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Die Milch.

Die große Bedeutung der Milch für die Ernährung der Bevölkerung braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Die Hauptmenge der im Inlande verbrauchten Milch wird auch hier erzeugt, zumal das leichte Verderben der Milch ihre Versendung auf weite Strecken nicht zuläßt. Daneben findet aber auch eine Einfuhr von Milch und Milcherzeugnissen, vornehmlich aus der Schweiz und aus Dänemark statt.

Verschiedene Ursachen haben dazu beigetragen, daß die Milchversorgung sich immer schwieriger gestaltet hat.

Zunächst ist hierbei der Bevölkerungszuwachs zu berücksichtigen. 1888 betrug die Bevölkerungszahl des Deutschen Reiches rund 48 Millionen, heute nach annähernder Schätzung wohl 66 Millionen. Diese Vermehrung der Bevölkerung um etwa 18 Millionen Köpfe machte eine entsprechende Vermehrung des Milchviehbestandes seit jener Zeit erforderlich, wenn die Milchversorgung in hinreichender Weise gesichert werden sollte. Die stetig sich vollziehende Ansammlung größerer Menschenmassen in den großen Städten und die Entvölkerung des platten Landes brachten weitere Schwierigkeiten mit sich. Die Versorgung einer Stadt wie Berlin mit Milch erfordert völlig andere Maßnahmen als die einer kleinen Stadt oder gar die des Landes. Da sich die Haltung großer Herden von Milchkühen in einer großen Stadt von selbst verbietet, so muß die Milch dorthin aus einem weiten Umkreis bezogen werden. Dies macht aber wiederum besondere Vorsichtsmaßregeln nötig, damit die Milch nicht während der Versendung, namentlich in der warmen Jahreszeit, verdirbt.

Die Erfahrungen der seit den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts sich unter Robert Kochs Leitung entwickelnden Bakteriologie haben einen ganz wesentlichen Einfluß auf die Überwindung der vorstehend angeführten Schwierigkeiten und auf die Umgestaltung des Molkereibetriebes in den letzten 25 Jahren überhaupt gehabt. Ein so wichtiges Nahrungsmittel die Milch ist, so kann sie doch auch ebenso gefährlich für die Gesundheit der Menschen werden, wenn bei ihrer Gewinnung, Versendung und Aufbewahrung nicht die größte Vorsicht beobachtet wird. Es ist dies in der Natur der Milch begründet, die, wie sie für die Menschen und Tiere das wichtigste Nahrungsmittel ist, so auch für die kleinsten Lebewesen, insonderheit auch für die Erreger von Menschen- und Tierkrankheiten einen günstigen Nährboden abgibt.

Deswegen gilt es auch heute vom Standpunkte der Gesundheitslehre aus als erste Voraussetzung, daß nur gesunde Tiere für die Milchversorgung der Bevölkerung herangezogen werden dürfen, und daß die Überwachung des Milchverkehrs bereits mit der dauernden Überwachung des Gesundheitszustandes, der Fütterungsart und der ganzen Haltung der Milchkühe beginnen muß.

Das nächste Erfordernis ist die denkbar größte Reinlichkeit beim Melken und bei der ferneren Aufbewahrung und Versendung der Milch. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte haben zweifellos gelehrt, daß insonderheit auch verlangt werden muß, daß mit bestimmten ansteckenden Krankheiten behaftete Menschen in den Molkereien ohne Gefahr der Übertragung dieser Krankheiten auf die Abnehmer nicht beschäftigt werden dürfen.

Eine Lieferung der Milch unmittelbar von dem Besitzer einer vielleicht kleinen

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 497. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/60&oldid=- (Version vom 20.8.2021)