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Die Rübenzuckerfabrikation.

Für die gewerbliche Gewinnung von Zucker kommt in Deutschland als zuckerhaltige Pflanze allein die Zuckerrübe in Betracht. Es ist bekannt, daß die Rübenzuckerfabrikation deutschen Ursprungs ist. Nachdem Marggraf 1747 zuerst das Vorhandensein von Zucker in der Runkelrübe nachgewiesen hatte, errichtete Achard nach verschiedenen voraufgehenden Versuchen 1801 in Kunern in Schlesien die erste Rübenzuckerfabrik. Entsprechend der seit jener Zeit immer mehr erkannten Wichtigkeit des Zuckers als Nährmittel und vor allem in Rücksicht auf den großen Wert, welchen der Rübenbau für die Landwirtschaft besitzt, hat die Rübenzuckerindustrie eine immer größere Bedeutung erworben.

Im Jahre 1887 wurde im Deutschen Reich eine Fläche von 263 786 ha mit Zuckerrüben bestellt. Im Jahre 1912 aber betrug die mit Zuckerrüben bebaute Fläche 503 290 ha. Sie weist also eine gewaltige Steigerung in Höhe von mehr als 90% auf.

Der Bruttoertrag pro Hektar des überhaupt für Rüben geeigneten Bodens hängt in wesentlichem Maße von den Witterungsverhältnissen ab. Im Durchschnitt kann man 300 dz Zuckerrüben pro Hektar rechnen. Mit Erfolg aber hat man sich bemüht, durch Züchtung den Zuckergehalt der Rübe zu erhöhen. Während vor 25 Jahren im Durchschnitt aus je 100 dz verarbeiteter Rüben 12,5 dz Rohzucker gewonnen werden konnte, stieg diese Menge in den letzten Jahren bis auf durchschnittlich 15,5%. Daß der gesamte Ernteertrag entsprechend der vermehrten Anbaufläche und dem erhöhten Durchschnittsgehalt der Rüben an Zucker seit 1887 sich erheblich vermehrt hat, ist selbstverständlich. 1887 betrug die gesamte Ernte an Rüben: 69 639 606 dz; 1912/13: 166 422 370 dz. Dazwischen kommen allerdings auch Mißernten vor. Das Jahr 1911 brachte nur 90 605 756 dz. Im Durchschnitt der letzten 5 Jahre kann man 136 239 035 dz Rüben annehmen.

Besteuerung des Rübenzuckers.

Auf die Entwicklung der Rübenzuckerindustrie hat die Steuergesetzgebung einen wesentlichen Einfluß ausgeübt. Sie hat im Laufe der Zeit einem mannigfachen Wandel unterlegen. Früher, seit 1841, wurde die Steuer von dem zu verarbeitenden Rohstoff, das heißt von der Rübe, mit der Annahme erhoben, daß 20 Zentner Rüben 1 Zentner Rohzucker lieferten. Begreiflicherweise hatte diese Besteuerungsart zur Folge, daß die Zuckerfabriken sich bemühten, durch eine Verbesserung der Fabrikationsweise ihre Zuckerausbeute zu erhöhen. Nachdem dann in den Jahren 1869 und 1886 dieser erhöhten Ausbeute an Zucker durch eine Änderung der Steuergesetzgebung Rechnung getragen war, wurde durch das Zuckersteuergesetz vom 9. Juli 1887 neben der zum Teil noch bestehenbleibenden Rübensteuer eine Fabrikatsteuer in Höhe von 12 M. für 100 kg Rübenzucker eingeführt. Vom 1. August 1892 ab aber wurde die Rübensteuer ganz aufgehoben und die Steuer lediglich als Verbrauchsabgabe in Höhe von 18 M. für 100 kg erhoben. Nachdem seit 1897 vorübergehend neben einer Verbrauchssteuer von 20 M. für einen Doppelzentner eine Betriebssteuer mit einem gestaffelten Tarif eingeführt war, durch welche Maßnahme eine übermäßige Ausdehnung der Zuckererzeugung verhindert werden sollte, erging im Jahre 1903 das auch heute noch geltende Zuckersteuergesetz, durch welches die Zuckersteuer für je 100 kg auf 14 M. ermäßigt wurde.

Zuckerzoll.

Hand in Hand mit der Besteuerung des Zuckers im Inlande ging auch die Verzollung des aus dem Auslande eingehenden Zuckers. Der bis dahin 36 M. für den Doppelzentner betragende Zoll wurde im Jahre 1896 auf 40 M. erhöht, ein Zollsatz, der auch heute noch zu Recht besteht.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. – Band 2. Verlag von Reimar Hobbing, Berlin 1914, Seite 501. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutschland_unter_Kaiser_Wilhelm_II_Band_2.pdf/64&oldid=- (Version vom 8.10.2021)