Die Gartenlaube (1867)/Heft 32
Während dieser Verhandlungen im Wohnzimmer spielte in der Gesindestube des Hellwig’schen Hauses eine ähnliche Scene der Aufregung und Entrüstung. Die alte Köchin lief mit fliegenden Haubenbändern auf und ab, als werde sie gejagt; Heinrich aber stand vor dieser weiblichen Gemüthsbewegung unerschütterlich wie der Fels am Meere. Er war im Sonntagsstaat, und sein Gesicht zeigte ein seltsames Gemisch von Freude, Wehmuth und Laune.
„Du mußt nicht etwa denken daß ich neidisch bin, Heinrich, das wär’ ja unchristlich!“ rief Friederike. „Ich gönn’ Dir’s wirklich! … Zweitausend Thaler!“ Sie schlug die Hände zusammen, rang sie und ließ sie zusammengefaltet wieder sinken. „Du hast mehr Glück als Verstand, Heinrich! … Du lieber Gott, was hab’ ich mich geplagt mein Leben lang, wie bin ich fleißig in die Kirche gegangen, im Winter, in der strengsten Kälte, wie hab’ ich zum lieben Gott gebetet, er solle mich doch auch einmal so glücklich machen – nichts, gar nichts hat mir’s geholfen, und dem Menschen da fällt so ein unmenschliches Glück zu! … Zweitausend Thaler, das ist ja ein Heidengeld, Heinrich! … Aber Eines will mir dabei doch nicht recht in den Kopf – kannst Du denn das Geld auch mit gutem Gewissen annehmen? Eigentlich durfte Dir die alte Mamsell keinen Pfennig vermachen, denn was da ist, gehört von Gott- und Rechtswegen unserer Herrschaft … wenn man’s recht bei Licht besieht, stiehlst Du ja förmlich das Geld, Heinrich; ich weiß doch nicht, was ich an Deiner Stelle thäte –“
„Ich nehm’s, ich nehm’s, Friederike,“ sagte Heinrich in völliger Gemüthsruhe.
Die alte Köchin lief in die Küche und schlug krachend die Thür hinter sich zu.
Das Testament der alten Mamsell, das so heftige Stürme im alten Kaufmannshaus hervorrief, war bereits vor zehn Jahren auf dem Justizamt niedergelegt worden. Es lautete, von der Testatorin selbst aufgesetzt, nach dem üblichen Eingang, im Wesentlichen folgendermaßen:
„1. Im Jahr 1633 hat Lutz von Hirschsprung, ein Sohn des von schwedischen Soldaten ermordeten Adrian von Hirschsprung, die Stadt X. verlassen, um sich anderweitig anzusiedeln. Dieser Seitenlinie des hier erloschenen alten thüringischen Rittergeschlechts vermache ich:
- a. dreißigtausend Thaler aus meinem Baarvermögen,
- b. das goldene Armband, in dessen Mitte einige altdeutsche Verse, umgeben von einem Blumenkranz, eingravirt sind.
- c. das Bach’sche Opernmanuscript; es ist meiner Handschriftensammlung berühmter Componisten einverleibt, liegt in der Mappe Nr. 1 und trägt den Namen: Gotthelf von Hirschsprung.
Ich ersuche hiermit die wohllöbliche Justizbehörde, sofort einen nöthigenfalls wiederholten öffentlichen Aufruf an etwaig existirende Abkömmlinge besagter Seitenlinie ergehen zu lassen. Sollte sich jedoch binnen Jahresfrist kein Ansprucherhebender melden, so ist es mein Wunsch und Wille, daß das Capital von dreißigtausend Thalern, nebst Erlös von dem zu verkaufenden Armband und dem ebenfalls zu veräußernden Bach’schen Opernmanuscript, dem wohllöblichen Magistrat der Stadt X. übergeben werde, und stifte ich hiermit genanntes Capital als Fond zu folgendem Zweck:
2. Die Zinsen des sicher anzulegenden Capitales sollen für alle Zeiten alljährlich zu gleichen Theilen an acht Lehrer der gesammten öffentlichen Unterrichtsanstalten in X. verabfolgt werden, und zwar in der Weise, daß in regelmäßiger Abwechselung keiner der Herren bevorzugt oder übergangen werde. Directoren und Professoren haben keinen Anspruch.
Ich gründe diese Stiftung in dem festen Glauben, daß ich ebenso gemeinnützig testire, als wenn ich eine öffentliche, wohlthätige Anstalt in’s Leben rufe. Noch ist der Lehrerstand das Stiefkind des Staates, noch sind die Männer, deren Wirken einen gewaltigen Stein in der Basis der Volkswohlfahrt bildet, quälenden pecuniären Sorgen ausgesetzt, während an ihren geistigen Anstrengungen Millionen sich bereichern. Möchten auch Andere ihre Augen auf diesen Schatten in unserer hellen, fortschreitenden Zeit richten und einen Beruf heben und stützen, dessen hohe Bedeutung noch von so Vielen unterschätzt wird!
3. Mein sämmtliches Silberzeug und Alles was ich an Schmuck besitze, mit Ausnahme obigen Armbandes, fällt an den derzeitigen Chef des Hauses Hellwig zurück, als alter Familienbesitz, der nicht in fremde Hände kommen soll, desgleichen Alles, was ich an Betten, Wäsche und Möbeln hinterlasse.
4. Meine Handschriftensammlung berühmter Componisten, mit Ausnahme des berührten Bach’schen Opernmanuscriptes, soll von Gerichtswegen verkauft werden. Den Betrag der Verkaufsumme bestimme ich meinen beiden Großneffen, Johannes und Nathanael Hellwig, in Anbetracht, daß ich stets beklagt habe, ihnen nie zu Weihnachten bescheeren zu dürfen.“
Es folgten noch Legate an viele arme Handwerker und dergleichen mehr im Betrag von zwölftausend Thalern, worunter [498] Heinrich mit zweitausend und die Aufwartefrau mit eintausend Thalern bedacht waren.
Heinrich hatte Felicitas den Inhalt des Testamentes mitgetheilt, so gut er es eben vermochte. Der Ort, wo die alte Mamsell das Silber aufbewahrt hatte, war also nicht näher bezeichnet, das ging aus seiner Mittheilung hervor. Das junge Mädchen frohlockte. Wenn das Geheimfach nicht durch irgend einen Zufall entdeckt wurde, dann war es in ihre Hände gegeben, den grauen Kasten zu vernichten, ohne daß ihn das Auge irgend eines anderen Sterblichen erblickte.
„Siehst Du, Feechen, das verwinde ich in meinem ganzen Leben nicht!“ sagte Heinrich traurig – sie saßen allein zusammen in der Gesindestube – „Du sollst nun einmal zu nichts kommen in der Welt! Hätte die alte Mamsell nur noch vierundzwanzig Stunden gelebt, da war das alte Testament jetzt umgestoßen, und Du hättest das unmenschlich viele Geld gekriegt – sie hatte Dich gar lieb.“
Felicitas lächelte. Der ganze Jugendmuth, der sich seiner Kraft bewußt ist, dem nichts ferner liegt, als das Ringen um schnöden Gelderwerb, die Sorge um hülflose, alte Tage – lag in diesem Lächeln.
„Es ist ganz gut so, Heinrich,“ entgegnete sie. „Alle die Armen, die bedacht worden sind, brauchen das Geld viel nöthiger als ich, und bei der Verfügung über das Capital hat die Tante jedenfalls ihre sehr gewichtigen Gründe gehabt, die sie ohne Zweifel auch bei Abfassung eines späteren Testamentes festgehalten haben würde.“
„Ja, ja, mit den Hirschsprungs muß es doch sein eigenes Bewenden gehabt haben!“ meinte Heinrich nachdenklich. „Der alte Hirschsprung, auf den kann ich mich noch ganz gut besinnen; er war ein Schuhmacher und hat mir meine allerersten Stiefeln gemacht – so ‘was vergißt sich nicht. Er wohnte oben in der Gasse, gleich neben unserm Hause, und da hat’s denn die Nachbarschaft gemacht, daß sein Junge und die alte Mamsell als Kinder mit einander gespielt haben. Der Junge ist später ein Student geworden und soll der alten Mamsell ihr Liebster gewesen sein – so sagen die Leute. Sie erzählen auch noch immer – und das wurmt mich am allermeisten – die Liebschaft eben wär’ dem alten Herrn Hellwig, ihrem Vater, sein Grab gewesen. Er hätte sie nicht leiden wollen, und einmal wär’ er mit der alten Mamsell so hart zusammengekommen, und sie hätte ihn dermaßen geärgert, daß er auf der Stelle todt umgefallen sei – wenn’s wahr ist, ich glaub’s nicht! … Gleich nachher soll die alte Mamsell nach Leipzig gereist sein; der Student hat das Nervenfieber gehabt, und sie ist bei ihm geblieben und hat ihn gepflegt bis zum letzten Augenblick. Darüber sind die Verwandten vollends wüthend geworden; sie haben sie ein liederliches Weibsbild geschimpft, sie ist verstoßen worden, und das haben die Leute in X. gleich nachgemacht, und kein Mensch hat sie auch nur angesehen, wie sie endlich wiedergekommen ist. – Mag das nun Alles sein, wie’s will – es kommt mir doch curios vor, daß da Leute erben sollen, die vor vielen, vielen Jahren ausgewandert sind – die waren ja mit dem Studenten schon längst gar nicht mehr verwandt, – das mache mir Einer klar!“
Am darauf folgenden Tage wurden in der Mansardenwohnung die Gerichtssiegel abgenommen.
Es waren unheimliche Tage, die auf den Act der Entsiegelung folgten. Die einförmig graue, unbewegliche Wolkenschicht am Himmel schien unerschöpflich. Tag und Nacht plätscherte es auf Dächer und Straßenpflaster, und aus den Drachenköpfen am alten Kaufmannshause schossen die Wasserstrahlen in mächtigem Bogen hinunter auf den Marktplatz. Sie sahen grimmiger aus als je, diese metallenen, weit aufgerissenen Rachen am Dach; der mißfarbene Gischt, der drunten zwischen den Pflastersteinen zerschellend aufspritzte, schien eitel Gift und Galle; sie hatten aber auch viele Jahre hindurch gesehen, wie die Schätze im alten Hause sich mehrten und aufspeicherten, wie stets ein Geldstrom hineingeflossen war, von dem die Welt nur ein schwaches, streng überwachtes Bächlein zurückempfing, und nun geschah das Unerhörte – ein bedeutendes Vermögen ging aus diesem Hause hinaus in’s Weite und weder die eisenfesten Mauern, noch die Frau mit den eisenharten Zügen neben dem Asclepiasstock vermochten es zurückzuhalten.
Felicitas hatte sich während der Regentage in die Kammer neben der Gesindestube zurückgezogen. Sie war, ohne Zweifel auf den ausdrücklichen Befehl des Professors noch immer von den schweren Hausarbeiten dispensirt. Dagegen saß sie in hohe Stöße eines alten Leinzeugs förmlich vergraben; sie mußte ausbessern, denn ganz umsonst sollte sie ihr Brod doch nicht essen.
Draußen im Hofe rauschte eintönig der ferne Brunnen, der Regen fiel unermüdlich, in regelmäßigen Tactschlägen klatschend auf die breiten Blätter des Huflattich, der in einer feuchten Ecke wucherte; bisweilen scholl das Krähen der Hähne aus dem Geflügelhof herüber, oder der graue Ton, den das farblose, matte Tageslicht über alle Gegenstände hauchte, wurde unterbrochen durch einzelne hereinfliegende Tauben, die auf den triefenden Simsen ihr hellleuchtendes Gefieder vollregnen ließen. Licht, Geräusch und Bewegung, Alles erschien gedämpft und gedrückt, und diese Apathie erstreckte sich scheinbar auch über das bleiche Mädchen im Bogenfenster. Zwar hob und senkte sich die Hand mit dem Fingerhut unablässig und tactmäßig, aber das herrliche Profil neigte sich in fast eherner Unbeweglichkeit über die Arbeit. Das Leben mit seinen furchtbaren Erschütterungen hatte bis jetzt vergebens versucht, den Stempel des Leidens und der Ergebung in diese Züge zu graben – sie waren nur immer bleicher geworden, es hatte den Anschein, als wollten sie in dem Ausdruck eines ungebrochenen Geistes, einer zähen Widerstandsfähigkeit allmählich erstarren.
Allein unter dem groben, dunklen Stoff, der die zarte Büste umschloß, klopfte ein tief beunruhigtes Herz, und während die Hand mechanisch allerlei Schäden zudeckte und ausglich, zermarterte sich der Geist über die mögliche Lösung schwerer Aufgaben und der damit verbundenen Conflicte… Auch die Behörde hatte vergebens nach dem Silberzeug und dem Schmuck der alten Mamsell gesucht. Anfänglich war dies Ergebniß von beschwichtigender Wirkung auf das angstvoll erregte Gemüth des jungen Mädchens gewesen, seit jenem Augenblick jedoch ging Heinrich verstört und in unbeschreiblicher Aufregung umher; Frau Hellwig hatte der Commission gegenüber mit sehr zweideutigen Blicken nach dem Hausknecht betont, daß er und die Aufwartfrau seit vielen Jahren allein bei der alten Mamsell aus- und eingegangen, und auf diese einer Anklage sehr ähnliche Aussage der gestrengen Frau hatte man den ehrlichen Burschen ohne Weiteres und in durchaus nicht schonungsvoller Weise in’s Verhör genommen. Er war außer sich. … Welche Qual für Felicitas, den bitteren Jammer dieses alten, treuen Freundes mit ansehen zu müssen, ohne daß auch nur eine Andeutung des Geheimnisses über ihre Lippen schlüpfen durfte! So ruhig und besonnen er sich sonst auch in allen Lebenslagen erwiesen, dieser Verdächtigung stand er geradezu fassungslos gegenüber, das junge Mädchen fürchtete mit Recht, er werde in dem unwiderstehlichen Drang, die abscheuliche Beschuldigung abzuschütteln, hastig und unvorsichtig sein, und hier war gerade die äußerste Vorsicht und Beharrlichkeit nöthig, um das Geheimniß der alten Mamsell zu retten.
Es war jetzt doppelt schwierig, in die Mansardenwohnung zu gelangen. Der Professor hatte am Tag der Entsiegelung auf’s Höchste überrascht die Zimmer der geheimnißvollen alten Tante durchschritten und dieselben sofort als Chef des Hauses förmlich mit Beschlag belegt. Möglich, daß ihm Angesichts der originellen und sinnigen Ausstattung der Räume plötzlich ein Licht aufgegangen war über den Geist und das Wesen der einsamen Verbannten. Nicht ein Möbel durfte von seiner Stelle gerückt werden, und er war zornig geworden, als die Regierungsräthin vor seinen Augen eine Nadel aus einem Stecknadelkissen gezogen hatte.
Es schien, als wolle er den Rest seines Aufenthaltes im mütterlichen Hause da oben unter dem Dach zubringen. Er kam nur zur Essenszeit in das Wohnzimmer des Erdgeschosses, und dann stets mit einem „brummigen Gesicht“, wie Friederike sagte. Aber auch die Regierungsräthin hatte eine Art Leidenschaft für das „reizend stille Asyl“ erfaßt; sie erbat es sich als eine besondere Gunst von ihrem Vetter, sich öfter in der Mansardenwohnung aufhalten zu dürfen. Rosa mußte die Fußböden reinigen, und die junge Wittwe wischte mit höchsteigenen zarten Händen den Staub von den Möbeln. Tante Cordula’s Zimmer standen somit nicht einen Augenblick unbewacht; zudem hatte der Professor das altväterische, unbequeme Schloß an der gemalten Thür entfernen und durch ein neues ersetzen lassen – Felicitas’ Schlüssel war völlig unbrauchbar geworden – sie war jetzt lediglich auf den Weg über die Dächer angewiesen.
Bei dem Gedanken, daß sie gezwungen sei, wie ein lichtscheuer [499] Verbrecher in festverschlossene Räume zu dringen, schüttelte sie sich stets vor Abscheu und Aufregung; dies Lauern auf den ersten unbewachten Moment, wo der ahnungslose Bewohner sich entfernt haben würde, war ihr entsetzlich. Nichtsdestoweniger behielt sie ihr Ziel fest im Auge und es konnte sie plötzlich ein heißer Angstschauer überlaufen, wenn ihr einfiel, daß die Zeit, welche ihr noch zur Erfüllung ihrer Aufgabe verblieb, bereits auf zwei Wochen zusammengeschmolzen war.
Endlich waren die Regentage vorüber. Ein Stück klaren, blauen Himmels hing über dem Viereck des Hofes, der Lattich trocknete seine gründlich gewaschenen Blätter in einem herbkräftigen, frischen Lufthauch, emsig flogen die Schwalben, deren zahllose Nester an den Dächern und Fenstersimsen der Gebäude hingen, aus und ein, und ihr kleiner, blauer Rücken funkelte förmlich in dem neuen, warmen Sonnenlicht. Das war ein Tag, der in’s Freie lockte. Vielleicht wurde heute draußen im Garten gegessen, und dann – war der Weg über die Dächer frei. Diese Hoffnung Felicitas’ erfüllte sich jedoch nicht. Gleich nach Tische kam Rosa an das Bogenfenster und brachte ihr die Weisung, mit Aennchen in den Garten zu gehen, der Herr Professor habe es dem Kinde versprochen. Später werde die Herrschaft nachfolgen und das Abendbrod draußen einnehmen.
Da schritt nun Felicitas, die kleine Anna an der Hand, „auf Befehl“ durch den einsamen Garten. Statt der Dachziegel oder des Bretterfußbodens der luftigen Galerie hatte sie den Kies der sonnenbeschienenen Gartenwege unter den Füßen … Während der Regenzeit hatten Tausende von Rosen ihre Kelche geöffnet. Auf dem eleganten Rasenrund des Vordergartens standen hohe Stockrosen, der dunkle Sammet ihrer Blüthen schwebte hoch und unnahbar über den demüthigen Gräsern, wie ein Königspurpur über dem Volke, aber im Gras- und Gemüsegarten, da war das niedrige Centifoliengesträuch minder vornehm, die prachtvollen, strotzenden Kelche mit dem glührothen, süßen Mund wiegten sich zutraulich neben dem dickköpfigen Kohlrabi, und ihr berauschender Duft floß mit dem kräftigen, aber gemeinen Geruch der Dill- und Schnittlauchbeete ineinander.
Felicitas strich mit gesenktem Haupt an der Blüthenpracht vorüber und das gutmüthige Kind schwankte schwerfällig nebenher, der kleine Mund schwieg, kein Geplauder störte das Nachsinnen des jungen Mädchens. Sie dachte mit einer Art von wildem, brennendem Schmerz an die Rosenzeit vergangener Jahre – da hatten die Rosen doch anders geleuchtet und geduftet, als Tante Cordula’s klare, liebestrahlende Augen noch nicht erloschen waren, als sie noch in stillen Sonntagnachmittagsstunden, neben der bewegungslos aufhorchenden Schülerin im Vorbau sitzend, mit ihrer ausdrucksvollen Stimme begeistert aus den Classikern vorlas, während von der Galerie die betäubenden Duftwogen hereinquollen, und weit draußen das grüne Thüringer Land sich hinstreckte … Da war auch allmählich das süße Heimathgefühl in der Seele des jungen Mädchens gewachsen, sie hatte sich zu Hause gewußt in den friedlich trauten Räumen, beschützt und geleitet von einer treumütterlichen Liebe; sie war, wenn auch nur auf Stunden, frei gewesen, ungefesselt in ihren Bewegungen, in den Anschauungen und Betrachtungen, die sich auf ihre Lippen drängten – darum wohl auch hatten die Rosen anders geleuchtet und geduftet, und die Welt war sonniger gewesen …
Sie hob den Kopf und sah über den Zaun in den Nachbargarten. Dort schimmerte das weiße Häubchen der Hofräthin Frank. Die alte Dame saß mit ihrem Sohn am Kaffeetisch, er las ihr vor, während sie, behaglich in einen Fauteuil zurückgelehnt, die blitzenden Stricknadeln durch ihre Finger gleiten ließ. Das sah auch heimisch und friedlich aus. Felicitas sagte sich selbst, daß sie auch unter jenen Menschen in einem gewissen Grad frei sein werde, daß sie im Verkehr mit ihnen, die so human und hochgebildet, geistig fortschreiten müsse, auf keinen Fall war sie in den neuen Verhältnissen der Automat, der „auf Befehl“ gehen und die Hände rühren mußte, während Augen und Lippen nie das Vorhandensein eines lebhaften, selbstständigen Geistes verrathen durften.
Trotz dieser Gedanken wurde es nicht heller in ihr. Es hatte schon vor Tante Cordula’s Tode ein Etwas in ihrer Seele gelegen, über das sie selbst nicht klar werden konnte – eine dunkle Qual, die bei näherer Besichtigung zurückwich, wie ein Phantom – nur Eines stand fest: diese Stimmung hing mit der Anwesenheit ihres einstigen Peinigers zusammen. Wohl war sie vor seiner Ankunft der Ueberzeugung gewesen, seine persönliche Erscheinung werde ihren Groll, ihre Erbitterung noch verschärfen, aber daß diese Empfindungen so mächtig und in fast räthselhafter Weise verdunkelnd auf ihr ganzes übriges Seelenleben zurückwirken würden, das hatte sie nicht geahnt.
Dann und wann drang die erhobene Stimme des Vorlesers über den Zaun herüber – es lag viel Wohllaut in diesen Klängen, aber sie besaßen doch nicht das Markige, die Modulation, welche das einst so eintönige Organ des Professors mit den Jahren in so auffallender Weise angenommen hatte … Felicitas schüttelte unwillig den Kopf und warf ihn zurück – woher kam ihr nur der Vergleich? … Sie zwang ihre Gedanken sofort in eine andere Bahn, auf ein Thema, das allerdings nahe lag, und welches seit der Testamenteröffnung sehr oft Gegenstand ihres Nachdenkens war. Das Gericht hatte den Rechtsanwalt Frank zum Curator für die muthmaßlich existirenden Hirschsprung’schen Erben ernannt. Seit zwei Tagen bereits durchlief ein Aufruf die Zeitungen; Felicitas harrte mit einer fast leidenschaftlichen Spannung auf den Erfolg – ihr brachte er möglicherweise bittere Schmerzen. Meldete sich die Familie Hirschsprung in Kiel auf diesen Aufruf, der eine reiche Erbschaft verhieß, so bestätigte sich die Vermuthung, daß die Spielersfrau eine Ausgestoßene gewesen war … Was aber mußten das für Menschen sein, in deren Augen ein Familienglied selbst durch ein so tragisches, erschütterndes Ende nicht hatte entsühnt werden können! Felicitas knüpfte deshalb nicht einen einzigen hoffenden Gedanken an das mögliche Auftreten naher Anverwandten; sie wollte ihnen gegenüber auch nie das Dunkel der Verborgenheit verlassen, dennoch schlug ihr Herz heftig bei der Vorstellung, daß ein Tag kommen könne, wo die grausamen Großeltern ahnungslos dem schweigenden Enkelkind begegnen würden.
Die Hofräthin Frank hatte Felicitas am Zaun bemerkt. Sie stand auf und kam in Begleitung ihres Sohnes herüber. Beide begrüßten das junge Mädchen sehr herzlich, und der Rechtsanwalt sprach seine Freude darüber aus, demnächst als Hausgenosse mit ihr verkehren zu dürfen. Damit leitete er leicht und ungezwungen ein längeres Gespräch ein. Den formgewandten Weltmann überkam es fast wie eine ungewohnte Verlegenheit dem tiefernsten Mädchen gegenüber, das so ruhig und unbefangen in sein Auge sah und in merkwürdig klarer und bestimmter Weise ungewöhnliche Gedanken zum Ausdruck brachte. Sie unterhielten sich lange und eingehend, und das Gespräch berührte die verschiedenartigsten Themen. Schließlich erkundigte sich die Hofräthin auch nach Aennchen. Felicitas nahm das Kind auf den Arm und deutete mit frohem Lächeln auf den Anhauch einer frischen, gesunden Röthe, welcher die früher so fahlen Wangen der Kleinen bedeckte.
Beim Auseinandergehen reichte die alte Dame Felicitas die Hand; auch ihr Sohn streckte die Rechte über den Zaun herüber, und das junge Mädchen legte unbedenklich und freundlich die ihre hinein … In dem Augenblick knarrte die Gartenthür und der Professor trat auf die Schwelle. Er blieb einige Secunden wie angewurzelt stehen, dann griff er langsam nach dem Hut und grüßte herüber – Felicitas sah, wie ihm eine jähe, tiefe Röthe über das Gesicht flog … Der Rechtsanwalt öffnete die Lippen, um ihn anzurufen, aber er wandte rasch den Kopf nach der entgegengesetzten Seite und ging in das Gartenhaus.
„Nun, das war wieder einmal ein echter, zerstreuter Professorengruß!“ sagte der junge Frank lachend zu seiner Mutter. „Der gute Johannes hat offenbar irgend einen unglücklichen Patienten in effigie unter dem Messer, und in solchen Augenblicken kennt er seine besten Freunde nicht!“
Mutter und Sohn kehrten an den Kaffeetisch zurück, und Felicitas suchte Schutz und Schatten im Grasgarten.
Die riesigen grünen Schirme des Taxus waren eine vortreffliche Schutzmauer gegen die Sonne, den Wind, welcher seit Kurzem ziemlich heftig über den weiten Kiesplatz fegte – und gegen strafende Blicke, die möglicherweise aus dem Gartenhaus herüberfliegen konnten … Felicitas kannte das Gesicht des Professors viel zu gut, um nicht zu wissen, daß er vorhin ärgerlich und gereizt, nicht aber zerstreut gewesen war; sie meinte sogar, auch den [500] Grund seines Unmuths zu kennen. Er verlangte bezüglich seiner ärztlichen Maßregeln stets einen unbedingten Gehorsam, und nach Allem, was Rosa über seine Bonner Praxis erzählt hatte, war er gewohnt, seinen Wunsch und Willen stets streng respectirt zu sehen – er hatte Felicitas mehrmals, zuletzt sogar mit großer Ungeduld das Tragen Aennchens untersagt, und heute mußte er abermals sehen, daß sie sein Verbot mißachte… So nur konnte sie sich den Blick voll ärgerlicher Ueberraschung erklären, den er ihr beim Eintreten in den Garten zugeworfen hatte.
Felicitas setzte sich auf eine Bank des weit abgelegenen Dammes. Eine einsame Hängebirke erhob hier ihren feinen, weißen Stamm und ließ die elastischen Zweige zum Theil laubenartig über die Bank fallen. An dieser geschützten Stelle strich der Wind fast unmerklich hin; manchmal zitterten die Gräser auf wie im tieferen Athemholen, und die Birkenzweige schüttelten sich leise. Der Mühlbach aber, durch die Regenfluthen stark angeschwollen, schoß brausend vorüber – ein gurgelndes, mißfarbenes Gewässer, das heimtückisch an den Haselbüschen des Ufers riß und wühlte.
Das Kind pflückte mit unbeholfenen Fingerchen Wiesenblumen, und Felicitas mußte die armen, meist nahe am Kelch abgerissenen Dinger zu einem kurzstieligen Sträußchen für „den Onkel Professor“ zusammenbinden. Dies mühsame Geschäft erforderte Ausdauer und Aufmerksamkeit; Felicitas heftete ihre Augen unablässig auf das werdende Bouquet in ihren Händen – sie sah nicht, wie der Professor zwischen den Taxuswänden hervortrat und über den großen Rasenplatz rasch auf sie zuschritt. Ein Ausruf Aennchens schreckte sie endlich auf; allein da stand er auch schon neben ihr. Sie wollte sich erheben, er faßte jedoch sanft ihren Arm und drückte sie auf die Bank nieder – dann setzte er sich ohne Weiteres neben sie.
Es geschah zum ersten Mal, daß sie ihm gegenüber einen Moment völlig fassungslos war. Noch vor vier Wochen würde sie entschieden, voll Abscheu seine Hand zurückgestoßen und sich sofort entfernt haben … jetzt saß sie wie gelähmt da, willenlos, als stehe sie unter dem Bann eines Zaubers. Es verdroß sie, daß er seit Kurzem einen so vertraulich unbefangenen Ton gegen sie annahm – sie wünschte nichts sehnlicher, als ihn zu überzeugen, daß sie, genau wie ehedem, ihn hasse, verabscheue bis zum Sterben; allein plötzlich fand sie weder Muth noch Worte, ihm dies auszusprechen. Ihr scheuer Blick streifte seine Züge – sie sahen nichts weniger als zornig oder verdrießlich aus, die auffallende Röthe war verflogen – Felicitas grollte mit sich selbst, weil sie sich eingestehen mußte, daß ihr dies unschöne Gesicht in seiner Kraft und Entschlossenheit wider Willen imponire.
Er saß einige Secunden ohne zu sprechen neben ihr, sie fühlte mehr, als sie sehen konnte, daß sein Blick unverwandt auf ihr ruhe.
„Thun Sie mir den Gefallen, Felicitas, und nehmen Sie das abscheuliche Ding da vom Kopfe,“ unterbrach er endlich das Schweigen, auch seine Stimme klang ruhig, fast heiter, und ohne die Zustimmung des jungen Mädchens abzuwarten, faßte er leicht die Krempe ihres Hutes und schleuderte dies allerdings sehr häßliche, abgetragene Exemplar verächtlich auf den Rasen. Ein Sonnenstrahl, der, durch das leichtbewegliche Birkenlaub schlüpfend, bisher über das schwarze Strohgeflecht gegaukelt war, lag jetzt auf dem kastanienfarbenen Haar des Mädchens – ein Streifen flimmerte auf wie gesponnenes Gold.
„So – nun kann ich doch sehen, wie Ihnen die bösen Gedanken hinter der Stirn arbeiten!“ sagte er mit dem schwachen Anflug eines Lächelns. „Ein Kampf im Dunkel hat für mich viel Unheimliches – ich muß meinen Gegner sehen können, und daß ich’s hier“ – er deutete auf ihre Stirn – „mit einem sehr schlimmen zu thun habe werde, weiß ich.“
Wo wollte er hinaus mit dieser seltsamen Einleitung? Vielleicht erwartete er irgend eine Antwort von ihr, allein sie schwieg beharrlich. Ihre Finger packten ohne jedwede Symmetrie alle die Butterblumen, Maasliebchen und Grashalme nebeneinander, die das Kind unverdrossen immer wieder herbeitrug… Diese kleinen Hände da, die sich nicht stören ließen in der einmal begonnenen Aufgabe, hatten während der mehrtägigen Zurückgezogenheit im Zimmer viel von ihrer braunen Farbe verloren, sie sahen fast rosig aus. Der Professors griff plötzlich nach der Rechten des jungen Mädchens, wandte sie um und betrachtete die innere Fläche – da waren freilich Spuren, die sich nicht so rasch verwischen ließen, harte Schwielen bedeckten die Haut. Das Mädchen, das auf den ausdrücklichen Befehl seines unerbittlichen Vormunds zur Dienstbarkeit erzogen worden war, hatte sich wacker auf diese Lebensstellung vorbereitet, das ließ sich nicht ableugnen.
Obgleich bei dieser Prüfung eine tiefe Röthe über Felicitas’ Gesicht flog – auf sehr fein empfindende Naturen macht das aufmerksame Betrachten der inneren Handfläche fast denselben Eindruck, als wenn die Gesichtszüge stark fixirt werden – fand sie doch gerade in diesem Augenblick ihre ganze frühere geschlossene Haltung wieder. Sie sah mit einer ruhigen Wendung des Kopfes empor, und er ließ langsam ihre Hand sinken – dann rieb er sich mehrmals die Stirn, als gelte es für einen schwierigen Gedanken den Ausdruck zu finden.
„Sie sind gern in die Schule gegangen, nicht wahr?“ fragte er plötzlich. „Geistige Beschäftigung macht Ihnen Vergnügen?“
„Ja,“ entgegnete sie überrascht. Die Frage klang eigenthümlich – sie war förmlich vom Zaun gebrochen. Eigentlich diplomatische Wendungen lagen aber auch durchaus nicht in der Natur dieses Mannes, so sehr er auch sonst die Sprache in seiner Gewalt hatte.
„Nun gut,“ fuhr er fort, „Sie werden ohne Zweifel noch wissen, was ich Ihnen neulich zu bedenken gegeben habe?“
„Ich weiß es noch.“
„Und sind natürlich zu der Ansicht gekommen, daß es die Pflicht des Weibes ist, den Mann treulich zu unterstützen, wenn er einen Irrthum gut machen möchte?“ Er stützte die Hand auf das Knie, bog sich vor und sah gespannt in ihr Gesicht.
„So unbedingt nicht,“ versetzte sie fest, während sie die Hände mit dem Bouquet in den Schooß sinken ließ und den Fragenden voll ansah. „Ich muß erst wissen, worin diese Sühne besteht.“
„Ausflüchte,“ murmelte er und sein Gesicht verfinsterte sich auffallend. Er schien zu vergessen, daß er bisher im Allgemeinen gesprochen hatte, und fügte ziemlich gereizt hinzu: „Sie brauchen sich nicht so entsetzlich zu verwahren – ich kann Ihnen versichern, daß schon Ihrem Gesichtsausdruck gegenüber es Niemand einfallen wird, irgend etwas Uebermenschliches von Ihnen zu verlangen. … Es handelt sich einfach darum, daß Sie – mag nun Ihr geheimnißvoller Lebensplan beschaffen sein, wie er will – noch ein Jahr unter meiner Vormundschaft bleiben und diese Zeit lediglich auf Ihre geistige Ausbildung verwenden. … Lassen Sie mich ausreden!“ fuhr er mit erhobener Stimme und gerunzelten Brauen fort, als sie versuchte, ihn zu unterbrechen. „Sehen Sie einmal ganz davon ab, daß ich es bin, der Ihnen diesen Vorschlag macht, und denken Sie, daß ich einzig im Sinn und nach dem ausdrücklichen Willen meines Vaters handle, indem ich für Ihre höhere Ausbildung sorge!“
„Dazu ist es viel zu spät.“
„Zu spät? Bei Ihrer Jugend?“
„Sie mißverstehen mich. Ich will damit sagen, daß ich einst, als unzurechnungsfähiges, hülfloses Kind, gezwungen war, Almosen anzunehmen – ich mußte das, wohl oder übel, über mich ergehen lassen. Jetzt stehe ich auf eigenen Füßen, ich kann arbeiten und werde nie auch nur einen Groschen annehmen, den ich nicht verdient habe.“
Der Professor biß sich auf die Lippen und seine Brauen senkten sich so tief, daß die Augen fast verschwanden.
„Ich habe diesen Einwurf vorausgesetzt,“ entgegnete er kalt, „denn ich kenne ja Ihren unbezähmbaren Stolz bis auf den Grund. … Mein Plan ist der: Sie besuchen ein Institut – ich leihe Ihnen die nöthigen Mittel, und Sie zahlen mir später, wenn Sie selbstständig sind, das Geld bei Heller und Pfennig zurück. … Ich kenne in Bonn eine ausgezeichnete Erziehungsanstalt und bin Hausarzt bei der sehr würdigen Vorsteherin derselben. Sie würden dort gut aufgehoben sein, und –“ fügte er mit leicht vibrirender Stimme hinzu – „das Scheiden auf Nimmerwiedersehen wäre dann auch noch ein wenig hinausgeschoben. … In vierzehn Tagen gehen meine Ferien zu Ende; ich reise in Begleitung meiner Cousine nach Bonn zurück, und Sie würden natürlicherweise dann gleich mit uns gehen. … Felicitas, ich habe Sie neulich ersucht, recht gut und ruhig zu sein – ich wiederhole jetzt diese Bitte. Folgen Sie einmal nicht den Einflüsterungen Ihres verletzten Gefühls; vergessen Sie – wenn auch nur für Augenblicke – die Vergangenheit und lassen Sie mich gut machen, was versäumt worden ist.“
[501]
[502] Sie hatte beklommen zugehört. Wie neulich bei Erzählung seiner sogenannten Vision hatte seine Stimme etwas Bestrickendes. Er war nicht so unerklärlich erregt, wie damals, aber die wahr und aufrichtig gemeinte Reue, die er, ohne seiner männlichen Würde irgend etwas zu vergeben, mit einem so milden Ernst an den Tag legte, ergriff sie wider Willen.
„Dürfte ich noch über meine nächste Zukunft verfügen, so würde ich unbedingt und getrost Ihr Anerbieten annehmen,“ sagte sie weicher, als sie je zu ihm gesprochen; „aber ich bin gebunden – an dem Tage, wo ich Frau Hellwig’s Haus verlasse, trete ich in einen neuen Wirkungskreis.“
„Unabänderlich?“
„Ja – mein einmal gegebenes Wort ist mir heilig, ich ändere oder deutele niemals daran, sollte es mir in seiner Consequenz auch die größten Unannehmlichkeiten bringen.“
Er stand rasch auf und trat aus dem Bereich der Birke.
„Und darf man auch jetzt noch nicht erfahren, was Sie vorhaben?“ fragte er, ohne das Gesicht nach ihr zurückzuwenden.
„O ja,“ entgegnete sie gelassen; „Frau Hellwig würde bereits darum wissen, wenn ich Gelegenheit hätte, in ihre Nähe zu kommen – die Frau Hofräthin Frank hat mich als Gesellschafterin engagirt.“
Diese wenigen letzten Worte hatten die Wirkung eines plötzlichen Donnerschlags. Der Professor wandte sich jäh um, und über sein Gesicht schoß eine dunkle Flamme.
„Die Frau da drüben?“ fragte er, als traue er seinen Ohren nicht, und deutete mit der Hand nach dem Frank’schen Garten. Er kehrte rasch unter den Baum zurück. „Das schlagen Sie sich nur gleich aus dem Sinn,“ sagte er entschieden und gebieterisch; „dazu werde ich nie meine Einwilligung geben.“
Jetzt erhob sich auch das junge Mädchen mit einer unwilligen Bewegung – die mühsam gepflückten Blumen fielen auf den Rasen. „Ihre Einwilligung?“ fragte sie stolz. „Die brauche ich nicht! In vierzehn Tagen bin ich völlig frei und kann gehen, wohin es mir beliebt.“
„Die Sache liegt jetzt anders „Felicitas,“ entgegnete er sehr beherrscht. „Ich habe mehr Rechte über Sie, als Sie denken. Es können Jahre vergehen, ehe diese Rechte erlöschen, und auch dann – ja, auch dann fragt es sich noch, ob ich Sie freigebe.“
„Das werden wir sehen!“ sagte sie kalt, mit entschlossener Haltung.
„Ja, das sollen Sie sehen! … Ich habe gestern mit Doctor Böhm, dem vertrautesten Freund meines verstorbenen Vaters, ausführlich und eingehend über Ihre damalige Aufnahme in meinem elterlichen Hause gesprochen, und es stellt sich Folgendes heraus: Sie sind meinem Vater mit der ausdrücklichen Bedingung übergeben worden, daß er Sie unter seinem Schutz behalten müsse, bis Ihr eigener Vater Sie zurückfordere, oder ein anderer braver Beschützer sich finde, der – Ihnen seinen Namen gebe. Mein Vater hat mich für den Fall seines Todes schriftlich als seinen Stellvertreter in dieser Angelegenheit ernannt, und ich bin fest entschlossen, die Bedingung aufrecht zu erhalten.“
Jetzt war es um die Fassung des jungen Mädchens geschehen.
„Gott im Himmel!“ rief sie außer sich und schlug die Hände zusammen. „Soll denn dies Elend nie aufhören? … Ich soll gezwungen werden, in dieser entsetzlichen Abhängigkeit weiter zu leben? Jahrelang hat mich der Gedanke aufrecht erhalten, daß ich mit meinem achtzehnten Lebensjahr erlöst sein würde! Nur in diesem Gedanken habe ich vermocht, äußerlich ruhig und unverwundbar zu scheinen, während ich innerlich namenlos litt! … Nein, nein, ich bin nicht mehr das geduldige Geschöpf, das sich aus Achtung vor dem Willen der Todten knechten und treten läßt! … Ich will nicht! … Ich will nichts mehr mit den Hellwigs zu schaffen haben – ich werde diese verhaßten Fesseln abschütteln um jeden Preis!“
Der Professor ergriff ihre beiden Hände, seine Züge waren bei den letzten Worten todtenbleich geworden.
„Weß ist dies Grabmal?“ fragte der König.
„Es ist des heiligen Sebaldus,“ antwortete der Küster.
„Und wer ist dessen Meister?“
„Peter Vischer, der weiland ein Rothgießer allhie gewesen.“
„So ist dies Denkmal allein Peter Vischer’s, von dem die Welt wird noch reden, wenn sie den Sebaldus längst vergessen hat.“ Der aber dies begeistert ausrief, war Gustav Adolf, als er im Jahre 1632 bei Nürnberg dem Wallenstein gegenüberstand.
Es mag wohl bisweilen gefunden werden, daß der Künstler, der ein Denkmal fertigt, mehr werth ist, als Derjenige, welchen es feiert. Ob aber die ketzerische Majestät von Schweden nicht aus purem Vorurtheil gegen die Heiligen insgemein einen so harten Spruch that, müssen wir dem Urtheil der Leser anheimgeben.
Neben dem „Sacramentshäuschen“ von Adam Krafft und dem „Englischen Gruß“ von Veit Stoß, beide in der Lorenzerkirche, rühmt die Stadt, welche man für mittelalterliche Kunst das Schmuckkästchen Deutschlands nennen möchte und als die Mutterstadt deutscher Kunstgewerbe preisen muß, unser Nürnberg, sich keines mehr bewunderten Kunstwerks, als des Sebaldusgrabs von Peter Vischer und seinen Söhnen in der Kirche dieses Heiligen. Solche außerordentliche Verherrlichung, durch welche die Kunst denselben so hoch wie den Heiland und dessen Mutter erhöht, macht es uns zur Pflicht, nach Leben und Thaten dieses Schutzpatrons von Nürnberg uns bei der Legende zu erkundigen. Sie erzählt ungefähr Folgendes:
Es war einmal ein dänischer Königsprinz, der hieß Sebaldus und lebte zur Zeit des Frankenkönigs Pipin und seines großen Sohnes Karl als ein fleißiger und frommer Student in Paris, bis seine Eltern ihn heim entboten in ihr Land. Dort ermahnten sie ihn, nunmehr ein ehelich Gemahl zu nehmen. Gehorsam und in der Einfalt seiner Unschuld fragte er, welche Jungfrau er ehelichen solle. Während Alle darüber nachdachten, ließ eine Schwalbe ein schönes braunes Frauenhaar vor ihnen niederfallen, offenbar zum überirdischen Anzeichen, daß die Eigenthümerin dieses Haars die Erwählte sein solle. Es meldeten sich aber Tausende von Paris bis Dänemark, die das Haar das ihre nannten, und Sebaldus’ Wahl fiel endlich just auf „so eine aus Paris“, über die das ganze dänische Volk den Kopf wie ein Mann schüttelte und die königlichen Eltern in groß Jammern ausbrachen. Sebaldus bekehrte jedoch die Sünderin zu Treue und Frömmigkeit, und nachdem sie Beides ihm vielmals gelobt, feierte er die Hochzeit. Als aber der Abend kam, führte er die Braut in die Kammer und ging von dannen, weit fort, bis er in einen Wald kam, wo er nun als Einsiedler lebte. Dies trieb er fünfzehn Jahre lang. Endlich verließ er die Wildniß und pilgerte gen Rom, und hatte er schon in der Waldeinsamkeit sich im Wunderthun versucht, Krüppel durch Beten curirt und fromme Gäste seiner Einsiedelei durch einen Engel mit Wein und Brod tractiren lassen, so übte er, nachdem er des Papstes Segen sammt dem Auftrag empfangen, den Deutschen nördlich von der Donau das Evangelium zu predigen, seine wunderthätige Kraft nun in’s Große aus. Auf seiner Wanderung von Rom nach dem Norden machte er Blinde sehend, Lahme gehend, Taube hörend, Hungerige zehrend etc. Seine Gefährten waren die Heiligen Willibald und Wunibald. Als er mit diesen zur Donau kam, hatte der Eisgang die Brücke zertrümmert. Sebaldus aber breitete seine Kutte über dem Wasser aus, stellte sich darauf und wurde so über die wilden Fluthen getragen, während seine Genossen am Ufer ihm nachjammerten. Jenseits kehrte er in einer Bauernhütte ein, ließ Eisschollen im Ofen brennen und verschaffte den Leuten ihr verlorenes Ochsenpaar wieder, indem er dem Bauer ihren Aufenthaltsort angab und für seine Augen die finstere Nacht in hellen Tag verwandelte.
Sebaldus schritt dann fürbaß in’s fränkische Land hinein, bis er im Lorenzer Walde bei Nürnberg den Pilgerstab in den Boden steckte und seine Siedelei baute. Auch seine beiden Gefährten stellten sich bei ihm ein. Der Ruf seiner erstaunlichen Wunder zog bald viele Hülfsbedürftige, Fromme und Neugierige zu seiner Klause und auch gen Nürnberg ging er oft, wo er in hohen [503] Ehren stand. Noch im kräftigsten Leben fühlte er den Tod nahen und verfügte als seinen letzten Willen, daß man die Ochsen jenes Bauers an der Donau vor seinen Leichenwagen spannen und ihn dahin bestatten solle, wo das Gespann still stehe. So geschah’s. Die Ochsen liefen von freien Stücken aus ihrem Stall in die Siedelei des Sebaldus im Lorenzerwald, und als sie eingespannt waren, zogen sie den Wagen bis vor die St. Peterscapelle unweit der Burg von Nürnberg. In diesem unansehnlichen hölzernen Kirchlein hatte nun Sebaldus seine Ruhestätte bis ein Blitz dasselbe entzündete und das Feuer es verzehrte und man die noch gut erhaltenen Särge in das nahe Schottenkloster zu St. Aegidien brachte. Sämmtliche Todte waren offenbar damit einverstanden, denn sie schliefen ihren großen Schlaf ruhig weiter fort; nur Sebaldus bewies, daß er seinen ewigen Ruheplatz nicht vergeblich so genau bestimmt haben wollte. Schon während der ersten Nacht kehrte er dahin zurück, und dies geschah natürlich drei Mal, um das Wunder groß und stark genug zu machen, daß ein so stattliches Münster wie die Sebalduskirche darauf gebaut werden konnte. Dasselbe erhebt sich nun hoch und herrlich da, wo einst die Ochsen am Berge gestanden, und zu Ehren „des heiligen Peichtigers vn großen Nothhelfers, der ein sunderlicher loblicher Patron und Fürbitter ist der Stadt Nürembergk, allda er leibhaftig gar gnedilich rastet“ wie die „Historie“ seines Lebens sagt, die Albrecht Dürer mit einem Holzschnitt geziert hat.
Die Wunder waren da und die alten Nürnberger so stark im Glauben an dieselben, daß sie ihrer Verehrung für den von ihnen zu ihrem Schutzpatron erhöhten heiligen Mann Ausdruck gaben lange, ehe der Papst in Rom für viel Geld und gute Worte ihn durch eine Bulle im Jahre 1424 unter seine Heiligen versetzte. Hörte doch Sebaldus auch nach seinem Tode nicht auf, die herrlichsten Wunder zu verrichten. So kroch, wenn jährlich an seinem Gedächtnißtag in feierlicher Procession sein Sarg herumgetragen wurde, Keiner, der von Rückenweh oder anderen rheumatischen Uebeln geplagt war, darunter weg, ohne auf der andern Seite geheilt herauszukommen.
Für einen solchen Heiligen konnte man schon ein Uebriges thun, und Jedermann muß dem Herrn Sebald Schreyer, Kirchenmeister zu St. Sebald, Recht geben, daß demselben das Sacramentshäuschen Adam Krafft’s in der Lorenzerkirche keine Ruhe ließ, sondern daß er Alles aufbot und nicht rastete, bis seine Kirche ein gleich kunstvolles Werk aufzuweisen hatte. So entstand Peter Vischer’s Sebaldusgrab, und zwar in der langen Zeit von 1506 bis 1519.
Wer nicht die Freude erlebt hat, durch Nürnbergs Straßen zu wandeln und in seinen Kirchen und Kunstsammlungen zu weilen, wer also auch nicht selbst vor dem Sebaldusgrab gestanden, dem ist auch nicht mit einer Beschreibung desselben geholfen. Nur zum Verständniß des Modellbildes, welches unsere Illustration zeigt, stehe hier das Nothwendigste. Das Ganze thürmt sich in drei Absätzen auf: das Postament, auf welchem der silberne Sarg des Heiligen steht, die sich über demselben erhebende Säulenhalle und darüber das Kuppelgewölbe mit dem kleinen Christus als höchstem Schmuck. Die Höhe dieses Grabmals beträgt fünfzehn Fuß, die Länge acht Fuß sieben Zoll und die Breite vier Fuß acht Zoll, das Gewicht desselben hundertundzwanzig Centner vierzehn Pfund, die Kostenberechnung 2402 Gulden 6 Heller 10 Pfennige. Von den sechsundneunzig Figuren ist jede einzelne ein Meisterstück in Richtigkeit der Zeichnung, Schönheit der Erfindung und Reinheit des Gusses; am bekanntesten davon wurden durch Kupferstich- und Guß-Vervielfältigung die zwölf Apostel auf Postamentchen an den Pfeilern, welche das Kuppelgewölbe oder die Bekrönung tragen und die, nach dem Ausspruch eines Meisters, als Grundtypus von Apostelköpfen für alle Zeiten angesehen werden können, und die auf den Capitälern dieser Pfeiler stehenden Kirchenväter. In Nischen des Postaments ist auf der einen Schmalseite der heilige Sebaldus in ganzer Figur, auf der anderen die Porträtfigur Peter Vischer’s aufgestellt; die Langseiten sind geschmückt durch vier Darstellungen von Wundern des heiligen Sebaldus in erhabenen Figuren. Sie sind zu charakteristisch für die Glaubensfestigkeit und die Sitten jener Zeit, als daß wir sie unseren Lesern nicht mittheilen sollten. Auf der einen Seite rechts ist die Scene abgebildet, wo unser Heiliger, begleitet von seinem Schüler Dionysius, zuerst mit Wilibald und Wunibald zusammentrifft und diese vom Hungertode errettet, indem auf sein Gebet zu Gott ein Engel vom Himmel ihm ein Stück Brod für die Verschmachtenden bringt. Links davon ist zu sehen, wie der Heilige einem Frevler gegenüber, der ihn verspottet, den Herrgott um ein Zeichen bittet zur Bekräftigung seiner Lehre vor allem Volk. Und siehe da, die Erde öffnet sich und ist eben darüber, den Sünder zu verschlingen, als dieser sich eiligst bekehrt und den heiligen Sebaldus dadurch in den Stand setzt, ihn wieder zu erheben und zu retten. Die andere Seite stellt echt nürnbergische Erlebnisse des heiligen Sebaldus aus seiner Einsiedlerzeit dar. Dazumal pflegte er nämlich, so oft er gen Nürnberg ging, bei einem armen Wagner einzukehren. Einst, in strengem Winter, findet er die Stube kalt, weil kein Holz mehr vorhanden war. Da gebietet er der Frau des Wagners, die Eiszapfen vom Dache abzubrechen und ihm zu bringen. Das geschieht und der Heilige verwandelt das Eis durch sein Gebet in Holz, das gleich darauf lustig im Ofen brennt. Die letzte Nische zeigt uns abermals den armen Wagner. Der Heilige war zu ihm gekommen und hatte ihn gebeten, ihm Fische auf dem Markt einzukaufen, trotzdem es noch verbotene Zeit war, denn dazumal wurde Jeder, welcher Fische kaufte, ehe die Herrschaft auf der Burg ihre Einkäufe gemacht hatte, mit Blendung gestraft. Der fromme Wagner gehorchte seinem heiligen Gast mehr als der Obrigkeit und ward dafür von dieser geblendet. Sebaldus aber betete, und der Geblendete sah wieder wie zuvor. – Wenn einmal die alten Nürnberger sich Jemanden zum Schutzpatron wählten, so waren sie auch die Männer dazu, ihn mit den nöthigen Wundern zu versorgen.
Lassen wir uns indeß durch solche heilige Schnurrpfeifereien die Freude am Kunstwerk und am Künstler selbst nicht verderben. Wir merken wohl, Gustav Adolf hatte Recht, und es wird eine Zeit kommen, wo man solche ehrwürdige Bauwerke, wie die Sebalduskirche, mit dem Namen auch von der Erinnerung an den läppischen Ursprung befreit, wie man ja längst schon an dem Kunstwerk des Sebaldusgrabes Composition und Guß dieser Legendenbilder bewundert und den kindischen Inhalt nicht einmal mehr des Belächelns werth achtet.
Es wird aber Zeit, uns nach dem Künstler selber umzusehen, wissen wir doch, daß wir bei ihm einen gar ungewöhnlichen Haushalt treffen werden.
Früher mußte man bei St. Katharinen oder am Katharinengraben Vischer’s Haus suchen; später brauchte man nur nach der Peter-Vischersgasse zu fragen, da war es bezeichnet mit „L. Nr. 761“, und wer in den Hof desselben trat, konnte noch den ungeheuren Rauchfang sehen, der ohne Zweifel zur Gießhütte des Meisters gehört hatte.
Wer aber vor etwa vierthalbhundert Jahren in dieses Haus getreten wäre, der würde hier die zahlreichste Familie der Stadt auf dem engsten Raum zusammengedrängt gefunden haben. Wie ein Patriarch des alten Testamentes hatte er all’ die Seinen unter seinem Dache versammelt: seine fünf Söhne waren seine Arbeitsgesellen, andere hielt er nicht, und wenn auch nur einer derselben, Hermann, sich durch Kunstleistungen hervorthat, so standen die übrigen wenigstens mit der fleißigen treuen Hand dem Vater zur Seite. Alle fünf, Peter, Hermann, Hans, Paul und Jacob, waren aber auch verheirathet, ihre Frauen wohnten mit in des Vaters Haus und auch die Nachkommenschaft mußte dort Platz finden. Brüder und Schwägerinnen lebten in schönster Eintracht, die Verehrung vor dem Alten, dessen treues Weib gestorben war, hielt Alles zusammen, und Jedes arbeitete unter seiner Obhut und ihm zu Liebe eifrig für die gemeinsame Wirthschaft.
Ein solcher Haushalt setzt die höchste Einfachheit der Lebensbedürfnisse voraus, und auch darin scheint Peter Vischer ein Meister gewesen zu sein. Seine liebste Erholung nach schwerer Wochenarbeit war es Jahre lang, an jedem Sonn- und Feiertag Nachmittag mit seinen Jugendfreunden und gleichgestimmten Strebegenossen, dem großen und berühmten Bildhauer Adam Krafft und dem Kupferschmied Sebastian Lindenast, sich im Entwerfen neuer Zeichnungen zu üben. Jeder suchte da eine gemeinsame Aufgabe in seiner Weise zu lösen. „Man wird versucht zu sagen“ – bemerkt ein Biograph Vischer’s – „es gewähre diese Eintracht, diese Austauschung der Ideen, diese gemeinschaftliche Uebung der drei wackeren Männer unter einander einen höchst interessanten Zug aus dem ehemals reichsstädtischen Stillleben, das eben in seiner Abgeschlossenheit einen doppelten Reiz erhält. Kein Drängen [504] nach außen, das nur Zerstreuung sucht und derselben nachgeht, indem es darin einen erlaubten Lebensgenuß findet, sondern solch’ ein Herausholen des Edlen und Herrlichen, das in dem Innern eines Jeden wohnte, eine Beschäftigung, Nährung, Uebung und weitere Ausbildung derselben, ein nicht von außen gewecktes Verlangen darnach, sondern der eigene Trieb dazu und das stete jahrelang gepflegte Beharren darin, das Alles sind Momente, bei deren Zusammenstellung und Würdigung wir mit hoher Achtung gegen die sittliche und geistige Bildung, gegen Gemüth und Charakter dieser kunstreichen schlichten Nürnbergischen Bürger erfüllt werden müssen.“ Und dabei waren sie nicht etwa Stubenhocker von Haus aus und von Jugend auf, sondern Jeder hatte während seiner Wanderburschenjahre mancher Herren Lande gesehen und Peter Vischer sogar Italien.
Der Mann, welcher in so vielen Städten – außer Nürnberg in Wittenberg, Römhild, Breslau, Magdeburg, Bamberg, Regensburg u. a. O. – unvergängliche Denkmale zur Verherrlichung vornehmer Todten hinterlassen, ist über seine eigene Vergangenheit so im Dunkeln geblieben, daß wir weder seinen Vater noch sein Geburtsjahr genau kennen und selbst sein Todesjahr erst neuerdings festgesetzt ist. Man nimmt an, daß er zwischen 1456 und 1460 geboren sei; gestorben ist er 1529, am 7. Januar, wie eine Inschrift auf seinem und seiner Frau erst im Jahre 1830 von dem berühmten Kupferstecher Director Reindel aufgefundenen Grabsteine auf dem Rochuskirchhof (gleich rechter Hand beim Eingang) angiebt.
Peter Vischer’s Leben und Wirken fiel in die letzte und schönste mittelalterliche Blüthezeit Nürnbergs. Von dem Glanz, der jetzt noch die liebe Stadt aus vergangenen Tagen schmückt, hat nicht Weniges damals seinen Ursprung genommen. Obenan steht Albrecht Dürer, der nicht nur als weltberühmter Maler, Kupferstecher, Holzschneider etc. weit über Deutschland hinaus geehrt war, sondern auch seine Vaterstadt mit den vier Riesenthürmen befestigte, die sie noch heute schmücken und ihr Bild vor dem vieler Städte auszeichnen; in seiner Werkstatt arbeiteten seine Schüler Hans Burgmeier, Schäuffelin, Altdorffer, Kulmbach u. A. und selbst sein alter Lehrer Wohlgemuth war noch in diese erste Zeit herein thätig. Der Bildhauer Adam Krafft, der Bildschnitzer Veit Stoß, der Glasmaler Hirschvogel schmückten die Kirchen und die Patrizierpaläste mit ihren Kunstwerken; der Volksdichter Hans Sachs, der gelehrte Pyrkheimer, der kühne Reisende und Kosmograph Martin Behaim warfen den Glanz ihrer Namen auf die Vaterstadt zurück, und selbst Peter Hele’s erste Taschenuhren gehören noch dem Anfang dieser Zeit an; reiche Bürger, wie die Tucher, suchten ihre höchste Ehre in der Pflege der Künste, und über Allen stand der deutsche Kaiser jener Tage, der ritterliche Max, der in Nürnberg so oft und gern verweilte und es nicht blos dachte und sagte, sondern durch die That anerkannte, daß er „aus jedem Bauern einen Edelmann, aber aus keinem Edelmanne einen Künstler machen könne“. Zu diesen Zeitgenossen gehört Peter Vischer mit seinem Sohne Hermann, und er war geehrt von Hoch und Niedrig, wie er es verdiente. Kein hoher Fürst und Geistlicher, Gesandter, Gelehrter oder Dichter ging durch Nürnberg, ohne des berühmten Peter Vischer’s Gießhütte besucht zu haben, und manchen sinnigen Mann erfreute wohl des Meisters Einfachheit und Würde so sehr, wie seine herrlichen Werke. Einen solchen Besuch benutzte unser Künstler, Rudolph Seitz in München, um uns den Alten in seiner Werkstatt zugleich mit dem Modell seines größten Werkes, des Sebaldusgrabes, darzustellen. Es soll geschehen sein, daß hohe Geistliche ihre Grabmäler selbst bei ihm bestellten, wie denn die Denkmäler der Bischöfe Heinrich’s des Dritten und Georg’s des Zweiten von Bamberg und des Bischofs Johann von Breslau Jahre vor deren Tode vollendet worden sind. Wollen wir ein solches Kirchenhaupt in einem solchen Augenblick in dem ehrwürdigen Greise unseres Bildes erkennen, so wird die Wirkung desselben dadurch nur gewinnen.
Ganz mit Stillschweigen übergehen dürfen, wir es nicht, daß in unseren vierziger Jahren der berühmte Meister der Baukunst, Heideloff, den über dreihundertjährigen Lorbeerkranz Peter Vischer’s um die größere Hälfte zu verkleinern suchte. Er unternahm es, die Behauptung zu beweisen, daß die Modelle zu sämmtlichen oder wenigstens den vorzüglichsten Kunstwerken Vischer’s von Veit Stoß herrührten und jener nur das gewesen sei, was er sich stets selbst nenne, ein Rothgießer. Für Peter Vischer hob Döbner, Baurath in Meiningen, den Handschuh auf. Das „Kunstblatt“ war die Wahlstatt, aber ein entscheidender Sieg ist nicht erfochten worden.
Das Nürnberg der Gegenwart besaß einen zweiten Peter Vischer, auch im Leben und Wesen ein Spiegelbild desselben, und auch er hat sich nie anders genannt, als den „Erzgießer“ Burgschmiet. Wer aber vor dem Gymnasium zu Nürnberg steht und die von demselben „Erzgießer“ Burgschmiet in Stein ausgeführte Bildsäule des Philipp Melanchthon betrachtet, kommt wohl auf den Gedanken, daß auch dem „Rothgießer“ Peter Vischer mehr als nur das Gießen könnte zugetraut werden, abgesehen davon, daß vor vierthalbhundert Jahren die Theilung der Arbeit noch nicht so weit vorgeschritten und das Gebot „Selbst ist der Mann“ in vielen Beziehungen unerläßlicher war, als heute.
Vor einigen Wochen heirathete Miß Elise Dillon, ein bildschönes Mädchen aus St. Louis in Missouri, den Grafen Roger de la Vaulx, den sie auf einer Reise durch Frankreich kennen gelernt hatte. Die Hochzeit wurde auf dem Schlosse des Schwiegervaters, Château de Rosoy, in der Nähe von Paris, mit fürstlichem Pomp gefeiert. In allen fashionablen Familien der ganzen Union war die gräfliche Heirath für ein paar Tage lang der herrschende Gegenstand der Unterhaltung. Die englischen Zeitungen erzählten den Vorgang mit großem Wohlbehagen und von manchen süßen Lippen drangen Hoffnungsworte in die Herzen der Väter und Mütter nach einer Reise in’s Land
Wo die Barone blüh’n,
In Grafenkronen Diamanten glüh’n!
In der That, die amerikanische Demokratie hat ihre wunderlichen Seiten. Die Amerikaner nennen sich ein Volk von Souverainen. Die Töchter der Souveraine freien Barone, Grafen, Herzöge und Fürstensöhne! Auch die Schweizer sind Republikaner, auch die Römer, die Athenienser und die Spartaner waren es, ja die „Republik“ Frankfurt a. M. entlockte zur Zeit ihrer Einverleibung mit Preußen dem dortigen amerikanischen Consul, Herrn Murphy, eine spröde Beileidsthräne; doch wußte ich nicht, daß sich die Bürger von irgend einer dieser Republiken jemals Souveraine genannt, und nur die Amerikaner bezeichnen meines Wissens mit diesem Ausdruck das ihnen eigenthümliche stolze Bürgerthum.
Sehen sich Deutsche oder Franzosen irgendwo in Europa nach demokratischen Elementen um, so richten sie ihre Blicke gewöhnlich tief unten nach den dunkelsten Schichten der Gesellschaft. Sie begreifen kaum, daß die Demokratie auch auf den Höhen des Reichthums und der Bildung hausen könne. Unter den „Armen und Elenden“ suchen sie die Demokratie. Nur der Amerikaner sucht sie um sich und über sich. Er drängt sich auf Reisen an die Höfe, zu den reichen, gebildeten, unabhängigen Classen, zu denen, die den Souverainen am nächsten stehen, zu seines Gleichen. Er findet durchaus nicht, daß es in Europa zu viele Herren gäbe, nur weniger Diener wären nach seinem Geschmack. Doch ist jeder Souverain ein Aristokrat – und so ist es auch der Amerikaner. Aber gerade diese Erscheinung, die ein ganz eigenes, neues und tüchtiges republikanisches Leben verräth, wird in den Köpfen kleiner Menschen nur allzuhäufig zur Caricatur, und es ist gewiß eine widerliche Verzerrung eines Bildes von demokratischer Souverainetät, wenn reiche amerikanische Familien, die ihr Glück und ihre souveraine Existenz gerade ihrem siegreichen Kampfe gegen das alte Feudalwesen verdanken, ihren Glanz dadurch zu erhöhen streben, daß sie sich mit alten europäischen Adelsfamilien verbinden und mit der Schönheit und Liebenswürdigkeit ihrer Töchter, oft sogar nur mit ihrem Reichthum, eine Grafen- und Herzogskrone als Emblem für ihren Kutschenschlag erkaufen.
Nur äußerst selten, wenigstens sind mir die Fälle nicht bekannt, heirathet einer unserer amerikanischen Crösusse eine europäische Dame von Adel. Ist die europäische Adelige reich, so [505] findet sie leicht einen Gatten ihres eigenen Standes, ist sie arm, so denkt der unromantische amerikanische Crösus viel zu positiv, um nicht eine begüterte amerikanische Souverainin einem europäischen Stammbaume vorzuziehen, zumal ihm die Verbindung nicht einmal einen Titel einbringt; die reiche Amerikanerin dagegen, die ihre Bildung ausschließlich aus Romanen geschöpft, empfängt soviel als sie giebt. Durch ihren Reichthum kann sie den Glanz einer abgehausten Adelsfamilie wieder erneuern, während sie selbst durch die Verbindung wenigstens zu einer Titular-Baronin, Gräfin oder Fürstin wird.
Handelt es sich gar um Ehen zwischen amerikanischen Erbinnen und Angehörigen des neuen europäischen Adels, dann stehen die Contrahenten nahezu aufs demselben Plan. Hier begegnet der Parvenu dem Parvenu auf halbem Wege, und jüngst erst angeflogener Reichthum ist ein ganz passender Tauschwerth für jüngst erst erworbenen Adel. Im Gegentheil scheinen mir solche Ehen auf’s Allerprägnanteste die Brücke von der Scheinmonarchie in die wirkliche Republik zu bezeichnen. Dort hat die echte Monarchie bereits ihr Fundament verloren, hier hat die wahre Demokratie ihr echtes Fundament noch nicht gefunden, so daß sich in der That zwei sehr nahe befreundete Principien alliiren, wenn sich die Enkel Napoleons mit den Enkeln George Washington’s vermählen.
Und in der That besteht neben vielen Verbindungen dieser Art eine Ehe in den Vereinigten Staaten, welche den Gründer der Monarchie der Parvenus mit dem Gründer der Republik der Parvenus auf demselben Stammbaum sehr nahe vereinigt. Ich spreche von der Ehe zwischen dem Prinzen Napoleon Achille Murat, dem ältesten Sohn des berühmten Parvenu-Königs von Neapel, also einem Neffen des Kaisers, und Fräulein Käthchen Willis, einer Großnichte von George Washington. Wären Kinder aus dieser Ehe hervorgegangen, sie würden unter ihren Seitenverwandten vom Vater her Napoleon den Ersten und den Dritten, und von der Mutter her den Vater dieser Republik in ihrem Stammbaume aufführen können. Ich will die Geschichte dieser Verbindung erzählen, sie macht meine deutschen Leserinnen mit einem vortrefflichen amerikanischen Weibe bekannt.
Frau „Kate“ Murat, oder kurzweg „die Prinzessin“, wie sie Jedermann in Florida heißt, war die Tochter eines Doctors Byrd Willis, eines Neffen von George Washington, der als Flottenbeamter in Pensacola stand und ein bedeutendes Vermögen besaß. Im Alter von fünfzehn Jahren verheirathete sich Käthchen. Mit sechszehn Jahren ward sie Mutter. Nach wenigen Monaten starb ihr Mann und bald darauf auch ihr Kind. Sie litt eine Zeit lang an schwerem Herzeleid, doch raffte sie sich wieder auf und es war ihr dann, als sei sie zum zweiten Mal Mädchen geworden. Als Frau inmitten einer hochgebildeten virginischen Familie hatte Käthchen entdeckt, daß sie in allen Schulkenntnissen weit hinter ihren Standesgenossinnen zurückgeblieben, und sie besuchte deshalb auf’s Neue eine zwei Meilen von ihrer Wohnung im Walde gelegene Schule, wohin sie jeden Tag mit ihren Cameradinnen, beladen mit Büchern und Rechentafel, wallfahrtete.
Um die Zeit ihrer wiedergewonnenen Ruhe verlor ihr Vater einen Proceß und damit sein ganzes Vermögen. Unfähig, mitten unter reichen Bekannten in Südcarolina blos von seinem Amte zu leben und zeigen zu müssen, daß er nur das Brod des Arbeiters esse, verließ Herr Willis mit seiner Familie die alte Heimath, wanderte nach Florida aus, baute sich mitten im Wald aus Baumstämmen ein Haus und versuchte es, durch ärztliche Praxis seinen Unterhalt zu verdienen und vielleicht auf’s Neue den Wohlstand seiner Familie zu begründen.
Käthchen fand sich mit bewundernswerthem Gleichmuthe und Geschick in die neue Lage. Statt der eleganten Gespielinnen ihrer Jugend verkehrte sie mit Indianermädchen und befreundete sich die Thierwelt des Waldes. Statt der Perlen und Diamanten, die sie im Haar getragen, schmückten jetzt Anemonen ihre blendenden Schläfe. Sie war es, die junge Wittwe von sechszehn Sommern, die das Herz ihrer gebeugten Mutter aufrichtete, und am Abend erquickte sie den von fernen Besuchen heimkehrenden Vater durch heitere Rede und ihre freudige Zuversicht.
Damals war es auch, im Herbst des Jahres 1821, als Prinz Napoleon Achille Murat den Boden Amerikas betrat. Vor sechs Jahren war sein tapferer Vater im Schlosse Pozzi durch ein Kriegsgericht zum Tode verurtheilt und in einem der Säle alsbald erschossen worden. „Zielt nach dem Herzen, Jungens,“ hatte er dem Peloton zugerufen, „und schont das Gesicht!“ denn der einstige Kellner im Hause des Vaters und der spätere Aufwärter in einem Pariser Café war der tapferste Soldat in des Kaisers Armee, aber auch der größte Geck in der damaligen Welt. In seiner Todesstunde dachte er an sein Paradebett, auf dem er nicht mit zerschossenem Gesicht sich sehen lassen wollte. Sein Sohn, der Parvenu-Erbe des Thrones, der so lange von den Vorfahren König Bomba’s geschändet wurde, flüchtete sich zuerst mit seiner Mutter Carolina, der liebenswürdigen Schwester des Kaisers, nach Oesterreich und wendete sich dann in seiner Sehnsucht nach noch tieferer Ruhe den Wäldern Nordamerikas zu. Er brachte wohl ein tüchtiges Stück Geld mit herüber und kaufte eine große Strecke Landes in Jefferson County, in Florida, wo er nach echter Franzosenart im vertrautesten Verkehr mit den Indianern lebte. Der Ruhm des Kaiserreichs war auch bis zu den Wilden in Florida gedrungen, dem flüchtigen Napoleoniden brachten sie Freundschaft und die Versicherung ewigen Friedens entgegen. Niemals, selbst als nach einigen Jahren der blutige Indianerkrieg in Florida geführt wurde, haben sie dem „französischen Häuptling“ das Wort gebrochen.
Prinz Achille war ein Weiberfeind. Auf den Höhen, auf denen Fürsten leben, lernt man nur selten die Frauen von der schönsten Seite kennen. Als ihn daher Oberst Gadsden, der noch heute in der Nähe der Plantage des Prinzen lebt, aufmerksam machte, wie er in der Gesellschaft der reizenden Käthe vielleicht über manche Stunde trüber Erinnerung wegkommen könne, da lehnte er es aus Weiberhaß ab, ihre Bekanntschaft zu machen. Doch führte ihn der Zufall auf einsamen Waldwegen kurz nach seiner Ankunft in der Gegend ihrem Vater zu. Es zeigte sich, daß beide Männer gleich große Verehrer Shakespeare’s und der classischen Dichter waren, und die Sehnsucht nach geistvoller Unterhaltung überwand am Ende seine Abneigung, der schönen Wittwe zu begegnen. Er ward bald der tägliche Gast im Hause des armen Arztes und dessen unentbehrlicher Liebling. Aber schon nach den ersten Tagen kam er nicht mehr des Vaters wegen. Er hatte ein wunderbares Wesen kennen gelernt, das alle seine Gedanken ausschließlich in Anspruch nahm. Käthe war das schönste Weib, das er jemals gesehen. Fast noch ein Kind, und doch voll hoher, reifer Weiblichkeit; nicht nur die zärtliche Tochter, sondern zugleich die hülf- und trostreiche Freundin ihrer Mutter; die zierlichsten Hände, und doch zogen sie an rostiger Kette den schweren Eimer in die Höhe; die zartesten Füße, und doch eilten sie durch knorrige Waldpfade der läutenden Kuh entgegen. Sie schien eine Fürstin, und doch that sie Dienste einer Magd. Sie hatte wenig gelernt, aber wenn sie sprach, so sprach sie mit der ganzen Sicherheit und Eleganz gebildeter Frauen. Wäre sie auch nur halb von dem gewesen, was sie wirklich war, auf dem Hintergrunde der Gesellschaft von Florida und in dem öden Herzen des Flüchtlings mußte sie doppelt liebreich und begehrenswerth erscheinen. Käthchen hatte ohne die entfernteste Absicht den Sohn des unüberwindlichen Mürat überwunden. Dem verarmten Kinde gegenüber war der flüchtige Königssohn immer noch reich, und so rasch sich sein Herz ihr zugewendet, glaubte er auch des klugen jungen Weibes Verstand zu seinen Gunsten bestimmt zu haben.
Er hatte sich geirrt. In der ganzen Familie liebte ihn aufrichtig und ganz nur der Vater. Den beiden Frauen war er bisher nur ein angenehmer, interessanter Gesellschafter. Der Prinz galt der stolzen virginischen Mutter als nichts Besonderes; der Fremde und der Flüchtling war ihr sogar anstößig. Die Tochter bedachte nicht einmal die äußere Lage ihres Bewerbers. Es war in ihrem Herzen noch kein Raum für ihn; da lebte noch die Liebe für den früh verlorenen Gatten und die Erinnerung an ihr süßes Kind. Des Prinzen stumme Bewerbungen blieben unerhört und unermuntert, und nach schwerem Kampfe mit sich selbst ermannte er sich und verließ das Haus der Geliebten; wie er dachte, für immer! Doch schon nach wenigen Wochen lenkte der Zufall seine Schritte wieder auf die Straße, die nach Käthchens Haus führte. Gerade wie er in sie einbog, lag eine eben getödtete mächtige Klapperschlange auf dem Wege. „Das ist ein gutes Zeichen,“ rief er aus. „Das Gift ist weg, aber schön ist sie noch, wie sie immer gewesen!“ Und frischen Muthes ritt er auf das Haus zu.
Erzählte ich einen Roman, so würde ich mich bemühen, meinen Lesern zu verrathen, was während des Ausbleibens des Prinzen im Herzen der jungen Amerikanerin vorgegangen. Errathen [506] könnte ich es vielleicht. Aber ich will es nicht, denn ich erzähle eine wahrhaftige Geschichte, die, wie jedes wirkliche Menschenleben, ihre ungelösten Räthsel hat. Als der Prinz eintrat, streckte ihm Käthchen ihre beiden Hände entgegen. Der Prinz preßte sie an seine Lippen und nach kurzer Verständigung war der Bund für’s Leben geschlossen.
Käthe war dem abenteuerlichen Manne eine treue Gattin. Sie war es, die der ganzen Oekonomie und dem weitläufigen, halb indianisch, halb europäisch fürstlich eingerichteten Haushalt vorstand; denn zwischen Studien, verschwenderischen Experimenten und wildem Indianerleben hätte neues Elend der jungen Ehe gewartet, wenn die „Prinzessin“ selbst nicht den Excessen ihres wunderlichen Gemahls die gefährlichen Spitzen abgebrochen hätte. Die Indianer blieben ihnen immer treu. Ein einziges Mal drang ein Häuptling mit fünf seiner bemalten Krieger in Abwesenheit des Prinzen in sein Haus. Sie forderten mit drohenden Geberden Whiskey. Käthe hörte den Lärm und trat mit den Worten: „Seid Ihr Räuber oder ehrliche Freunde des Prinzen?“ mitten unter sie. Ohne eine Silbe zu erwidern, entfernten sich die Wilden. Doch vermied man im Hause des Nachts Licht oder Feuer anzuzünden, um die umherschweifenden Banden nicht nach dem Hause zu locken. In einer jener trüben Nächte saß Käthchen am Bette ihres todtkranken Gatten. „Ich wagte nicht ein Licht anzustecken,“ erzählte die Prinzessin einem meiner Freunde, „und leise griff ich nach seinem Puls oder neigte mein Ohr zu seinem Mund, um zu fühlen und zu hören, ob er noch lebe, da ich ihn nicht sehen konnte!“
Im Jahre 1847 starb Achille, und seit den letzten zwanzig Jahren lebt die tapfere Frau durch alle Stürme muthig dahin, umgeben von ihren treuen Negern, die selbst heute, nach ihrer Freilassung, ihr Hausgesinde bilden. Während des Krieges verkaufte sie all’ ihr Silberzeug und Geschmeide und unterstützte mit dem Ertrage kranke Soldaten und die Wittwen und Waisen verunglückter Kämpfer für die „verlorene Sache“. The lost cause, so nennt man allgemein im Süden die große Rebellion. Nach Beendigung des Kampfes, der sie nicht weniger als den ganzen Landadel des Südens verarmt hatte, machte sie einen Besuch am Hofe in Paris, wo sie der Kaiser als eine nahe Verwandte mit größter Auszeichnung behandelte. Beim Abschiede sicherte er ihr eine lebenslängliche Apanage von zehntausend Dollars pro Jahr zu.
Der Hof der Tuilerien hatte keinen Reiz für Frau Mürat. Nach wenigen Monaten erfaßte sie eine unwiderstehliche Sehnsucht nach ihrem stillen Aufenthalt bei Talahassee und nach ihren getreuen Schwarzen. Dort haben sie erst kürzlich Verwandte aus meiner nächsten Bekanntschaft besucht und sie mir bei ihrer Rückkehr als eine Matrone von seltener Schönheit und vom einnehmendsten Wesen geschildert. „Eine republikanische Fürstin an Leib und Seele“ nannte sie einer ihrer jüngeren Vettern! Gern verstehe ich mich dazu, ihm zu glauben und ihm den paradoxen Ausdruck zu verzeihen.
St. Louis.
Die leblosen Kunstschätze von München waren ausgekostet, als echter Tourist hatte ich bereits begonnen, mir auch die lebenden Merkwürdigkeiten zu besehen, hatte Paul Heyse besucht und an Emanuel Geibel’s Thür vergeblich pochend erfahren, daß er den Sommer über großentheils in seiner Vaterstadt Lübeck sich aufhalte.
Zunächst wollte ich auch den vielgelesenen und beliebten Erzähler Herman Schmid kennen lernen, um so mehr, als derselbe ein nicht verpflanztes, sondern einheimisches Gewächs ist und sich so recht in baierischen Stoffen und vaterländischer Art und Weise bewegt. Entsprach ich ja bei diesem Besuche doch nur einem natürlichen Zuge des Herzens, welches sich so gern überzeugen will, in wie weit das Bild, das es sich von einem Autor aus seinen Werken macht, auch der wirklichen Persönlichkeit entsprechend ist. Zudem hatte, was ich von den Lebensverhältnissen des Dichters schon früher aus zerstreuten Blättern in mein Tagebuch eingetragen hatte, meine Neugierde noch erhöht.
Als ich mich in einem Buchladen (glücklicherweise hatte mich der Zufall zum Verleger des Blattes geführt, in das Schmid seine gediegenen und gesuchten Artikel über Theater und Kunst schreibt) nach der Wohnung desselben erkundigte, begegnete ich bedenklichem Kopfschütteln und erfuhr, daß er sich ziemlich weit aus dem Geräusche von Isar-Athen geflüchtet habe und daß es eine kleine Reise gelte, um in die Vorstadt Giesing jenseits der Isar zu gelangen, wo er seine Behausung aufgeschlagen hat. Ich ließ mich indessen nicht abschrecken und machte mich auf die Wanderschaft durch die langgestreckte Vorstadt Au an der schönen unter König Ludwig dem Ersten erbauten gothischen Mariahilfkirche vorüber und die kleine Isarhöhe hinan, wo links der Zacherl-Keller sich erhebt, durch die Salvator-Quelle nicht minder weit bekannt, als jene durch ihre Gothik. Am Hügelrand hin zieht sich der Weg durch neu entstandene Anlagen, von denen aus eine überraschende Aussicht in’s Gebirge sich eröffnete, dessen Anblick für die Beschwerlichkeit des Weges reichlich entschädigte; denn so schön wie selten lag die Bergeskette vor mir ausgebreitet, vom Untersberge und den Salzburger Bergen an bis zum Wilden Kaiser, Wendelstein, Karwendel und der Zugspitze, welche sich in ihrem schroffen Abfall ansieht, als wäre sie der eben frei gewordene Thronsessel des Geistes der Berge. Bald hatte ich Giesing selbst erreicht, fragte aber vergeblich nach der Wohnung meines gesuchten Poeten. Die Bevölkerung, meist aus Landleuten und Taglöhnern bestehend, scheint nicht viel zu wissen, welchen rühmlichst bekannten Landsmann sie in ihrer Mitte hat. Nicht lange indessen und ich erblickte ein Haus, dessen Aeußeres mich nicht zweifeln ließ, an das gewünschte Ziel gelangt zu sein. Vor mir stand ein einfaches, einstöckiges Gebäude mit einem Frontgiebel, durch nichts ausgezeichnet, nur von allen Seiten mit Weinreben und Epheu so reichlich überzogen, daß kaum die Fenster daraus hervorzuschauen vermögen, und durch die Spalten der Gartenumzäunung winkten Buschwerk und Blumen, so daß wohl zu vermuthen war, dies könnte eine Poeten-Heimath sein.
Ich klingelte und wurde von einem dienstbaren Geiste empfangen, der mich ohne viele Umstände durch die saubere, aber prunklose Hausflur in den Giebelstock des Hauses geleitete, wo ich von dem Herrn desselben mit offenbarer und, wie mir schien, nicht eben angenehmer Ueberraschung begrüßt wurde. Der Zufall war mir günstig gewesen und hatte mich unmittelbar in das Arbeitszimmer Schmid’s geführt. Während des ersten Wechsels herkömmlicher Redensarten hatte ich vollauf Zeit, mir meinen Mann zu betrachten.
Schmid sieht einfach, beinahe schlicht aus, ist nicht groß und von untersetztem, man darf sagen, beleibtem Körperbau, und obwohl erst ein angehender Fünfziger, ist er doch bereits vollständig ergraut. Aber die weißen Haare sind auch Alles, was Schmid vom Alter an sich trägt; wie nahe am schneeigen Gipfel des Berges oft das herzerfrischendste Grün das Auge labt, so leuchtet auch aus dem noch jugendlich schönen Angesichte und Auge das reiche geistige Innenleben des Dichters, das die eisige Luft schwerer Sorgen nicht zu ersticken vermochte.
Wie ich früher vernommen hatte, erblickte Schmid im März 1815 zu Waizenkirchen in Oberösterreich das Licht der Welt, wo sein Vater, der nachmals als Oberappellationsgerichtsrath in München starb, die Stelle eines Landgerichts-Assessors in dem damals baierischen Innviertel einnahm. Seine Mutter Constanze war die Tochter des dortigen Rentbeamten Stöger und Hermann Schmid der erste Sprößling einer sehr glücklichen, aber kurzen Ehe, da die Mutter schon in ihrem einundzwanzigsten Lebensjahre einem plötzlich ausgebrochenen Brustleiden erlag. Nach einer guten Gymnasialvorbildung widmete sich Schmid in München dem Studium des Rechts, wurde Doctor juris und später nach mehrjähriger Praxis an verschiedenen Gerichten unter König Ludwig dem Ersten in Folge der Aufführung seines ersten Trauerspieles „Camoëns“ auf der Hofbühne zu München 1843 zum Actuar der Polizeidirection ernannt, eine ihm allerdings wenig zusagende Stelle, in die er aber hineingeschoben wurde, weil eben keine andere erledigt war und der König gleichwohl dem angehenden Poeten den Aufenthalt in München zur weiteren Ausbildung ermöglichen wollte. Nach und nach zum Stadtgerichts-Assessor [507] vorgerückt, wurde Schmid 1850 in den Ruhestand versetzt, weil er sich in den Jahren 1848 und 1849 politisch und religiös mißliebig gemacht hatte.
„Sie müssen entschuldigen,“ sagte Schmid, „wenn ich Sie mit einiger Ueberraschung empfangen habe, ich bin Besuche in meinem Hause nicht gewohnt; denn es geschieht äußerst selten, daß ein Fremder meine Werkstätte betritt.“
Ich erwiderte, daß dies mir doppelt interessant sei, aber der Dichter entgegnete lachend: „Es ist dabei nicht viel zu sehen, ich bin unter den Werkleuten ein schlichter Zimmermann, da giebt es weder künstliche Vorrichtungen, noch kostbare Werkzeuge. Gedulden Sie sich einen Augenblick und mustern Sie, wenn Sie Lust haben, meine Bücher unterdessen.“
Er verließ mich, und ich gewann Zeit, von seinem Studirzimmer, einer einfachen Dachstube mit rechts und links abgeschrägten Wänden, flüchtigen Augenschein zu nehmen; ein paar Bücherschränke, ein Stehpult und ein Schreibtisch, über welchem ein Aquarell und ein Oelbild ohne Rahmen hingen, bildeten die ganze Einrichtung. An einer Seitenwand gewahrte ich eine Guitarre mit einem verblichenen Lorbeerkranze darüber.
„Ich habe mir Ihre Umgebung betrachtet,“ sagte ich zu dem Zurückkehrenden, „es ist wünschenswerth, den Ort zu kennen, wo so viel Schönes entstanden ist.“
„Und doch irren Sie sich,“ erhielt ich zur Antwort, „es ist erst kurze Zeit, daß ich hier oben hause; vordem habe ich in einem kleinen Sommerhause im Garten gearbeitet, den ich Ihnen dann zeigen werde. Ich bedarf nicht viel zum Arbeiten: vor Allem Stille und einen Blick in die Natur, etwas von Baumgrün und Vogelsang. Das hatte und habe ich reichlich, und wenn ich manchen Morgen früh vier Uhr mich zum Schreiben setzte, war es im Sommerhause wohl mitunter etwas kühl, dafür aber auch wunderbar frisch und still wie in einer Kirche. Sie wundern sich vielleicht, daß ich so früh an mein Tagewerk ging? Ich mußte wohl; denn Tags über gehörte meine Zeit dem Anwalte, wo ich amtirte, so daß mir fast nur die Morgenstunden für meine Schriftstellerei übrig blieben.“
Ich hatte davon schon gehört und war neugierig, aus dem Munde des Dichters selbst Genaues über seine Erlebnisse zu erfahren, aber es schien ihm nicht angenehm, daran erinnert zu werden. Er unterbrach meine desfällige Bemerkung mit einer leichten Handbewegung.
„Lassen wir das,“ sprach er, „ich bin nicht der Einzige, den die achtundvierziger Fluth gehoben und seitab geführt hat. – Man hat mich aus der richterlichen Carrière herausgerissen und mich im besten kräftigsten Mannesalter in Ruhestand versetzt, aber ich ließ darum die Flügel nicht hängen, sondern gedachte die unfreiwillig erlangte Muße zu nützen, und so ist, was vielleicht arg gemeint war, mir doch zum Guten geworden. Jeder Mensch hat seine Sturm- und Drangperiode; die meinige hat mich Besonnensein und Arbeiten gelehrt.“
Daran anknüpfend rühmte ich seinen Fleiß, in verhältnißmäßig so kurzer Zeit so Vieles geschaffen zu haben.
„Es ist nicht so gefährlich damit,“ antwortete Schmid, „ich arbeite eben rasch, weil ich die Feder nicht eher ansetze, als bis ich genau weiß, was ich will, bis ein detaillirter Plan und eine sorgfältige Skizze fertig ist. Auch hatte ich Zeit genug, mir vorzuarbeiten, denn ich habe mit meinen Erzählungen hübsch lange feil gehalten, bis sich ein Abnehmer fand. Edmund Höfer in seinen ‚Stuttgarter Hausblättern‘ war der Erste, der es mit meinem ‚Greis‘ und ‚Unverhofft‘ wagte. Darauf kam mir die Einladung zum Eintritt in die Gartenlaube und mit der ‚Huberbäuerin‘ war auf einmal und unvermuthet das Eis gebrochen. Der Gartenlaube verdanke ich meinen Namen und meine Popularität.“
Mit halbablehnendem, halb selbstbewußtem Lächeln nahm er es hin, als ich ihm hierauf Anerkennendes über seine Schriften sagte, einzelne seiner Erzählungen aus den „alten und neuen Geschichten aus Baiern“ wahre Cabinetsstücke in der Feinheit der Durchführung nannte und neben der Schönheit der Naturschilderung und der Wahrheit der Charaktere hauptsächlich die Plasticität seiner Gestalten hervorhob, die man beim Lesen immer unmittelbar vor sich zu sehen glaubt, so daß es für einen Maler leicht sein müßte, sie nachzuzeichnen.
„Auch das ist nicht so schwer, als es sich ansieht,“ war die Erwiderung, „ich habe schon als Knabe viel auf dem Lande und unter Landleuten gelebt, auch gab mir meine Gerichtspraxis sattsam Gelegenheit zu Studien; überhaupt bedarf es nur einiger Aufmerksamkeit in der Beobachtung, und die gerühmte Wahrheit meiner Erzählungen beruht wohl darin, daß jeder etwas wirklich Erlebtes zu Grunde liegt.“
„Etwas Wirkliches? Die schöne Huberin und ihre Räuberhauptmannschaft wäre also keine Erfindung?“
„Ich habe den Stoff aus den Mittheilungen des Beamten, der die Untersuchung gegen sie geführt hat.“
„Und Almenrausch und Edelweiß?“
„Stammt zum großen Theil aus den Pfarrbüchern der Ramsau.“
„Der eigene Heerd, das Wichtel, das Schwalberl – ist auch in diesen etwas Thatsächliches?“
„Gewiß; das Wirkliche darin ist für mich dasselbe, was in den historischen Erzählungen[1] die Geschichte. Es giebt dem Grundgedanken den Entwurf und die Skizze, so daß fast nur übrig bleibt, das Bild in’s Reine zu zeichnen, ihm Farbe zu geben und so ein Stück wahrhaften Lebens zu schildern.“
„Das ist Ihnen vollständig gelungen,“ antwortete ich, „und darum sind Ihre Sachen so sehr auch in’s Volk gedrungen.“
Schmid sah mich einen Augenblick schweigend und mit fragenden Blicken an, in denen es heller aufleuchtete.
„Es würde mich sehr glücklich machen, wenn ich dies im Ernst glauben dürfte,“ bemerkte er, „denn ich habe kein anderes Streben als für das Volk zu schreiben und etwas beizutragen zu seiner Geistesbildung und Gemüthserfrischung.“
Ein Glöckchen in der Ecke ließ sich ziemlich ungestüm vernehmen.
„Wir werden unterbrochen,“ sagte der Hausherr, „das ist das Zeichen zum Kaffee. Bei so schönem Wetter sind wir gewohnt, ihn im Freien in meinem sogenannten Vogelneste zu trinken. Kommen Sie mit, meine Frau wird sich freuen, Sie kennen zu lernen!“
Während er sich erhebend noch etwas in seinen Papieren ordnete, überblickte ich noch einmal die Bilder.
„Sie betrachten sich meine Malereien, die haben nur für mich Interesse. Das Aquarell über meinem Schreibtische stellt das erste Capitel aus meinem Bauern-Romane ‚das Schwalberl‘ dar; es ist ein Erinnerungszeichen von dem als Zeichner und Poeten sicher auch Ihnen bekannten Grafen Pocci, der mir damit sein besonderes Wohlgefallen an diesem Buche beweisen wollte.“
„Das Wohlgefallen theilt er mit Allen, die das Schwalberl lesen. Aber das Oelbild? die Dame im schwarzen Schleier mit verhülltem Diadem und Thränen im Auge? es ist ein Kopf von seltener Schönheit!“
„Wohl, aber von gefährlicher Schönheit. Das ist die echte Lorelei, die uns in jungen Jahren verlockt, in ihren Nachen zu steigen und die bedrohte Thalfahrt durch Klippen zu machen – es ist die tragische Muse auf dem Vorhange unseres Volkstheaters, von der ich mir diese Copie zum Andenken ausgebeten habe.“
Ich meinte, daß er nicht eben Ursache hätte, sich über die Ungunst der tragischen Muse zu beklagen, indem ich ihn an seinen Columbus, sein Straßburg, seinen Camoëns erinnerte,[2] er ließ mich aber nicht zu Ende kommen.
„Gehen wir,“ drängte er mich, „das Verzeichniß meiner Dramen, die Sie zu meiner Verwunderung so genau zu kennen scheinen, ist so zahlreich, daß darüber auch der heißeste Kaffee kalt werden könnte.“
„Es ist wahr,“ fuhr er während des Gehens fort, „manches meiner Stücke hat hier und auswärts Gefallen und Freunde gefunden, aber der große Erfolg ist ausgeblieben.“
„Und das Volkstheater?“ fragte ich; „es ist bekannt, daß man sich von demselben glänzende Hoffnungen machte, und auch Sie scheinen dieselbe getheilt zu haben, weil Sie dem Theater als Dramaturg und Director Ihre Thätigkeit widmeten?“
Wir waren gerade am Fuße der Treppe angelangt. „Schweigen Sie,“ sagte Schmid mir die Hand drückend; „es giebt Capitel, die man am liebsten überschlägt.“
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Ueber einen Glasgang, von dessen mit pompejanischem Rohre überzogener Rückwand sich das Grün von lebendem Epheu kräftig abhob, gelangten wir in ein angenehm, aber einfach eingerichtetes Wohnzimmer, wo ein kleines aufrecht stehendes Piano mir verrieth, daß auch die Kunst der Töne dem Hause nicht fremd sei. An der Wand bemerkte ich einen Gypsabguß von Dannecker’s großer Schiller-Büste und einige nicht werthlose Kupferstiche. Im Durchgehen deutete Schmid leicht nach der Decke: „Hier finden Sie den Wahlspruch eingeschrieben, dem ich bisher in Kunst und Leben nachgestrebt habe. Da Sie meinen Leistungen doch so viel Aufmerksamkeit geschenkt haben, sind Sie dem: ‚Gib’s Gott anheim und thu’ das Dein’‘ wohl schon auf dem Titelbilde des ‚Heimgarten‘ begegnet – dessen kurze Blüthezeit auch Ihnen nicht unbekannt sein wird; ebenfalls ein Capitel von schönen, doch getäuschten Hoffnungen!“
Von da führte das Zimmer auf die Terrasse in das Vogelnest, und ich mußte gestehen, daß diese Bezeichnung sehr gut für den hübschen Raum paßte, der von einem Eisengeländer eingefaßt nach allen Seiten von Bäumen oder richtiger Baumkronen umgeben ist, so daß es sich wirklich ansieht, als säße man unmittelbar in den Zweigen. Zur Linken streckt eine Linde von besonderer Schönheit ihre Zweige wie schützende Arme um die Hausecke und bildet gegen die westliche Wetterseite einen willkommenen Wetterableiter und Sturmmantel.
Die Frau des Hauses, eine stattliche Erscheinung in den besten Jahren, bewillkommnete mich in einfacher Weise mit unverkennbarer Herzlichkeit und erzählte mir, während sie den Kaffee credenzte, die Geschichte des Gartens, in den wir durch die Lücken der Zweige hinunterblickten. Es scheint ein Park im Kleinen zu sein; ich gewahrte eine schöne grüne Rasenfläche von mächtigen Tannen eingeschlossen, Partien von blühenden Gebüschen, eine mit Weinreben bezogene Veranda, Rosenbeete und Blumengruppen und erfuhr, daß dies Alles vor nicht mehr als einem Jahrzehnte nichts weiter war, als einfaches Gemüseland.
„Es steht kein Baum,“ äußerte die Frau, „der nicht von uns gepflanzt worden wäre, wie überhaupt die Anordnung in Haus und Garten eigentlich von mir ausgegangen ist.“
„Was sollte ich thun?“ fuhr sie fort, als ich ihr darüber mein Compliment machte; „wenn man doch einmal einen Dichter zum Manne hat, muß man ihm wenigstens in irgend einer Weise behülflich sein, und da ich es nicht anders kann, habe ich versucht, unsere Umgebung so einzurichten, daß sie ihm gefallen und er sich darin heimisch fühlen muß.“
Inzwischen wurde die Familie vollzählig; die Mutter der [509] Hausfrau, eine freundliche Greisin, führte ein hübsches Mädchen mit schwarzen dunklen Augen herbei, das allsogleich schmeichelnd seine zarten Arme um den Hals Schmid’s schlang, während ein unverehelichtes Fräulein, als vieljährige treue Hausgenossin mir vorgestellt, einladende Früchte auf einem Dessertteller mir präsentirte. Das war das fünffache Kleeblatt des häuslichen Kreises, der von einträchtiger Liebe und freundlicher Heiterkeit umfriedet ist. Das Gespräch nahm nun einen mehr allgemeinen Gang, nicht lange an einem Gegenstande haftend, aber alles Anziehende mit raschem Fluge berührend; der Hausherr betheiligte sich daran nur mit flüchtigen Bemerkungen: Er scheint von schweigsamer Natur zu sein, die mehr zu hören als zu reden liebt, und führt, das Erbtheil von seiner edlen Mutter, wie man mir bemerkte, stets ein stilles in sich gekehrtes Gemüthsleben. Bei der Frage über die Zustände und die Zukunft der Dichtung in Deutschland war es allein, wo er in lebhaftere Erregung gerieth.
„Ich hege die besten Hoffnungen dafür,“ sagte er eifrig, „erleben werden wir die Zeit der Einigung nicht, der wir mit voller Strömung entgegentreiben – aber ich freue mich bei dem Gedanken an die äußere Ausdehnung und innere Erhebung, welche Dichtung und Kunst dann erfahren werden, wenn sie einmal der Ausdruck einer großen gesammten – Gott gebe auch in ihren religiösen Angelegenheiten einigen – Nationalität sein werden, wenn es ihnen gestattet ist, in Form und Inhalt echt volksthümlich zu sein – welch’ reiche bis jetzt verschlossene Gebiete werden sich ihnen dann eröffnen! Bis dahin bleibt uns nichts übrig, als unser Scherflein redlich zu verwerthen, daß es einen Stein zum Unterbaue bilde, auf welchem der vollendete Prachttempel sich erheben wird! Für meinen Theil schwebt es mir als Aufgabe vor, in meinen Geschichten und Romanen ein Stück schöner Lebenskunst zu geben, zumal auf Grund und Boden und auf der Geschichte meines engeren Vaterlandes, das mir am nächsten liegt, weil ich es am besten kenne; ist ja unser Volksleben in Gegenwart und Vergangenheit wohl eigenthümlich und bedeutend genug, um unter allen Verhältnissen einen würdigen Stoff zu geben. Ich habe mich lange mit dem Gedanken getragen, die Geschichte Baierns in einer zusammenhängenden Reihe von Erzählungen und Dramen dichterisch zu gestalten – der Tod des Königs Maximilian, der sich mit einem ähnlichen Plane trug, hat das wohl zu nichte gemacht, aber was schon dasteht, die Dramen: Thassilo, Christoph der Kämpfer, Ludwig im Bart, Münchnerkindeln, sowie die Erzählungen: der Jägerwirth, Morgenroth und Mein Eden, mag mindestens als ehrenwerthe Bruchstücke dessen gelten, was ich gewollt. Ich darf wohl sagen, ich habe sie mit dem Herzen geschrieben und in ihnen niedergelegt, was ich dem Volke, dem ganzen deutschen Volke wünsche, an Freiheit in Staat und Leben, an Licht und Feuer im Gemüthe, an Wissen und Bildung in Aufklärung und Vernichtung der Vorurtheile.“
Schon sank die Sonne dem Abend zu und kühlere Luft trug von den angrenzenden Wiesen den süßen Duft gemähten Grases herüber, da nahm ich von dem schönen häuslichen Kreise nicht unbewegten Abschied, dem Dichter Muße und Kraft wünschend, alle die Entwürfe zu verwirklichen, die er ohne Zweifel noch in sich trage.
Er schüttelte mir dankend die Hand. „Man muß zufrieden sein mit dem,“ sagte er, „was die Himmlischen zu erreichen vergönnen; ich erinnere mich einer Stelle aus dem Gedichte, das Freund Heyse bei dem Festmahl zur Schillerfeier vortrug:
‚Die Kraft ist Schicksal – unser ist der Wille!‘
Das ist ein tüchtiger Spruch, der eine gute Stütze giebt.“
Ich will Sie nun nicht länger draußen stehen lassen vor dem Allerheiligsten der Weltindustrie. Mit einer Schaar anderer Herren, Frauen und „Mädchen aus der Fremde“, die zu Wagen, per Eisenbahn, Dampfer oder auch zu Fuß an eines der Hauptthore des Ausstellungspalastes, die Porte Jena, auch „Porte d’honneur“ genannt, gekommen, drängen wir durch die „Tourniquettes“, diese massiven, modernen Controleure der Entréegelder, in die lange, herrliche Avenue. Wie sie sich da stolz hinabzieht, überdeckt von einer Flucht grüner, mit goldenen Sternchen besäter Baldachine, die von mächtig aufstrebenden, die Banner aller Nationen der Welt hoch erhebenden Fahnenstangen getragen werden, ist diese Avenue in der That ein Weg für Kaiser und Könige. Würdig wird das Auge vorbereitet für die Fülle von Größe, Schönheit, Pracht, die seiner im Bannkreise des ganzen Marsfeldes harrt, aber auch das Ohr, auf daß es den Breughel (ich will nicht sagen „Höllenbreughel“) ertrage, der ihm von allen Ecken und Enden entgegenkommen wird. Und wahrlich, ganz im Geiste eines Weltausstellungslärms beginnen schon die kleinen Industriellen, die sich vor dem Thore der großen Industrie herumtummeln, ihre Attaque auf uns. Es giebt nichts, was sie nicht für uns vorräthig hätten, diese armen, industriellen Fliegenschwärme der Exposition, eben so arm und lästig wie diese, sehr, sehr arm! Sie vertreten uns den Weg mit ihren Uhren, Ketten, Fächern, Lorgnons, Stereoskopen, Plänen, Alles – „de l’exposition.“ Es giebt keinen Artikel, den sie nicht mit der Ausstellung in Verbindung brächten, ihre Fächer sind „Ausstellungsfächer“, ihre nichtsnutzigen Uhren und Uhrketten sind „Ausstellungsuhren“ und „Ausstellungsuhrketten“, ihre Nadelbüchschen sind „Ausstellungsnadelbüchschen“ und sogar ihre Zündhölzchen rufen sie dir aus als „les allumettes de l’exposition“, obschon es dieselben großen Schwefelpfähle sind, die man in Paris schon zu ausstellungslosen Zeiten für Zündhölzchen ausgab. Und man bilde sich ja nicht ein, unser stummes, dankendes Kopfnicken nütze etwas, der Bursche hat es bald heraus, was man für ein Landsmann ist, und er läuft uns nach und beginnt seine Attaque in deutscher Sprache.
Einige deutsche Worte, die genügen, den Standpunkt klar zu machen, hat ja jetzt in Paris fast jeder der kleinen und großen Pariser Beutelspeculanten in Vorrath. Man wird staunen, wie viel nach der Weltausstellung in Paris von deutscher Sprache zurückgeblieben sein wird! Die Ausstellung germanisirt, sage ich, wenn sie noch ein Jahr dauert, ganz Paris. Wenn der Franzose Geld verdienen kann, thut er ja Alles, warum nicht auch ein wenig Deutsch lernen? Seit dem Bier ist das Germanisirungswerk längst begonnen worden. Wir haben es dahin gebracht, daß der Pariser, trotz dem Wörterbuch der französischen Akademie, den deutschen „Schoppen“ in seinen Sprachschatz als,„choppe“ aufgenommen, er hat vom „Bock“ längst Gebrauch gemacht und dank dem Wiener Dreher ist jetzt auch das Wort „Maß“ adoptirt und man kann jetzt die Pariser schon „une Mas“ Bier trinken sehen, auch deux undtrois Mas, je nachdem sie eben deutschen Durst haben.
Den Lärm, den diese kleinen Beutelspeculanten begonnen, setzen auf unserem Wege Zeitungs-, Becher-, Katalog- und Guiden-Verkäufer wacker fort. Männer in Leinwandkitteln, farbige Kappen auf dem Haupte, welche die Aufschrift tragen: „fauteuils roulants“, fahren uns ihre Rollstühle vor die Nase, mit der Einladung, darinnen Platz zu nehmen. Dergleichen fahrende Schüler und Schülerinnen der Weltausstellung giebt es nicht wenige; es sind freilich meist beleibte, übersolid gebaute Gäste des Marsfeldes, deren Geduld und Athem zu kurz sind, um gleich uns stehenden und gehenden Fußes ausharren zu können in dem Welten- und Menschengewühle. Und es ist keine Kleinigkeit, dieses Ausharren! Bedenke man doch, Hundert- und auch noch mehr Tausende von Menschen sind mit uns zugleich auf dem Marsfelde, und sind auch Palais und Park groß genug, um uns diese Zahl nicht zu sehr verspüren zu lassen, es ist und bleibt doch ein ruheloses Durcheinander von Köpfen und Beinen, in dem man Stand halten muß. In der äußersten der sieben Galerien, die den Ausstellungspalast bekanntlich bilden, in der Galerie der Restaurants, Cafés, Wein- und Schnapshändler, der Tabakkrämer, Glaciers, Patissieres, Lese- und Schreibesalons etc. etc., in diesem interessanten Ensemble von dem, was die ganze Welt ißt und trinkt, was die ganze Welt genießt, ist das Treiben, Schieben und Geschobenwerden zu jeder Tageszeit geradezu schwindelerregend.
Da ich erst das nächste Mal einen gründlichen Gang mit den Lesern durch diese Galerien der Essens- und Trinkenswürdigkeiten der ganzen Welt zu thun gedenke, so lassen wir uns für heute sanft der großen, schönen Halle zuschieben, die man den großen Vestibule des Palastes zu nennen pflegt. Das ist gleichsam die riesige Antichambre der Weltausstellung, der Wartesalon, könnte man noch besser sagen, denn der Vestibule hat etwas von dem Wartesaal eines riesigen Eisenbahnhofes. Rechts und links von da beginnen die Kreisläufe der Weltindustrie. Hier läuft zu allererst die Galerie der Maschinen in weiter, mächtiger, bogenförmiger Ausdehnung, den besten und größten Raum für all’ die schnurrenden, sausenden, brausenden, rasselnden, stoßenden, schlagenden, kleinen und großen Herren und Gebieter moderner Arbeit, diese absoluten Verdränger der menschlichen Hand, in Anspruch nehmend. Welch’ ein formloses Geheul der tausend geheimen Kräfte, die in den Elementen sitzen, welches vielstimmige Getöse, von Kolossen ausgehend, die Engel und Teufel, Menschenbeglücker und -Vernichter zugleich sein können! Und es ist gerade Mittag, wo sie alle zugleich arbeiten, diese Enakskinder der Industrie, wo all’ ihre Riesenleiber zugleich auf- und niederstreben, selbst bis zum Höhepunkt erhitzt und zugleich ein Bild erhitzter Menschenthätigkeit, ein Bild ruheloser Cultur, prometheusartigen Strebens und Jagens. Wenn diese Galeriewände Ohren haben, dann wehe ihnen, denn sie sind verdammt, anzuhören, wie hier in Tausenden feuriger Zungen und Tausenden von Arten der Zeitgeist vom Morgen bis zum Abend sein eigenes Lob predigt.
Im Vestibule selbst sprechen Frankreich und England ihre ersten industriellen Machtworte aus, hier haben sich nur maßgebende große Firmen [510] französischen und englischen Namens niedergelassen. Was wir hier sehen, sind gleichsam die schönen, malerisch angeordneten und prächtig gezeichneten, reich verzierten Initialen des großen Prachtwerks, das vor uns, einem Bilderbuch der Erde gleich, zu beiden Seiten ausgebreitet liegt. Auf französischer Seite bilden die ersten Modisten des zweiten Kaiserreiches, Deplaigne, die Louvregesellschaft, die Compagnie Lyonnaise, einige Luxusmöbelfabrikanten und die Verlagsbuchhändler Hachette und Marne diese glänzenden Initialen. Was sie geben, ist nur ein Extract gleichsam jener Industrie, die sie vertreten, aber welch’ ein Extract! Fragt nur die jüngeren und älteren Damen, die da vor den Schaukästen der ersten Modisten sich ansammeln und mit einer Zähigkeit vor ihnen verharren, als gäbe es nichts auf der lieben, weiten Welt Sehenswerthes mehr als Seide, Sammet und Goldbrokate, und ihr werdet eine Sprache vernehmen, aus der eitel heißes Sehnen nach diesen Dingen spricht, die da so unschuldig unter Glas stehen und doch vielleicht das verderblichste Zeug, d. h. frauenverderblichste Zeug, der Erde sind. Seht nun, wie ihre Augen an diesen reichen, schönen Stoffen hängen, wie sie alle die körperlosen Taillen der buntfarbigen Seiden- und Sammetroben mit ihrem eigenen Fleisch und Blut in Gedanken ausfüllen, und Farbe für Farbe mit dem eigenen Geschmack, dem eigenen Teint, der eigenen Haarfarbe vergleichen! Wie süß solche Toilettenträume sein mögen, das wissen die geehrten Leserinnen gewiß besser als ich. Nur wenige von den Ausstellungsbesucherinnen raffen sich rasch genug aus diesen üppigen Phantasien auf und stecken als Erinnerung eine von den Massen Adreßkarten der Firmen, die zu freiem Gebrauch herumhängen, ein. Wohl ihnen, wenn sie Geld genug haben, ihren Traum zu verwirklichen! Aber eines muß ich zur Entschuldigung der Frauen aller Welt, die da vor den Schaukästen der Lyoner Compagnie und der anderen Fabrikanten staunend stehen bleiben, denn doch sagen: es geschieht viel, um sie zu reizen, viel zu viel. Giebt ja Deplaigne sogar jeder Dame auch noch einen „Code de la Mode“ mit nach Hause! Und wahrlich, theuere Roben entbehren zu lernen, stellt dieser „Code Deplaigne“ gewiß nicht als §. 1 seines Gesetzbüchleins auf. Und nun, denke man sich, kommen diese Frauen aus der Weltausstellung wieder in ihr liebes französisches, englisches, deutsches, russisches oder auch türkisches Nest zurück und wollen dann den honorablen Mann zur Heilighaltung dieses „Code de la Mode“ anhalten! Sind das nicht Feuerbrände für toilettenempfindsame Gemüther, welche da in alle Welt hineingeschleudert werden?
Wie weit weniger corrumpirend wirken dagegen die schöngebundenen Bücher von Hachette und Marne, die nebenan paradiren, auf die Ausstellungsmasse! So oft ich mir auch das Vergnügen gönne, diese französischen Verlagswerke zu mustern, ich bleibe ungestört, nicht eine Seele gesellt sich zu mir hin, um mit Theil zu haben an diesen andersartigen Werken französischen Geschmackes. Mich erfaßte darum ein Staunen sonder Gleichen, als ich vor diesen eleganten Bücherauslagen des Vestibules vor einigen Tagen ein immer anwachsendes Menschengedränge sah. Ich traute meinen Augen nicht und doch standen wirklich Männer, Frauen, Mädchen, und elegante waren unter ihnen, um Hachette’s Bücher geschaart, aber sie standen da, nicht um die Bücher zu sehen, die französische Classiker und Romantiker geschrieben, sondern um den – Taikun, den jungen Bruder des japanesischen Herrschers, zu begucken. Der stand da und gaffte die prächtigen Einbände alle nach einander an, öffnete die großen und kleinen Bücher, befühlte den Druck, die Buchstaben, und frug, wenn ihm ein oder der andere Buchstabe gar so possirlich vorkam, seinen Interpreten und Dolmetsch nach seinem Namen, etwas, was ihn dann immer in große Heiterkeit versetzte, bei welcher Gelegenheit der rabenschwarze Zopf hinten auf dem Rücken ganz ergötzlich hin und her baumelte.
Uebrigens hat der junge „himmlische“ Prinz auch sein Pech hier und ist ihm schon manch Ergötzliches passirt. Was stieß ihm nur jüngst auf einem Ambassadeurballe zu? Ich kann’s Ihnen erzählen, denn es ist bis heute noch unerzählt. Der Prinz kam in gebotener Gala auf den Ball, aber in japanesischer Gala. Er hatte eine Art von reichgesticktem Schleppkleid, wie es bei uns Damen tragen, auf dem japanesischen Leibe; das schwarze Haar trug er, wie er es immer trägt, mädchenartig über den Hinterkopf hinabgeschlichtet und in dem schönen langen Zopf auslaufend. In der Hand hielt er ein wahres Bijoustück von einem kostbaren Fächer, reizende Filigranarbeit in Gold und Silber, den er auch manchmal, wenn er sich besonders langweilte (was ihm unter uns Barbaren nicht schwer wird), zum Munde führte, um ihn dann mit hochfeiner Zunge zu bearbeiten oder was sonst einem kaiserlich japanesischen Prinzen Freude macht. Eine von den geladenen Ausstellungscelebritäten mochte durch Aussehen und Betragen des Prinzen Min-Bon-Tayun in der That zu dem Glauben verleitet worden sein, der hohe exotische Gast sei eine junge, schwarze Dame; Kurzsichtigkeit kam hinzu, kurz, unsere Ausstellungscelebrität – sie ist, unter Anderem gesagt, deutscher Herkunft – ging auf die vermeintliche Dame zu und forderte sie zum Tanze auf. Der Prinz verstand kein Wort von der französischen Phrase, welche die Celebrität in Anwendung brachte; der Dolmetsch war gerade nicht zugegen, was sollte er also thun? Er lächelte verbindlichst, so viel hat er in der Kaiserstadt an der Seine schon gelernt, um sich aus der Verlegenheit zu reißen. Unsere Celebrität aber nahm unglücklicherweise das Lächeln für eine Tanzzusage und faßte die vermeintliche Dame unterm Arm bei der schönen Taille. Wer schildert aber sein Entsetzen, als die, wie er glaubt, schon gewonnene Tänzerin – der Prinz – bei diesem Vorhaben fürchterlich und in unverständlichen Lauten zu schreien anfängt! Hausherr-Gesandter und Hausfrau-Gesandtin laufen herbei, eine Masse andere Gäste mit und da klärt sich’s auf – der Prinz sollte als Dame von einem deutschen Industriellen zum Tanz geführt werden. Er wußte nicht, was man mit ihm vorhatte, und glaubte wahrscheinlich, man wolle ihm an seinen himmlischen Leib rücken. Das Gelächter, das sich bei Auflösung des japanesischen Räthsels im Ballsaale erhob, war nicht weniger himmlisch, als das Reich, dem der Prinz angehört. Als der Prinz Min-Bon-Tayun die Bedeutung des Angriffs später erfuhr, schien es ihm zu gefallen und von der Zeit an datirt auch seine Liebe zum Tanze, dem er sich nun im Bal Mabille als Zuschauer mit Vergnügen hingiebt. Aber die Gesellschaft des * Gesandten ist durch das Angstsignal des japanesischen Thronfolgers um den seltenen Genuß gekommen, einen Kronprinzen des himmlischen Reiches am Arme eines deutschen Industriellen walzen zu sehen – und es hätte dies das Schauspiel der Schauspiele der Weltausstellung sein können! Wie schade! –
Der Halbmond wehte in den letzten Tagen von allen Boulevardfenstern der schönen Lutetia. Er hatte das russische Kreuz verdrängt und sich allüberall aufgepflanzt, wo ein gutes Plätzchen war, um von den Hunderttausenden Fremder, die jetzt das Pariser Pflaster treten, gesehen zu werden. Paris ist orientalisch geworden, mochte man fast sagen. Was galt ein ehrlicher Vorname aus dem Kalender? Nichts. Um ein wenig beachtet zu werden, mußte man „Abdullah“, „Ali“ oder „Mustapha“ heißen. Das waren auch die Tage des Glanzes für das Stück Orient, das sie da in den Park der Weltausstellung auf dem Marsfelde hingezaubert haben. Die Moschee und der Kiosk vom rechten Bosporus-Ufer und die türkischen Bäder waren auf einmal Helden der Weltausstellungs-Tage geworden und mit ihnen rangen da die Orientalen „zweiten Grades“ (ich borge mir diese Eintheilung von Preußen), der Tempel von den Ufern des Nil, das ägyptische Wohnhaus und der herrliche Bardo von Tunis, um die Palme der Bewunderung.
Betreten wir zuerst die „grüne Moschee“, Yachmil Dzami, von Brussa. Majestätisch liegt ihre schöne Kuppel vor uns da und die Sonne spielt in der vergoldeten Spitze des schlanken, hohen Minaretes. Fragt sie nur, die grüne Moschee, und sie erzählt euch von herrlichen Tagen des Islams aus der Zeit, da noch Brussa die Residenz der Osmanen und der Sitz jenes ersten Mohammed gewesen, der sie bauen ließ. Damals freilich ließ sie sich nicht träumen, die Moschee von Brussa, daß man ihrem Bilde gemäß eine ähnliche in der berühmtesten Stadt der Christenheit folgender Jahrhunderte bauen werde und daß schlechtgläubige Menschenkinder in Massen zu ihr wallfahren werden. Und da kommen sie nun Alle mit uns und strömen durch das einfache Thor in das göttliche Haus Allahs und seines Propheten hinein. Mystische Lichter dringen durch die kleinen, buntfarbigen, von vergoldeten Gitterstäben umgebenen Fenster der Moschee, Farbenspiele geheimnißvoller Art und geheimnißvollen Tones weben unser Auge in fromme Träume ein, ein „Allah ist groß“ gleitet durch unsere Seele und ehrfurchtsvoll schreiten wir über den dicken, reichen Fußteppich hin. Wir sind im schönsten der Räume einer Moschee. Unser Blick fällt gleichzeitig auf den „Mehrab“ und den „Mimber“. Von dem einen aus wird der Blick der Rechtgläubigen nach jenem Mekka dirigirt, wohin sie bei jedesmaligem Gebet sich zu wenden haben, von dem andern aus, vom „Mimber“ nämlich, ertönt das goldene Wort des Korans in die Reihen der Betenden. Auf beiden Seiten des „Mehrab“ stehen dann die Namen der höchsten Wesen, die der orientalische Cultus kennt, die Namen Allahs und Mohammeds, einfach angeschrieben. Rechts vom Mimber geht es hinauf zum Minaret, das der Muezzin alltäglich fünf Mal besteigt, um von oben aus die Frommen zum Gebete zu laden. Um die Ausstellung zu vervollständigen, hätte man freilich noch für die Moschee von Brussa und ihr Minaret zugleich einen Muezzin engagiren sollen. Zeichen fremdartiger Natur, Farbe, Licht, Alles muthet uns hier geheimnißvoll an, der Mysticimus hat hier seine eigentliche Stätte und das „fragt mich nicht, warum ich glaube“ spricht hier aus der ganzen Umgebung recht deutlich zu uns. Der türkische Gott hat es sich bequem eingerichtet; er gestattet den Gläubigen nicht die geringste Nachfrage nach der Wesenheit der Dinge. Er bettet ihnen so üppig auf Erden, daß ihnen ein Nachdenken über sein „Sein und Nichtsein“ gar nicht beifällt. Das Sinnbestrickende alles orientalischen Lebens hat auch der orientalische Glaube. In den Räumen einer Moschee klärt sich das Auge nicht auf zu einer idealen Stimmung, es wird von Farben und Lichtern betäubt. Der Cultus des Mohammed ist fast auch nur eine Art von Opium; es ist ein künstlicher Schlaf, den der Islam seit Jahrtausenden schläft, und wer weiß, ob und wann er daraus erwachen wird.
Beim Ausgange aus der Moschee fallen uns die rechts und links an ihre Façade angebauten, zierlichen, von kleinen Säulen getragenen Pavillons auf. Hinter dem künstlich durchbrochenen von Goldflitter strotzenden Gitter des einen Pavillons ist der Platz für die Fontaine (Lébil), hinter dem andern der für die Uhren der Moschee von Brussa, welche die fünf Gebetszeiten des Tages angeben. Einige Schritte weiter, der Moschee zu Rechten, liegt der Kiosk. Er ward nach dem Muster eines Kiosks errichtet, den der Vorgänger des jetzigen Türkenbeherrschers am rechten Ufer des Bosporus angelegt, und verschafft uns eigentlich nicht die rechten Begriffe von der Pracht orientalischer Decoration. Der Salon, den wir da zu Gesicht bekommen, macht bei all’ seinen Malereien auf Goldgrund, seinen um die Wände laufenden Sophas, seinen goldfarbigen Fenstergittern doch keinen pompösen Eindruck. Natürlich hielt unsere Ansicht von dem Kiosk den Sultan Abdul-Aziz-Khan nicht ab, in ihm seine Weltausstellungssiesta zu halten, so oft ihm da draußen auf dem Marsfelde nach den Wanderungen auf dem Gebiete der Culturen jedes Mal im Kopfe ward „so dumm, als ging ihm ein Mühlrad im Kopf herum“. Und wie glücklich war er gerade in diesen Stunden seines Pariser Aufenthaltes! Man muß die Leute reden hören, die Zeugen seiner Qual gewesen, welche ihm Pariser Sitte überhaupt und Pariser Hofsitte insbesondere verschafften. Mit Wollust warf er sich auf die niedrigen Divane des Kioskes nieder und vergaß erst da all’ der Unbequemlichkeiten, die ihm die schönen und noblen Möbeln des Palais Elysée bereiteten.
Freilich, wenn man den Schilderungen der Pariser Hofblätter glauben wollte, so hat die Cultur der eleganten abendländischen Welt in all’ ihrer raffinirtesten Verfeinerung, wie sie in den Tuilerienkreisen auftritt, den tiefsten Eindruck auf den Sultan gemacht und er wird nichts Besseres zu thun haben, als den Hof am Bosporus, sobald er nach Hause kommt, gleich auf den Fuß des Hofes des dritten Napoleoniden zu setzen. Diese Stimmen geben den Sultan auch noch für verschiedenes Andere aus, was er nicht ist, für geistreich, intelligent, gebildet; sie lügen, wie competentere Stimmen behaupten, seinem Bilde mit großer Virtuosität an, was sie nur immer wollen. Sie lassen denselben in der französischen [511] Sprache und Literatur so zu Hause sein, als ginge er mit Victor Hugo schlafen und stünde mit Feydeau wieder auf, während man in der That am Hofe der Tuilerien seine liebe Noth mit dem Beherrscher des Türkenreiches hatte, da er das Türkische bei Napoleon dem Dritten und seiner Umgebung weit mehr voraussetzte, als er es vorfand. Die Wahrheit gesagt, soll dem Sultan die ganze hoffähige Civilisation ein wahrer Gräuel gewesen sein, noch weit mehr, als die nicht hoffähige; er erschrak auch vor der Art und Weise, wie man mit dem Sultan der Tuilerien, seinem cher confrère, umging, z. B. bei der Preisvertheilung im Industriepalaste des Marsfeldes, wie man sich der Majestät nähern durfte, ohne sich vorerst auf den Boden niedergeworfen zu haben; er empfand überhaupt sehr tief all’ den Mangel an morgenländischem Respect vor der geheiligten Person des Beherrschers. Ich frage nun, wozu idealisirt man uns diesen Sultan? Man muß ihn bei der so hoch interessanten Feier der Preisvertheilung gesehen haben, wie er stumpf vor sich hinstarrte, ohne ein Anzeichen von Theilnahme an dem Allen, was ihm so fremd war, zu verrathen; man muß ihn neben der so lebendigen, anregenden, graciösen Kaiserin Eugenie einhergehen gesehen haben, gar nicht wie einen Mann von fünfunddreißig Jahren, sondern wie eine künstlich von außenher in Bewegung gesetzte Körpermasse, um ein ganz anderes Bild von ihm zu erhalten, als es hier der öffentlichen Meinung aufzuschwatzen gesucht wird.
So eigentlich wohl hat sich der „erste Türke“ hier jedenfalls nur befunden, wenn er fern vom Elysée darüber nachdenken konnte, wie schön es ist ein Türke zu sein. Und das konnte er bequem in dem Kiosk. Noch bequemer im „Bardo von Tunis“, dem prächtigen Bauwerke, das der Orient im Ausstellungsparke geschaffen. Das Palais des Bei von Tunis ruft all’ die märchenhafte Herrlichkeit orientalischer Prachtbauten, mit denen Reisende unsere Phantasie erfüllt, in uns lebendig wach. Nennt es selbst ein architektonisches Märchen und das Wort ist keine Phrase! Geblendet hält das Auge vor diesem Wunder arabischer Kunst lange, lange still. Vor der Schönheit dieses Werks vergeht Alles, was die Völker des Erdballs sonst gebaut und geschaffen haben. Am Fuße der majestätischen Marmortreppe, die zu den Prachträumen hinaufführen, sitzen zwei Beduinen hoch zu Roß, die gezogenen Damascener Klingen in der Hand, und halten Wacht, gerade so, als wäre der Bei selbst anwesend im Bardo. Prächtige, poetische Gestalten, aus deren gebräunten Gesichtern die heiße Poesie der Wüste uns anspricht! Und welch schönes wildes, arabisches Vollblut sie reiten! Malerischer konnten die Nachbildner deiner Herrlichkeit den Eingang zu dir nicht gestalten. Wir steigen nun die Marmortreppen hinan. Im Vestibule empfängt uns volle, sinnliche Heiterkeit in allen Formen; Alles, die spitzenartig gewobenen Arabesken der Wände, die Mosaiken des Bodens, die buntbemalten Gitter, die schlanken Säulen, Alles lächelt uns an. Der Genius alter maurischer Kunst geht durch diese Räume. Da springen Fontainen in hohen Silberfäden, da winken Palmen zu sich heran und reichgesäumte Strohmatten laden zum Ausruhen ein im Schatten orientalischer Denkungsart.
Und weiter breiten sich zur Rechten und zur Linken des Vestibules Salons hin, im üppigen Schmuck morgenländischer Decoration. Die Plafonds zeigen tief verschlungene Zeichenschrift, orientalische Mystik, in farbige Tücher gekleidet erscheinen die Wände, durch farbiges Glas dringt das Licht des Tages in die hohen, weiten Säle. Wie herrlich diese beiden Kuppelsäle sind! Welchen Reichthum, welche Farbenpracht verrathen diese Decken mit vergoldeten Feldern, diese Malereien der Kuppeln, durch die das Sonnenlicht wie in langen Zauberschleiern herabfällt, diese längs der Wände sich hinziehenden Divane, mit seidenen, sammetnen oder goldgestickten Kissen, diese üppigen Portièren, Stern und Halbmond tragend in ihren bunten Feldern! Und da der reizende Alkoven mit seinem Goldgitter, mit seinen Schattenplätzchen. Und links wieder ein Salon, im Schmucke seiner eigenthümlichen Malereien uns fast glauben machend, er sei tief in indische Shawls gehüllt, Bogenfenster aus grünem Glase mit blauen Sternchen geziert, kleine, zierliche Säulchen, immer paarweise auftretend und wieder weiche Divans mit schwellenden Kissen. Wir haben uns kaum auf einem derselben niedergelassen, um uns tiefer in dieses Farbenmärchen zu versenken, da bringt uns ein brauner, hübscher Kerl im Turban den schönen, langrohrigen Tschibuk und auf der Feuerschale die glimmende Kohle. Und dann stellt er eins der kleinen, buntbemalten Stühlchen des Salons vor uns hin und setzt den dickgearteten Kaffee in einem niedrigen, schmalen Becher darauf. Wir schlürfen den Mokka und blasen dicke Rauchwolken vor uns hin, in denen sich die Hieroglyphen der Decke vor unsern Augen zu wiederholen scheinen. Zu den offenen Fenstern herein dringt die tunesische Musik aus dem Gärtchen des Palastes zu uns herauf. Vier braune Männer, auf einer Art von Tribüne mit gekreuzten Beinen lümmelnd, bearbeiten ihre negerartigen arabischen Instrumente und singen dazu Weisen, die den Kenner an alte hebräische Melodien gemahnen. Es ist eine Art wilder, ungegohrener, formloser Meyerbeer und Felicien David, so könnte man fast von dem sagen, was sie da singen. Bald bricht die Klage ungestüm durch diese Melodien durch, bald giebt es wieder eine wilde Heiterkeit, ein jauchzendes Aufschreien in Tönen. Halb glaubt man die Musik der Wüste, halb die der Synagoge zu vernehmen. Aber zu Tschibuk, Mokka und den üppigen Divans passen sie, diese orientalischen Weisen, sie gehören mit in das berauschende Wesen dieses Palastes des Bei von Tunis, sie sind für das Ohr, was Farben und Lichter in den Sälen für das Auge sind. Fast wäre uns jetzt ein Schläfchen „gefällig“. Wir bekommen Lust auf das Schlafcabinet des Bei von Tunis, es zieht uns mächtig hin zu dem vergoldeten Himmelbett mit den violettseidenen schweren Vorhängen und den weißen, langen, seidenen Kissen. Aber wir wollen doch die Gastfreundschaft der Orientalen nicht gar zu stark auf die Probe stellen. Die Treppen des Palastes hinabsteigend, singen wir im Freiligrath’schen Stile vor uns hin: „Wenn ich der Bei von Tunis wär!“ Und dann besteigen wir, des Neides voll, anstatt des goldenen Bettes den Omnibus, der uns zur Madeleine-Kirche fährt. In einer Moschee begannen wir das Tageswerk, bei der Madeleine beendigen wir es – das sind die Weltausstellungs-Contraste!
Ferdinand Freiligrath. Fern vom Getümmel des eigentlichen London – doch vermittels der den Nordosten der Stadt umspannenden Eisenbahn nicht allzuweit von der City – liegt die Vorstadt Hackney Wick, seit Jahren der Wohnort des Dichters, dessen Name in diesem Augenblick wieder durch Deutschland hallt. Zwei Mal schon – vor 1848, als er sein Glaubensbekenntniß geschrieben hatte, und dann wieder nach dem Sturze der Revolution, ist Ferdinand Freiligrath auf englischen Boden verschlagen worden. Auf englischem Boden sind einige seiner kraftvollsten politischen Lieder, einige seiner gewaltigsten Gesänge entstanden. Hier aber hat er auch mit eisernem Fleiß durch kaufmännische Thätigkeit, durch jahrelange rastlose Arbeit auf der „Schweizer Bank“, der er als Verwalter vorstand, für die aufblühende Familie eine schöne Häuslichkeit geschaffen, bis mit der Schließung jenes Finanzinstituts sein Posten einging und an die Nation die Pflicht herantrat, dem bisher in’s Joch gespannten Dichter den vollen „Flügelschlag der freien Seele“[WS 1] wieder möglich zu machen.
Von der Hackney-Station bis zu Freiligrath’s Hause sind es einige Minuten. Der Weg führt über einen ländlichen Kirchhof, in dessen Mitte ein altersgrauer Thurm ragt. Enge, winkelige, doch saubere Straßen bilden die Umgebung. Weiter hinaus dehnt sich eine freundliche Landschaft und fließt der stets mit zahlreichen Booten belebte Fluß Lea. Das Haus des Poeten, an dem wir nun angekommen sind, ist nach englischer Weise am Eingang mit zwei Stucco-Säulen geziert. Vor- und Hintergarten mit Busch und Bäumen verleihen der behaglichen Wohnung ein ländliches Aussehen. Tritt man hinein, so fühlt man sich sogleich vom Geiste des Kunstsinns angeweht. Die Zimmer sind vielfach mit den besten Kupferstichen geziert, und auch in zahlreichen Mappen findet der harrende Gast manchen Anhaltspunkt des Kunstgenusses.
Ich habe Freiligrath zum letzten Male vor etwa sechs Monaten gesehen. Trotz seiner sechs- oder siebenundfünfzig Jahre fand ich ihn von kräftigster Haltung, einen starkgebauten Mann; noch ganz volles langes Haar, nur erst mit Grau durchmischt; die Gesichtszüge von jener eichenhaften Festigkeit, die den Söhnen der „rothen Erde“, seiner Heimath, aufgeprägt ist. Im Auge gelegentlich einen Blitz, der den Dichter unverkennbar verkündet. Sein Auftreten erinnert sofort an das Burns’sche „Trotz alledem“, das Freiligrath so schön übertragen hat.
Seine treue, vielseitig gebildete Gattin, seine schön aufgewachsenen Töchter und Söhne bilden einen angenehmen Kreis um ihn her. Eine einfache, aber herzliche Gastlichkeit charakterisirt das Haus sofort als ein deutsches, während in Folge langjährigen Aufenthaltes auf britischem Boden das englische Sprachelement sich im Kinderkreise stark eingebürgert hat.
Eine milde Festigkeit, gepaart mit Zurückhaltung: das ist der erste Eindruck, den man von dem Dichter empfängt, der einst den Pegasus der Revolutionspoesie so wild tummelte. Bei öffentlichen Gelegenheiten ist Freiligrath in London nicht aufgetreten; die Gabe des gesprochenen Wortes, der freien Anrede vor einem „Meer von auswärts gewendeten Menschenantlitzen“ geht ihm ab. Auch beim ersten Begegnen thut sich sein eigenstes Wesen nicht leicht auf. Er hat darin etwas von Uhland. Doch im engeren Freundeskreis, wo er sich gehen lassen kann, fließt ihm die Rede leicht, und dann verwandelt sich die sinnige Scheu in Offenheit und der Sohn Apoll’s giebt sich ungezwungen in Ernst und Scherz. Freiligrath ist eine tiefe und ernste Natur. Es wohnt ihm dabei eine reiche Ader des Humors inne – oft so neckischer Natur, daß es fast als ein Räthsel erscheint, daß sich diese Seite seines Geistes in seinen Dichtungen kaum wiederspiegelt. Erinnert man sich, wie schwere und für einen Dichter doppelt anstrengende, weil seinem Charakter so wenig entsprechende Arbeitslast auf Freiligrath seit Jahren gelegen, so frappirt diese Neigung zu heiterem Frohsinn um so mehr und verleiht seiner Unterhaltung einen erhöhten Reiz.
Nach dem Sturz der Freiheitshoffnungen wollte Freiligrath bekanntlich nach Amerika übersiedeln. Das Gedicht: „Ein Weihnachtslied für meine Kinder (vor meiner Ausweisung 1850)“ giebt darüber poetische Meldung:
„Ade, ade! Das alte Weh!
Wer weiß, an was für Wellen
Wir über’s Jahr, Rauhfrost im Haar,
Die Weihnachtstanne fällen!
Vielleicht auf’s Neu umfängt sie treu
Alt-Englands werther Boden;
Doch sichrer ist, sie steht zur Frist
Am Hudson in den Loden.“
Bitterer ist einer der Schlußverse:
„Drum muß es sein, und stößt der Rhein,
Euch aus, ihr Vagabunden:
Der neue Heerd, der feste Heerd,
Er wird euch doch gefunden!
Dran wurzelt ihr, und lacht, das hier
Uns hudelt, des Gelichters: –
Die Heimath blos macht heimathlos
Die Kinder ihres Dichters!“
Schließlich verblieb Freiligrath in der Weltstadt an der Themse. Sein Leben ist ihm daselbst seit sechszehn Jahren in ziemlicher Einförmigkeit verflossen [512] Die abstumpfende Arbeit in der City hat zwar seinen gestählten Geist nicht niederzudrücken vermocht, doch ist sie dem dichterischen Schaffen nicht günstig gewesen.
Freiligrath’s politische Gesinnungen sind bekannt; er hat sie in zahlreichen scharfen Gedichten niedergelegt – die schärfsten, welche Deutschland auf diesem Felde besitzt – und er macht auch jetzt aus seinen Gesinnungen kein Hehl. Unter den Londoner Deutschen sind er und Karl Blind die entschiedensten Repräsentanten der Freiheitspartei; die beiden Männer, durch persönliche Freundschaft eng verbunden, halten treu und fest zusammen. Des demokratischen Agitators mit klugem Sinn gepaarte Kühnheit, sein tiefes, umfassendes Wissen, seine eindrucksvolle, aus überzeugtem Geist strömende, stets durchschlagende Rede, wie auch seine gefühlswarme Neigung zu Poesie und Kunst, die bei aller schneidenden Principschärfe in ihm waltet, hat zwischen ihm, der in der Frische der Manneskraft steht, und Freiligrath seit Jahren ein immer enger werdendes Band geflochten. Ebenso freundschaftlich nahe stehen sich Freiligrath’s literaturkundige Gattin und die von philosophischem Geist getränkte Gemahlin Karl Blind’s, beides Frauen, die in Würde und Anmuth einer anziehenden Häuslichkeit walten.
Es ist Freiligrath während der Exiljahre nicht vergönnt gewesen, den Musen viel zu opfern; nur gelegentlich brach der mächtige Lyraklang bei ihm wieder durch – so in seinem episch-großartigen Gesang: „Die Revolution“ – in seinem Gedicht auf den Tod der Frau Johanna Kinkel – in seiner Schiller-Cantate, die er bei dem Nationalfeste im Jahre 1859 schrieb und die, von Pauer componirt, im Krystallpalast zu Sydenham, wie auch bei den deutschen Festen in den Vereinigten Staaten vorgetragen wurde. Laßt uns hoffen, daß der Dichter, sich selbst wiedergegeben, nochmals am Abend seines Lebens in die Laute greifen und den Saiten mächtige Töne entlocken wird!
R–g, im Juli.
Deutsches Lied. Wo ich auch Deutsche traf, da fand ich, daß in einer Beziehung sicher bei allen das Vaterland noch immer an den Sohlen haftete, so weit sie auch gewandert sein mochten, nämlich in der Liebe zum – deutschen Lied. Sogar dort, wo die politischen Zustände jeglichem Vereinswesen mehr als ungünstig waren, wie z. B. unter dem eisernen Scepter eines autokratischen Nikolaus und eines bourbonischen Ferdinand’s von Neapel – unter dessen Bombenregierung sogar lithographirte Visitenkarten die Censur passiren mußten – auch dort fand ich blühende deutsche Vereine und hörte die zündenden Freiheitslieder unserer besten Dichter erschallen. Bei den Eingebornen genossen diese Vereine stets die größte Achtung, und gar manche hochgestellte Persönlichkeit rechnete es sich zur Ehre, zu einem „gemüthlich-vergnügten“ deutschen Gesellschaftsabend oder sonst einer Vereinsfestlichkeit geladen zu werden.
Zu einer Zeit, wo in den meisten Monarchien Europas das „Ordnungsmachen“ an der Tagesordnung war und wo namentlich Rè Bomba seine chers frères et cousins in diesem Geschäfte zu überflügeln trachtete, im Jahre 1851, fand ich in Catanzaro in Calabrien das Erhebendste, was mir je von deutschem Vereinswesen bekannt wurde. König Ferdinand durchzog damals an der Spitze des größten Theils seines Heeres – an der Tête desselben die Söldnerschaaren der republikanischen Schweizer – gleichsam im Triumphzug seine Provinzen diesseits des Faro, dessen Hauptzweck indeß eine Generalrazzia auf die noch restirenden „Unzufriedenen“ war.
Sein Weg führte ihn natürlich auch nach Catanzaro, dieser Stadt auf hohem Bergrücken, und er mochte wohl nicht wenig staunen, dort an einem Sonntag-Nachmittag auf einem seiner Ausflüge, die er gewöhnlich blos in Begleitung seines ersten Favoriten, des Schweizer-Obersten Steiger, machte, in seiner Nähe: „Das Volk steht auf, der Sturm bricht los“ im gelungensten vierstimmigen deutschen Männerchor singen zu hören. Da der König im Felde gewöhnlich die einfache Uniform eines Infanterieobersten trug und, wie gesagt, ohne alles Gefolge war, so vermutheten die deutschen Sänger natürlich in dem sie freundlich grüßenden Militär durchaus nicht den „Schrecken“ des ganzen Landes und sangen auf sein Verlangen gern dasselbe Lied da capo und nachher noch mehrere andere.
Der König, der deutschen Sprache vollkommen mächtig, unterhielt sich über zwei Stunden mit unseren Landsleuten auf’s Angenehmste und bekam in seinem Incognito gar manche bittere Wahrheit zu hören, ohne deshalb aus demselben herauszutreten. Als jedoch Herr Wild, ein feingebildeter Elsässer, vom feurigen Wein der Gegend begeistert, sich etwas zu hoch in die politischen Tagesfragen zu versteigen begann, da nahm der König Abschied von den deutschen Sängern und zwar mit folgenden Worten: „Meine Herren, es waren die schönsten Stunden, die ich auf diesem Zuge verlebte; ich danke Ihnen von Herzen dafür und wünsche, daß Sie hier, wenn auch ohne mich, noch recht viele Jahre zu Ihrem und des Landes Nutzen stabil bleiben möchten. Singen und sprechen Sie deutsch, was Ihnen beliebt, nur hüten Sie sich, Ihre Reden und Lieder in der Sprache der Landeskinder verlauten zu lassen, denn wenn dies der König erführe, könnten Sie leicht ‚fern von Madrid‘ – Sie sehen, ich kenne Ihren Schiller auch – ‚Zeit zum Nachdenken über die heutigen Stunden erhalten‘. Leben Sie wohl, meine Herren!“
Des andern Tags bezog eine Brigade in Catanzaro Quartier. Die Stadt war im obligaten Festschmuck. Die gewöhnlichen Empfangsfeierlichkeiten fanden statt, denn Ferdinand zog heute officiell in die Stadt ein. Selbstverständlich war die ganze Stadt auf den Füßen, um ihren „lieben“ Landesvater zu bewillkommnen, und wer beschreibt den Schrecken unserer vierzehn deutschen Sänger, als sie in ihrem Gast von gestern den gefürchteten König erkannten! Herr Wild und zwei Preußen reisten sofort nach Messina ab, um so schnell als möglich nach Marseille abdampfen zu können, und die Uebrigen mochten wohl lange Zeit Damoklesqualen geduldet haben.
Diese vierzehn Deutschen, die trotz bourbonischer Galeeren- und Henkerregierung hoch über der Bucht von Squillace deutsches Lied und deutsche Sitte gepflegt hatten, verdienen sicherlich das höchste Lob, und um so mehr, als nur sechs von ihnen in Catanzaro selbst wohnten, die übrigen acht aber jeden Sonntag von Monteleone, Squillace und andern Ortschaften über Berg und Thal oft mehrere Stunden weit herbeipilgerten, um den heimathlichen Laren zu opfern. Es war dies jedenfalls eine größere Aufopferung, als die der Deutschen in der Weltstadt an der Themse, die mitunter auch meilenweit vom Vereinslocale entfernt wohnen, dafür aber die guten und billigen Communicationswege zur Verfügung haben, welche in Calabrien heute noch zu den unbekannten Dingen gehören.
Die Roßmäßler’sche Conchyliensammlung und „Roßmäßler’s Ehre“. E. A. Roßmäßler, dessen Lebensbild mit trefflichem Portrait wir in einer der nächsten Nummern der Gartenlaube bringen, hatte als Specialität wissenschaftlicher Naturforschung sich die Land- und Süßwasser-Mollusken erwählt; sie sind der Gegenstand seines berühmtesten Werkes, der „Ikonographie“ derselben, und bilden den Inhalt einer großartigen Sammlung. Es kann wohl kaum eine glaubwürdigere Empfehlung derselben geben, als wie sie ein hervorragender Conchyliologe, Archidiakonus Adolph Schmidt in Aschersleben, in folgender brieflicher Zuschrift ausspricht:
„Es ist,“ schreibt er einem Leipziger Freunde, „eine schwierige Sache, auf Ihre gefälligen Anfragen über den Umfang und den Werth der Conchyliensammlung des sel. Roßmäßler mit ein paar Worten Auskunft zu geben, zumal Ihnen, der Sie kein Conchyliensammler sind. Doch so viel sagt sich wohl Jeder, der kein Fachmann ist, daß die Sammlung des Mannes, welcher über ein Vierteljahrhundert lang die erste Autorität für die europäischen Binnenconchylien gewesen, der durch seinen immensen Fleiß als Sammler und Forscher die Kenntniß dieses Gebiets angebahnt hat und der dann mit den von ihm Angeregten und weiter Fortgehenden stets gleichen Schritt gehalten hat, ich sage, daß die Sammlung dieses Mannes mit der eines noch so eifrigen Dilettanten gar nicht verglichen werden kann. Ja, es ist nicht die geringste Uebertreibung, wenn ich behaupte, daß diese Sammlung in der ganzen Welt einzig dasteht. In ihr finden sich in großer Fülle die zuverlässigsten Originalexemplare aus der Hand von Ziegler und andern Vorarbeitern; ja, sie enthält die Originalexemplare zu Roßmäßler’s Hauptwerke – das will doch gewiß am meisten besagen. Das Meiste, was er in seiner weltberühmten Ikonographie abgebildet und beschrieben hat, war sein Eigenthum. Ich weiß, daß kurz vor meiner ersten Bekanntschaft mit Roßmäßler die sächsische Regierung ihm eintausend Thaler für die Sammlung geboten hat und daß er sich mit Recht nicht entschließen konnte, sie für einen solchen Preis hinzugeben. Das war vor fast zwanzig Jahren. Wie ist diese Sammlung nun seitdem angewachsen! Welche herrlichen Schätze sind derselben, abgesehen von dem immer mächtiger wachsenden Tauschverkehr, ganz besonders durch Roßmäßler’s Reise nach Spanien einverleibt worden. Diese kenne ich ganz speciell, denn der selige Roßmäßler legte Werth darauf, daß ich das kolossale Material von lebend mitgebrachten Sachen vor der Publication der vielen neu aufgefundenen Arten anatomisch durcharbeitete. Für Manchen hat es daher vielleicht auch Interesse zu erfahren, daß diese herrliche Sammlung nebenbei die Originalexemplare zu mancher von mir veröffentlichten anatomischen Arbeit darbietet.
Das Wiener Museum legt mit Recht großen Werth auf den Besitz der Draparnaud’schen Sammlung – aber was ist diese im Vergleich mit der Roßmäßler’schen! Wie ich höre, reflectirt Jemand im Interesse einer nordamerikanischen Universität auf Ankauf der genannten Sammlung. Es wäre ein Jammer, wenn dies Juwel europäischer Wissenschaft über’s Meer wanderte. Können Sie dazu beitragen, daß es Deutschland oder einem deutsch redenden Volke erhalten bleibt, so thun Sie das ja; Sie würden sich dadurch ein großes Verdienst erwerben!“
Leider ist dazu wenig Aussicht, da von unseren Staatsanstalten wenige so dotirt sind, daß sie einige Tausende für eine Sammlung auf einmal aufwenden könnten, und Roßmäßler’s Hinterbliebene sind nicht im Stande, der deutschen Wissenschaft ein Opfer zu bringen. Er konnte seiner Wittwe nichts hinterlassen, als seinen Namen, seine Bücher und diese Sammlung. Die Wittwe erhält eine jährliche Pension von fünfundachtzig Thalern. Um nicht in Roßmäßler’s Namen das deutsche Volk anzubetteln, haben Freunde des Verewigten ein Schriftchen drucken lassen: „Roßmäßler’s Ehre“, welches die zu seiner Gedächtnißfeier in Leipzig vorgetragenen Reden von Prof. Wigard in Dresden und unserm Brehm (jetzt in Berlin) und Dichtungen von Eduard Burckhardt und Ludwig Würkert sammt einem Portrait des Gefeierten bietet. Mögen die Freunde und Verehrer, Gesinnungs- und Glaubensgenossen Roßmäßler’s dieses Schriftchens zum Besten der Wittwe sich annehmen! Die buchhändlerische Besorgung hat die Buchhandlung von Robert Friese in Leipzig übernommen; besondere Einsendungen richtet man an „das Roßmäßler-Comité in Leipzig“ oder dessen Vorsitzenden Dr. Friedrich Hofmann daselbst. – Die Opferansprüche unserer Zeit sind freilich groß, aber wo die Pflicht der Dankbarkeit gegen einen verdienten Mann die Herzen mahnt, hat man in Deutschland diese Mahnung noch niemals überhört.
Inhalt: Das Geheimniß der alten Mamsell. Von E. Marlitt. (Fortsetzung.) – Ein großer Meister und sein größtes Werk. Mit Abbildung. – Käthchen Murat, die amerikanische Prinzessin. – Ein Erzähler der Gartenlaube. Mit Portrait. – Pariser Weltausstellungs-Briefe. Von Michael Klapp. 3. – Blätter und Blüthen: Ferdinand Freiligrath. – Deutsches Lied. – Die Roßmäßler’sche Conchyliensammlung und „Roßmäßler’s Ehre“.
- ↑ Von den größeren historischen Romanen Schmid’s nenne ich: Kanzler von Tirol (3 Bde.), Friedel und Oswald (3 Bde.) etc.
- ↑ Von den früheren dramatischen Arbeiten Schmid’s sind 1850 zwei Bände bei Arnold in Dresden erschienen. Mehrere Dramen des Dichters gingen mit glücklichem Erfolge über die Bühnen zu München, Wien, Berlin u. a. O.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ aus „Aus den Bergen“ von Georg Herwegh.