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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Keil
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Entstehungsdatum: 1869
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[577]

No. 37.   1869.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.0 Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Zum Humboldtfest in der alten und neuen Welt.[1]

Von Emil Rittershaus.

Zehn Jahr zurück, da jauchzten wir im Herbst bei einem hohen Fest.
Vereint die Deutschen dort und hier, in Nord und Süd, in Ost und West,
In einem Geist, so weit gepocht des deutschen Herzens frischer Schlag!
Wo deutscher Laut erklingen möcht’, war Alles Eins am Schillertag.
„Hoch Schiller!“ Dieser eine Ruf bei Alt und Jung, bei Groß und Klein!
Der uns den „Tell“ und „Posa“ schuf, die „Räuber“ und den „Wallenstein“,
Er lebte auf in jeder Brust, im Bürgerhaus, am Fürstenthron!
Wir fühlten uns, o Himmelsluft, als Kinder einer Nation!
Das war nicht um des Dichters Kunst, so sehr sie aller Kränze werth;
Das war nicht, weil der Musen Gunst den Sänger singen hat gelehrt;
Das Eine war’s, daß der Poet ein Priester an des Lichts Altar,
Daß er des freien Geists Prophet und seines Volks Johannes war!
O, darum sang sein lautes Lob im freien Land der freie Mann,
Und zornig seine Faust erhob der Sclave, der in Zwing und Bann!
Der Farmer tief im Waldesgrund im rohen, holzgefugten Haus,
Er suchte in der Abendstund’ das abgegrissne Buch heraus
Und warf in’s Feuer dürres Holz und las und las beim Flammenschein
Und fühlte einmal noch mit Stolz ein Sproß von deutschem Stamm zu sein.
Er strich vergnügt den strupp’gen Bart – wie war ihm Herz und Sinn entflammt! –
Durch Schiller neu geeinigt ward, was aus dem deutschen Mark entstammt.

Und wieder jetzt ein Jubelfest und wieder einem Deutschen gilt’s!
In Nord und Süd, in Ost und West sein Lob, von allen Lippen quillt’s!
Wo üppig Farrn und Palme sprießt, wo flüchtig die Gazelle springt,
Wo schon das Eis in Nadeln schießt, der Name Humboldt jauchzend klingt!
Im Sand der Marken, wo die Gruft des großen Todten Leib umfängt,
Am Rhein, wo in der Sommerluft am Rebenstock die Traube hängt,
Und drüben in der neuen Welt – o seht der Frohen bunte Reih’n!
Der eine Name Humboldt fällt in jede Brust wie Sonnenschein!

Wohl ist von deutschem Stamm der Mann und wir sind stolz auf seinen Ruhm,
Doch, was sein Geist erforscht, ersann, das ist der Menschheit Eigenthum,
Und wie der Name Schiller hat geeinigt, was von deutschem Schlag,
So schreib’ auf der Geschichte Blatt mit Flammen ein der heut’ge Tag:
„Vereint durch eines Geistes Kraft war Nord und Süd und Ost und West!

Es war ein Tag der Brüderschaft der Völker, dieses Humboldtfest!“

Ein edler Mann die Worte schrieb: „Die meines Stammes und verwandt,
Hab’ mehr sie als mich selber lieb, und mehr als sie mein Vaterland,
Und lieber als mein Vaterland soll mir die ganze Menschheit sein!“ –
O, grabt es heut’ mit fester Hand, Ihr All’, in Eure Seelen ein!
Ob ihn auch deutsches Land gebar, der große Mann, des Wissens Held,
Errungen hat er sich, fürwahr, das Bürgerrecht der ganzen Welt!
Er war in jedem Reich zu Haus, im Bergesschacht, im Sonnenraum,
Er zog durch Sturm und Fluthgebraus’ und nicht um eitlen, leeren Traum!
Mit klarem Azg’ hat er geschaut, gehoben manchen Schleiers Flor
Und eine Welt uns aufgebaut, wie nie ein Forscher noch zuvor! – – –
Doch sieh’, die Neunmalweisen nah’n, das frost’ge Lächeln im Gesicht,
(Auch Pfaffentrug und Thorenwahn, doch von den Narren spricht man nicht!)
Die Weisen, die, im Kleinen groß, doch nie erspäh’n der Dinge Kern,
Sie lassen ihre Weisheit los: „Für Humboldt! Ei, den alten Herrn!
Den Forscher lobt die Wissenschaft, doch wißt, wenn’s Euch auch unbequem,
Schon hat ihn andrer Geister Kraft doch überholt in dem und dem!“
Sie rechnen’s an den Fingern her die kalten Klugen tiefgelehrt,
Und Jeder denkt bei sich, er wär’ wohl eines Humbotdt’s Ehren werth! –
Wir kennen’s längst, daß keck und dreist die Kleinheit solche Trumpfe spielt!
Was wüßte sie von Humboldt’s Geist, der eine Welt im Spiegel hielt!
Und dieser Geist, derselbe nur, er zeugte des Gedankens Keim,
Der aus dem Schädel Schiller’s fuhr in Lied und Bild, in Wort und Reim
Hinein in Nacht und Nebeldunst! Es war Erguß von gleicher Kraft!
Des Einen Werkzeug hieß: die Kunst; des Andern Schwert: die Wissenschaft.
Der Forscher zog durch manch’ Gefild’, von Land zu Land, von Stamm zu Stamm
Und wob zu einem Riesenbild die tausend Bilder wundersam,

[578]

Und schrieb, die Mappe auf dem Knie, was er in weiter Welt gesehn;
Der Dichter ließ die Phantasie für sich hinaus auf Reisen gehn.
Der Dichter schritt zum Volke hin, sein Herzblut durch die Lieder rauscht;
Der Forscher hat mit weisem Sinn den Herzschlag der Natur belauscht.
Die alten Zeiten wunderbar, wie sie des Dichters Ruf erweckt!
Was war, bevor die Menschheit war, der Forscher hat es aufgedeckt.
Wenn jener auf dem Flügelpferd sich aufwärts hob zum Sonnenland,
Der Forscher tief im Grund der Erd’ vor Schutt und Moder sinnend stand.
Zur Höhe der, zur Tiefe der! – Aus Jovis Hand die Blitze reißt
Der Dichter, holt sie muthig her! Im Lichte der Erkenntniß weist
Der Andre uns, was falsch und leer, was Trug, ob’s hoch und heilig heißt –
Und beide würdig gleicher Ehr’ und beide Kind von einem Geist!

Um dieses Geistes willen heut’ ein Humboldtfest und drum allein!
O, mög’ das frohe Glasgeläut’ des Geistes Osterläuten sein!
Dem Pred’ger dieses Geistes flocht den Kranz die Welt am Schillertag,
Und als sein „Marschall Vorwärts“ focht ein Humboldt kühn, mit wucht’gem Schlag!
Drum heut’ ein Fest für Humboldt’s Geist! – Beim Bild des Großen könnt’ ihr’s seh’n,
Da steht’s: „Es ärgert sie zumeist, am meisten, wenn wir vorwärts geh’n!“
Ja, vorwärts denn! Die Schranken fort, die Menschen trennen dort und hier!
Die Brüderschaft sei Losungswort, die Freiheit sei das Siegspanier !
Im freien Geist die Völker eins! Wir rufen’s in die Welt hinaus:
Nur in dem Glanz des Sonnenscheins gedeiht des Glückes Blumenstrauß!
Du alte Welt, die Ketten brich und sei den Freien zugesellt!
Du alte Welt, erneue dich und werde eine neue Welt!
Du neue Welt, wir rufen’s zu dir aus der meerumwogten Stadt:
O, werde frei im Geiste du, daß deine Freiheit Dauer hat!
Dann wird des Friedens Palme weh’n in Nord und Süd, in Ost und West! –
O, laß, Geschick, uns bald ersteh’n den Segen aus dem Humboldtfest!




Verlassen und Verloren.
Historische Erzählung aus dem Spessart.
Von Levin Schücking.
(Fortsetzung).


11.

Wenn Wilderich und Benedicte eine so lange Zeit behalten, um sich über ihre Lage auszusprechen, so hatte dies seinen Grund in einem Zögern Duvignot’s, zum Aeußersten zu schreiten, in den Gedanken, von denen der General erfaßt und bewegt wurde, nachdem er vorhin das Zimmer des Schultheißen verlassen hatte.

Er hatte ein Document in der Hand, auf das hin er den unglücklichen Mann vor ein Kriegsgericht stellen und nach vierundzwanzig Stunden erschießen lassen konnte.

Die Proklamationen Jourdan’s, die eine solche Strafe auf Verbindungen mit der feindlichen Armee setzten, berechtigten ihn vollständig, ja verpflichteten ihn dazu.

Auch ohne dies wäre er berechtigt dazu gewesen, als oberster commandirender Officier in einer Stadt in Feindesland, in welcher der Belagerungszustand verkündet war. Sein Oberfeldherr hatte ihm, dem energischen und zudem in Frankfurt durch seinen früheren Aufenthalt so wohl bekannten Mann, die Hut der Stadt übergeben, in der Voraussetzung, daß er schonungslos und unerbittlich die Maßregeln durchsetzen würde, welche nothwendig seien, um diesen Punkt möglichst lange dem rückziehenden Heere zu erhalten. Der General konnte nach der Schärfe des Rechts verfahren. – Er konnte Marcelline zur Wittwe machen! Er konnte den Streit zwischen ihr und ihm mit einem Streiche zerhauen, mit einem Worte enden.

Dieser Gedanke bestürmte ihn, während er die Treppe aus dem Stockwerk des Schultheißen niederstieg – aber er bestürmte ihn auch zu sehr, um sofort seinen Willen und Entschluß bestimmt und entschieden feststehen zu lassen.

Duvignot war ein Sohn der Revolution, die der Freiheit Hekatomben von Menschenleben gebracht, die zu ihrer Vertheidigung den Boden, auf dem sie stand, nicht wie eine angegriffene Feste des Niederlandes unter Wasser und Meereswellen, sondern unter Blut gesetzt hatte. Er war Soldat und hatte den Tod in allen Gestalten gesehen; er kehrte von einem leichenbedeckten Schlachtfelde heim; der Tod war ein ihm vertrautes Ding, ein ihm gewöhnliches Ereigniß, eine alltägliche Lösung … er war nicht der Mann, der viel Wesens aus einem Menschenleben machte.

Und dennoch war er erschüttert; er fühlte seine Energie sich brechen bei dem Gedanken an diesen Tod, in den er einen Mann senden wollte, der zwischen ihm und seiner Leidenschaft stand! Er fühlte, daß es etwas Fürchterliches sei um eine solche That, daß jenseits derselben für ihn etwas Dunkles, zu Fürchtendes, Grauenhaftes liegen könne – die Reue, die Selbstverachtung.

Als er auf dem Vorplatze vor seinem Zimmer unten angekommen, trat er an die Treppe, welche nach unten in den Hausflur hinabführte. Er winkte dem Gensd’arm, der da unten Wache hielt, und als der Mann vor ihm stand, sagte er:

„Ist der Capitain Lesaillier da?“

„Er ist eben gekommen und unten im Zimmer der Adjutanten.“

„Sagt ihm, er soll einige Leute nehmen und oben die Treppe damit besetzen … der Schultheiß und ein Mensch, der bei ihm ist, werden arretirt werden müssen … aber er soll da oben auf weitere Befehle von mir warten.“

„Zu Befehl, Citoyen General!“ versetzte der Gensd’arm und eilte dem Capitain Lesaillier seinen Auftrag auszurichten. Duvignot aber wandte sich und trat raschen Schrittes zurück in das Gemach Marcellinens, das er vorher verlassen hatte. Er fand sie in derselben Stellung in ihrem Sessel am Fenster, wie er sie verlassen – nur daß sie ihr Tuch an die Augen gedrückt hatte.

„Marcelline,“ sagte er, auf sie zuschreitend und mit bewegter Stimme … „das ändert Alles … da lies!“

Er reichte ihr den Brief des Erzherzogs; sie nahm ihn mit lässiger Hand, ohne aufzublicken.

„Was soll ich damit?“

„Lies!“

„Nun,“ fuhr sie apathisch fort, nachdem sie das Blatt überflogen … „was soll es? Es ist nichts, was mich just überrascht – ich sagte Dir, daß ich dem Erzherzog begegnet. Der Brief ist an Vollrath … gieb ihn ihm … ich denke viel an seine Benedicte jetzt!“

„Vollrath erhielt den Brief – er nahm ihn in meiner Gegenwart entgegen und das genügt, um ihn des Verraths zu überweisen … ich werde Vollrath darauf hin vor’s Kriegsgericht stellen und erschießen lassen.“

Marcelline fuhr erschrocken zusammen.

„Ah … Du … Du sagst … nein, ich kann nicht recht gehört haben … Du sagst …?“

„Ich könne ihn erschießen lassen, so sagt’ ich, und so wird es geschehen …“

„Um Gotteswillen, das ist, das kann nicht möglich sein …“

„Laß mich ausreden … meine Pflicht gebietet mir, die Befehle, die ich erhielt, ausführen zu lassen, und zu diesen Befehlen gehört, unnachsichtlich jede Verbindung mit unseren Feinden zu ahnden … wir können, wir dürfen nicht anders handeln, von stärkeren Gegnern umgeben, in Feindesland uns unserer Haut wehrend, in einem Kriege, wo von Schonung keine Rede ist und die Bauerncanaille sogar sich wie eine blutdürstige Bestie auf uns gestürzt hat …“

[579] „Du sprichst dies Alles nicht, um mich wirklich glauben zu machen, daß Du ein solcher Unmensch, ein so verabscheuenswürdiger Schurke sein würdest …“

„Ruhig, ruhig, Marcelline – zornige Worte bringen uns nicht weiter – höre mich an. Ich werde das Leben Deines Gatten schonen, ich werde diesen Brief dann zerreißen, wenn Du es willst … dagegen wird Dein Gatte einwilligen, Dir all das Deine herauszugeben, Dich friedlich ziehen und mir folgen zu lassen! Geh’ zu ihm und stelle ihm die Bedingung …“

„Um Gott, ich soll zu ihm gehn, ich soll ihm in’s Gesicht mein Verbrechen bekennen … ich soll seine Einwilligung in einen schmachvollen Handel verlangen …“

„Wenn Du mich liebtest, wie Du so oft geschworen, würde ich diese hochtönenden Worte nicht zu hören brauchen,“ rief Duvignot, zornig mit dem Fuße stampfend, aus – „nimm die Dinge einfach, wie sie liegen! Blicke der Nothwendigkeit mit mehr Ruhe und Vernunft in’s Gesicht, laß die Worte und handle … Du stehst vor einem Entweder-Oder … und kein Gott rettet Dich vor einer Entscheidung!“

„Daß kein Gott den rettet, der einmal in Deinen Händen, scheint in der That! Etienne, Du bist entsetzlich, es graut mich vor Dir!“

Er zuckte mit düsterem Stirnrunzeln die Achsel.

„Entscheide Dich und geh’!“ sagte er, sich an’s Fenster stellend und seine Stirn an eine der Scheiben beugend.

„Aber glaubst Du denn, glaubst Du in der That,“ rief Marcelline, „daß Vollrath in einen solchen schmachvollen Vertrag einwilligt? Daß er mich gehen heißt, wenn ich ihm als Preis dafür jenen Brief dort biete?“

„Ich denke doch!“ stieß Duvignot zornig hervor.

„O, Du irrst … Du irrst gewaltig – der alte Mann wird nie in etwas einwilligen, was wider seine Ehre ist, nie … und er liebt mich … wahrhaft … mehr vielleicht als Du, der im Stande ist, mich so zu quälen … weißt Du, was seine Antwort sein wird?“

„Was wird sie sein?“ fragte Duvignot mit kaltem Hohn. „Er kann Dich nicht mit in’s Grab nehmen, dieser Mann, der Dich mit so heißer Liebe liebt, wie Du sagst!“

„Nein, aber er kann über’s Grab hinaus mich vor Unglück, vor dem Untergang behüten wollen. Er wird sagen: ich darf mir das Leben nicht erkaufen wollen mit dem sicheren Unglück Deines Lebens – willigte ich ein, so wärst Du ein verlorenes Geschöpf, Du würdest grenzenlos unglücklich werden an der Seite eines Mannes, der solche Mittel gebraucht, um Dich zu besitzen … Deine Zukunft, das ganze Elend Deiner Zukunft steht vor mir und – ich will Dir nicht das Thor öffnen zu dieser Zukunft … lieber geh’ ich in den Tod, der mich nicht entehrt, wie es das Leben nach solch einem Handel thun würde!“

„Welchen Heroismus Du ihm zutraust, welche rührende Liebe zu Dir!“ erwiderte Duvignot verbissen und doch von Marcellinens Worten erschüttert. Aber dies Gefühl wurde nicht Herr über ihn. Die Leidenschaft, die ihm die Trennung von dem geliebten Weibe als etwas Unmögliches, etwas ganz Undenkbares erscheinen ließ, die Kränkung seiner Eigenliebe, die in ihrem Widerstande lag, das Stachelnde dieses Widerstandes selbst, alles das durchwühlte ihn und höhnisch rief er aus:

„Ihr Weiber seid Egoisten, Alle – Alle – Du denkst bei dem Allen nur an Deine Zukunft und die Sicherheit Deines Glücks darin …“

„Ihr Männer seid wohl nicht Egoisten? … Du bist es nicht in dieser Stunde?“

„Wenn Du es nicht bist, nun wohl, so geh’, denk’ zuerst an Deinen Mann und wie Du ihn rettest – denk’ an ihn und nicht blos an Dein Schicksal, das Dir so entsetzlich scheint, wenn Du mir folgst, wenn Du mir es anvertraust!“

„Ich kann Vollrath nicht retten … er wird es nicht wollen … nur Du kannst es – gieb Deinen schrecklichen, schurkischen Vorsatz, Deinen teuflischen Willen auf …“

„Reize mich nicht mit solchen Worten – es ist genug, daß Du sagst: ‚Ich will nicht‘! Wohl denn, so höre: Du bist es, die Deines Mannes Todesurtheil unterschreibt, und – nachher folgst Du mir dennoch …“

„Dem Mörder meines Mannes? Nimmermehr!“

Duvignot wandte sich und schaute eine Weile auf die furchtbar erregte, verzweifelnde Frau nieder.

Der Anblick schien ihn zu erweichen; er fuhr mit der Hand über die Stirn und sagte halblaut. „Suchen wir Frieden, Marcelline; höre mich an. Ich dürste nicht nach dem Blut dieses armen alten Mannes – bei meiner Ehre nicht! Mag er leben! Aber auch wir wollen leben, zusammen leben, denn anders fasse ich das Leben nun einmal nicht! Laß uns darüber einig werden, einig noch in dieser Stunde, damit Alles abgethan sei, was neuen Streit zwischen uns entbrennen lassen könnte! Du fürchtest für das Glück Deiner Zukunft, für Dein Loos, wenn Du es mir anvertraust … das ist bitter, es ist demüthigend für mich. Liebtest Du mich, so wie ich Dich, so würde kein Raum für solche Bedenklichkeiten in Deinem Herzen sein. Du würdest in einer Zukunft, die uns die Freiheit gäbe, uns ganz anzugehören, nur das höchste Glück erblicken und vertrauend dem Manne folgen, von dem Du weißt, daß Du seine ganze Seele besitzest. Sei es drum – wenn ich Deine ganze Seele nicht besitze, wie Du die meine, so giebt es ein Wesen wenigstens, was sie besitzt, und dieses Wesen wird die Macht haben, Dich zu dem zu bestimmen, was Du mir abschlägst …“

„Was willst Du sagen?“ rief Marcelline aus.

„Ich sagte Dir vorhin, daß ich die Macht habe, Dich zu zwingen, mir zu folgen. Ich drückte mich verkehrt aus. Nicht in meiner Hand liegt diese Macht – es ist ein anderes Wesen, das …“

„Wen … o mein Gott, wen kannst Du meinen? …“

„Brauche ich es Dir zu sagen? ich meine Leopold!“

„Leopold!“ fuhr Frau Marcelline empor, sich strack aufrichtend und die Hand nach Duvignot ausstreckend, … „Leopold … was ist mit meinem Kinde … was weißt Du von meinem Kinde … rede, rede, was ist mit ihm … wo ist es?“

„Es ist in Frankreich!“

„In Frankreich? In Deinem Lande?“

„In meinem Lande, in meiner Heimath, in der Bretagne, wohlgehütet, wohl aufbewahrt!“

„In Deinem Lande … und da ist Leopold … und das sagst Du mir erst heute … erst jetzt … o Du belügst mich, Du entsetzlicher Mensch!“

„Ich spreche die Wahrheit!“

„Es kann nicht wahr sein … es kann nicht sein … wie könnte Benedicte, nachdem sie das Kind entführt, es nach Frankreich, in Deine Gewalt gebracht haben?“

„Behaupte ich das? Aber könnten meine Nachforschungen nach dem geraubten Knaben nicht rastloser und glücklicher gewesen sein als die Deinen? Könnte es mir nicht gelungen sein, ihn aufzufinden, ihn, meinen Sohn, mein Eigen, das nach allen Gesetzen der Natur mir gehörte, in meiner Heimath in Sicherheit zu bringen und mir als einen theuern Schatz, als mein Liebstes da zu bergen?“

„Das … das sollte die Wahrheit sein, das behauptest Du?“

„Ich behaupte es, ich schwöre es Dir, daß das Kind in meinen Händen ist. Giebt es einen Schwur, der Dich überzeugt, so nenne ihn mir, ich will ihn leisten. Bei meiner Ehre? Das genügt Euch Weibern nicht, Ihr wißt nicht, was einem Manne seine Ehre ist … bei der Asche meiner Mutter – ist Dir das genug?“

„Aber wie war es Dir möglich …“

„Ich habe das Kind Grand de Bateillère anvertraut; ich habe es ihm auf die Seele gebunden, er hat es in die Nachbarschaft von Rennes geführt, zu einer seiner Tanten, die auf dem Lande lebt. Ich hörte lange nichts von ihm … aber sein letzter Brief sagte mir, daß das Kind wohl sei.“

„Und mir, mir verschwiegst Du das?“

„Ich verschwieg es Dir – vielleicht in der Voraussehung einer Stunde, wie diese für uns ist … einer Stunde, wo ich die Demüthigung erlebe, zu sehen, daß meine Bitte: verlaß mich nicht und folge mir, machtlos an Dir abgleitet, wo ich Dir sagen muß: Folge mir denn zu Deinem Kinde, Du wirst sonst Dein Kind nie wieder sehen.“

„Hatte ich Recht,“ fuhr, als Marcelline nicht antwortete, Duvignot mit Bitterkeit fort, „hatte ich Recht, als ich Dir sagte: ich könne Dich zwingen?“

Marcelline stand wie erstarrt, wie versteinert. Sie war todtenbleich geworden. Nur in ihren unheimlich vergrößerten Augen, die auf ihm ruhten, schien noch Leben zu sein. So blickte [580] sie ihn an, daß ihm unheimlich zu Muthe wurde … daß er die Brauen zusammenzog und gebieterisch sagte. „Nun, so rede doch endlich!“

„Du hattest nicht Recht!“ stieß sie kaum hörbar hervor. „Nein, bei Gottes rächendem Strafgericht nicht! Du der Verbündete dieser Benedicte, um mir den größten Schmerz meines Lebens zu bereiten!“

„Das war ich nicht – ich wahr nicht ihr Verbündeter …“

„Und wenn auch, Du konntest meine Angst, meine Qual sehen … und doch sagen, Du liebtest mich! O unerhört … unerhört … unerhört!“

Sie sank in ihren Sessel zurück, sie schlug ihre Hände vor’s Gesicht und brach in bittres Schluchzen aus.

„Gieb mir mein Kind,“ rief sie aus, „gieb mir mein Kind zurück … und dann, dann laß mich nie, nie wieder den Vater dieses Kindes sehen!“

„Marcelline!“

„Ich will mein Kind von Dir … nichts … nichts als das … gieb mir mein Kind zurück!“

„So fasse Dich doch … Du wirst mit mir kommen, wir werden zusammen es wiedersehen …“

„Mit Dir? Nie, nie – aber ich werde es mir holen … ich werde es zu suchen, zu finden wissen … ich werde barfuß gehen und mich von Thür zu Thür betteln, wenn es sein muß, um mein Kind wieder zu erlangen … ich werde seinetwegen Alles, Alles opfern, ich werde meinen Ruf mit Füßen treten lassen, ich werde Alles thun, was ein Weib thun kann – nur das Eine nicht, Dir Menschen ohne eine Seele und ohne ein Herz im Leibe zu folgen … bei Gott, dies scheidet uns auf ewig!“

„Marcelline!“ rief Duvignot leidenschaftlich aus, „mach’ mich nicht rasend, nicht toll – – dies ist nicht Dein letztes Wort, oder …“

„Es ist mein letztes … unwiderruflich!“

„Wenn ich Dir Alles auseinandersetzen könnte, was mich bestimmte, was mich zwang …“

„Was bedarf es dessen? Du sahst meinen Schmerz, meinen furchtbaren Schmerz und – schwiegst! Es ist genug, übergenug. Sprich mir kein Wort mehr, geh’, räche Dich, thue, was Du magst und kannst, tödte, erschieße, bade Dich in Blut, mich beugst Du nicht mehr! –“

„Zorniges, unvernünftiges, eigensinniges Weib!“ brauste jetzt Duvignot auf, „füge Dich in meinen Willen oder …“

„Niemals – Du kannst mich zerbrechen, aber nicht beugen!“

„Nun dann im Namen der Hölle!“ schrie Duvignot, „gebrochen sollst Du werden! Es ist Dein Trotz, der mich zwingt zu handeln!“

Er stürzte, den auf den Boden gefallenen Brief des Erzherzogs an sich reißend, davon und draußen einige Stufen der Treppe zum oberen Stock hinauf, bis ihm auf seinen Ruf der Capitain Lesaillier entgegen eilte.

„Der Schultheiß wird auf die Hauptwache abgeführt,“ befahl er diesem. „Dann bemächtigen Sie sich des Menschen in der Chasseur-Uniform; Beide werden strenge bewacht!“




12.

Wir sahen, wie die Befehle des Generals sofort ausgeführt worden waren. Der Capitain Lesaillier hatte zuerst den Schultheißen Vollrath abführen lassen. Dann hatte er sich der Person Wilderich’s bemächtigt. Dieser folgte jetzt den Soldaten; der Capitain schritt hinter ihm drein. In seiner furchtbaren Erregung, in seiner Erschütterung war es Wilderich schwer, die Besinnung zu bewahren, und doch hatte er alle seine Fassung nöthig, um den Gedanken, der wie ein Licht in seine Seele gefallen, festzuhalten – den Gedanken, der ihm in all’ dieser unsäglichen Aufregung nicht früher gekommen, der jetzt wie ein Blitzstrahl ihn bei Benedictens letzter Antwort durchzuckt hatte – und an dessen Ende die Rettung, sichere Rettung lag!

„Capitain,“ sagte er deshalb, sich, die Treppe hinabschreitend, zu Lesaillier umwendend, „Capitain, wenn Sie Ihrem General einen großen Dienst leisten wollen, so verstatten Sie mir, daß ich ein paar Worte mit Ihnen unter vier Augen rede!“

„Sie werden vor dem Kriegsgericht reden können … morgen!“ antwortete der Capitain.

„Nein,“ versetzte Wilderich, „des Generals Privat-Angelegenheiten und die der Dame dieses Hauses gehören nicht vor das Kriegsgericht.“

„Pst!“ rief Lesaillier aus, „und davon wollen Sie mit mir reden?“

Er maß ihn mit einem verächtlichen Blick von oben bis unten.

„So ist es … ich bitte Sie dringend darum … wenn Sie mich anhören, werden Sie Ihrem Vorgesetzten den größten Dienst leisten, den ihm ein Sterblicher in diesem Augenblick leisten kann!“

„Merkwürdig! Und was liegt Ihnen daran, ob ihm ein Dienst geleistet werde oder nicht? Ihnen … in Ihrer Lage?“

„An Ihrem General liegt mir nichts … aber an einer anderen Person, für die ich nicht handeln kann, ohne auch Ihrem General zu nützen.“

„Nun, so treten Sie,“ sagte Lesaillier zögernd, doch betroffen von dem Ernst, womit Wilderich sprach, „treten Sie dort ein.“

Sie waren unten auf dem Flur angekommen und Lesaillier deutete auf die Thür, die links von der Hausthür in einen Raum führte.

Wilderich trat ein, Lesaillier folgte ihm, während auf seinen Wink die Soldaten vor der Thür blieben.

„Also – was wollen Sie?“ fragte der Capitain herrisch und wie über seine eigene Nachgiebigkeit verdrossen, „reden Sie!“

Es standen im Hintergrund des Zimmers ein paar Officiere und einige Leute in Civil zusammen, Wilderich trat also in die erste Fensternische, wo er ungehört sprechen konnte.

„Was ich will,“ sagte er, „ist die Freiheit auf dreißig bis sechsunddreißig Stunden, gegen mein Ehrenwort, daß ich nach Verlauf dieser Zeit mich wieder zur Haft stellen werde.“

„Ah!“ rief der Capitain, halb verwundert, halb spöttisch aus.

„Und Sie werden mir die Freiheit geben,“ fuhr Wilderich fort, „wenn …“

„Wenn ich gesehen habe, daß Sie ein Narr sind, der unzurechnungsfähig ist und den man deshalb laufen läßt, wollen Sie sagen!“

„Nicht doch, Sie werden mir die Freiheit für so kurze Zeit geben, wenn ich Ihnen einen Preis dafür biete, den Sie nicht ausschlagen werden.“

„Und dieser Preis wäre?“ sagte achselzuckend der Capitain.

„Es ist die ganze geheime Correspondenz der Frau des Schultheißen mit Ihrem General.“

„Teufel … die hätten Sie?“

„Sie ist in meine Hände gefallen … mit dem im Spessart aufgehobenen Fourgon des Generals.“

„So werde ich sie Ihnen einfach abnehmen lassen …“

„Das können Sie nicht, denn ich trage sie nicht bei mir.“

„Wo ist sie?“

„Sie werden das erfahren nach meiner Freilassung.“

„Ich soll Sie freilassen auf Ihr bloßes Wort hin, daß Sie diese Briefe besitzen, an deren Wiedererlangung allerdings dem General gelegen sein dürfte …“

„Sie werden das,“ fiel Wilderich ein, „diese Briefe werden sonst veröffentlicht werden und die Welt wird erfahren, daß die Verfolgung des Schultheißen Vollrath durch den General eine Handlung der allerniedrigsten und verächtlichsten Privatleidenschaft war … wenn sich der General daraus am Ende nichts machen sollte, so wird die Frau, um deren Ruf es sich handelt, desto mehr Werth darauf legen, nicht so bloßgestellt zu werden!“

Der Capitain sah Wilderich eine Weile nachdenklich an.

„Aber was wollen Sie denn eigentlich, daß geschehe?“ sagte er dann. „Sie können doch unmöglich begehren, daß man Sie so ohne Weiteres und auf das gütige Versprechen hin, daß Sie jene Briefe ausliefern wollen, laufen lasse?“

Wilderich unterbrach ihn, indem er zu dem Tische im Hintergrunde des Raumes, auf welchem sich Schreibmaterialien befanden, schritt und ein Blatt nahm, um hastig einige Worte darauf zu schreiben.

„Was schreiben Sie da?“

Wilderich gab das Blatt an den Capitain. Dieser las die Worte:

„Geben Sie die Briefe, welche ich Ihnen anvertraute, an den Ueberbringer dieser Zeilen. Wilderich Buchrodt.“     

[581] 

Erzherzog Johanns Begräbnißkapelle auf Burg Schönna bei Meran.
Nach einer Originalzeichnung von Ferd. Petzl in München.

[582] „Nun?“ fragte der Capitain, „an wen ist dieser Zettel gerichtet?“

„Geben Sie mir die Freiheit … dann gebe ich Ihnen die Adresse! Mein Ehrenwort darauf … gegen Ihr Ehrenwort!“

„Gut denn,“ versetzte Lesaillier, „ich will zum General gehen und ihn entscheiden lassen. Sind Sie damit einverstanden?“

„Völlig! Aber eilen Sie!“

Der Capitain ging. Nach wenigen Minuten kam er zurück. Auf die Schwelle des Zimmers tretend, winkte er Wilderich zu sich. Dieser trat auf ihn zu.

„Kommen Sie,“ sagte Lesaillier, „die Adresse … dann können Sie gehn, wohin Sie wollen!“

„Ihr Ehrenwort, daß mich Niemand hindern wird?“

Lesaillier wandte sich durch die offene Thür zum Flur zurück und sagte laut zu den zwei Soldaten, welche als Posten sich davor aufgestellt hatten:

„Ihr könnt gehen, Leute, der Mann hier ist frei.“

„Also … die Adresse!“ wandte er sich dann an Wilderich zurück.

„Uebergeben Sie den Zettel an Fräulein Benedicte Vollrath!“ antwortete Wilderich.

„Die Briefe sind in ihren Händen?“

„So ist es, Herr Capitain … und nun auf Wiedersehen!“

Wilderich grüßte leicht und schritt davon. Der Capitain eilte mit seinem Zettel zum General hinauf, den er umdrängt von Menschen und Geschäften oben in seinem Zimmer und wie einen zornigen Löwen dazwischen auf- und abrennend fand.




13.

Eine Viertelstunde später hatte Wilderich mit Hülfe des ehrlichen Sachsenhäusers seinen Braunen aus dem Stalle im „Grauen Falken“ gezogen und saß im Sattel, um heimwärts in seinen Spessart zu reiten. Hatte der arme Klepper bei dem Herritt sich scharf zusammennehmen müssen, so war es jetzt, bei der Rückkehr zehn Mal ärger. Die Wege waren durch den Marsch so vieler Truppencolonnen, Geschütze, Proviant- und Munitionswagen, und was Alles mit einer Armee sich dahinwälzt, in einen fürchterlichen Zustand gerathen. Nur gut, daß die Straße von diesen Zügen selbst freier war, als am gestrigen Tage und am Morgen – der weitaus größere Theil dessen, was von der Sambre- und Maas- Armee durch den Spessart gezogen, war rechtsab in die Wetterau marschirt oder hatte seinen nächsten Bestimmungsort, Frankfurt, erreicht … nur noch die Marodeurs und Nachzügler begegneten Wilderich, der in gestrecktem Trab, ohne sich viel um sie zu kümmern, meist mitten durch ihre Haufen hindurchsprengte. So erreichte er Hanau am tiefen Abend; er ließ dem Pferde in Wein getränktes Brod geben und es trug ihn weiter, unermüdlich, bis in die tiefe Nacht hinein, bis nach Aschaffenburg. Hier aber drohte es zusammenzubrechen. Wilderich mußte sich entschließen, abzusteigen und es über holpriges Pflaster am Zügel durch ein paar Straßen zu führen, bis er ein Wirthshaus entdeckte, vor dessen noch geöffnetem Einfahrtsthor eine Laterne brannte. Da fand es Stall, Streu und Rast. … Wilderich aber fühlte, daß an Rast und Ruhe für ihn nicht zu denken sei; er ging, nachdem er gesehen, wie sein Thier von einem verschlafenen Hausknecht versorgt worden, in das große gewölbte Gastzimmer neben dem Eingangsflur des Hauses.

Es war still und menschenleer, das weite Gastzimmer zum „Goldenen Faß“ in der Schmiedstraße zu Aschaffenburg. Auf der Bank am Kachelofen lag ein halbwüchsiger Junge, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, den Kopf auf die Brust gesenkt; er war nach des Tages Last und Mühen selig entschlafen. Nur ein verspäteter Gast war noch da – ein starker Mann mit einem dreieckigen Hut auf dem vollen, runden und stark blatternarbigen Gesichte, in dem die kleinen Augen fast ganz verschwanden, saß am Ende des langen Raumes, die beiden Ellenbogen auf den Tisch vor ihm stemmend und nachdenklich in sein halbgeleertes Bierglas blickend.

Er erhob den Kopf, als Wilderich eintrat, schob den dreieckigen Hut leise mehr auf den Hinterkopf zurück, als ob er so besser den Fremdling beobachten könne, und folgte ihm mit seinen blinzelnden Blicken, während dieser den schlafenden Burschen aufrüttelte und ihm auftrug, Wein und Brod zu holen.

Wilderich setzte sich dann in einiger Entfernung von dem andern Gaste an den Tisch.

Dieser nickte ihm freundlich zu.

„Nix deutsch?“ sagte er lächelnd.

„Ich spreche deutsch!“ antwortete Wilderich.

„Sieh, sieh,“ fuhr der Mann, indem er aufstand, sein Glas nahm und sich in Wilderich’s Nähe setzte, fort, „dacht’ mir’s gleich, trotz Eurer grünrothen Jacke … Chasseurs nennt Ihr Euch, denk’ ich? na, ja, dacht’ mir’s gleich, Ihr wäret Keiner von den Echten, sondern Einer von denen aus dem Elsaß, oder von denen vom Rhein drüben, die so mitlaufen … ’s sind ihrer wenig drunter so stattliche Leute, wie Ihr … also Ihr sprecht deutsch … da können wir ein wenig discuriren zusammen … es ist gar langweilig, wenn man so allein Nachts bei dem kalten Bier sitzt.“ …

„Und weshalb sitzt Ihr so spät allein hier?“ fragte Wilderich den geselligen Mann.

„Na ja, seht,“ versetzte dieser, „was soll man zu Bett gehen, wenn man weiß, man findet doch seine Ruhe nicht? Es ist von wegen des Geblüts, müßt Ihr wissen … von wegen des Geblüts! Wenn ich mich leg’, so ist’s just, als ob ich einen Tobel da hätte … hier und hier“ – der Mann deutete erst auf seine rechte und dann auf seine linke Schläfe – „just wie ein Tobel, sag’ ich Euch, wie ein kleiner Mühlenkolk, wenn die Räder am Drehen sind!“

„So müßt Ihr kein Bier trinken, sondern zur Ader lassen …“

„Ist schon wahr,“ versetzte der Mann gutmüthig lächelnd, „bin auch nicht faul mit dem Aderlassen … werden schon sehen, werden schon sehen … es ist viel zur Ader gelassen worden im Spessart in diesen Tagen … gar wüst und bös … es war eine wüste Geschichte … bin auf und davon gelaufen vor der wüsten Wirthschaft … konnt’s nicht mehr ansehen … das sakrische Bauerpack … ist doch eine gräuliche Sach’, wenn so der plumpe Bauer losbricht!“

„So habt Ihr nicht geholfen, mit den Anderen drauf zu schlagen?“

„Ich? Der Gaishofstoffel? Was denkt Ihr? Ich? Mich graust’s. Auf Euch Franzosen losschlagen? Das mögen die Kaiserlichen thun; denen ihre Sache ist’s! Das sind Soldaten. Und die Franzosen sind auch Soldaten … mögen sie’s mit einander ausmachen – was geht’s einen friedfertigen Bauersmann an?“

„Aber es ist doch arg gehaust worden von der französischen Armee im Frankenland!“

„Arg gehaust … nun ja … ein wenig arg schon ist’s hergegangen … geplündert und gebrannt, geraubt und geschändet … wie’s so im Kriege hergeht … die Kirchen besudelt und die Pfarrer gezwickt … dem in Strullendorf, dem Pfarrer Rük ist’s am schlimmsten ergangen … Ihr wißt wohl nicht davon? Sie haben ihn geplündert, mißhandelt, ihm mit einem Grabscheit in den Hals gehauen, ein Stück von der Nase abgeschlagen und ihn in den in Flammen stehenden Widum gestoßen; da hat der arme Teufel gemeint, im Keller kann er sich vor dem Feuer retten; und da hat man ihn denn am andern Tage gefunden – ganz ausgebraten! Ihr seid wohl nicht dabei gewesen?“

„Nein,“ sagte Wilderich trocken.

„Es ist eben der Krieg,“ fuhr der Mann mit seinem stereotypen gutmüthigen Lächeln fort, „und das muß man so hinnehmen, wie’s Gottes Wille ist … was geht’s einen armen Bauersmann an? … Ich habe gesehen, wie sie drei französische Officiere, die sie gefangen hatten, nackt auszogen und an drei Bäume hingen; im Wald, nahe beim Bessenbacher Schlosse war’s … ihre Kleider verbrannten sie – das Satanspack von Bauern.“ …

Der Mann hatte, während er so mit einem ganz eigenthümlichen Ausdruck von Harmlosigkeit diese Gräuelgeschichten vorbrachte, eine Bewegung mit dem rechten Arme unter dem Tische gemacht, die Wilderich nicht entging. Es war, als ob er aus der Seitentasche seines Beinkleides etwas hervorgezogen und damit unter die Tischplatte gedrückt … Wilderich glaubte die Bewegung zu verstehen … sie schien ihm in verdächtiger Verbindung mit einer Landessitte zu stehen, die weniger harmlos war, als des seltsamen Gastes gutmüthiges Lächeln dabei. Wilderich zog nach einer Weile, während der er seinen späten Gesellschafter nicht aus dem Auge verloren, einen Schlüssel aus seiner Tasche hervor, spielte damit und ließ ihn wie achtlos zu Boden fallen und bückte sich dann, um ihn aufzuheben.

Er sah dabei ein großes breites Messer zwischen den Knieen des Andern mit der Spitze in die untere Seite der Tischplatte [583] gestoßen – der Mann konnte es mit einem Griffe darnach fest gefaßt haben. Wilderich zog es heraus und betrachtete es; dann legte er es ruhig vor seinen Gesellschafter auf den Tisch.

„Ihr führt da eine stramme Klinge!“ sagte er, ihn fest ansehend.

„Mein Gott, ja – ohne die wag’ ich mich schon gar nicht mehr hinaus,“ sagte der Mann, „man wird so schreckhaft in solchen Zeiten … man denkt immer, es könnt’ Einem was zustoßen … und wenn man dann so gar nichts hat, sich zu verdefendiren … gegen Marodeurs und böse Menschen, die sich einen Spaß daraus machen, Einem das Lebenslicht auszublasen … dann …“

„Ihr haltet mich auch wohl für einen Marodeur?“ fragte Wilderich.

Der Mann schüttelte den Kopf.

„Gott behüte!“ sagte er. „Die Eurigen, auch die Marodeurs, sind längst alle zum Spessart hinaus … die Oesterreicher sind da nun schon nachgerückt; Ihr seht mir eher aus wie Einer, der mit einer Botschaft, einem Brief oder dergleichen abgeschickt ist – vielleicht von denen, die rechts ab in die Wetterau marschiren, an die in Hanau oder Frankfurt drüben? Ihr dient bei den leichten Reitern … das muß solche Botendienste thun.“

Wilderich hatte die Erfrischungen, die ihm der verschlafene Bursche gebracht, zu sich genommen und stand jetzt auf. Der gutmüthige Mann mit dem dreieckigen Hut auf dem Hinterkopf und den lächelnden Schweinsaugen machte ihm einen Eindruck, der ihn von der Fortsetzung des Gesprächs abhielt. Er fand sich nicht veranlaßt, den Irrthum desselben, der ihn wegen seiner Uniform für einen Franzosen hielt, aufzuklären, und wandelte schweigend in der Gaststube auf und ab.

Der „Gaishofstoffel“ folgte ihm dabei mit den Augen ohne einen Versuch zu machen, das Gespräch wieder aufzunehmen. Er trank in raschen kleinen Schlucken ein Glas Bier nach dem andern. Sein großes Messer hatte er still wieder eingesteckt.

Endlich ertrug Wilderich die erzwungene Rast nicht mehr. Er hatte es von den Thürmen der Stadt schlagen hören – eine Viertelstunde nach der andern … anderthalb Stunden waren vergangen … er vermochte es nicht über sich, seinem Pferde eine längere Ruhe zu gönnen, und ging, um im Stalle nach dem Thiere zu sehen. Es hatte zum guten Glück, nachdem es von der ersten Ermüdung verschnauft, sich gierig über sein Futter hergemacht; Wilderich ließ ihm nachschütten, wartete im Stalle noch eine Viertelstunde, bis es seinen Hafer verzehrt hatte und getränkt worden, und ließ es dann herausziehen.

Es war zwei Uhr Morgens, als er aus dem Wirthshause fortritt. An den erleuchteten Fenstern der Gaststube vorüberreitend sah er, daß diese jetzt auch vom „Gaishofstoffel“ verlassen war … der Bursche löschte drinnen eben die Lichter aus.

Wilderich ritt dem Sandthore zu durch die schweigenden Gassen, die vor Kurzem noch Zeugen so wüsten Tumults gewesen, denn am Tage vorher war bereits eine österreichische Truppe mit einem starken Haufen Spessartbauern hinter den fliehenden Franzosen in fortwährendem Fechten, Schießen und Verfolgen in die Stadt eingebrochen – die Franzosen waren weiter geflohen, die Oesterreicher und die Bauern ihnen nach, rechtsab nach Gelnhausen zu.

(Fortsetzung folgt.)




Ein Fürstengrab in Volkes Hut.
Mit Abbildung.

„Hans, es wär’ g’scheidter, Du wärst Kaiser, mit Deinem Bruder ist’s nichts.“ – So hat freilich nur ein einzelner Mann gesprochen, und man weiß nicht einmal, in welchem der österreichischen Alpenländer diese Rede gethan worden ist, sie hat aber den besondern Werth, daß Jeder sie für die seine anerkannte, ob er auf gut Steirisch seinen „Herzog Hannes“ leben ließ, oder „unsern Hansel“ im treuen Tirol.

Erzherzog Johann von Oesterreich behauptete in der vormärzlichen Zeit den Ruf wahrster Volksthümlichkeit, und zwar nicht blos in den Alpen, nicht blos im Kaiserstaate, sondern in ganz Deutschland. Die Stimmen, welche ihm einen Theil der Schuld aufgewälzt hatten, daß im Jahre Neun das durch ihn zum Aufstand aufgestachelte Tirol beim Friedensschluß völlig aufgegeben und die Führer schutzlos verlassen wurden, – diese Stimmen waren allmählich verstummt, man war zu der Einsicht gekommen, daß Johann wie sein Bruder Karl immer nur in Zeiten höchster Staatsgefahr vom Hofe gerufen wurden, daß man sie aber bei Seite schob, sobald sie nur irgend entbehrlich schienen. Man setzte offenbar die Popularität Johann’s gern möglichster Abnutzung aus, indem man ihn nie in die Lage versetzte, Verheißungen, die er auf Betrieb der Regierung hatte ankündigen müssen, nachher auch in Erfüllung zu bringen.

Für das einfache Volksverständniß war es schwer zu fassen, daß Kaiser Franz seine jüngeren Brüder so unwürdig behandeln lassen könne; es mußten viele Jahre bitterer Erfahrung vorüber gehen, um hinter der scheinbaren, nur im Dialect der Umgangssprache bestehenden Gemüthlichkeit dieses Kaisers das Muster despotischer Selbstvergötterung zu erkennen, in dessen Kopf „populär“ und „revolutionär“ ein Begriff, und dem ein Metternich ein Mann ganz nach dem Herzen war. Wie recht hatte das Volksgefühl mit seinem Wunsch: „Hans, es wär’ g’scheidter, Du wärst Kaiser!“ –

Auch wer im Zorn des Jahres Neun es nicht glaubte, daß der Johann heiße Thränen vergossen „als die blutigen Jacken der armen Tiroler Buben und Mannen den Inn hinab in die Donau schwammen“ – wer dem Johann den Handschlag von 1805 mit dem Gruß: „Auf Wiedersehen in besserer Zeit!“ nicht vergaß, den er dem Sandwirth Hofer beim Abschied von Innsbruck gab, als dieses eine bairische Hauptstadt werden sollte, – weil der Erzherzog selbst mit gebundenen Händen die gebundenen Hände Hofer’s nicht befreite, als dieser über das Wintereis von 1810 nach Mantua zum Tode geführt wurde; – wer das Joppen- und Stutzerltragen des Prinzen für eine Komödianterei hielt, um mit dem Volke beliebig zu spielen: – der war curirt von all’ diesem Verdacht, als Franz und Metternich es angezeigt fanden, den Erzherzog ihre Macht und ihren Haß spüren zu lassen.

Eine öffentliche Strafe für seine Popularität erhielt Johann schon in dem großen deutschen Erhebungsjahr 1813. Als im ganzen deutschen Norden das Volk sich erhob, wollte Johann auch den Süden in gleicher Weise und namentlich in den Alpen erweckt wissen. „Volk!“ und „Deutsch!“ – die Frechheit, Beides im kaiserlichen Staate zu einer officiellen Bedeutung erheben zu wollen, büßte er schwer und noch schwerer die patriotischen Männer, welche gegen Napoleon den Volkskrieg in den Alpen leiten wollten. Sie Alle wurden des hochverrätherischen Plans angeklagt, für Johann auf Kosten des Kaiserstaats ein souveränes Königreich Rhätien errichten zu wollen. Da füllten sich viele Gefängnisse mit Unschuldigen und Erzherzog Johann durfte für längere Zeit Tirol nicht wieder betreten. So ward „die deutsche Erhebung“ von Franz und Metternich in Oesterreich gefeiert! Die Verfolgungen von dieser Seite waren in jener Zeit allein schon geeignet, den Erzherzog zu einem volksbeliebten Manne zu machen, denn wen Metternich haßte, der konnte kein Feind des Volkes sein.

In der traurigen Zeit zwischen den berüchtigten Congressen von Neunzehn und dem Sturmjahr von Achtundvierzig gab es im Gebiet des deutschen Bundes nur drei populäre Fürsten: Karl August in Weimar, König Max in Baiern und Johann von Oesterreich. Von diesen hatte Johann für seine Volksthümlichkeit den schwersten Stand unter Seinesgleichen und vor Allem am Kaiserhof, in dessen Schutzwall von Exclusivität er bekanntlich drei große Löcher stieß: das erste, als er gegen alle fürstliche Regel eine schöne Bürgerliche nicht zu seiner Maitresse, sondern zu seiner Frau machte; – das zweite, als er bei den Septemberfesten von 1842 mit dem Preußenkönig am Rhein in die alte Demagogie verfiel, den Spruch auszubringen: „Kein Oesterreich, kein Preußen, sondern ein einiges Deutschland!“ – das dritte, als er seine kaiserliche Abstammung soweit vergaß, bei einer Jahresversammlung der deutschen Land- und Forstwirthe den leibhaftigen Präsidenten abzugeben.

Johann’s Gemahlin hat die Wiener Kaiserburg unter Franz [584] und Metternich nicht betreten dürfen. Desto höher stand der Mann angeschrieben beim gesammten deutschen Volk. Es lag daher nahe, daß das deutsche Parlament von 1848, als man sich weder für die Republik noch für das Kaiserthum entscheiden konnte, in der Reichsverweserschaft des volksthümlichen Johann die beste Auskunft zu finden glaubte. Dieser Schritt führte zur Täuschung, und zwar zu gegenseitiger. Johann kam gewiß mit dem redlichen Willen, Völkern und Fürsten zu Einigkeit, Recht und Frieden zu verhelfen. Begrüßungsworte, wie die seinen in Frankfurt: „Wenn das Vaterland ruft, so ist es Pflicht, seine letzte Kraft, seine letzten Jahre demselben zu weihen. Da habt Ihr mich, ich gehöre zu Euch!“ – solche Worte sind keine gemachte Kammerrede, sondern strömen aus dem Herzen. Aber welche Rolle hatte man ihm übergeben! Ohnmächtiger als die letzten deutschen Kaiser stand er den Fürsten ohne Armee, den Völkern ohne Geld, dem Ausland ohne Autorität gegenüber, vor sich einen Reichstag voll endlosen Parteigezänks, hinter sich fahnenweihende Bürgerwehren und ringsum die auf die sichtlich nahende neue Volksohnmacht lauernden Throne. Wenn in dem greisen Mann mitten in diesem Wirrwarr der Fürst und der Oesterreicher über den bloßen und entblößten deutschen Patrioten die Oberhand gewann, so soll wegen der natürlichen Wandelung rein menschlichen Gefühls Niemand Steine auf ihn werfen. Es war sein Loos, stets politisch mißbraucht und abgenutzt zu werden, und mit dem Schmerz über diese letzte bittere Erfahrung ging er von der Bühne, um bei seinen Alpenvölkern, in Steiermark und Tirol, den letzten Trost und die letzte Ruhe zu finden.

Ein Tiroler Schriftsteller, der ihm näher stand, theilt uns darüber das Folgende mit: Ein eigenthümlich romantischer Zauber verklärte den „Hansel“, wie der Bauer den Erzherzog meist nannte, in den Augen des Tiroler Volkes. Dieses zeigte sich am mächtigsten, als der Erzherzog wieder zum ersten Mal das Land betrat, denn allüberall ward ihm der treuherzigste und festlichste Empfang bereitet. Ohne officielle Weisung krachten die Böller und spielten die Musikbanden und zogen die festlich geschmückten Schützen mit flatternden Fahnen ihm entgegen. Das schönste Fest spielte aber in Meran, als der Prinz mit seiner Frau und seinem einzigen Sohne das Burggrafenamt besuchte, um Besitz vom jüngst angekauften Schlosse Schönna zu ergreifen. Die schönsten, glänzendsten Tage der alten Landeshauptstadt schienen wiedergekommen zu sein. Seitdem besuchte der Erzherzog oft Tirol und hielt auf seiner Burg Schönna, die er neu herstellen ließ, bescheidenen Hof. Nicht vornehme Herren bildeten dann seine Umgebung, sondern alte Bauern, die Anno Neun mitgefochten hatten, wurden zur Tafelrunde berufen. In der Mitte dieser biedern Landleute fühlte sich der Prinz am wohlsten, und bei Tisch, wo auch Tiroler Landesgerichte, z. B. Nudelsuppe mit Würsten, Speckknödel mit Ragout, eine Hauptrolle spielten, wurde von alter Zeit und der Gegenwart, vom Schützenwesen und von der Hebung des Feldbaues in schlichter Weise gesprochen. Dieses patriarchalische Zusammenleben, dieses liebevolle Entgegenkommen gewann das Volk in unbeschreiblicher Weise. Einen glänzenden Beweis für diese Liebe des Volkes zum Prinzen gab das Pfingstfest 1851 zu Meran, an dem der Erzherzog sein „Hausnudelschießen“ in freigebigster Weise gab. Es war ein Volksfest, wie es Meran nie gesehen hatte, ein Volksfest in der schönsten Bedeutung des Wortes. Der Prinz trug sich fortan mit weitgreifenden Plänen für seine Lieblingsburg Schönna. Sein reiches, auch für die Tiroler Geschichte so werthvolles Archiv sollte dahin übertragen, eine vollständige Bibliothek aller Tirol und die Tiroler Geschichte betreffenden Werke sollte errichtet, ein Tiroler Museum angelegt werden. Im September 1858 stieg der Erzherzog zum letzten Male über den Jaufen nach Passeier hinunter, um dem Kaiserschießen in Meran beizuwohnen und selbst ein Festschießen auf Schönna zu geben. Beides mußte wegen des in Monza plötzlich erfolgten Todes der Erzherzogin Margaretha unterbleiben, wie der projectirte großartige Schützenzug über den Jaufen. Der Prinz verlebte dafür mehrere stille gemüthliche Tage in der Mitte alter Veteranen aus dem Burggrafenamte und Passeier auf seiner Burg, und er sprach damals auch seinen Entschluß aus, seine letzte Ruhestätte in Schönna zu finden.

Dies blieb sein letzter Wunsch, und nachdem er in der schönen Steiermark am 10. Mai 1859 sein Leben beschlossen hatte, wurde auf einem Hügelvorsprung von Schönna nach dem Plan des Professors Moritz Wappler in Wien seine Grabcapelle an einem Punkte erbaut, der die Lieblingsgegenden des Heimgegangenen, Passeier und das Burggrafenthum, weithin überblickt.

Schönna, Burg, Capelle und Kirchdorf, gehört zu den näheren und lohnendsten Ausflügen von Meran, das als klimatischer Curort europäische Berühmtheit erlangt hat. Ueber die Passerbrücke zum Stifterbauer, dann nördlich etwas ansteigend gelangen wir nach etwa fünf Viertelstunden zu dem von der stattlichen Burg hoch überragten Unter- und Oberdorfe von Schönna. Der Grund und Boden für die Grabcapelle hat mit Mühe erst dem Oekonomiehofe und dem Gottesacker abgewonnen und durch feste Strebemauern gegen die Gefahr der Bergrutschung gesichert werden müssen. Dort erhebt sich nun im reinsten gotischen Styl der kühnaufstrebende Bau. Eine breite umgitterte Granittreppe führt im Doppelaufgange zum Portal, über dessen Spitzbogen zwischen zwei spitzen Thürmchen eine farbige Fensterrosette einen prächtigen Anblick gewährt. Von Strebepfeilern in dreifacher Verjüngung begrenzt steigt dann die Façade, dem sonnigen Süden zugekehrt, zu beiden Seiten von je drei Pfeilerspitzthürmchen (Fialen) begleitet zum Giebel mit dem Mittelthurm und seinem steinernen Kreuz empor. Die beiden Seitenwände sind zwischen den hohen, dreifachgegliederten Fenstern von schlanken Strebepfeilern in ebenfalls dreifacher Verjüngung gestützt, die gleichsam als Fortsetzung über die zierlich durchbrochene Galerie des hohen Dachs hinaus ihre Fialen erheben. Einen besonderen Schmuck verleiht dem Ganzen die verschiedene Farbe des Baumaterials, indem der Grund- und Gruftbau aus hellgrauem Granit, der Oberbau aus blaßrothem Sandstein und die Bedachung aus violettem Schiefer besteht.

Treten wir durch die Flügelthür aus ungarischem Eichenholz in’s Innere, so umfängt uns ein säulenfreier, aber von einem kühnen Gewölbe mit kräftigen Gurten und Rippen überspannter Raum, in welchen das Tageslicht nur durch teppichartig bemalte Fenster dringt; die werthvollste Farbenpracht zeigen die Malereien der drei Fenster des Chors, die sich über dem blüthenweißen Marmor des Altartisches mit seinem goldschimmernden Aufsatze erheben. Der Fußboden besteht aus weißen und dunkelgrauen Marmorquadraten.

Hinter dem Altar schließt ein vergoldetes Bronzegitter einen Raum ab, von welchem aus eine Thür in eine kleine Sacristei, eine andre in die Gruft hinabführt. Diese Krypta ist, wie die Capelle, sechsunddreißig Fuß lang und zweiundzwanzig Fuß breit, ihr Gewölbe wird von vier Granitpfeilern getragen, und achtzehn Fenster mit halbzölligen Glastafeln geben ihr ein feierliches Dämmerlicht. Und hier ruht, in drei Särgen verwahrt, der gute Herzog Hannes des Volks, der Erzherzog Johann des Kaiserhauses. Wer kann vor diesem Sarge stehen, ohne an das seltsame Verhängniß zu denken, das dieses Kaiserhaus sich selbst bereitet dadurch, daß es von jeher seine begabtesten Söhne mit dem widrigsten Schicksal verfolgte und die besten Kräfte am wenigsten zur Geltung kommen, zum Heil des Staates thätig sein ließ. Erzherzog Karl’s Kriegsruhm ist dem Hofkriegsrath erlegen, Erzherzog Stephan ist fern von seinem geliebten Ungarn gestorben, Erzherzog Max hat fern von Pola und Miramare einen tragischen Kaisertod gefunden, Erzherzog Johann hat seine Volksliebe mit kaiserlicher Ungnade gebüßt, und sein ebenbürtiger gleichgesinnter Neffe, Erzherzog Heinrich, lebt in der Verbannung! – Schlaf wohl, Herzog Hannes! Das deutsche Volk wird dir es nie vergessen, daß du in seiner schlimmsten Zeit das Herz hattest, seinen innigsten Wunsch laut und ehrlich auszusprechen.

Hinauf zum Licht! Da vor dem Portal geht dem Auge ein herrliches Stückchen der lieben Welt auf. Zu unseren Füßen braust die Passer mit weit ausgespannten Armen durch ihr berge- und burgengekröntes Thal, das dort, gleichsam Meran zu Liebe, in die blühende Etschebene sich verliert und der Sehnsucht den Weg nach Italien zeigt, den einst Hunderttausende von Deutschen zu ihres und ihres Reiches Unglück gezogen sind. Wie hell glänzen dort die Berge – und wie finster ist’s noch immer in den Thälern, aus welchen, wie unser Dichter so deutungsvoll klagt – „die Nacht nur langsam weicht“! Möge endlich auch über Tirol die Sonne des Geisteslichtes aufgehn, das dem armen Volke sein wahres Glück nicht mehr blos in einer Anweisung auf den Himmel, sondern auch schon in seiner schönen irdischen Heimath zeigt und giebt! H. v. C.     

[585]

Zwei schwedische Schriftstellerinnen.

Von Robert Byr.

Wie still ist Schweden geworden, wie schweigsam! So dachte ich, als ich am Tage nach meiner Landung in der Heimath der Wikinger vor den beiden unweit von einander gelegenen Buchhandlungen Jönköpings nach meiner alten Gewohnheit stehen blieb und die Bücher in den Auslagen musterte. Nicht ein deutsches war darunter, aber merkwürdig! ich fand auch nur einen einzigen schwedischen Autor vertreten. Von Starbräck – der Name klang mir vollkommen unbekannt – war ein in Stockholm erschienener historischer Noman „Engelbrecht Engelbrechtson“ ausgelegt, die Geschichte also jenes muthigen Dalarner Bauers, der 1435 mit Hülfe seiner Genossen die Tyrannei Dänemarks brach.

Außerdem hörte ich in der Romanliteratur kaum noch von neuen Erscheinungen. Der alte in Linköping lebende Wetterbergh, der Schöpfer so vieler trefflicher Genrebilder, ist gleich andern verstummt, er ist des Schreibens müde geworden, wie Flygare-Carlén; Marie Sophie Schwarz aber – die einzige fleißig fortarbeitende Schriftstellerin Schwedens, seit Friederike Bremer starb – scheint beinahe mit ihren Landsleuten zu schmollen und veröffentlicht ihre neuen Werke volle drei Jahre früher in deutscher Uebersetzung, ehe dieselben in schwedischer Ausgabe erscheinen. Ich glaubte sie sogar nach Angabe ihres deutschen Verlegers in Berlin auf einer längern Reise durch Süddeutschland begriffen und war nicht wenig überrascht, als mir gelegentlich die Auskunft wurde, daß sie ebenso wie Frau Flygare-Carlén in Stockholm wohnhaft und momentan auch da anwesend sei.

Herr B., der Besitzer des größten Bücherverlags in Stockholm, gegen den ich den Wunsch äußerte, daß ich die beiden Frauen, deren Werke ich ja fast alle kenne, nun auch sehen möchte, schaffte dazu in der freundlichsten und dienstfertigsten Weise Rath.

Als wir einige Tage später, bald nach der Mittagsstunde, zu dem angesagten Besuche aufbrachen, meinte B. mit gutmüthig spöttischem Lächeln: „Nur machen Sie mir keinen Krakeel, wie dies schon einmal mit Theodor Mügge passirte, den ebenfalls ich zu Frau Carlén brachte, und der im höchsten Grade ungehalten darüber war, daß sie weder seinen Namen, noch ein Buch von ihm kannte. Er verhehlte ihr durchaus nicht, daß er ihr das gewaltig übel nehme, und es kam darüber zu sehr lebhaften Auseinandersetzungen, die für mich noch weit komischer gewesen wären, hätte ich dabei nicht das peinliche Gefühl des Einführenden gehabt.“ – „Mügge,“ fuhr er fort, nachdem ich eingeschaltet hatte, daß derselbe ja erst später und hauptsächlich durch seine Erzählungen aus Norwegen berühmt geworden sei – „Mügge verlangte nichts desto weniger schon damals große Aufmerksamkeit, wiewohl seine Arbeiten noch gar nicht in’s Schwedische übersetzt waren, und da er gerade in jene Zeit kam, wo der Skandinavismus hier hohe Wellen schlug und die Deutschen nicht besonders beliebt waren, fühlte er sich zurückgesetzt, zu wenig beachtet, während er erwartet haben mochte gefeiert zu werden, und so ging er denn voll Groll und wußte über Schweden kein gutes Wort zu sagen, indeß er Norwegen hoch in den Himmel erhob. Dort war alles gut und schön, Natur und Menschen, Anlagen und Einrichtungen. Ich hoffe,“ schloß Herr B. halb ernstlich, halb scherzhaft mißtrauisch, „Sie werden mich nicht ebenfalls in eine derartige Verlegenheit bringen. Man darf auch Frau Carlén dafür nicht zur Verantwortung ziehen, daß sie nicht deutsch spricht; sie kennt blos ihre Muttersprache.“

„Dann wird das eine eigenthümliche Conversation zwischen uns geben,“ mußte ich unwillkürlich ausrufen; doch die Bereitwilligkeit, mit der Herr B. sich zu unserm Dolmetscher erbot, flößte mir wieder Zuversicht ein, und so betraten wir denn, da wir mittlerweile an Ort und Stelle gelangt waren, das Haus, welches in Ladugardslandet (ein Stadttheil von Stockholm), wenn ich nicht irre, in der Kaptensgata liegt.

Auch die schwedischen theilen das Loos der deutschen Schriftsteller und wohnen drei Treppen hoch, um dem Himmel näher zu sein, der ihnen ja, so oft sie kommen, offen ist, indeß sie ihren glücklicher situirten Collegen in Frankreich und England das schöne Vorrecht überlassen müssen, in der eigenen Villa oder Cottage fürstliche Gastfreundschaft zu üben.

Die Wohnung, in welche wir geführt wurden, war mit einer gewissen alterthümlichen Pracht ausgestattet. Beide Salons enthielten Möbeln, wie man sie in der Regel nur in Fürstenschlössern findet, von vergoldetem Holzwerk mit reichen Seidendamastüberzügen. Es blieb uns nicht lange Zeit, die ungewöhnliche Einrichtung zu mustern, denn die Dame des Hauses war uns alsbald nach unserm Eintritt auf das Freundlichste entgegengekommen und hatte uns mit einem etwas ceremoniösen Knix empfangen, der aber von einem so liebenswürdigen Lächeln begleitet war, daß er durchaus nicht den Eindruck gezwungener Steifheit machte. Im Gegentheil man fühlte sich der zierlichen alten Frau gegenüber sogleich behaglich, um so mehr, als unser Besuch früher angemeldet und daher die Vorstellung rasch vorüber war.

Die berühmte Schriftstellerin gemahnt in ihrem Aeußern durch nichts an ihren Beruf, aber auch das Hausmütterliche, das man, in Erinnerung an ihre Schriften, zu finden erwartet, tritt in ihrer Erscheinung nirgends hervor. Sie ist eine nette kleine Dame von matronenhafter Fülle, aber zarten Gliedern, besonders die Fingerchen an den kleinen weißen Händen sind winzig fein. Das freundliche runde Gesicht mit den klugblickenden schönen dunkeln Augen trägt noch einen stattlichen dunkeln Scheitel, der, nur von wenigen Silberfäden durchzogen, des darüber fallenden Spitzenschleiers eigentlich nicht bedarf. Sie trug ein glattes schwarzes Seidenkleid, und zu der einfachen Nettigkeit ihrer Erscheinung stimmte die ruhige Vortragsweise und ihre wohllautende Stimme. Sie sprach so langsam, mit genauer deutlicher Betonung einer jeden Silbe, daß ich ganz gut ihren Worten zu folgen vermochte. In keiner Weise machte sie den Eindruck einer schon zweiundsechszigjährigen Frau, und doch ist sie im August 1807 geboren. Ihr Vater, Roger Smith, war Kaufmann in Strömstad, und die eigenthümliche Lage dieses kleinen Badeorts in den Scheeren der Westküste Schwedens blieb nicht ohne Einfluß auf die Phantasie des kleinen lernscheuen Mädchens, das sich – zu jung, um mit den erwachsenen Geschwistern Arbeit und Erholung zu theilen – träumerisch an dem kleinen Hafen und zwischen den kahlen Felsen, an denen sich die brandende Woge bricht, wie eine verscheuchte Möve herumtrieb. Das Leben der Fischer, Schiffsleute und das kleine trauliche Familienleben im warmen engen Holzhause prägte sich dem jungen empfänglichen Gedächtniß ein und dieses brachte all’ die treu beobachteten, lebenswahren Bilder hinterher wieder und stattete damit so manche von den später erschienenen Geschichten reich und glücklich aus. Bevor es aber dazu kam, hatte die kleine Möve einen eigenthümlichen Lebens- und Bildungsweg zurückzulegen, der ihr den Mangel der Schule ersetzen mußte. Mit zwanzig Jahren wurde sie die Gattin des Doctor Axel Flygare und zog mit ihm nach Smaland, wo er die Stelle eines Bezirksarztes bekleidete. Ein Sohn und eine Tochter waren die Frucht dieser glücklichen Ehe, die aber schon nach sechs Jahren durch des Gatten Tod ihr Ende fand.

Das Schicksal schien die junge Wittwe zu verfolgen, denn eine zweite Verbindung wurde kurz vor deren Abschluß durch den plötzlichen Tod des Bräutigams – des Rechtsanwalts Reinhold Dalin – unmöglich gemacht. Der Umgang mit diesem ausgezeichneten Mann, den Frau Carlén selbst „überaus geistreich, wenn auch excentrisch“ nennt, war, wie sie selbst zugiebt, ungemein fördernd für ihr geistiges Leben und ihre literarische Entwickelung. Bald nach diesem Unglücksfall traf sie noch ein neuer Verlust, der ihrer geliebten Tochter.

Nun suchte sie Trost und Milderung ihres Leides in der Arbeit. Ihr Roman „Waldemar Klein“ erschien und wurde vom Publicum wie von der Kritik begeistert aufgenommen. Dieser leichte und rasche Erfolg bewog sie zur Uebersiedelung nach Stockholm, und hier schloß sie endlich die Ehe mit ihrem zweiten Manne, dem jetzt noch lebenden Schriftsteller Johann Gabriel Carlén. Ihr Autorname vereinigt die Namen beider Gatten.

Eine lange Reihe von Büchern ist das Ergebniß ihrer Thätigkeit. Jedes Jahr beinahe erschienen zwei ihrer mehrbändigen Romane, und trotzdem könnte ihnen auch der strengste Kritiker gerade Flüchtigkeit und Oberflächlichkeit nicht zum Vorwurfe machen. [586] Composition, Anlage wie Ausführung zeigen im Gegentheil, daß sich der emsig schaffende Geist mit ganzer Hingebung in die Arbeit versenkte. Das Jahr 1853 erst steckte ihrer Thätigkeit ein Ziel. Damals starb ihr der Sohn – Edvard Flygare – und mit ihm all’ die reiche Hoffnung, welche das zärtliche Mutterherz in dies aufkeimende Talent gesetzt, und alle Freude am eigenen Erfolg, an der eigenen Arbeit. Es war ein Act der Pietät, daß sie des Hingeschiedenen zurückgelassene Versuche in der Literatur ergänzte und unter dem Titel „Aus der Fremde und Daheim“ herausgab. Das Buch ist ein Grabstein, auf dem eine Thräne aus dem Mutterauge glänzt.

Emilie Flygare-Carlén selbst hat nur ein Buch nach jahrelangem Schweigen noch geschrieben: „Das Handelshaus in den Scheeren“ und seitdem blieb sie stumm. „Es wird auch mein letztes bleiben,“ sagte sie mir, „es ist damit vorbei.“ Ihr freundliches Auge blickte dabei heiter, und durchaus nichts von schwerer Resignation klang in ihren Worten nach. Der Entschluß war offenbar das Ergebniß einer Stimmung, nicht eines Kampfes. Ebenso ungezwungen und frei von aller Autoreneitelkeit fragte sie, ob wir den Schreibtisch nicht sehen wollten, an welchem sie alle ihre Werke geschrieben. Mit gütigem Lächeln schritt sie uns voran in ihr unmittelbar anstoßendes Arbeitscabinet. Es ist dies ein kleines Zimmer mit nur einem einzigen Fenster, durch das man aber eine freie Aussicht auf grüne Bäume genießt; an demselben steht der einfache Schreibtisch, auf welchem gewissenhafte Ordnung herrscht, so daß es aussieht, als wäre er wirklich Jahre lang nicht benutzt worden. Blos einige aufgeschlagene Bücher zeugen vom Gegentheil, sonst liegt keine begonnene Arbeit, kein halbbeschriebenes Blatt, kein Papier mit Notizen oder dergleichen umher. Und so ordentlich und freundlich ist das ganze Zimmerchen, das deshalb aber doch nicht den Eindruck einer strengen Arbeitsstube macht. Es ist ebenso weit davon entfernt, wie von der Frivolität eines Boudoirs, in welchem eine Modedame träumerisch und zerstreut mit Migräne und Langeweile ihre Morgenbesuche zu empfangen pflegt. Im Hintergrunde ein Sopha mit einigen Stühlen, unweit des Schreibtisches eine Chaiselongue mit derselben blaugrauen geblümten Seide überzogen, von welcher die Vorhänge am Fenster sind, ein Glasschrank für Bücher und an den Wänden Muscheln, große Palmfächer und andere chinesische und indische Spielereien, wie sie die Schifffahrer von ihren weiten Reisen mitzubringen pflegen, offenbar Geschenke, an die sich liebe Erinnerungen knüpfen.

Die Frau vom Hause erschloß uns den Bücherschrank, er enthielt blos eine Sammlung der verschiedenen Ausgaben und Uebersetzungen ihrer Werke; nichts weiter. Ich zweifle, daß der Kasten alle enthielt, denn in den fünfzehn Jahren unausgesetzter Thätigkeit hat die Schriftstellerin nahezu dreißig mehrbändige Werke vollendet. Sie hat es dabei verstanden, sich niemals zu wiederholen und sowohl in der Schilderung großer Erregungen und Erlebnisse, wie in der sorgfältigsten Detailmalerei stets neu, interessant und spannend zu bleiben, ohne daß sie deshalb zu so scharfschmeckenden Hülfsmitteln wie der moderne englische Sensations-Roman gegriffen hätte. Die innere Wahrheit und die tief auf das Gemüth wirkende Einfachheit ihrer Schreibweise hat ihr die Herzen all’ ihrer Leser gewonnen, und deren sind Legion.

Gutmüthig lächelnd nahm sie mein Bedauern hin, das ich über ihr vorzeitiges Zurückziehen von dem Felde aussprach, auf welchem sie sich vom ersten glücklichen Versuch an siegreich behauptet hatte.

„Ich werde vielleicht noch die in Zeitschriften verstreuten kleineren Arbeiten sammeln, sie mögen immerhin einige Bände geben,“ sagte sie nickend. „Uebrigens,“ fuhr sie mit einem leisen spöttischen Zug um den Mund fort, „hat man mir jetzt andere Aufgaben aufgebürdet, ich muß jetzt lesen – lesen.“

Sie war nämlich einer der Preisrichter bei einer Concurrenz, welche ein namhaftes Journal für die beste Novelle ausgeschrieben hatte. Ueber ein halbes Hundert Bewerber hatten sich, wie sie uns mittheilte, gemeldet, und durch alle die Arbeiten hatte sie sich hindurchlesen müssen. Sie waren so mittelmäßig, daß die übrigen Richter gar keiner den Preis zugestehen wollten. Flygare-Carlén war die einzige, die dennoch darauf drang.

„Man würde glauben,“ erklärte sie, „ich hätte aus Neid behauptet, es fände sich keine preiswürdige darunter, weil ich selbst Schriftstellerin bin, und doch würde ich mich selbst am meisten freuen, ein junges Talent fördern zu können. Heute Abends ist der Termin zur Preisertheilung, und ich werde darauf bestehen, daß sie erfolge.“

Ich begriff ihr feines Zartgefühl, konnte mich aber doch der Aeußerung nicht enthalten, daß Preisausschreibungen noch selten die Production gehoben hätten, und daß sie ja gerade durch ihr selbstauferlegtes Schweigen über allen Verdacht des Neides erhaben sei, den Preis an einen Unwürdigen geben aber das Publicum irre führen und die Talentlosigkeit ermuthigen heiße.

Wir schieden trotz dieses Einwurfs ganz in Frieden, und die liebe alte Frau wünschte uns in der herzlichsten Weise schönes Wetter für die Fortsetzung unserer Reise nach Norwegen. Sie entließ uns abermals mit einem Knix, nachdem sie uns – wahrscheinlich all’ ihre französischen Sprachkenntnisse aus Gefälligkeit aufbietend – in Bezug auf unsern Besuch versicherte: en grand plaisir.“

Ihr Gatte war zur Zeit nicht zu Hause und ich habe daher seine Bekanntschaft nicht gemacht, so interessant es mir gewesen wäre, den Mann zu sehen, der dies edle, geistreiche und vielbegehrte Weib in einer langen glücklichen Ehe alle schweren Prüfungen und Erlebnisse vergessen lehrte, oder ihr doch so muthig und kräftig ertragen half, daß sie keinen trübenden Schatten in diesem schönen Gemüthe, auf dieser freien Stirn zurückließen.

Während wir noch über den empfangenen Eindruck sprachen, hatten wir auch schon das in demselben Stadttheil gelegene Haus erreicht, dem unser zweiter Besuch an diesem Tage zugedacht war. Wir waren aber unvermerkt in eine so lebhafte Erörterung gerathen, daß wir auf der Straße stehen blieben, um unser Hin- und Widerreden nicht zu unterbrechen, ehe wir damit zum Abschluß gelangt. Unser Eifer erregte ziemliches Aufsehen und zog die Neugierigen an’s Fenster, wir aber ließen uns nicht stören. Es galt einem kritischen Meinungsaustausch über den literarischen Werth dreier Schriftstellerinnen. Die eine hatten wir soeben gesehen, die beiden anderen waren Fräulein Marlitt und Frau Marie Sophie Schwarz; die letztere sollten wir nun kennen lernen. In wie fern die drei Autoren zusammengestellt werden konnten, wird jeder Leser, der sie kennt, sich selbst erklären. Kein anderer steht dem deutschen Romane durch Stimmung und Redewendung, durch Nationalsitte und Anschauung so nahe wie der schwedische, und eben deshalb spricht er auch das deutsche Publicum so sehr an. Ich erfuhr da nun zu meinem Erstaunen, daß die letztgenannte der drei Schriftstellerinnen in ihrem Vaterlande bei weitem nicht den großen Anhang wie in Deutschland zähle, und daß über ihre Leistungen mitunter sehr strenge Urtheile laut würden. Sie theilt gewissermaßen das Loos Sir Lytton Bulwer’s, über dessen Werke man in England auch lächelnd die Achseln zuckt.

Allerdings war Frau Schwarz seit dem Erscheinen ihres ersten Buches ungemein fleißig und zahlreiche Bände flossen seitdem alljährlich aus ihrer Feder, aber die Berechtigung dazu liegt in dem nicht abnehmenden Beifalle des Publicums und vielleicht auch in ihren pecuniären Verhältnissen; keineswegs aber darf behauptet werden, daß sie ihre Leser langweile, wie man ihr dies zum Vorwurfe macht. Mit einem gewissen Behagen wird eine Anekdote erzählt, die als Beweis des allgemeinen Urtheils gelten soll.

In einem deutschen Badeorte, wo sich Frau Schwarz vor einiger Zeit aufhielt, saßen unweit von ihr und ihrer Begleiterin zwei Schweden, die sich in ihrer Muttersprache unterhielten und hier ganz unbelauscht glaubten. Da geschah es denn nun, daß der Eine, unangenehm durch einen Vorschlag berührt, ausrief:

„Warum nicht gar! Das ist ja so langweilig wie ein Roman der Marie Sophie Schwarz.“

Es mag nicht angenehm sein, sich so das Urtheil sprechen zu hören, die Scene wurde aber dadurch noch peinlicher, daß die Begleiterin, in einer Anwandlung von Unmuth und unzeitiger Ritterlichkeit, aufsprang und den Herrn ob seiner Aeußerung zur Rede stellte, indem sie das Incognito der Schriftstellerin verrieth.

Ich weiß nicht, ob dieselbe Ursache hat, sich das auf diese Art laut gewordene Urtheil eines Einzelnen so zu Herzen zu nehmen, um darnach – sei es in scheuer Befangenheit, oder in verletztem Stolze – ihren Landsleuten die neuen Producte ihrer fruchtbaren Phantasie vorzuenthalten. Jedenfalls aber darf sie Anspruch auf Beachtung ihrer Werke machen und derselben wohl [587] auch von einem großen Theile ihrer eigenen Nation versichert sein. Sie ist die einzige noch arbeitende Schriftstellerin Schwedens, und was man auch gegen weibliche Autoren vorbringen mag, das Eine wird ihnen selbst der schärfste Gegner lassen müssen, daß sie das Anknüpfen und Weiterspinnen der Herzensangelegenheiten so feinfühlend und scharfbeobachtend auszumalen verstehen, wie dieses einem Manne niemals gelingen wird. Das Gefühlsleben ist das Terrain, auf dem sie vorzügliche Führerinnen sind, und selten dürfte ein Autor mit so geringen Mitteln, in so engen Grenzen, eine so wohlthuende Spannung hervorrufen, wie dies in der schönen Eigenthümlichkeit einer Schriftstellerin liegt, die nicht mit verletzender Emancipationssucht über diese streng gezogenen Grenzen hinaus will. Große Schritte und heftige Geberden lassen den Damen einmal nicht gut. Und gerade die schwedischen Schriftstellerinnen zeigen ganz besonders diesen natürlichen Tact, diese unbestreitbare weibliche Anlage auf’s Ansprechendste entwickelt. Was aber Marie Sophie Schwarz noch überdies auszeichnet, das ist die lobenswerthe klare sittliche Tendenz, die all’ ihren Arbeiten zu Grunde liegt. Sie sucht in jedem Werke mit redlichem Willen und klarem Geist eine sociale oder ethische Frage zu lösen, und das Ergebniß ist ein gesundes tüchtiges, während man den Versuchen der verstorbenen Friederike Bremer nicht dasselbe nachsagen kann. Diese, wie so manche andere, in ihren spätern Jahren bigott gewordene Dame hat als schönste Blüthe am Baume des Glaubens und des sittlichen Lebens die Entsagung gepriesen. Das Aufopfern der irdischen Liebe für ein Hingeben an die Menschheit und eine himmlische Mission war der Text ihrer Predigten in Romanform. Als Ideal eines Mädchens galt ihr dasjenige, welches die Vereinigung mit dem Geliebten aufgiebt, um als Lehrerin in einer Schule zu wirken, und dieses krankhafte Ideal übertrug sie an einen weiten Kranz theils schon für die Freuden der Welt und für thatkräftiges Eingreifen abgestorbener, theils noch sentimental in den Kinderschuhen einherwandelnder Leserinnen. Bei letzteren vornehmlich bewirkte sie viel Unheil, sie leitete die empfänglichsten Gemüther in schiefer Richtung und trug die Schuld an viel Ueberspanntheit und falscher Schwärmerei. Ich zähle solche Bücher, die sich im Gewande der Moral und eines bestechenden Styls in die Familien schleichen und als patentirte Mädchenlecture betrachtet werden, zu den allergefährlichsten.

Die Romane von Marie Sophie Schwarz darf aber so wie die der Flygare-Carlén jede Mutter ungescheut ihrem Kinde in die Hand geben. Das Leben wird hier nicht unter einem die Strahlen der Wahrheit beugenden Prisma gezeigt, und Geist und Charakter bildet sich daran nicht für eine verschrobene ideale, sondern für die Welt, wie sie ist.

Und nun ziehen wir die Glocke, um die Frau, von der wir so viel sprachen, auch von Angesicht zu Angcsicht kennen zu lernen.

Ein hübscher, eleganter junger Mann öffnete uns die Thür der Wohnung und wies uns in das Besuchzimmer, wo er uns allein ließ, um seiner Mutter – wie ich vermuthe – unsere Ankunft mitzutheilen. Ich erschrak fast, als Frau Schwarz nun eintrat, daß ich ihr einen so erwachsenen Sohn zugeschrieben hatte, so wenig machte sie mir den Eindruck einer ältern Frau. In ihrem einfachen Hauskleide, mit ihren schlicht geordneten Haaren und den wohl nicht schönen, aber ansprechenden Zügen, erschien sie mir kaum vierzigjährig.

Doch ist sie schon über dies Alter hinaus. Marie Sophie Birath wurde 1819 zu Bovas in Westgothland geboren und schon in früher Jugend Waise. Bald darauf starb auch ihr Oheim, der für ihre Erziehung gesorgt hatte, und ließ seine Wittwe mit dem zehnjährigen Pflegekind in großer Dürftigkeit zurück. Da es sich für die Kleine darum handelte, einen Beruf zu wählen, der ihre Existenz sicher stellte, entschied sie sich für die Malerkunst, und die Aufmunterung und Hülfe einiger Freunde der Familie machten ihr es möglich, ihrem Wunsche zu folgen, zu welchem sie ein ausgesprochenes Talent berechtigte. Sie malte Landschaften, und Schwedens kunstsinniger König selbst hat einige aus späterer Periode stammende Bilder von ihr angekauft, die in der kleinen Galerie nordischer Maler im Schlosse ihren Platz fanden. Doch schon früher, als die junge Künstlerin erst siebenzehn Jahre zählte, ging in Folge einer schweren Krankheit mit ihrem Gemüthe eine merkwürdige Wandlung vor sich. Das früher heitere Mädchen wurde schwermüthig und träumerisch, und um die bedrückte Seele zu erleichtern, gewissermaßen um sich von den unaufhörlich auftauchenden, durch die Farbe nicht wiederzugebenden Bildern zu befreien, griff das kaum zur Jungfrau gereifte Kind zur Feder und schrieb – aber ganz für sich allein im Stillen und Verborgenen.

Im Jahre 1840 verheirathet, mußte die junge Frau für einige Zeit all’ ihren gewohnten Beschäftigungen entsagen, denn ihr Mann, der in Stockholm lebende Professor G. Schwarz, hegte trotz seiner großen Gelehrtheit und geistigen Bildung einen eigenthümlichen Widerwillen gegen die schönen Künste, vor Allem aber gegen die öffentliche Bethätigung derselben von Seiten der Frauen. Es kostete dem schaffensfreudigen Geist einen schweren Kampf, bis dies Vorurtheil soweit beseitigt war, daß nach elf Jahren die erste Novelle von Marie Sophie Schwarz gedruckt erscheinen durfte, und da diese allgemeine Anerkennung fand, legte ihr der Gatte keine Hindernisse mehr in den Weg, jedoch waren diese Werke blos mit den Anfangsbuchstaben ihres Namens oder mit einem Pseudonym gezeichnet; erst nach dem im Jahre 1858 erfolgten Tode des Professors, als auch die Beschränktheit ihrer Lage eine erhöhte schriftstellerische Thätigkeit nöthig machte, trat sie mit ihrem vollen Namen in die Oeffentlichkeit.

Seither erschienen in rascher Folge ihre Arbeiten, deren Zahl nicht mehr weit hinter den gesammten Werken ihrer Vorgängerin Emilie Flygare-Carlén zurückbleiben dürfte, und es macht sich noch kein Nachlaß ihrer erstaunlichen Productivität fühlbar. Dank derselben genießt die fleißige Schriftstellerin jetzt einer gewissen Wohlhabenheit, die sich auch in der hübschen Wohnung, in der einfachen, aber netten Ausstattung widerspiegelt. Wir fanden die Frau vom Hause halb und halb zum Aufbruch gerüstet, sie theilte uns mit, daß sie einen Ausflug nach Norwegen beabsichtige, wo sie einen reichen Genuß für ihr künstlerisches Auge zu finden hoffte. Dies Auge, tief und sinnig, verräth aber auch die ungewöhnliche Begabung. Sein weicher Blick mildert den sonst fast zu herben Ernst der etwas männlichen Züge und giebt ein schönes Zeugniß für ein reichbegabtes Gemüth, wie das kräftig vorgeschobene harte Kinn auf Festigkeit des Willens und charaktervolle Ausdauer schließen läßt.

Nach den gewöhnlichen Fragen, welche der ersten Begrüßung folgten, führte unser freundlicher Begleiter die Unterhaltung, die hier ebenfalls schwedisch geführt werden mußte, obwohl Frau Schwarz deutsch wenigstens versteht, wieder auf das Thema zurück, welches uns auf der Straße so sehr beschäftigt hatte. Er nannte Fräulein Marlitt, deren Goldelse kurz nach dem Erscheinen in der „Gartenlaube“ bei ihm selbst in schwedischer Uebersetzung aufgelegt wurde und auch jenseits der Ostsee viele Leser fand. Ich sah da ein merkwürdiges Phänomen, und hätte ich es nicht schon aus ihren eigenen Büchern herausgelesen, dies Phänomen hätte mich von dem guten neidlosen Herzen der schwedischen Autorin überzeugt.

Ehrlich und rückhaltslos lobte da eine Schriftstellerin die andere, ja sprach mit Begeisterung von ihren literarischen Erzeugnissen, an denen sie alle Vorzüge in ein helles Licht zu setzen bemüht war. Ein freundliches Lächeln verschönte dabei ihre Züge und ein Blick der lebhaftesten, aufrichtigsten Freude und Anerkennung leuchtete aus den früher gewiß scheuen Augen. Das war kein erkünsteltes Lob, mit dem man sich selbst das größere zu ertheilen gedenkt, das war das glückliche Aufjauchzen einer edlen Seele, die eine Schwester gefunden zu haben glaubt, mit der sich zu verständigen ihr vielleicht nur das Mittel einer gemeinsamen Sprache fehlt.

Ich ging mit der Empfindung, an einem Tage zwei Schriftstellerinnen kennen gelernt zu haben, die – was auch das Urtheil über ihre Wirksamkeit sein mag – nicht aus Eitelkeit, sondern mit warmem, redlichem Willen schufen und dabei das Wichtigste nicht vergessen haben, daß sie Frauen sind. Sie haben sich das Schönste gewahrt: die echte Weiblichkeit.



[588]
Zur Eröffnung der Jagd.
Randzeichnungen von Simmler.


Die Anstellung der Schützen.
„Hier, junger Herr, kommt Ihnen nichts aus.“




Treppenlose Musterhôtels.


Es giebt jedes Jahr Zeiten, namentlich in großen Städten, wo anständigerweise Niemand zu Hause sein darf. Man frage während des Juli in Berlin reiheherum vor allen Thüren der Standes- und Geldaristokratie und sie bleiben geschlossen, oder ein dienstbarer Geist eröffnet uns die Thür mit der Kunde: „verreist – im Bade!“

Nach dem Schlusse des Parlaments werden Tausende von Fenstern in London blind und zeigen nur das Weiße oder festgeschlossene Lider. Dies gilt mehr oder weniger von allen Hauptsitzen der Civilisation, welche während der Wintermonate immer so viel Gesundheit, Nerven- und Muskelkraft verzehrt, daß durch ein Bad, eine Ferienreise wieder neues Futter für die unersättlichen Dämonen der Arbeit und des Genusses gesammelt werden muß. Außerdem giebt es das ganze Jahr hindurch Tag für Tag auf Tausenden von Eisenbahnstationen pfeifende und dampfende Gelegenheit, die immer mehr zur Wahrheit werdende Freizügigkeit zu benutzen. Angebot und Nachfrage, die souveränen Gewalten des Handels und der Cultur überhaupt, bemächtigen sich auch der Menschen und behandeln sie als Waare, die von Orten des Ueberflusses wohlthätig nach Gegenden des Mangels verdampft und verschifft wird. Darin liegt zugleich der einzig richtige Weg für täglich frische Lösung der sogenannten socialen Frage und des in Socialistenköpfen spukenden Kampfes zwischen Arbeit und Capital, ebenso der Strikes. Capitalien, Arbeitskräfte und Menschen überhaupt

[589]

Ein in der Dressur verschlagener Hund.

Ein verlorener Posten.

Der bequeme Schütze.

[590] werden immer flüssiger und freizügiger und stellen sich immer mit Dampfgeschwindigkeit oder sogar blitzschnell gern da ein, wo sie am willkommensten sind, den meisten Werth haben und die besten Werthe schaffen können. Der Zu- und Abzug von Menschen in großen Städten beträgt schon wöchentlich mehr oder weniger Tausende. Noch mehr Tausende kommen und gehen in Geschäften, zum Besuche und Vergnügen. Unsere höchste Civilisation nimmt sozusagen wieder einen nomadischen Charakter an. Auf den Höhen derselben ist man schon nirgends mehr recht, und zugleich überall zu Hause.

Unsere Potentaten haben in den Ländern umher Jeder Dutzende von Schlössern, die Kaufmanns- und Industriefürsten ihre Landsitze, städtischen Privatwohnungen und unter den verschiedenen Längen- und Breitengraden Filiale ihrer Weltgeschäfte. Kurz, ein ewiges Kommen und Gehen Tag und Nacht das ganze Jahr hindurch. Nirgends mehr eine ruhige, feste Heimath mit ihrer Gemüthlichkeit und Herzensbefriedigung. Die Miethscasernen in den großen Städten haben selbst etwas Beunruhigendes, so daß mindestens alle halbe Jahre massenhafte Aus- und Einwanderungen aus einer in die andere Wohnung entstehen und in Berlin allein während der ersten April- und Octobertage mehr Menschen ziehen, als einst Moses Kinder Israels aus Aegypten führte. In Amerika ist es bereits so weit gekommen, daß nicht nur viele Menschen, sondern auch ganze Familien gar nicht mehr in Privatwohnungen, sondern blos in prachtvollen Hotels aus- und einziehen.

Der Nomadencharakter unserer höchsten Civilisation und diese Tag und Nacht ununterbrochen waltende Freizügigkeit erhebt unsere Hôtels zu einer der wichtigsten, unentbehrlichsten und segensreichsten Institutionen unserer Zeit, besonders seitdem die Ruhe, Bequemlichkeit und Sicherheit einer wirklichen Heimath in diesen Miethscasernen unserer großen Städte mehr oder weniger zur Fabel geworden sind. Unsere Unterschrift auf einem der sogenannten Fuhrbach’schen Miethscontracte in Berlin ist unter Umständen schlimmer, als wenn wir mittelalterlich Leib und Seele mit Blut dem Teufel verschrieben. Der Wirth mit etwas teuflischem Charakter hat damit die Gewalt, uns zu jeder Tages- und Nachtzeit körperlich und geistig zu quälen und uns sogar zu exmittiren. Was er nicht thut, besorgen nicht selten die aus allen Bildungs- und Rohheitsgraden zusammengewürfelten Mitbewohner unter, neben und über uns; dazu die Leierkasten, Bettler, Diebe, Einbrecher, Einkommen- und Miethssteuersammler, die bösen Geister, welche durch Schlüssellöcher, aus Abzugsröhren und Gossen vor unseren Fenstern sich als zehrende und würgende Aftermiether eindrängen. In diesen Höllen zwischen unseren vier Pfählen sind wir immer auf lange Zeit gebunden.

Das Hôtel in neuester Vollkommenheit empfängt uns schon auf dem Bahnhofe hochachtungsvoll und ladet uns in den bequemen Salon-Omnibus ein. Vor der prachtvollen Hôtelthür nehmen uns und unser Gepäck flink und gewandt dienstbare Geister auf und heben uns wie durch Zauberei zu der Etage empor, in welcher wir nach unserer Wahl und unseren Mitteln auf Tage oder blos Stunden in unbeschränkter Freiheit wohnen wollen. Wir finden sofort jede Bequemlichkeit eines eigenen Heerdes und zwar meist in der vollkommensten Verwendung aller betreffenden Erfindungen für unser persönliches und häusliches Wohl, die elektrische Klingel, den schnellen Erfolg der Haustelegraphensprache, die beste Gesellschaft oder ungestörte Einsamkeit, ein Bad, Lesezimmer, einen künstlerisch gedeckten und mit einer Auswahl der schmackhaftesten Speisen und Getränke bedienten Tisch und überhaupt mehr, als wir in der theuersten und besten Wohnung des aristokratischsten Stadttheils erwarten dürfen. Dies gilt freilich bis jetzt nur von einer geringen Zahl der ersten unter den Hôtels erster Classe, aber bei dem Wetteifer auf diesem Gebiete können wir hoffen, daß sich diese und andere Vorzüge immer allgemeiner einfinden und namentlich auch die sogenannten Familienhôtels soweit entwickeln werden, bis die Gemüthlichkeit eigenen Heerdes und die Schwungkraft unbeschränkter Freizügigkeit sich darin miteinander vereinigen.

Ich weiß nicht, wie viele Hôtels bis jetzt diesem Ideale am nächsten kommen, aber ich kenne wenigstens zwei, welche dafür als Muster gelten. Die berühmten riesigen Paläste Amerika’s haben blos den Vorzug noch größeren Umfanges, wogegen ihnen viele innere Schönheiten für das Gemüth und persönliche Genügen abgehen. Sie haben z. B. noch Treppen. Diese sind im Vergleich zu meinen Idealen in Brighton und Berlin ein überwundener Standpunkt. Statt der Treppen verlange ich Salon-Omnibus zwischen den verschiedenen Etagen, wohl verstanden, nicht für jedes Hôtel, welches mich aufnimmt, sondern für meine Ideale von Hôtels. Ich rechne auf diesem Gebiet auch gleich unsere besten Privathäuser und besonders große Industriewerkstätten hinzu, weil ich dann für die künftige Menschheit ungeheure Summen von Zeit und Muskelkraft für bessere Zwecke spare.

Men erstes verwirklichtes Ideal-Hôtel erhebt sich Angesichts des wohlthätigen Golfstromes vom atlantischen Meere her zwischen England und Frankreich in der See-Vorstadt Londons, Brighton, wo die Aristokratie des Standes und Geldes nach ihren Herbstausflügen bis zur Wiedereröffnung des Parlaments zu überwintern liebt. Es ist nicht nur das größte, sondern auch das vollkommenste Hôtel Englands, mit den Untergeschossen zwölf Etagen hoch, an welchen unzählige Balcons und Veranda’s malerisch heraushängen und eine wundervolle, unbegrenzte Aussicht über die Wogen des Meeres und die darauf schaukelnden Schiffe und Dampfer gewähren. Von den Schönheiten und Bequemlichkeiten im Inneren will ich nicht weiter reden, da sie vor anderen Hôtels keine auffallenden Vorzüge bieten, aber die Treppenlosigkeit durch alle Etagen und Abtheilungen des riesigen Bauwerks hindurch und deren Ersatz durch fünf hydraulische Omnibusse verdient Anerkennung und Nachahmung.

Hydraulische Omnibusse? Was bedeuten diese aus zwei alten Sprachen zusammengekoppelten Worte? Den Omnibus auf der Straße kennen wir, aber solche Fahrzeuge im Hause auf und ab werden Vielen unerklärlich vorkommen. Und nun gar hydraulische, d. h. durch Wasserkraft auf- und abgezogene Omnibusse! Wir wollen die Sache auch für die Uneingeweihten anschaulich zu machen suchen. Eine eingeschlossene Säule von Wasser sucht mit fabelhafter Gewalt des Druckes nach unten ihr Gleichgewicht wieder zu gewinnen. Dieser Druck ist desto größer, je höher die Wassersäule. Durch künstlichen Druck auf eine eingeschlossene Masse Wasser läßt sich der natürliche ersetzen, und wir gewinnen dadurch die für Industrieen aller Art so gewaltige und segensreiche hydraulische Presse. Im Brighton-Hôtel liefert ein bis zur Höhe des Daches mit Wasser gefüllter Thurm alle Pferdekräfte für die fünf Salon-Omnibusse darin. Jede Cisterne auf dem Boden der Häuser mit Wasserleitung kann uns durch geschickt angebrachte Röhren unaufhörlich still und unermüdlich dieselben Pferdekräfte liefern, die wir jetzt durch Auf- und Absteigen auf Treppen in Stiefelsohlen, Beinmuskeln und Lungen mit Zeitverlust vergeuden. Der Wasserthurm im Brighton-Hôtel besteht eigentlich auch blos aus einer großen Cisterne unter dem Dach, welche durch die Wasserwerke der Stadt beständig gefüllt erhalten wird. Der dadurch oben gewonnene Wasserdruck wird durch eine Röhre bis unter die Erde herabgeleitet und durch anderweitige Röhren nach Art der Heber wieder zu Bewegungen nach oben verwendet. Auf diese Weise gewinnt man gleichsam immer zugfertige Pferdekräfte nach oben und unten, welche wieder durch Röhren, Ventile und klingelschnurartige Züge ganz nach Belieben immer sofort oben oder unten angespannt werden können. Die Wagen oder Omnibusse dazu bestehen aus Salons, die schöner und bequemer sind, als die Coupes erster Classe auf unseren Eisenbahnen. Sie bewegen sich innerhalb eines Schachts ruhig und geräuschlos auf und ab und treffen in jeder Etage auf eine thürartige Oeffnung, durch welche man ohne Weiteres aus- und eingehen kann. Bewegung und Stillstand wird durch bloßes Ziehen an einer Art von Klingelschnur immer augenblicklich bewirkt. So lange man zieht, steigt oder fällt der Omnibus und steht augenblicklich still, so wie man losläßt. In weniger als einer Minute können acht Personen gleichzeitig fünfundsechszig Fuß hoch oder tief steigen; der Aufenthalt in jeder Etage nimmt in der Regel nur einige Secunden in Anspruch.

Dies ist der Omnibus für die Gäste. Ein zweiter bewegt sich von den unteren Geschossen bis in die obersten in einer Höhe und Tiefe von sechsundsiebenzig Fuß für die Dienerschaften und das Gepäck oder die Bestellungen der Gäste. Ein dritter läuft von der Küche aus mit den Kellnern und den Kunstwerken der Kochkunst für die Gäste aller Etagen. Der vierte Omnibus bewegt sich zwischen dem unterirdischen Thee- und Kaffeedepartement und dem allgemeinen Gesellschafts-, Kaffee- und Rauchzimmer auf und ab. Der fünfte, kleinste endlich hat das ausschließliche Vorrecht, Zeit und Muskeln zwischen dem Weinkeller und der Schenkbarre zu sparen.

[591] Es wäre der Mühe werth, zu berechnen, wie viel Muskelkraft und Zeit täglich in einem solchen Hôtel mit nur zweihundert Gästen und etwa zwanzig Kellnern und Aufwärtern gespart wird, und diesen Gewinn im Vergleich zu den Treppen in anderen Hôtels und drei- bis vierstöckigen Privathäusern volkswirthschaftlich zu capitalisiren; es kämen jedenfalls viele Millionen von Thalerwerthen heraus, welche jetzt durch den Gebrauch von Treppen verwüstet werden. Wir erwähnen hier nur noch beiläufig, daß die fabelhafte Kraft des Wassers auch bereits in Docks zur Hebung von ungeheuren Schiffslasten und sogar ganzen Schiffen, in Form von Turbinen, statt der Balgentreter für Orgeln, statt des Dampfes für allerhand Maschinen, sogar Nähmaschinen verwendet wird.

Das andere Musterhôtel ohne Treppen finden wir in Berlin unter den Linden. Es ist das Grand Hôtel de Rome des Herrn Mühling, welches von der Lindenecke her noch zugleich zwei anderen Straßen eine prachtvolle Front im italienischen Renaissancestyl zeigt. Korinthische Säulenporticus, geflügelte Greife, die Göttin der Gastfreundschaft, Wappen aller europäischen Staaten, im Innern Kunstschöpfungen der Industrie und der berühmtesten Künstler, Arabesken, Bacchantenzug von Ewald, Morgen und Nacht von Hildebrand, Reliefs von Thorwaldsen und sonstige reiche Farben- und Formenpoesie geben dem ganzen riesigen Bauwerk durchweg den heiteren Charakter eines gelungenen Kunstwerkes, so daß sich auch meist Künstler aller Art und sonstige Vertreter höchster Cultur aus ganz Europa begegnen und im Gesellschaftszimmer, wie im Speisesaal improvisirte internationale Parlamente der Schönheit, Kunst und Wissenschaft bilden. In Bequemlichkeit vereinigt es mehr Vorzüge in sich, als die berühmtesten Hôtels der Erde. In London sind neuerdings wahre Wunderwerke von gastlichen Tempeln durch Actiencapital emporgezaubert worden, und das Grosvenor- und Charingcroß-Hôtel, jedes mit zweihundert Fremdenzimmern, überbieten es auch an Größe, aber solche Vereinigung von Schönheit und allen praktischen Erfindungen für das Wohl der Menschen wie in dem Mühling-Hôtel finden wir nirgends. Man blicke in den Hofraum: das ist ganz der Empfangshof des berühmten Louvre-Hôtel zu Paris und hat dabei den Vorzug eines lichten und leichten Eisendaches von Borsig. Eine weiße Marmortreppe führt durch blitzende Spiegelglasthüren in den Empfangsraum, wo der Fremde sofort auf einem Verzeichniß von verfügbaren Zimmern zugleich deren Preise und überhaupt alles Wissenswerthe schriftlich, mündlich und gedruckt erfahren kann.

Lassen wir alle übrigen trefflichen Einrichtungen, wie möglichst vollkommene Ventilation, Erwärmungs- und Abkühlungs-Apparate, Haustelegraphie und dergleichen Comfort höchster Ordnung als bereits auch anderen guten Hôtels mit eigenthümlich hier unerwähnt, so bleibt diesen Musterhôtels immerhin die eine außerordentlich wichtige sociale, wirthschaftliche und künstlerische Bedeutung, daß alle Erfindungen, welche man für das Wohl der Wohnung, häuslicher und gesellschaftlicher Bequemlichkeit bis jetzt gemacht hat, und die sonst überall nur erst vereinzelt und als Seltenheiten zur Anwendung kommen, sich hier auf eine ebenso künstlerisch schöne als praktisch vollkommene Weise zu einem musterhaften Organismus vereinigen. Für Bauunternehmungen, häusliche Einrichtungen aller Art und sogar zur Lösung der socialen Frage läßt sich daher in diesem Mühling’s-Hôtel manch’ gute Lehre eincassiren, die wir nach Berichtigung unserer Rechnung uns als wirklichen Reingewinn gutschreiben können.




Blätter und Blüthen.


Aquariums-Studien. Das Berliner Aquarium, dessen ausführliche Schilderung wir uns noch vorbehalten, beschränkt sich, wie bekannt, keineswegs auf Wasserthiere, sondern stellt auch andere Geschöpfe, und namentlich eine schon gegenwärtig bedeutende Sammlung von Vögeln zur Schau. Das Fluggebauer, in welchem diese sich befinden, entspricht ihren Bedürfnissen so vollkommen, daß ein großer Theil bereits zum Nisten geschritten ist, während der Rest, insofern je ein Männlein und Weiblein vorhanden, hierzu Anstalten trifft. Dies gilt insbesondere für die Papageien, von denen sich ebenfalls schon mehrere Arten fortgepflanzt haben. Ein Pärchen seltener Zwergpapageien hat zu den nachstehenden Beobachtungen Veranlassung gegeben.

Die Thierchen, welche im Herbste vorigen Jahres erworben wurden, stammen aus Südwestafrika und sind, soviel bekannt, nur ein einziges Mal lebend nach Europa und zwar nach London gelangt. Sie ähneln den ebenfalls in Westafrika lebenden „Unzertrennlichen“, unterscheiden sich jedoch durch bedeutendere Größe, angenehmere Färbung und lebhafteres Wesen. Ihren Namen, Psittacula roseicollis, welcher mit Rosensittich übersetzt wurde, tragen sie nicht ganz mit Recht, da die Färbung ihres Vorderhalses eher in das Pfirsichfarbene als in das Rosenrothe spielt. Ueber das Freileben des Rosensittich liegen keine Angaben vor; nicht eine mal der Verbreitungskreis konnte mit Sicherheit angegeben werden. Um so willkommener war der Erwerb der selbst in den Museen nur einzeln vertretenen Geschöpfe.

So scheu und mißtrauisch die Rosensittiche im Anfange sich zeigten, so rasch gewannen sie sich die Zuneigung ihrer Pfleger. Ihr gewecktes Aussehen, ihre Munterkeit und Regsamkeit mußte für sie einnehmen. Abweichend von anderen Zwergpapageien, trägen, stillen und langweiligen Vögeln, geberdeten sie sich wie große Papageien, Kakadus oder Amazonensittiche, schaueten klug in die Weite, achteten auf Alles, was um sie her vorging, und verfehlten nicht, durch lautes, scharfes Schreien von jedem ihnen ungewöhnlichen Ereignisse Kunde zu geben. In den ihnen gegebenen, mit groben Sägespähnen entsprechend angefüllten Brutkästchen machten sie sich viel zu schaffen, ohne jedoch zum Brüten ernstliche Vorkehrungen zu treffen.

Dies änderte sich, nachdem sie in das Fluggebauer des Vogelhauses gebracht worden waren und sich hier mit allen Einzelheiten des ihnen gewährten Raumes vertraut gemacht hatten. Auch hier waren ihre Brutkasten mit der erwähnten, anderen Papageien sehr erwünschten Unterlage versehen worden; sie bekundeten jedoch bald, daß die Wahl der Niststoffe ihren Wünschen in keiner Weise entsprach, und beeilten sich, dem Mangel abzuhelfen. Fortan sah man sie eifrigst beschäftigt, von den Sitzzweigen Rinden- und Holzsplitter abzuspalten und diese zu Neste zu tragen. Es geschah dies in einer Weise, welche bis jetzt ohne Beispiel dasteht in der Naturgeschichte der Vögel und dem Verstande der kleinen Papageien zu hoher Ehre gereicht. Die Regel ist, daß die zum Neste tragenden Vögel den Niststoff mit dem Schnabel fassen, die Ausnahme, daß sie denselben mit den Fängen packen; unsere Rosensittiche aber befolgten weder die Regel, noch die Ausnahme und zwar aus Gründen, welche sich dem kundigen bei schärferem Nachdenken von selbst ergeben müssen. Sie gebrauchen eben Schnabel und Füße zum Klettern oder Einschlüpfen in die Nisthöhle und begnügen sich, vielleicht aus diesem Grunde mit, die letzterwähnte meist nur mit dem losgebrochenen Mulm der Innenwände auszupolstern. Wie nun verfuhren unsere Rosensittiche? Antwort: nach Art schmuggelnder Weiber, welche das zu verbergende Gut zwischen ihren Kleidern unterbringen. Nachdem sie einen Splitter losgebrochen, faßten sie denselben sachgemäß mit dem Schnabel, sträubten die Federn des Unterrückens, steckten den Splitter dazwischen, so daß er nicht leicht herausfallen konnte, schleißten einen zweiten, dritten ab und so fort, bis sie volle Ladung zu haben glaubten, und flogen nunmehr mit der sauer erworbenen Last vorsichtig zu Neste. Auf diese Art hatten sie sich in verhältnißmäßig kurzer Zeit die nöthigen Niststoffe zusammengeschleppt und begannen nun mit ersichtlichem Vergnügen zu kosen und zu spielen, wie Verliebte zu thun pflegen.

Anfangs Juni lagen Eier im Neste. Männchen und Weibchen schlüpften abwechselnd aus und ein; ihre Gleichfarbigkeit und gleiche Größe machte es aber unmöglich, zu entscheiden, ob beide brüteten oder ob nur das Weibchen dieser Pflicht sich hingab. Auch zeigten sie sich jetzt mißtrauischer als je, waren bald beide verschwunden, bald beide am Futternapfe beschäftigt, zeterten, sobald ein Wärter den Flugkäfig betrat, und schienen augenscheinlich bemüht, das Nest, welches sie durch ihr Gebahren verriethen, nach Möglichkeit zu verheimlichen. Gegen die Mitbewohner ihres Käfigs benahmen sie sich unwirsch, wie sie vorher nie gethan, bissen nach jedem, welcher sich ihnen nahete, und tödteten ihrer mehrere. Sie spielten mit einem ebenfalls brütenden Pärchen ihrer Art die Gewaltherrscher im Käfige und trieben es um so ärger, je weniger sie selbst von den Aufsehern gestört werden durften.

Ende Juli zeigten sich die fast erwachsenen Jungen dann und wann vor dem Flugloche des Nistkastens; am 25. Juli flog das erste aus. Sofort stürzte sich das andere Pärchen auf den noch Hülflosen und fiel ihn mit Bissen so wüthend an, daß es dem Futtermeister Seidel, dessen besondere Lieblinge diese Papageien sind, nur mit Mühe gelang, den Bedrohten zu retten. Er wurde in ein kleines Gebauer gebracht und hier von den Eltern, welche an Vertheidigung nicht gedacht hatten, treulich gefüttert. Seinem Geschwister, welches am Tage darauf das Nest verließ, würde es nicht anders ergangen sein, hätte der wachsame und argwöhnisch gewordene Seidel sich seiner nicht sofort bemächtigt und es zu dem andern in sichern Gewahrsam gebracht.

Zwei Tage später bemerkten wir nichts mehr von dem Jungen des feindlichen Pärchens, und als endlich nachgesehen wurde, fanden wir es todt mit zerbissenem Schädel. Die Eltern der glücklich geretteten Jungen hatten die ihren Kindern von den Nachbarn angethane Unbill furchtbar gerächt.




Warnung für Auswanderer. Es scheint fast wirklich so, als ob auf unsere armen deutschen Landsleute aus allen Ecken und Enden der Welt gefahndet wird, um sie überall da einzuschieben, wo der deutsche Auswanderer das nicht findet, was er sucht und zu seinem Bestehen nothwendig braucht: Ruhe und Frieden.

Fremde Gesellschaften verbinden sich auch auf das Unbefangenste dazu, weil sie wissen, daß sie immer gewissenlose Agenten und Schiffseigenthümer finden, die sich den Henker darum kümmern was aus ihren deutschen Landsleuten [592] wird, wenn sie nur ihr Kopfgeld oder ihre Schiffsfracht gut bezahlt bekommen. Kaum haben wir hier in Deutschland den Versuch abgewehrt, deutsche Familien nach Chili in das von wilden Araucanern bedrohte Terrain zu senden, so bildet sich jetzt wieder in Peru eine Gesellschaft, um Deutsche hinüberzubekommen, die ihnen das Land der fast noch wilderen Chunchos-Indianer erobern sollen – die sie wenigstens in deren Gebiet hineindrängen wollen, wo sie den größten Gefahren für ihr Leben und Eigenthum ausgesetzt sind.

Es liegen mir zwei Briefe von mit den Verhältnissen dort vollkommen vertrauten Männern vor, und ich wünsche, die deutschen Regierungen sowohl als alle Vereine, die sich für den Schutz deutscher Auswanderer interessiren, auf das Nachfolgende dringend aufmerksam zu machen. Der eine Brief lautet:

„Der Colonisations-Contract mit Martin und Scotland (wie die beiden Ehrenmänner heißen) ist von der Regierung in Lima mit geringen Modificationen erneuert worden, doch sollen die Colonisten jetzt nicht mehr nach dem Pezuzo, sondern nach dem Chanchamayo geschafft werden, wo sie, statt friedlich ihr Land bebauen zu können, den Angriffen der wilden Chunchos ausgesetzt sind. Bei einer kürzlich dahin gemachten Expedition sind die Truppen fortwährend den Angriffen der Wilden ausgesetzt gewesen, und jetzt sollen die deutschen Colonisten, wie auch in Chile, sich den Angriffen der Wilden in erster Linie entgegenstellen.“

Der zweite Brief sagt:

„Die Herren Martin und Scotland haben von der Regierung in Peru einen neuen Vorschuß von sechzigtausend Sols (Dollars) angewiesen erhalten, um eine neue Sendung Auswanderer zu bringen, und haben eine rebaja (Rabatt) von acht Sols bewilligt, die natürlicher Weise wieder aus den Unglücklichen herausgeschunden werden muß. Die nächsten Ankömmlinge sind von der Regierung für die Montana von Chanchamayo bestimmt, wie solches im ‚Peruano‘ veröffentlicht wurde, und wenige Tage später wurde in demselben (officiellen) Blatte ein Bericht des Coronel Pereira publicirt, in welchem dieser Herr stolz darauf ist, mit fünfzig Bewaffneten und einhundertdreißig Peons (Dienern und Begleitern) sowie mehreren Anderen, die sich angeschlossen hatten, fünf Leguas jenseits des Chanchamayo in das Gebiet der bis jetzt ununterworfenen Chunchos eingedrungen zu sein. Nach Vollbringung dieser Heldenthat haben sie sich wieder eilig über den Chanchamayo zurückgezogen, nachdem ihnen verschiedene Leute von den Wilden mit Pfeilen getödtet und mehrere verwundet waren.

Coronel Pereira verlangt eine respectable Truppenmacht, um die Wilden zu unterjochen. Er will dann bis zum Cerro de la Sal vordringen, diesen Punkt befestigen und dadurch alle Stämme, welche von dort ihr Salz holen, zwingen, die peruanische Regierung anzuerkennen. Wahrscheinlich glaubt die Regierung nun mit deutschen Colonisten diesen Zweck billiger zu erreichen und schickt sie deshalb nach der Montana des Chanchamayo.“

Ein Freund von mir, der das Land dort genau kennt, schreibt mir noch außerdem darüber:

„Die Chunchos betrachten seit langer Zeit den Chanchamayo- und den Tulumayo-Fluß (beide Flüsse vereinigen sich in der Nähe des Forts) als die Grenze ihres Gebiets und erlauben Niemandem ungestraft das linke Ufer des Chanchamayo zu betreten, während am rechten Ufer sich schon seit zwanzig Jahren größere Pflanzungen und kleinere Chacaras befanden. Die Regierung will aber die neuen deutschen Colonisten auf dem linken Ufer, also im Gebiet der Chunchos ansiedeln, und diese Wilden sind die schlimmsten Indianer im ganzen Amazonenthal.“

So weit für jetzt – ich habe natürlich um nähere Berichte gebeten und werde Ihnen später noch Weiteres melden oder Andere veranlassen, die mit jener Gegend genau vertraut sind. Wir dürfen aber um Gotteswillen nicht dulden, daß deutsche Familien auf diese niederträchtige Weise von der Heimath fortgelockt werden, um dort elend zu Grunde zu gehn, noch dazu, da sie von der erbärmlichen peruanischen Regierung nie im Leben Schutz oder Hülfe erwarten dürfen.

Die Colonie am Pezuzo, nicht weit von der Schifffahrt des Amazonenstroms entfernt, hat sich bedeutend gehoben, aber die Colonisten leben dort auch vollkommen sicher und in einem gesunden Klima.

Fr. Gerstäcker.




Ein tüchtiges Organ für Volksbildung in Deutschland ist die seit Anfang dieses Jahres von dem wackern und tüchtigen Eduard Sack in Berlin herausgegebene (im Commissionsverlage der Leipziger Vereinsdruckerei erscheinende) Wochenschrift „Der Wegweiser“, auf den wir hier um so nachdrücklicher aufmerksam machen, als sie einem Irrthum entgegen wirkt, der bisher einer freien und gesunden Entwickelung unserer Zustände sehr hinderlich gewesen ist. Der Irrthum besteht in der weit verbreiteten Ansicht, daß sich nur der Lehrerstand und die Eltern und Vormünder unerwachsener Kinder um die Schule und das Schulwesen zu kümmern hätten. Unter der langjährigen Herrschaft des bureaukratischen Willkürstaates, der Alles von Oben her gemacht und geleitet hat, waren solche Ansichten erklärlich. Ein zur Befreiung von unwürdigen Fesseln aufstrebendes Volk aber muß zu der Erkenntniß gelangen, daß die rechte Stellung und Einrichtung der Schule nicht blos in den Kreis der großen politischen Fragen gehört, sondern weitaus die wichtigste dieser Fragen ist. Für die Verbreitung und Befestigung dieser Erkenntniß kämpft der „Wegweiser“ Eduard Sack’s mit Talent und Herzenswärme, mit Sachkenntniß und schärfster Entschiedenheit, indem er die Fragen der Volksbildung und die Bestrebungen ihrer politischen und kirchlichen Feinde vom freien Standpunkte aus beleuchtet. Alle bisher erschienenen Nummern des Blattes zeigen durch anregende Frische des Inhalts, durch mannhaften Ton und Mannigfaltigkeit der Mittheilungen, daß man es hier mit einem wahren Volksblatte zu thun hat, nicht mit einem pädagogischen Journal von der zahmen und doctrinären Sorte. Erfüllen die deutschen Lehrer nur eine Pflicht gegen sich selbst, wenn sie einem so gediegenen Unternehmen alle mögliche Förderung angedeihen lassen, so ist gewissenhaften Eltern dieser „Wegweiser“ zur Belehrung und zu ihrer Erwärmung für die Sache der Schule ihrer Kinder nicht weniger dringend zu empfehlen.




Zur Eröffnung der Jagd - führen wir unseren Lesern einige Proben aus einem Bilderwerke vor, welches bereits die Aufmerksamkeit des Publicums auf sich gelenkt und von dem für die kommenden Wintermonate eine neue Serie erscheinen wird. Letzterer gehören die von uns auf S. 588 und 589 mitgetheilten Randzeichnungen von Simmler an. – Ist auch das Unternehmen, gute Leistungen der bildenden Künste der großen Masse des Volks als Bildungsmittel möglich zu machen, nicht neu, sondern wird bereits von einem Theil der illustrirten Tagespresse mit Erfolg geübt, so verdient doch die Verlagshandlung von Gustav Weise in Stuttgart für diese „Deutschen Bilderbogen für Jung und Alt“ die besondere Anerkennung, daß sie gewissenhaft bemüht ist, nur treffliche deutsche Kunstkräfte dafür heranzuziehen und den Werken derselben eine würdige technische Vervielfältigung zu sichern. Unter den Künstlernamen findet der Leser viele alte bekannte aus der Gartenlaube, so sehen wir geschichtliche Scenen von L. Burger, E. Häberlin, Adolf Schrödter, Darstellungen aus Heimath und Fremde von R. Jordan, C. Scheuren, W. Riefstahl, aus der Märchen- und Sagenwelt von O. Pletsch, E. Offterding, Th. Hosemann, aus dem Kinderleben von C. E. Böttcher, aus der Wald-, Wild- und Waidmannsherrlichkeit von J. Simmler, F. Deiker, aus dem Thierleben überhaupt von F. Specht, A. Beck, Paul Meyerheim, Humoristisches von E. Reinhardt, H. Scherenberg, andere Scenen von G. Hiddemann; viele andere gute Meister mögen es uns verzeihen, daß wir sie nicht alle hier namentlich aufführen können. Sämmtliche Zeichnungen werden von den Künstlern selbst auf Holz übertragen und im Schnitt mit möglichster Treue ausgeführt. Der Zweck des Unternehmens bedingt von selbst einen billigen Preis.




Kleiner Briefkasten

Herrn V. in Berlin. Versuchen Sie es mit Amthor's Tiroler-Führer, welchen wir in Nr. 33 des vorigen Jahrgangs der Gartenlaube unseren Lesern empfohlen haben; derselbe ist soeben in zweiter und, wie der Verfasser besonders betont, „verbesserter und vermehrter“ Auflage erschienen.

H. Gry. in Wien. Ihr Brief mit dem Dankschreiben ist sofort an die Verfasserin der „Gisela“ befördert und dort freundlich aufgenommen worden.




Für die Hinterbliebenen der verunglückten Bergleute des Plauenschen Grundes

gingen ferner ein:

J. G. W. in München 600 Thlr.; ein Abonnent in Brüssel 5 Thlr.; Ertrag einer Abendunterhaltung der Liedertafel in Kahla 31 Thlr.; gesammelt auf der Petersbaude 6 Thlr.; K. in Wesel 1 Thlr.; R. B. in Köln 1 Thlr.; E. F. in Chemnitz 1 Thlr.; E. S. in Fiume 1 Thlr. 3 Ngr. 5 Pf. (2 Fl. österr. Währ.); die Scherflein der „Kleinen“, gesammelt in der unteren Schule zu Niederscheid bei Dillenburg 1 Thlr. 8 Ngr.; M. Donebauer in B.-Trübau 2 Thlr.; v. Farenheid in Beyruhnen 20 Thlr.; Caroline Hildebrandt in Cassel 3 Thlr.; von den Lehrern und Schülern der Stadtschule zu Gelnhausen 6 Thlr.; C. verw. Mirisch in Bernstadt 3 Thlr.; eine Familie in Prag 5 Thlr. 17 Ngr. (10 Fl. österr. Währ.); J. R. in Gönnheim 16 Ngr. 3 Pf. (1 Fl. österr. Währ.); Aless. Brand u. Comp. in Arona 27 Thlr. 7 Ngr. 5 Pf. (100 Fres.); H. L–g. Honorar für ein Gedicht 5 Thlr.; Heinr. W. 2 Thlr. 20 Ngr.; eine kleine fröhliche Gesellschaft in Uffenheim durch Gastwirth Crämer 12 Thlr. 26 Ngr. 2 Pf. (22 Fl. 32 Kr. rhein.) aus Wissen 5 Thlr.; Julie Sommer in Gollub 5 Thlr.; E. K. in Crimmitschau 3 Thlr.; J. in Gotha 1 Thlr.; E. Simonis in Rastenburg 2 Thlr.; Ertrag eines Concerts vom Doppel-Quartett zu Coswig in Anhalt 33 Thlr.; A. B. 1 Thlr.; Ertrag einer humoristischen Abendunterhaltung vom Alpenjäger-Quartett in Königsee in Thüringen 14 Thlr. 8 Ngr. 5 Pf.; erste Knabenclasse zu Schweinitz durch Lehrer A. Leopold 2 Thlr.; Hesse in Saarlouis 1 Thlr.; X. in Erfurt 5 Thlr.; Anders-Pawlowsko in Buk 3 Thlr.; Verein Bauhütte in Leipzig, gesammelt beim Sommerfest am 8. August 3 Thlr. 2 Ngr. 5 Pf.; aus Jena 1 Thlr.; ein Buchhandlungsgehülfe in Coblenz 1 Thlr.; Dr. G. S. in Volkach 1 Thlr.; ein langjähriger Abonnent in Hausach (Baden) 1 Thlr.; „Immergrün“ an der Saale 2 Thlr.; H. B. in Altenburg 1 Thlr.; C. B. in Niescy 1 Thlr.; Kf. in Wernigerode 1 Thlr.; A. R. in Rohnen bei Bärenstein 1 Thlr.; Calculator Vollmer in Breslau 2 Thlr.; Emil Groß in Hochhausen 1 Thlr.; eine kleine Mittagsgesellschaft im Café Goppelt in Augsburg 2 Thlr.; Lehrer Teller in Naumburg a. d. S. 1 Thlr.; E. in Berlin 2 Thlr.; Est. Ch. Vlbt. in Kettlebenau 1 Thlr.; gesammelt beim Vogelschießen zu Strelitz, durch den Magistrat 1[?] Thlr.; Grützmacher in Carwitz 5 Thlr.; Fabrikarbeiter zu Hohenofen bei Neustadt a. d. D. 3 Thlr. 2 Ngr., F. St. in Boitzenburg 15 Ngr.; S. in Weyda 1 Thlr.; Dr. A. v. Kölbel in Preßburg 2 Thlr.; aus Aschersleben 2 Thlr.; Sch . . . r-Collegium in Zerbst 1 Thlr.; Fräulein Lina B. in Ringel 10 Thlr.; N. in Graz 1 Thlr.; E. H. jr. in Kaufbeuren 2 Thlr. 25 Ngr. (5 Fl. rhein.); C. Oertel in Elm bei Schlüchtern 10 Thlr.; V. Eckerle in Stuttgart 13 Thlr. 14 Ngr. 8 Pf. (23 Fl. 37 Kr. rhein.); A. v. S. in Schönbrunn (Mittel-Franken) 9 Thlr.; J. L ……, Kupferstecher in München 17 Ngr. (1 Fl. rhein.); C. O. in E. 1 Thlr.; Helene v. Griesheim 5 Thlr.; Baron v. Bredow 10 Thlr.; Reinertrag eines Vocal- und Instrumental-Concerts des Sängerbundes „Arion“ in Greiz 53 Thlr.; B. in Braunschweig ein Stück Tuch für zwei Knaben. (Summa sämmtlicher Eingänge: 1602 Thlr. 20 Ngr. 3 Pf.)
Die Redaction.




Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Obiges Festgedicht ist vom Dichter zufolge einer Aufforderung des Humboldt Festcomité in New York verfaßt und kommt somit gleichzeitig in einer englischen Uebersetzung von Freiligrath’s Tochter Käthchen Kroeker und in der Gartenlaube im deutschen Original vor das Publicum. Wenn wir das Humboldtfest nicht durch Artikel und Illustration besonders auszeichnen, so genügt zur Erklärung wohl die Notiz, daß von der Gartenlaube das Leben und Wirken Alexanders von Humboldt seit 1853 zehn Mal behandelt und seine persönliche Erscheinung sieben Mal durch Illustrationen dargestellt worden ist.
    Die Redaction.