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Von wesentlicher Bedeutung für die Zuckerindustrie waren auch die Zuckersteuervergütungen und Prämien, die bei der Ausfuhr gezahlt wurden. Durch das Gesetz vom Jahre 1892 wurde bestimmt, daß die Zuckersteuer bei der Ausfuhr zuckerhaltiger Erzeugnisse unerhoben bleiben oder zurückvergütet werden sollte. Ebenso wurde die Steuerbefreiung des zur Viehfütterung oder für lediglich gewerbliche Zwecke, nicht dem menschlichen Genuß dienenden Zuckers bestimmt.

Ausfuhrprämien. Brüsseler Konvention.

Zur Hebung der Ausfuhr von Zucker und zuckerhaltigen Erzeugnissen wurden außerdem vom 1. August 1892 ab Ausfuhrprämien gewährt, die indessen durch die Brüsseler Konvention vom 5. März 1902 wieder aufgehoben wurden. Der Zweck dieses zunächst zwischen dem Deutschen Reich, Österreich-Ungarn, Belgien, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden und Schweden geschlossenen Vertrages war, die Bedingungen für den Wettbewerb zwischen dem Rübenzucker und dem Rohrzucker der einzelnen Länder auszugleichen und andererseits die Ausdehnung des Zuckerverbrauchs zu fördern. Einige andere Staaten traten diesem Vertrage später noch bei, während England inzwischen seine Zugehörigkeit zur Brüsseler Konvention wieder gelöst hat.

Es läßt sich nicht leugnen, daß die Zuckerindustrie infolge der vielen Änderungen in der Zoll- und Steuergesetzgebung seit Einführung der Verbrauchsabgabe im Jahre 1887 schwierige Zeiten durchzumachen gehabt hat. Daß sie dieser Schwierigkeiten Herr geworden ist, darf als ein Zeichen der guten technischen und kaufmännischen Leitung der Zuckerfabriken angesehen werden. Und in der Tat hat die Rübenzuckerfabrikation in den letzten 25 Jahren auf technischem Gebiet ganz wesentliche Fortschritte gemacht.

Die wissenschaftlichen Forschungen auf dem Gebiete der Rübenkultur haben zur Züchtung von besonders ertragsreichen und widerstandsfähigen Zuckerrüben geführt. Die weiter ausgebildete chemische Analyse ermöglicht eine ständige fachmännische Überwachung des gesamten Betriebes der Zuckerfabriken. Die Gewinnung des Zuckers aus der Rübe geschieht allerdings auch heute noch vorwiegend nach dem schon früher angewandten Diffusionsverfahrens, bei welchem die Rüben zerkleinert werden und das Auslaugen der Rübenschnitzel durch Wasser in einer Reihe von hintereinander geordneten „Diffuseuren“ planmäßig vorgenommen wird. An diesen Einrichtungen sowie bei der weiteren Reinigung und bei dem Eindampfen des gewonnenen Zuckersaftes sind im Laufe der Zeit mancherlei, jedoch nicht grundlegende Veränderungen und Verbesserungen angebracht worden. Dahingegen beruht ein seit etwa 10 Jahren, wenn auch nur langsam eingeführtes neues Verfahren, das Steffenssche Brüh- und Preßverfahren, auf einem ganz anderen Grundsatz.

Hierbei werden die Schnitzel in einem geeigneten Gefäß mit etwa 100° C heißem Rübensaft gemischt und dadurch sehr schnell auf etwa 80° C erwärmt. Hierbei werden die Zellen abgetötet. Die gebrühten Schnitzel werden darauf abgepreßt. Der Preßsaft wird wie sonst weiter verarbeitet. Die Schnitzel aber werden getrocknet und entweder ohne weitere Behandlung als Steffenssche Zuckerschnitzel oder nach vorheriger Behandlung mit Abläufen oder mit Melasse zu Viehfütterungszwecken abgegeben. Der Vorzug dieses

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Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 502. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/65&oldid=- (Version vom 20.8.2021)