche zu einer freien Bewegung der Leiter der Kolonisation führten. Ich habe oft den Wunsch ausgesprochen, man möge aus den Generalkommissionen besondere Landeskulturbehörden bilden, besetzt mit den tüchtigsten Männern aus Verwaltungs- und Laienkreisen oder man möge die ganze Arbeit den Provinzialverwaltungen überweisen, in welchen die sachverständige Stelle des Bezirks gegeben ist. Wir haben diese Forderung nicht durchsetzen können. Ich erkenne trotzdem an, daß wir vorwärtskommen, aber ich fürchte bei alledem, daß auf die Dauer die jetzigen gemeinnützigen Gesellschaften doch versagen werden. Bei der dringend notwendigen Reform der Schul- und Kommunallasten z. B. kann nur der Staat helfen.

Handwerkeransiedlung.

Ein bedenklicher Mangel, welcher namentlich in dem national gefährdeten Osten hervortritt, ist es, daß wir zurzeit bei der inneren Kolonisation nur an die Landwirtschaft denken. Das Beispiel, welches uns die großen Kolonisatoren aus dem Hohenzollernhause gegeben haben, sollte auch heute wieder zur Nachahmung auffordern. Auch heute müssen wir neben den Landwirten in den kleineren Städten Handwerker und Gewerbetreibende ansetzen, sie in ihrem Gewerbe fördern und somit auch in den Städten den selbstständigen Mittelstand erhalten, der an seinem Hause und an seiner Werkstatt ebenso hängt, wie der Bauer an seiner Scholle. Wenn heute vielfach in den Kreisen unserer Nationalökonomen behauptet wird, die Zeit des Handwerks sei vorbei, so beweisen die Tatsachen das Gegenteil. Wir haben auch heute noch Handwerker, welche ohne jede Unterstützung von irgendeiner [493] Seite verstehen, sich technisch und kaufmännisch vorwärtszubringen, welche damit den Beweis liefern, daß das Handwerk auch heute noch imstande ist, mit der Industrie zu konkurrieren. Es wird dringend notwendig sein, auch diesem Teil der inneren Kolonisation besondere Aufmerksamkeit zu widmen.

Arbeiteransiedlung.

Der schwierigste Teil der ganzen Frage ist die Arbeiteransiedlung. Die Versuche, welche auf diesem Gebiet bisher gemacht worden sind, sind vielfach mißglückt und wenn man bei uns im Osten die Arbeiter fragt, ob sie lieber Eigentümer werden wollen, so wird man in den meisten Fällen die Antwort erhalten: „Ich denke nicht daran; wozu soll ich die Verantwortung und das größere Risiko übernehmen.“ Unsere Arbeiter sind, wenigstens im Osten, bei der großen Naturalwirtschaft, welche sie führen, im Grunde nichts anderes als kleine Besitzer. Worauf es ankommt, das ist, ihnen die sichere Aussicht zu gewähren, auf der sozialen Stufenleiter allmählich emporsteigen zu können. Auch hierbei darf man nicht schematisieren, sondern man soll die Versuche ganz nach den Gewohnheiten und Bedürfnissen der jeweiligen Bezirke einrichten. Vielleicht würde es das beste sein, die Arbeiter zunächst nicht zu Eigentümern, sondern zu Pächtern zu machen, wie das in Mecklenburg mit bestem Erfolge geschehen ist, wo durch Pachtverleihung von Gemeindeland das Bedürfnis vielfach gedeckt worden ist. Auch für uns im preußischen Osten würde es von großer Bedeutung sein, das Heuerlingswesen, wie es in Hannover und Westfalen besteht, gründlich zu studieren. In diesen Landesteilen ist die Seßhaftmachung der alteingesessenen Arbeiterfamilien geglückt, und es findet dort nicht mehr ein so starker Abstrom vom Lande statt, wie wir ihn anderwärts beobachten.

Eine wesentliche Förderung des Aufsteigens unserer Landarbeiter verspreche ich mir von der jetzt vom Bunde der Landwirte ins Leben gerufenen Prämiensparkasse, bei welcher der Arbeitgeber den Arbeitnehmer seinerseits mit Beiträgen unterstützt und dem letzteren so die Möglichkeit verschafft, in verhältnismäßig jungen Jahren über ein größeres Kapital zu verfügen.

Mit besonderem Nachdruck muß noch darauf hingewiesen werden, daß wir zurzeit, vielleicht aber zum letzten Male, die Möglichkeit haben, Hunderttausende von deutschen Rückwanderern aus den alten deutschen Siedlungen in Rußland zu bekommen, welche sowohl als Arbeiter, wie als Ansiedler für uns von größtem Wert sein können. Es ist in hohem Maße beklagenswert, daß diese unaufhaltsame Abwanderung zum größten Teile nicht in das alte Stammland zurückgeht, sondern von einer großen Schiffahrtsgesellschaft im rein-einseitigen finanziellen Interesse nach Amerika abgeleitet wird.

Nun tritt uns aber bei der gesamten inneren Kolonisation noch eine außerordentlich schwierige Frage auf finanziellem Gebiet entgegen. Der Kurs unserer Rentenbriefe und Pfandbriefe ist seit Jahren ein derartig kläglicher, die Kursverluste sind so enorm, daß damit das ganze Werk der inneren Kolonisation in Frage gestellt wird. Hier dürfte ernstlich zu überlegen sein, ob es denn notwendig ist, daß wir diese Papiere zu einem Spekulationsobjekt der Börse machen. Wenn die Privatbanken nicht in der Lage sind, das volkswirtschaftlich Nötige zu leisten auf diesem Gebiet, dann wäre es doch [494] gewiesen, daß wir uns von ihnen unabhängig machten und uns ein großes Riesenbankinstitut auf gemeinnütziger und staatlicher Grundlage schafften. Wenn wir aus der Preußenkasse und der Seehandlung, in Verbindung mit den großen genossenschaftlichen und landschaftlichen Kassen, ein solches Bankinstitut schaffen, so würde dies durchaus in der Lage sein, diese Papiere in umfassendem Maße aufzunehmen und wir würden nicht den kolossalen Kursrückgängen ausgesetzt sein, die zum Teil durch das nicht gerade hervorragende Wohlwollen der Börse herbeigeführt werden. Wir werden nicht daran vorbeikommen, auf diesem Gebiete etwas Neues zu schaffen, wenn wir aus den Schwierigkeiten herauskommen wollen. Ob wir das durch Errichtung einer derartigen Großbank erreichen oder durch eine vollkommene Umformung dieser Papiere, muß dahin gestellt bleiben. Einen dieser Wege werden wir einschlagen müssen. Wir müssen allerdings auch die Illusion aufgeben, daß wir mit einem Zunsfuß von 3 bis 3½% in Zukunft rechnen können.


Überblicken wir das Gesagte, so werden wir dankbar anerkennen, daß unter der Regierung Wilhelms II. nicht nur die Durchführung einer planmäßigen inneren Kolonisation als die größte Aufgabe unserer Zeit erkannt ist, sondern, daß auch vielversprechende Anläufe zu ihrer Verwirklichung gemacht sind. Möge es unserm Allerhöchsten Herrn beschieden sein, dies echte Hohenzollernwerk durchzuführen zum Besten unseres Vaterlandes. Möge aber auch der Mittelstand, welchen wir mit diesen Maßnahmen fördern und stärken wollen, stets getragen sein von dem alten preußischen Geist treuer und wo es nötig ist in entsagungsvoller Arbeit, möge er in Gottesfurcht und Königstreue den rocher de bronce bilden, auf dem die Krone der Hohenzollern und die Macht unseres Vaterlandes sicher gegründet sind gegen alle Stürme.