Textdaten
Autor: Adolf Glaßbrenner
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Weihnachtsmarkt
Untertitel:
aus: Berliner Volksleben Band 1, S. 233–272
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1847
Verlag: Engelmann
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Commons
Kurzbeschreibung:
Siehe auch Weihnachten
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[235]
Der Weihnachtsmarkt.

Viele Hunderte von Buden ziehen sich in Doppelreihen über den Lustgarten, den großen Schloßplatz durch die breite Straße und deren Umgebung. Die tausend bunten Tausendfältigkeiten der Industrie, der Mode und des Luxus, bestrahlt von Lampen und Lichtern, locken die vorübergehenden und vorüberfahrenden Beschauer an, erwecken Wünsche in Jung und Alt und bestimmen die Wahl Derjenigen, die schenken wollen und müssen. Vor der Stechbahn ist ein Wald künstlicher und natürlicher Pyramiden mit goldenen Aepfeln und Nüssen; aber auch zwischen den Buden durch, rechts und links, hier und dort, werden die erwartungsvollen Kinder von grünen Bäumen angelächelt, die sich am Weihabend oder am Christmorgen mitten aus den Gaben der Liebe und der Freundschaft lichterstrahlend erheben. Des Drängens, Lärmens und Schreiens ist kein Ende; im Letztern wirken diejenigen Buben am meisten, welche große Waldteufel brummen lassen und bemalte Fahnen ausrufen, der warnenden Kutscher, der lustigen Gesellen, die ihren Jubel nicht in der Seele behalten können, und der Händler, die ihre Waaren anbieten, nicht zu [236] gedenken. Die kleinen Knaben in den Bürgerfamilien haben zu Hause von Vater, Mutter, Tante und vom großen Bruder jeder einen Groschen bekommen, springen dafür fröhlich und dankend an ihnen hinauf, küssen, und versprechen etwas Pfefferkuchen mitzubringen. Das Mitbringen ist Sache der Alten, und der Kinder süßestes Glück ist es, die Großen zu spielen. Inzwischen wartet das Dienstmädchen schon, das sie begleiten soll; sie hat den dreijährigen schnatternden Engel der Familie, die kleine naseweise Louise oder Marie, auf dem Arme, zieht ihr das schwarze Sammetkäppchen noch ein Mal recht in’s Gesicht hinein, wickelt sie fest in ihr großes Umschlagetuch, damit die Schneeflocken das Püppchen nicht treffen, und ruft nun den schnell zur Thür hinauspolternden Jungen das erste: Aber Wilhelm! Aber Karl! zu.


Fritz (hat einen Kranz großer und kleiner Waldteufel um den Leib, und macht mit einem Riesenexemplar derselben furchtbaren Lärm; schreit) Walddeibelverkoof! Hallohverkoof!

Stephan (mit bunten Papier-Fahnen handelnd; schreit). Fahniverkoof! Hallohverkoof! (zu Fritz). Na hör’ mal, Fritze, Dein Walddeibel! Allens wat recht is, aber sonn Jebrumse wie des, des jeht eenen bis in de Elsteroogen! Mir wundert, deß Dir des die Nachtwächter nich übel nehmen.

Fritz. Ach wat, Nachtwächter! Wat jehn die mir an, die Hornissen! Mir wächtert Keener Nacht; mein Hausschlüssel liegt an de Ecke unter de Feuertiene. Wenn meine Schwester ehr zu Hause kommt, denn wart’ se uf mir, un wenn ick eher komme,

[236a]

[237] denn wart’ ick uf ihr. (läßt seinen Waldteufel brummen und schreit) Walddeibelverkoof! Hallohverkoof!

Pyramidenhändler. Na, dummer Junge, mach’, det de hier wegkommst! Brumm’ eenen hier nich de Ohren voll! Da wird man ja janz dämlich nach, nach des Jebrumme!

Fritz. Ach nu hör’ eener den Perjemieter, der hier bei zehn Jrad Kälte nach Pepinjeere in Schatten unter de Beeme sitzt, un sich bei de Laterne sonnt! Ne, Jottlieb, sei ruhig, mit Dir ist aus: Du bist in de Fichten jejangen! Wat brumm’ ick Dir? De Ohren voll brumm’ ick Dir? Na hör’ mal, da könnt’ ick noch lange brummen! Wat wirst Du danach? Dämlich? Ne, De irrschst Dir, des is nich von alleweile; Deine Mutter war ’n Walddeibel! Juter Jottlieb, sei uf Deine Collejen nich neidisch. Du stehst mitten in’n Wald, un an Deibel fehlt et Dir nich.

Pyramidenhändler (steht auf und zeigt die Absicht, ihn thätlich zu beleidigen). Na warte, rumdreibrijer Straßenjunge! Wenn ick Dir unter meine Hände krieje, denn soll Dir der Kopp noch besser brummen, wie Dein Walddeibel!

Fritz (aus einiger Entfernung). Jo nich, kleener Müller! (zu Stephan) Bleib’ janz ruhig hier stehen, Stephan; wenn er kommt, kratzen wir aus. (zum Pyramidenhändler) Jottlieb, stille, janz stille, Jottlieb! Du dhust mir nischt, jo nich! So’n Perjemieter, wat meenste Stephan, der will uns verachten! Jo nich! (auf Stephan zeigend) Des is hier ein Fahnenjunker, un ick bin musikalscher Instrumentenmacher! (zu einem Ehepaare) Na wie is es’n, Madam Baronin? Keinen Walddeibel vor de kleenen Baronekens: Sechs Pfennje des Stück! (immer der Dame bei Seite) Koofen Se mir [238] eenen ab, ja? Wirklicher Ausverkoof, fort mit Schaden! Ick habe keene viertelmeilenlange Anzeige in’s Italjenzblatt; ich bin ehrlicher wie alle die andern Schwindler. Hör’n Se mal, Madam Baronin, eenen Eenzijen, ja? Ick nehme ooch ’n Louisd’or zu sechszehn Jroschen an.

Die Dame (sehr böse). Fort, dummer Junge!

Fritz. Jo nich fort! Behandeln Sie mir nich so spektabel, Madam Baronin; ick bin auch von Ihren Stand: mein Jroßvater war en pensionirter Reeber. (zum Gemahl) Is Ihnen nich noch een Walddeibel jefällig?

Kubalsky (Buchbinder, mit seiner Frau, seinem 14 jährigen Sohne Alfred, seiner 12 jährigen Tochter Clotilde und seinem Freunde Bremse aus Treuenbrietzen. Kubalsky spricht sehr ernst und mit wichtiger Miene). Indem wir hier die Stechbahn hinabjehen, sehen wir dennoch die Buden, und kommen unter keinem Wagen. Die beiden Kinder können voranjehen, damit wir sie vor Augen haben, und wir Drei jehen nach, so viel es mir möglich ist.

Mad. Kubalsky (zu Bremse). Mein Mann hat einen Ueberblick, nich wahr Jevatter Bremse?

Bremse. Er hat einen solchen.

Kubalsky. Der Weihnachtsmarcht ist eine sehr schöne Einrichtung vor den Kindern, damit sie sich Des ansehen können, was sie nicht kriejen; wenigstens haben sie alsdann den Jenuß. So viel es mir möglich ist, schenke ich übrigens vor meine Person sehr wenig, fast jar nichts.

Mad. Kubalsky. Des is wahrhaftig wahr, diese Anjewohnheit hat mein Mann; so klug und jelehrt er sonst is, so [239] hat er auch hier den richtijen Tick wech, denn es is doch am Ende Allens verjänglich, un wenn man des Jrößte nimmt. Nich wahr, Jevatter Bremse?

Bremse. Es ist Allens verjänglich, Frau Jevattern.

Mad. Kubalsky. Na sehen Se wohl, Jevatter Bremse, Sie sind darin meiner Meinung. Aber, des is wahr, mein Mann dreibt seine Jrundsätze manchmal zu weit, un Des nich etwa von jestern, i Jott bewahre, vor siebzehn Jahren noch doller als anjetzt. Sehn Sie, Herr Jevatter, wenn er mir durch de janze Brautzeit durch mehr als eene Tiete jebrennte Mandeln von Schaußens jeschenkt hat, so will ick nich ehrlich sind. Des war jrade an dem Dage, wo mein Mann, des heißt, mein darzumaljer Bräutjam, zweedausend Thaler in die Lottrie jewonnen hatte, was den Jrundstein zu unser Vermöjen jelegt hat, denn nachher konnte sich mein Mann ausbreiten, wie wir uns verheiratht hatten und unser Jeschäft führten. Jevatter Bremse, nich deß ich etwa damit prahle, aber wir haben en paar Jroschen vor unser Alter, des können Sie mir jlooben.

Kubalsky. Mutter, diese Zustände jehören hier nich her.

Bremse. Sie sind wohlhabend, Frau Jevattern Kubalsky; Sie haben sich damals was jeschafft.

Mad. Kubalsky. Na ja, jut; aber nu sagen Se selbst, ob es bei uns nich janz knapp herjeht, Jevatter Bremse? Sie sind doch nu manchmal den janzen Tag bei uns, so lange wie Se in Berlin sind; Sie müssen uns Des doch nu zujeben. Finden Sie es, des wir irgend wo was verschwenden?

[240] Bremse. Jott bewahre, Frau Jevattern, jar nich! Es jeht sehr knapp bei Ihnen her.

Kubalsky. So viel es mir möglich ist. Nein, ist das aber hier ein Gelärme und Jetobe und ein Jebrumme, da möchte man sich wahrhaftig Baumwolle in den Augen stop – Ohren stopfen, wollt’ ich sagen; ich versprach mir. Alfred und Clotilde, daß Ihr mir nicht Euch verlauft!

Alfred. Nein, lieber Vater! (zu seiner Schwester) Komm’, Clotildchen, gib mir Deinen Arm, wir wollen uns unterfassen, Braut und Bräutjam spielen. So! (sie an sich ziehend) Ach, mein süßer Engel, meine innig geliebte Clotilde, wann wird Dein schrecklicher Vater, der alte Burggraf, in unsere Verbindung willigen?

Clotilde (lacht). Das ist hübsch! (zärtlich) Mein theurer Alfred, ich liebe Dich so herzlich; aber ach, es ist keine Hoffnung, keine! Sie können sich immer ganz dreist todtschießen aus unglücklicher Liebe, denn mein alter Adel erlaubt mir diese bürgerliche Verbindung nicht. (nach einer Bude zeigend) Ach, sieh mal, Alfred, diese wundervolle Küche hier! Gott, wenn ich ’mal so ’was in meinen Leben bekommen hätte!

Alfred. Aber unglückliche Clotilde, Sie spielen auch noch mit der Küche? Nicht nur mit meinem Herzen? Ne sage mal wirklich, daß Du immer noch so gern spielst! Seh’ mal, ich komme nun schon zu Ostern nach Ober-Tertia, und Du hast immer noch ’ne Puppe zu Hause.

Clotilde. Ich bin auch erst zwölf Jahr, und Du bist schon vierzehn. Und denn bin ich auch kein Mann wie Du!

[241] Alfred (lacht). Hahaha, Mann! Ich!

Clotilde. Na ich meine nur so, weil Du doch einer wirst. Jetzt bist Du – noch ein: Jünklink. Aber übrigens, wenn Du so in der Tanzstunde Dir im Cotillon eine Dame holst, da hast Du einen Anstand, so dreist, so daß ich mich immer darüber freue, daß Du mein Bruder bist. Das Einzige ist ein Leibrock, was Dir zum großen Mann fehlt. Weißt Du, Alfred, Du siehst sehr gut in der schwarzen Jacke aus Vaters alten Ueberrock aus, aber die andern Herren mit den Leibröcken: es hat doch mehr so ’was Erhabenes.

Geschrei. Hurrah! Juchhe! Walddeibelverkoof, Hallohverkoof! Fahni, Fahni! Na man immer ran, bester Herr!

Pfeifenhändler Brecke (steht vor seiner Bude, trappelt, um sich zu erwärmen, fortwährend mit den Füßen, schlägt die Arme übereinander, und spricht dabei mit seiner Nachbarin, der Obsthändlerin Piesich). Kotz Schock Schwerebrett, is des wieder ’n Weihnachtsmarcht, da möchte man de Platze vor Aerger kriegen, Madam Piesichen! Nu sehn Se mal, nu steht so’n unjlücklicher Mensch hier wie ick un trampelt un schlägt sich die Kälte aus’n Leibe, un worum? Um nischt, reene um nischt! Na oder nennen Se des was, Piesichen, deß ich seit heute um Zehne drei Pfeifen zu sechs Silberjroschen, zwei Spitzen un en Wassersack verkooft habe? Is des des Standjeld werth? Na, so thu’ mir Eener den Jefallen!

Piesich. Na, Herr Brecke, mir jeht et woll besser? Zwee un ’ne halbe Metze Aeppel un vor sechs Dreier Wallnüsse, det sollste fühlen!

[242] Brecke. Sehn Se! Sehn Se, da jeht nu so’n Kerrel jroß un breet vorüber! Kann sich nu so’n Kerrel wie Der nich ’ne Pfeife koofen? Wozu hängen se’n hier? (wüthend) Der Deibel soll se alle uf’n Kopp fahren! Ansehen dhun se sich Allens, aber koofen dhut Keener nischt! Ne un meine Beene, die kriej’ ick nich wieder warm. Det fehlt eenen noch hier, sich krank machen un nischt einnehmen! Ach, un dabei schlag’ ick mir vor Wuth in de Seiten, det ick kaum Athem holen kann.

Piesich. Na immer ran, Madamken! Schöne Rostocker, Borschdorfer, Wallnüsse, Hasselnüsse! – (die Dame geht vorüber.) Ja Kuchen!

Brecke. Sehn Se, wat sagt ick Ihnen, da jeht se hin un singt nich mal! Die un Aeppel koofen, na da kennen Se Die schlecht. Wenn se sich noch wenigstens ’ne Pfeife jekooft hätte! Kann unser Eener roochen, wird so’n dickes Frauenzimmer ooch nich der Deibel davon holen!

Piesich (zu einem vorübergehenden jungen Herrn). Immer ran, mein schönster Herre, schöne Rost ...

Junger Herr (die Aepfel besehend). Was kosten de Viertelmetze?

Piesich. De Viertelmetze? Sechsdreier!

Junger Herr (indem er langsam fortgeht). J worum nich jar en Dhaler un zehn Silberjroschen!

Piesich (bitterböse). Ach herrjees: Nu wird der ooch bei die Zeiten noch witzig! So’n knickstieblijer Windhund mit ’n jewölbten Leibrock un de Haare a la Schafskopp! So’n Viertelmetzen Jüngling mit zwee Kupperdreier in de Tasche will sich [243] ooch noch dicke dhun! Ne, juter Junge, da biste bei de Unrechte jekommen! Vor so’n Kerrel, wie er is, da wachsen de Aeppel nich, der find’t seine uf de Straße! Bei die Kälte, so’n Jespenst ohne Fleesch! So’n Lappendräger mit drei Knochens un vier Splinter will ’ne reptirliche Frau kujenieren? So ’ne Zujabe uf’n Dutzend Menschen? Er is woll ooch erst nach de ufjeschlagne Akziese uf de Welt jekommen? Der janze Kerrel sieht wie ’n Seufzer über die unglückliche Zeit aus! J Jott ne doch, ne doch! Nehm’ Er sich doch blos in’n Acht, deß de Schwalben in’t Frühjahr nich in seinen hohlen Kopp bauen? Vermieth’ Er sich lieber als Telejraphen-Jestelle; wenn man ihm die Arme ausenanderschlägt, denn heeßt et in Köln: in Berlin is ’ne Hungersnoth!

Mehrere Knaben (schreiend). Hurrah! Hurrje, hier jibt et Skandal! Die Hökern schimpft hier! Hurraaah!

Piesich (in höchster Erbitterung aufspringend). Hökern? Maulaffen infame, ick wer’ Euch behökern! Ne ick sage, man möchte sich de Schwindsucht an’n Halse ärjern! So’ne – Löffels infamen, von die man alle zusammen siebenunsiebzig Mal Mutter sin könnte!

Gensd’arme. Sein Sie stille.

Piesich (sich setzend). J Jott ja, mit Verjnügen. ’t jibt Eenen ja so Keener was vor seine Unterhaltung.

Brecke. Hör’n Se mal, Herr Jensd’arm des Jescheidtste, was Sie dhun könnten, wäre, deß Sie mir en paar Käufer randrieben.

Kutscher (schreit vom Bock herunter). Heda, Sie da! Weg [244] da! Sie da! – Wollen Sie sich denn mit Jewalt überfahren lassen?

Fußgänger. Ach ne, so sehr besteh’ ich eben nich druf! Wenn’s nich durchaus nothwendig is, denn bleib’ ick lieber noch ’ne Weile leben. (ein Pferd wiehert.) Prost, Jrauschimmel!

Gelbgießer Poppe (betrunken). Na nu, was is denn hier? Weihnachtsmarcht? Weihnachtsmarcht braucht hier jar nich zu sind, braucht er! Buden? Illummnirt? (steht still.) Wer is illummnirt? Jelbjießer Poppe? Des bin ich, ich Poppe. (zu einem Herrn) Kennen Sie mir? Können Sie Poppen? (turkelt weiter.) Sie brauchen mir jar nich zu kennen! (steht still und läßt den Kopf auf die Brust sinken.) Wenn ich mir kenne, kenne, denn braucht mir Keiner nich zu kennen. (schreit.) Jelb – jie – ßerr bin ick! (turkelt weiter.) Ich jieße jelb, und drinke Punsch! Viel Punsch drink’ ich, sehr viel Punsch, unjeheuer viel Punsch, so viel Punsch als möglich! Branntwein drink’ ich ooch, Schnaps ooch, Kümmel ooch, Pomeranzen ooch, Poppe drinkt Allens, bei Dage, un bei Nachte, un bei Eulner’s un bei überall. Ich jehöre zum Mäßigkeits-Verein, jehör’ ich! Des heeßt zu den, der mehr nützt, als alle die andern, nützt er! Ich jehöre zu den Verein, der so viel wechsauft, deß die Andern mäßig sind müssen! (bleibt stehen.) Wovor is hier die Pfefferkuchenbude? Ich esse keenen Pfefferkuchen! Ich steche Ihnen eine Maulschelle, wenn Sie die Bude nich wegnehmen! (vor einer andern Bude.) Was haben Sie zu verkoofen, haben Sie? Zinnjießer haben Sie zu verkoofen? (böse) Ich eße keene Zinnjießer! Wovor stehn die vielen Soldaten hier? – Wozu so viele Soldaten uf’n Weihnachtsmarcht? [245] – Hier is keen Krieg, is hier nich, also futsch mit de Soldaten! (er fährt mit der Hand in die Bude hinein, und wirft die aufgestellten Soldaten um.) Pladeradautsch, nu is Frieden!

Zinngießer. J so’n infamer besoffener Lümmel! Na warte! Is denn keen Jensd’arm nich hier?

Poppe (sieht sich um). Ne, da kann ich Ihnen nich mit ufwarten. Wenn mir eener bejejent, denn wer’ ich’t ihm sagen, wer ich (geht weiter). So’n Zinnjießer jejen mir, jejen en Jelbjießer, un noch dazu jejen Poppen! (steht still un besinnt sich.) Na wo will ick’n eejentlich hin? Zu Hause? Als ich? Zu Hause? Um die Zeit? I Jott bewahre! Da jeh’ ick ja meinswegen, meinswejen jeh’ ick, jeh’ ick meinswejen: in de Punschbude retour! (dreht sich um.) Ja, des dhut Poppe!

Kubalsky. Ich müßte übrijens lügen, wenn ich sagen sollte, daß so ein Herumziehen unter einer Volksmasse eijentlichst mein Jout wäre. Ein Mal tösen mir von das Jebrause meine Ohren sehr, und dann führt das Hin- und Her-Jeschubstwerden sein Unanjenehmes mit sich. Ich wäre mithin zu Hause jeblieben, wenn es Alfred und Clotilde nich so jern jesehen hätten und dieses nich meine Kinder wären, so viel es mir möglich ist.

Mad. Kubalsky. J nu, da bin ich denn doch nich janz mit Dir einverstanden, weil sich doch am Ende die Erinnerung an eenen knüpft von de Jugend her, wo man sich halb dodt jefreut hat, wenn man sich vor sechs Pfennje Pfefferkuchen uf’n Weihnachtsmarcht koofen konnte. Nich wahr, Jevatter Bremse?

Bremse. Ja wohl.

[246] Mad. Kubalsky. Ach ne, ich besinne mir: Sie sind ja von Jugend uf in des Dorf, wie heeßt es doch, bei Treuenbrietzen jewesen und haben nie nich den Weihnachtsmarcht jesehen.

Bremse. Ne, ich meinte nur, ich könnte mich das denken.

Kubalsky vor einer Bude). Hör’n Se mal, Jevatter Bremse, Sie wollen ja Ihre Frau was mitbringen von Berlin; kaufen Sie ihr doch hier solchen Schwall, der wird ihr sehr jut stehen, und des wird ihr was Neues aus die Residenz sein, was sie in Treuenbrietzen nich haben kann.

Bremse. Ich habe ihr schon vor zwee Jahren eenen mitgebracht; indessen, wenn Sie meinen?

Mad. Kubalsky. J Jott bewahre, in so’n Nest wie Treuenbrietzen zwee! Wenn se da eenen Schwall hat, da kann se zeitlebens mit auskommen. Wo kann se’n denn meinswejen umhängen? Theater is da in die Jejend nich, also bleibt ihr vor den Schwall nischt als de Kirche übrig. Un denn sehn Se, lieber Jevatter, selbst wenn Sie wirklich ooch mal mit Ihre Frau in Jesellschaft kämen, was sind des vor Jesellschaften! Un am Ende aller Enden, en Schwall is un bleibt immer mehr Luxus als Nothdurft, denn natürlich, er is blos vor Frühling un Herbst, weil man im Winter ’ne Enveloppe umhängt un in’n Sommer es den Schwall zu warm wird. Un denn sage mir doch mal, lieber Mann, was kann denn de Bremsen jroß zum Schwallumdhun kommen? Nimm mir des nich übel, aber ’ne Frau, die alle Dage mit neun Stück Kinder fertig werden soll, wovon’s ältste acht Jahr is, die kann nich de Hände in’n Schooß lejen; die hat wat zu puckeln en janzen Dach über, un besonders [247] bei so’nn Jeschäft un bei so’nn Logis wie’s Ihrige, Jevatter, wo’n janzen Dach jeklabastert wird, rin und raus, un wo man sich kaum umdrehen kann. Un denn sehn Se mal, lieber Jevatter, Ihre Frau is ’ne jute, einfache Frau, sie macht sich aus den Staat nischt; na un wenn se sich ooch was draus machte, sie würde am Ende doch immer anspruchslos aussehen.

Bremse. Sie haben darin janz Recht; ich werde ihr lieber was in der Wirthschaft schenken.

Kubalsky (zu seiner Frau). Du hast Recht, aber Du hättest Dir kürzer ausdrücken können.

Lehmannais (vor seinem Tische mit wunderthätigen kleinen Flaschen und Schachteln auf- und abgehend, und Käufer anlockend). A Meßjees, je suis le berühmte Faberkante von die unjeheure Wunderjeschichten, die Allens aus die Kleider und Habite bringen, was ein Mensch ’rein macht. Flecke un Panster von Oel, Fett, Talg, Wachs, Theer un überhaupt Jucks un Schmuz de toute Qualitees! ’Aben Sie la Bongté näher ßu spazieren an mein Magaßeng extraordineer un einzig in seiner Art. Hier haben Sie „Esprit de Sultan Mahmud!“ Sie öffnen die la Putellje, jießen einen Tropp auf Fleck – futsch, is Fleck wech! Der verstorbene Sultan hat es selbst erfunden, und alle den alten Jucks aus seinen Divan damit fortjeschafft. Kommen Sie her, Mußjee le Päysang! (er zieht einen Landmann an seinen Tisch.) Sie haben hier einen furchtbaren Panster auf wotter Mateng. Hier is Putellch; hier jieß ich zwei Tropp auf den Fleck; ich reib’ un peu, ich nehm’ Bürschte, voyez: futsch is Fleck, voyez!

Landmann. Wenn’t naß is, des Duch, denn secht’s [248] immer so uut, als ob der Dreck weck wäre, aberscht nachher is er wieder doa.

Lehmannais. A mon Dieu, vous zweifleree? Jeben Sie deux gros, zwee Jroschen Courant, un Sie seind vor Lebenszeit ein reenlicher Mensche. Vous ne voulez pas? Adieu, adieu, je le .... (zu einem Träger, der ihn unversehends stößt) Na blinder Hesse, kannste denn nich sehen?

Träger (sehr ruhig). Ick wer’ Dir jlich bei Hessen! Nimm’ Dir ’n Acht, Du Endeken Franzose aus de Kanonierstraße!

Lehmannais. Na vor so’nen Schafskopp, wie Du bist, wird er sich ooch noch nich fürchten.

Träger (setzt sein Gepäck bei Seite). Wird er sich nich? Na warte, Franzose, Du wirscht schon! (indem er ihm einen Schlag auf den Kopf versetzt) Ick wer’ Dir en bisken Freiheitskrieg von en Berliner beibringen, det Dir der janze Feldzug wackeln soll. (während eines zweiten Schlages) Raatsch, da haste’t! Wir fürchten uns nich vor die wirklichen Jroßmäuler, die selbst bei’n juten Morjen det Zieren nich lassen können, un bon jour sagen, jeschweige vor so’nen Voigtländer, der sich eine französche Dickstejeere unter’t Koppkissen jelegt hat! (ein Gegenkompliment parirend) Ohoch, ne, det wird nischt! So’ne französische Wulewu-Krabbe wie Du bist, die lassen wir uns nich so nah’ uf’n Leib rücken! Du ärgerscht Dir woll, deß de von Deine Flecksachen nischt los wirst? Na wer wird’n ooch so’n Esel sind un Dir Deinen Jucks abkoofen? Ne, kleener Pariser ohne Absatz, Du dhust mir nischt, mir jo nich, verstehste? Wenn ick Dir einije blaue Flecke beibringe, denn, sag’ ick Dir, denn kannste sechs Wochen Esprit [249] de Sultan druf jießen, die jehen nich raus! Adje Wulewu-Schaafskopp! (ladet sein Gepäck wieder auf und geht ab.)

Lehmannais (halb für sich). Esel! (zu den Zuschauern) A Meßjees et mes Dames, je suis le berühmte Faberkante von die berühmte Wunderjeschichten, die Alles aus die Kleider und Habite bringen, was ein Mensch ’rein macht: Flecke un Panster von Oel, Fett, Talch, Wachs, Theer un überhaupt Jucks un Schmuz de toute Qualitees. Spazieren Sie näher, ’aben Sie la Bongtee! Hier haben Sie schennsten Pflaster pour les yeux de Hühner, besser als die in de Tintefabrike, die uns was blanche macht. Hier ’aben Sie Esprit de Sultan, futsch jeder Fleck! Hier ’aben Sie Kitt à la Lampereur de Fetz et Maroccoco. Sie zerschmeißen ein Taß, ein Teller, ein Jlas, ein Werre; Sie halten Kitt über Licht, Sie machen ihn chaud, warm, Sie verkleben die Taß, den Teller, das Werre, bumms is i ganz un kein Riß zu sehen.

Ein Junge (vorübergehend). Blos der, den Sie uns machen!

Lehmannais (fortfahrend). Hier ’aben Sie – immer näher, Meßjees et mes Dames! – hier ’aben Sie l’eau de la baiersche Jungfrau Marie, die machen Wunder durch’s janze Reich, wo de Natur hübsch is. Das l’eau können Sie jieße auf votre visage, wenn Sie haben rothe Pickelkens: l’eau von die baiersche Jungfrau Marie nehmen Pickelkens wech un machen schönstes visage.

Schuster Premelowsky. Mir wundert, det Sie sich noch nischt in Ihr Jesichte jejoßen haben!

Baron (zu seinem Freunde, einem Studenten). Du, Julius, [250] sieh’ mal das Mädchen dort in der Putzbude! Teufel, die ist hübsch!

Stud. med. (indem er nach der Putzbude geht) Zwei Teufel, wo ein Mädchen hübsch ist!

Baron. Sie hat listige, pfiffige Augen.

Stud. med. Ein verliebter Blick von ihnen wär’ der süßeste Augenblick.

Baron. Ich wüßte noch einen süßern. (zur Putzmacherin) Nun, mein Fräulein, so allein? Keine Käufer vor der Bude, da doch in derselben so schöne Gegenstände sind?

Putzmacherin. Die Wenigsten wollen Das kaufen, was zu verkaufen ist.

Stud. med. Ist Nichts zu haben, was man mit Liebe bezahlen kann?

Putzmacherin. Haben Sie viel von dieser Münzsorte?

Stud. med. Für Sie bin ich ein Crösus!

Putzmacherin. So suchen Sie sich eine Crösinn, und bringen Sie sie unter diese Haube hier. (Sie präsentirt ihm eine schöne Haube mit Blonden garnirt.)

Baron (lachend). Hahaha, bravo!

Stud. med. (einen Augenblick verlegen) Ich befolge Ihren Rath. Was kostet die Haube?

Putzmacherin. Fünf Thaler und Zehn Silbergroschen.

Stud. med. (zieht seine Börse) Fünf Thaler und Zehn .... (zum Baron) Hör’ mal, lieber Bruder, ich habe nicht so viel bei mir: pumpe mir mal zwei oder drei Thaler.

Baron (gibt ihm das Verlangte). Da, Herr Bräutigam!

[251] Stud. med. (indem er bezahlt) Gratias, Herr Brautvater! (er nimmt die Haube, empfiehlt sich, schleicht um die Bude herum, reißt schnell die Thür derselben auf und tritt plötzlich vor das erschrockene Mädchen). So, mein Fräulein! Sie haben mir selbst erlaubt, mir eine Crösinn zu suchen und sie unter diese Haube zu bringen. (er will ihr die Haube aufsetzen.)

Putzmacherin. Um Himmelswillen, entfernen Sie sich! Was sollen die Leute davon denken! Ich bitte Sie recht schön, gehen Sie wieder hinaus; wir wollen uns dann weiter unterhalten.

Stud. med. Mein Zweck ist erreicht; Sie haben mich, ich habe Sie überlistet: wir sind quitt. (er geht hinaus und tritt wieder vor die Bude.) Aber eins müssen Sie mir versprechen, nämlich, daß ich Sie heut Abend nach Hause begleiten darf.

Putzmacherin. O nein, daraus wird nichts! Je dreister Sie übrigens werden, je mehr verkennen Sie mich. Mein Vater war Beamter; seine Wittwe und ich, Beider Tochter, führen dies Putzgeschäft.

Stud. med. Ah, das ist brav! Haben Sie die Güte, mir Ihre Wohnung zu sagen; ich nehme von jetzt an meinen ganzen Bedarf von Ihnen und (seufzend) – von Ihrer Mutter.

Baron. Ich auch.

Putzmacherin. Hier ist unsere Adresse; sie finden dieselbe übrigens auch an Ihrer Haube.

Stud. med. Die nehme ich[1] in keinem Falle mit!

Putzmacherin. So nimmt sie dieser Herr. (sie will die Haube dem Baron übergeben.)

[252] Baron. Gott bewahre, ich mische mich niemals in fremde Haubenangelegenheiten!

Stud. med. Fräulein, ich werde wirklich böse, wenn Sie die Haube nicht behalten. Morgen ganz früh, ehe Sie nach den Markt gehen, bin ich bei Ihnen – – und Ihrer lieben Mama, und dann will ich sehen, wie Sie das Häubchen kleidet. Ich muß wissen, wie Sie sich als Frau ausnehmen werden.

Putzmacherin. Gut, das sei Ihnen erlaubt.

Stud. med. So wollen wir gehen. (schelmisch drohend) Verlieben Sie sich aber nicht in die Blonden, denn Sie sehen: ich bin ein Schwarzer....

Putzmacherin (hinzufügend).... Teufel! Ich werde mit meiner Liebe jedenfalls bis morgen Vormittag warten.

Stud. med. Gute Nacht, Sie Engel!

Putzmacherin (freundlich). Gute Nacht!

Stud. med. (dreht sich um und drückt dem Baron die Hand) Sobald ich mein Staatsexamen gemacht habe, wird Die mein Weib!

Baron. Au! Drück’ mich doch nicht so! Sobald Du Dein Staatsex...? Na, bis dahin hast Du hinreichend Zeit zur Reue. – Uebrigens ist es ein allerliebstes Mädchen, das ist wahr, und tugendhaft scheint sie auch zu sein, das ist schade. Man findet diese Eigenschaft sonst selten bei Putzmacherinnen; so wie aber eine ausnahmsweise sehr hübsch ist, so macht sie gleich Prätensionen.

Stud. med. Das Mädchen hat übrigens Geist.

Baron. Ja, das mag sein, aber wozu ist das? ’Ne Putzmacherin ohne Geist ist mir eigentlich viel lieber, denn da....

[253] Stud. med. Mach’ keine schlechten Witze!

Baron. Zum Donnerwetter, mach’ Du nur keine, und spiele mit mir hier nicht Komödie! Für so bornirt wirst Du mich doch nicht halten, daß ich an Deine platonischen Sentiments glauben könnte. Ich seh’ Dich schon als Romeo nach dem Colosseumball unter der Gaslaterne, gerade wenn der Nachtwächter vier Uhr tutet, auf der Straße Deiner Julia harren. Das Fenster öffnet sich, die Putzmacherin kriecht durch, steigt auf den Kellerhals, reicht Dir, dem Hinankletternden, die zarte rothe Hand im Handschuh – der Du sein möchtest, um ihre Wange zu küssen – und flüstert Dir fragend zu: „Seind Sie es, Studente?“

Stud. med. Das paßt nicht auf meine Angebetete dort, auf jenen Glanz in solcher niedern Hütte. Uebrigens fühle ich gegenwärtig einen bedeutungsvollen Durst, ich kann wohl sagen: mehrere Dürste. Wir wollen in die Weinkneipe; ich habe Pump. Ich kenne einen Weinhändler, der sehr leichtsinnig in dieser Hinsicht ist.

Baron (nimmt ihn unter den Arm). Dem Manne kann geholfen werden.

Geschrei: Walddeibelverkoof! Hallohverkoof!

Spielwaarenhändler Knipske (steht, sehr bunt und auffallend gekleidet, in seiner Bude, lockt die Vorübergehenden an und unterhält die Anschauer seiner Waaren, indem er so viel wie möglich witzig zu sein strebt). Nun, meine schwerdgewetzten Herren und Damen, haben Sie die Güte, gegen sofortige baare Bezahlung nach Belieben zuzulangen. Mein erst Gefühl sei Preuß’sch Courant, mein zweites [254] kleene Münze. Wie wär’ es, mein Fräulein, wenn Sie sich in Ermangelung eines andern Mannes diesen Nußknacker zulegten; er hat zwar ein häßliches Aeußere, aber sein Inneres doogt nischt. Immer heran, meine Herrschaften: die Mannigfaltigkeit is außerordentlich und die Auswahl ist verschieden. Die Kinder erfreuen, ist eine der schönsten Genüsse des elterlichen Daseins! Zähren des Dankes werden die Lichter der Perjemite erlöschen und das Jubelgeschrei eines kindischen Gemüths wird auch Ihre verehrte Augen anfeuchten. Schachteln zu drei Silbergroschen mit zwanzig Stück Diversen stehen jederzeit zu Diensten; Archen Noah’s mit mehr Thieren als in der Wirklichkeit existiren, vom heißen Elephanten an bis herunter zum Karnickel, Schorsteinfejer, Windmüller, Windmühlen mit Jeklapfer, Trommeln in jeder Größe und in jeder Kleine, Schaafe mit Boomwolle, Laternen majika’s, die mit einem Dreierlicht die Geisterwelt erschließen, mechanische Schlangen, Soldetenscheeren, größere Thiere. Hunde, Katzen, Pferde, Schweine, Tiger, Löwen, Ochsen, Esel, Adler, neue Reineke Füchse und andere Thiere in der natürlichsten Bekleidung und der täuschendsten Familienähnlichkeit. Na, was ist Ihnen gefällig, beste Madam? Kaufen Sie mir für ein paar Hundert Thaler ab: es ist das schönste Fest der Liebe und dieses ist nur eun Mal im Jahre!

Friederike (Dienstmädchen, ihrer Freundin begegnend). Herrjees, Carline, Du bist es! Na? Du sehst Dir ooch immer so um; Du wart’st jewiß ooch uf Deinen?

Caroline. Ja, Rampelberjer kann erst um halb Neune aus de Caserne, un da hat er mir bestellt, deß wir uns bei [255] Kasemirn zusammentreffen. Meine Herrschaft is heute zum Jeburtsdag in de alte Jacobstraße, un da kommen se vor Zwölwe nich zu Hause. Ick loofe nu man derweile hier uf un ab vor Kasemirn, sonst wissen de Leute nich, was se von eenen denken sollen, wenn man so stille steht.

Friederike. Na, da habt Ihr’s jut bis Zwölwe! Meine sind bloß in’s Theater, un da muß ich schon um Neune wieder ufpassen. (wird gestoßen.) Na, na; na, na; man hier nich die Leute umrennen! (zur Freundin) Flocke, mein Dischleer, wollte mir ooch hier treffen.

Caroline. So? I siehste woll, nu haste ja doch den Flocken endlich ranjekriegt! Na, hör’ mal Du, Fridrike, der war höllisch feste, der hat Dir lange zappeln laaßen; ich weeß noch von’n Sommer her, von Moabit, wie Du als blinde Kuh Dir immer en bisken ufmachtest, deß De sehen konnst, um den Dischleer immer ranzukriejen. Na, verdenken kann ick’s Dir nich, besser als der Splitter, Dein verjanjener Schneider, is er. Flocke is en hübscher Mensch, un hat en lebhaftes Temprament un läßt sich de Butter nich von’s Brot nehmen, na un en Dischler is immer anständig. Ick muß Dir ufrichtig jestehen, Fridrike, wenn ick’n Bessern kriejen könnte, wie Rampelberjern, denn wird er anjeschnallt, denn, es is wahr, Rampelberger is en proprer Soldat, un manche könnte sich freuen, wenn se man so eenen hätte, aber seh’ mal, dumm is er; ne da jeht nischt drüber, dumm wie ’ne Latte. Un denn, des Dumme ließ ick mir noch jefallen, desto besser pariren se, aber deß er dabei so unverschämt intressant is, des jeht denn doch nachjrade in’s Weite. Na ich [256] bin wahrhaftig nich so, wenn ich en Liebsten habe; ich jebe Allens her, was ich unter de Seele habe, denn natürlich von sein Traktementt un von’s Commisbrodt kann er nich fett werden, aber ich sage Dir, Rampelberjer is nanu un in alle Ewigkeit nich zufrieden. Was meenste denn, deß er mir schon zujemutht hat, ich soll ihn zwee Dhaler von meinen Weihnachten abjeben, un drei krieg’ ick villeicht im Janzen?

Friederike. Ach, is nich möglich: man blos drei Dhaler bei die jroße Wirthschaft un bei zwee jroße Jungens?

Caroline. Na ja, un en lumpijet Jinghankleed, wo ick noch’s Macherlohn bezahlen muß, un Aeppel, Nüsse un Pfefferkuchen, des versteht sich von selbst.

Friederike. Ne, da lob’ ich mir denn doch meine Herrschaft: unter fünf Dhaler, een Kleed, sonst noch was, un Aeppel, Nüsse un Pfefferkuchen dhut die’t nich.

Caroline. Ja, des jloob’ ich, des is ooch en Unterschied mit uns Beede. Du hast ooch een’n Herrn, der Dir in de Backen kneift, wenn er’t Morjens in’s Biereau jeht; mir kneift de Frau.

Geschrei. Walddeibelverkoof! Hallohverkoof! Fahniverkoof! Hallohverkoof!

Tischler Flocke (hat sich heimlich Friederiken genähert, greift ihr in die Taille und versucht mit ihr zu walzen, indem er singt):

Die Liebe is en Feuerzeug,
Des Herz, des is der Zunder,
Un fällt een kleenes Fünksken rein,
So brennt der janze Plunder!

Friederike. Aber, Flocke, sind Sie denn nicht recht bei [257] Troste! Wie können Se denn hier uf’n Weihnachtsmarcht mit mir danzen wollen?

Tischler Flocke. Worum Dieses nich, anjenehmer Jegenstand? Vor Jott jenir’ ick mir nich, un de Welt veracht’ ick, sagt Pietsch. (ihr die Hand reichend.) Ju’n Abend, Jejenstand! (zu Carolinen) Ju’n Abend, Mamsell: Carline, wenn ich mir nich irre; dieselbe Carline, die diesen Sommer uf de jrüne Wiese in Moabit so komisch stolperte un so intressant hinpurzelte, ha, ha, ha! Ja, wenn sich de Carline verlooft, des stört! Na, Kinderkens, Flocke is nich so; er läßt was vorfahren; er wird Euch was zu knabbern koofen. (tritt an die Bude) Ju’n Abend, Wagener un Kasemir, Klosterstraße Nummer 104, jeben Se mal jefälligst mir, ein viertel Pfund von die Sorte hier! – Nich wahr, des is en schönes Jedicht? Wenn Des Spontini als Oper componirt, denn rejent es Lorbeerkränze.

Rampelberger (schlägt Carolinen auf die Schulter). Juun Abend!

Caroline (erschreckend). Na, welcher Och... ach, Sie sind es, Rampelberjer? Na aber des war mal ooch wieder en Spaß, der recht nach de Caserne schmeckt!

Flocke. J sehn Se mal, Rampelberjer! Den alten Rampelberjern sein Sohn, der nich schuld dran is, deß des Pulver erfunden is! J biste ooch da, oller Junge? Herrjees, Carlineken mit den Moabiter Stolper, des is Ihrer? Rampelberjer is Ihr Jejenstand? Na, des is recht, Den heirathen Se, der Kerl jibt eine reizende Ehe ab! Den können Sie vorreden: Die lahme Lotte hinkt, wenn Se nach Schnaps jeht, Der jloobt et!

[258] Rampelberger (lächelnd). Hihihi, immer un ewig macht er seine Witze uf meine Dummheit! ’n putziger Kerl, der Flocke!

Flocke. J wie kannste denn so was jlooben, Rampelberjerken? Ne, harmloser Drajoner, Dir erzürn’ ick mir nich. So wie ick mir als Dischleer etablire, is mein Jlück jemacht, denn operir’ ick Dir. Wenn ick Dir die Bretter alle vor’n Kopp wechnehme, da bin ick in drei Jahren en jemachter Mann. Na nu kommt, Kinderkens, nu wollen wir uns de Buden ansehen; was De nich verstehst, Rampelberjer, des wer’ ich Dir erklären. (sie gehen Arm in Arm langsam weiter.) Siehste, Rampelberjer, des is hier eine Handschuhmacherbude. Der Mann macht lange Finger un dreibt en ehrliches und ledernes Handwerk. Du, jeh’ aber nich so nah’ ran, hörste! denn wenn Du Deine Patsche blos von weitem zeigst, denn platzt een Jlacehandschuh nach’n andern. – Diese Bude hier is ein Klempner; der Mann muß alle Dage blechen, un will davor bezahlt werden. Er verfertigt ooch Spiritus-Lampen; wenn Du Dir davon eene uf’n Kopp setzt, denn brennt se nich. – (die beiden Mädchen lachen.)

Rampelberjer. Worum’n nich?

Flocke. Hahaha, nu versteht des Rhinozeros nich mal diese leichte Pojenkte. Ne, Rampelberjer, Du bist wirklich zu dumm; wenn Du Dir nich uf des Jtaljenzblatt abonnirst, denn jehste unter, oder in’s Kloster, eens von Beeden.

(Er kos’t ein wenig mit Friederiken und trällert dann vor sich hin:)
Jedermann ist uns willkommen,
Der ein Herz in seiner Brust;
Mag von Süd’ und Nord er kommen,
[259]
Wir umarmen ihn mit Lust!
Nur was kricht und ist kein Thier,
Das Geschöpf verachten wir;
Denn wer sich nicht selber ehrt,
Ist auch keiner Ehre werth.
Darum, Brüder, stimmet ein:
Welches Glück, Berliner sein!

Rampelberger, dieses is eine Jinghan-Bude; wenn Du hier bezahlst, so schneidt Dir de Frau so viel ab, wie Du haben willst. (zu Friederiken) Hör’ mal, Jegenstand, Du legst Dir zu sehr an meinen moskaulösen Körper an, und läßt Dir von mir schleppen. Diese neuen Anlagen sind mir etwas wenijer anjenehm, als die bei Dhiergartens. So, lege ab. Nanu weiter in heuterer Betrachtung und Erklärung des Weinachtsmarchtes. Dieses is eine Buchbinderbude. Wenn Du Dir bei den Mann unjebunden benimmst, Rampelberjer, so kleistert er Dir’s Maul zu, un nachher schneidt er Dir uf. Hier is ’ne Spielzeugbude; der Besitzer is Holz- un Horndrechsler, weshalb Du Dir in Acht nehmen mußt. Am besten is es, Du stellst Dir als Rumknecht (Rupprecht) uf, damit sich de Kinder ooch wirklich fürchten, oder als Nußknacker, obgleich Du nischt ufknacken kannst, was Dir eener zu beißen jibt. Die Haare uf de Zähne hindern Dir freilich nich dran, aber Du bist zu dämlich.

Rampelberger. Hohoho, des haste mir schon ofte jesagt.

Flocke. Mir wundert, deß Du’s verstanden hast. – Diese Bude hier is ein Strumpfwirker. Der Mann bewirkt, deß man [260] sich uf de Strümpfe machen kann un absocken; er verfertigt aber nich blos Des, was man janz unten drägt, sondern ooch Des, was man janz oben drägt, nämlich: Schlafmützen. Wenn ick mir so’n Ding ufsetze, denn tret’ ick vor Dir hin un sage: Jun Abend, Rampelberjer! Ich habe jetzt Desjenigte uf, was Du bist, indem Dir Das fehlt, worauf ich Das, was ich aufhabe, jezogen habe.

Rampelberger. Wat soll Det heeßen? Det versteh’ ick nich.

Flocke. Du bist ’ne Schlafmütze. Nanu weiter, es is noch lange nich alle. Du wirst Dir zwar wundern, deß mir so viel über Dir Einfältigen infällt, aber Des is ja eben der Spaß, deß man über Nischt so viele Ideen haben kann. Wenn irjend en Bisken da jewesen wäre, so hätte Jott die Welt nich aus Nischt schaffen können. Komm’ mal hier an die Wachsbude ran. Sehste, hier steht Dein Ebenbild: ein Wachsstock, wenigstens wird Dir Deine künft’je Frau davor halten, denn den Wachsstock jebraucht man ooch blos, wenn man zu Bette jeht, und des hier is’n Engel von Wachs: bei dem hast Du nich Modell jesessen, sonst wär’ et en Schaafskopp jeworden.

Rampelberger. Schon wieder mal! Det jeht heute jut!

Flocke. Hier is ’ne janze Bude voll Pariser, sehr schöne Pariser von Schmädikens, un alle janz friedlich nebenenander, was bei de Pariser nich ofte vorkommt. Hör’ mal, Rampelberjer, da hängen en Paar furchtbar jroße, en Paar Deputirte, die solltest Du Dir vor Deine Füße koofen. Was meenste, werden [261] se Dir nich zu knapp sind? Ne, ich bitte Ihnen, meine Damens, sehen Se sich mal blos die Füße von den Kerrel an! So was is mir noch nich vorjekommen! Wenn der Kerrel mit’n Hacken aus seine Thüre tritt, denn is de Spitze schon de Treppe runter. Ne, wenn ich’s nich janz deutlich sähe, ich würd’ es wahrhaftig nich jlooben, deß een Ochse zu die Stiebeln ausreicht.

Geschrei. Würscht! Warme Würscht! Socisken! Fahniverkoof! Hallohverkoof! Walddeibelverkoof! Hallohverkoof!

Kutscher (schreit vom Bock herunter). Na! Sie da! Brrrr! Wollen Se woll fort! Hören Se mir denn nich kommen?

Fußgänger (ausweichend). Ne! Wo kommen Sie’n her?

Kutscher. Des jeht Ihn nischt an, Er Döselack!

Fußgänger (zornig). J Er Pappstoffel, Er Schnodderkopp, Er Bratenflaps, Er Pflaumflegel, Er Lümmel vom Lande, wie kann Er sich denn unterstehen zu schimpfen? He?

Weber Lieberg (mit seinen kleinen Söhnen Franz und Eduard, welche begierig die schönen Dinge in den Buden anschauen). Na, Kinderchens, jeht nich so nah heran an die Buden; Ihr könntet Etwas umschmeißen und Ihr wißt, daß Vater nichts bezahlen kann.

Franz. Warum hast Du denn kein Jeld, Vater?

Lieberg. Ja, das weiß ich nicht, mein Kind. Wenn ich Arbeit habe, so kauf’ ich für Euch und für Muttern und für Eure Geschwister zu essen: aber....

Eduard. Aber Du kaufst uns jar kein Spielzeug!

Lieberg (bewegt). Nein, das kann ich nich.

Eduard. Auch nich zu Weihnachten? Ach, siehste, lieber [262] Vater, zu Weihnachten kriejen alle Kinder was jeschenkt, da mußt Du uns auch was schenken!

Franz. Ja, mir man blos so’ne Arche Noah mit Thiere!

Eduard. Un mir ’ne Schachtel Soldaten.

Franz. Ach, un Vater, so’n Baukasten, wo man sich selbst en Haus bauen kann. Denn bau’ ich mir ooch en jroßes Haus, un denn laaß ich Dir ooch un de Mutter, un meine Brüder un Schwestern drinn wohnen, damit Dir der Wtrth nich immer so schimpft, wenn Du de Miethe nich jleich jeben kannst.

Eduard. Ach, un mir, Vater, so’n Theater, wo man de Schauspieler an de Strippe lenken un jehen un sprechen lassen kann, wie man will, ja? Der Louis, den Wirth sein Sohn, der hat auch solch Theater; da haben wir mal zujesehen, un da hat er noch von seinen Vater Prüjel jekrigt, ja! weil er sonne Kalfunium-Blitze machte, wie der Deibel aus de Hölle kam.

Franz. Un denn, lieber Vater, mußt Du uns auch recht viel Aeppel, Nüsse un Pfefferkuchen schenken. ja?

Eduard (freudig). Ach Du, Franz, un ’ne recht hübsche Perjemiete mit Kuklichter, ja Vater?

Franz (in die Hände klatschend). Ja, ja, ’ne Perjemiete!

Lieberg. Na ja, eine Perjamiede sollt Ihr haben, die will ich Euch selbst machen, und Euer Bruder Jottlieb soll Euch ein Engel oben drauf setzen, un unten ein paar weiße Beelämmerchens in’s Moos legen. Das Moos könnt Ihr übrijens mit Jottliepen selbst aus de Haide holen.

Franz. Ach ja, des holen wir selbst, des Moos! Nich wahr, Vater, ich kann auch schon Moos holen?

[263] Lieberg. Ja wohl, mein Kind.

Geschrei. Walddeibelverkoof! Hallohverkoof!

Franz. Ach, herrjees, Vater, hör’ mal, wie Den sein jroßer Walddeibel brummt! (versucht nachzuahmen) Mrrrr, mummm!

Geschrei. Fahniverkoof! Hallohverkoof!

Franz. Ach, seh’ mal, Vater, da is der alte Fritze auf die Fahne!

Geschrei. Immer ran, meine Herrschaften! Immer ran, meine Herrschaften! – Mir friert! – Heda, vorjesehn!

Frau von X. (mit ihren Kindern Sigismund und Kunigunde; hinter sich den Bedienten. Sie spricht sehr vornehm.) Habt Ihr nun genug Zuckerwaare, Kinderchen, oder soll ich Euch noch welche kaufen?

Sigismund.
 } Ja, noch recht viel!
Kunigunde.

Frau v. X. (sich umdrehend) Friedrich, kauf’ mal noch für einen Thaler Marzipan hier. (zu den Kindern) Das nehmt Ihr aber mit nach Hause, sonst verdirbt Ihr Euch den Magen. – Pfui, Kunigundchen, Du wirst doch nicht weinen? Wenn Du nicht artig bist, so bringt der Weihnachtsmann alles Spielzeug Deinem Bruder, und Du bekömmst nichts als die Ruthe mit den goldnen Nüssen, die er in der Hand hält.

Sigismund. Ich bin artig, Mutter, nicht wahr?

Frau v. X. Ja wohl, Sigsmundchen; Du kommst auch jetzt ganz ruhig mit nach Hause, wo Papa mit dem Abendbrodte wartet, nicht wahr? Dort an der Ecke hält Johann mit der Kutsche; Friedrich hebt Dich hinein und husch! fahren wir fort. [264] Nun, Kunigundchen, bist Du wieder artig, oder soll ich dem Papa erzählen, wie Du Dich benommen hast?

Kunigunde. Papa thut mir nichts.

Sigismund. Ach, sieh’ mal, Mutter, es fängt an zu schneien!

Frau v. X. So kommt rasch nach dem Wagen. Friedrich, nimm Kunigundchen auf den Arm. Mein Gott, wie schneit das mit einem Male!

Geschrei. Herrjees, wat schneet det mit’n Mal! Petrus schüddelt de Betten oben aus!

Kubalsky. Nun sagen Sie mir ein Mal, Jevatter Bremse, wo der Schnee mit ein Mal herkommt? Ich halte mich den Mantelkragen janz dichte vor dem Jesichte, aber es fällt doch alle Minute eine Flocke hindurch, und diese sind so jroß, daß sie mir Alles naß machen, so viel es mir möglich ist.

Bremse. Ich hab’s schon vermuth’t jejen Viere, deß wir Schnee kriejen würden.

Mad. Kubalsky. Ach ne, aber ooch soo’n Schnee, des is denn doch en bischen zu arg! Des sind ja Flocken wie de Hühnereier so jroß. Ach, Herrjee! Da is mir jrade eene, wie ich sprach, in’n Mund rin jefahren! Un nu sollen Se mal sehen, Jevatter Bremse, wie mein Hut wieder aussieht, wenn wir zu Hause kommen: zum Auswringen, sag’ ich Ihnen, denn nischt macht nasser als so’n Schnee. (ruft) Clotilde, schlage Dir Dein Duch über’n Kopp!

Kubalsky. Des Naßmachen jinge noch an, aber mir ist eene Flocke uf’s Auge jeplanscht, und nun blinkere ich schon zwei [265] Minuten, und kann nichts nicht daraus sehen. Ich würde wahrhaftig ein Mal Hand über Herz legen, und eine Droschke für uns nehmen, Vetter Bremse bezahlte vier Silberjroschen, und ich vier Silberjroschen, aber man sieht ja keine nich, so viel es...

Bremse (schnell). Da fährt eene! (schreit mit furchtbarer Stimme) Droschkää!

Mad. Kubalsky. J Jott bewahre, Herrjees, ne, ne ich habe mir aber erschrocken, als ob.. ne, wie können Sie aber ooch so schreien, Jevatter Bremse?

Bremse. Er hätte es sonst nich jehört, Frau Jevattern.

Mad. Kubalsky. Ach, was würd’ er es denn nich jehört haben! Des hätt’ ich jehört, un wenn ich meinens’wegen in Stralow jewesen wäre.

Bremse. Ja, dieses können Sie ooch nich zur Richtschnur nehmen, Frau Jevattern. Man findt bei Frauenzimmern wie Sie mehr Jehör als bei solche Droschken. – So’nn Mensch is immer un ewig Wind und Wetter ausjesetzt, und denn schläft er ooch zuweilen in Jedanken.

Alfred. Na, hier ist die Droschke.

Mad. Kubalsky (vor der Droschke). Na ich wer’ man zuerst rinsteijen; Bremse, Sie sind woll so jut un fassen mir en bisken unter un helfen mir; ich muß mir de Röcke ufheben, sonst tret’ ich mir druf un schlage hin. Die Tritte von die Droschken sind so alle so steif in de Höhe, deß man sich immer wie aus ’ne Lebensjefahr jerett’t vorkommt, wenn man erst in ’ne Droschke rin is, oder schon wieder uf de Straße. So, nanu! (sie will einsteigen). Ach Herrjees, ne! Ne! Ne, Kutscher, da müssen Se erst runtersteijen [266] un den Tritt reene machen, ehr steig’ ick da nich ruf, un wenn Sie mir hundert Thaler bieten (der Kutscher steigt herunter). Sehen Se mal blos den Schnee, der sich da anjebacken hat! Der is so jlibbrich jeworden; da rutscht man aus, un kann des jrößte Malheur haben. So, nanu will ich mal versuchen, ob ich rinkomme. (sie steigt ein) So, na ich bin jlücklich rin; nu nehmt Ihr Euch man in Acht, besonders Ihr, Clotilde un Alfred, denn mit die Tritte an unsere Droschken is nich zu spaßen, da kann man immer dreiste een Vaterunser beten, ehr man aufsteigt.

Bremse. J, die beiden Klönen, die heb’ ich rein! (Er thut’s.)

Kubalsky. So, des ist Recht, nanu warten Sie mal, Jevatter, laaßen Sie mir man erst einsteijen, und unterstützen Sie mir jefälligst, damit ich nich hintenüberfalle, so viel es mir möglich ist. (Er beginnt einzusteigen.) Nein, das ist aber wirklich eine Einsteijerei, deß man verzweifeln möchte.

Kutscher. Na, hör’n Se, nu meine Herrschaften muß ick aber bitten, deß Sie bald rinn sind. Denn wenn Sie bei den Schnee hier ’ne Viertelstunde rinsteijen, denn muß ich das Rinsteijen ooch vor ’ne Tour rechnen!

Kubalsky (den Kopf aus dem Wagenfenster steckend, ärgerlich). J, hörn Sie mal, Kutscher, wenn Sie einen fahren wollen, dann müssen Sie einen ooch erlauben, daß man reinsteigt. Davor, daß man unten stehn bleibt, wird Ihnen kein Mensch nich bezahlen, und wenn Sie nachher zwee Meilen weit fahren. Wir sind keine Umstands-Comßarien, aber mit so’n Tritt, der halb unter’n Wagen is und einen auf den Leib zujeht, so deß man die Horizontalung verliert und ein Dreieck machen muß, [267] wenn man mit’n Kopp zuerst in den Wagen ’rein will, jeht es nicht! Jeben Sie uns erst einen bessern Tritt, denn werden wir Ihnen ooch nich aufhalten!

Aus einer Bude. Was suchen Sie, bester Herr? Beste Madam, kaufen Sie mir was ab!

Geschrei. Walddeibelverkoof! Hallohverkoof! Einen Sechser das Stück!

Mad. Müller. Na, Frau Nachbarin, wollen Sie schon Feierabend machen?

Mad. Schneppe (vor ihrer Bude). Ja, ich packe zusammen; bei den Schnee verdirbt einen ja man de Waare, un jekauft wird nichts mehr. Ne, des hört auch heute nich mehr auf zu schneen. Sehen Se doch man blos den Mond an, Madam Müllern, was der in die Schneewolken vor’n müdes Jesicht macht; der sieht jrade wie ’ne Nachtlampe jegen sieben Uhr Morgens aus.

Mad. Müller. Ich kann ihn ja nich sehen hier in de Bude. Sie Jlückliche können nu zu Hause jehen un sich an’n warmen Ofen setzen, während unsereens nu hier noch bis Elwe zubringen muß in die naße Kälte. Sehen Se, Madam Schneppen, des is des Unanjenehme bei die Pfefferkuchens, deß man immer der Letzte sind muß. Ja un früher lohnte sich’s doch noch, aber anjetzt, ach du lieber Himmel! Ich sage Ihnen, Madam Schneppen, wenn ich vor zwanzig Jahren zu Hause kam un meine Tasche uf’n Disch ausschütten dhat, da war was drinn, un in meinen Mann seine ooch, aber jetzt! (seufzend) Wahrhaft’jen Jott, es is traurig, wie in Berlin des Handeln un des Jewerbe runterjekommen is! Ich weeß ooch nich, warum man noch immer [268] so dumm is, un den Marcht wieder mitmacht! Nach jeden Marcht nehmen wir uns vor, janz ruhig zu Hause zu bleiben, un doch jeht man immer wieder her; natürlich, man hat Kinder, man will ooch selbst die paar Dreier nich jerne fahren lassen.

Mad. Schneppe. Ja wohl! Ach Jott, wenn die Kinder nich in der Welt wären, da wär’ es janz anders!

Pfeifenhändler Brecke (steht vor seiner Bude, trampelt mit den Füßen und spricht zur Obsthändlerin Piesich). Na, sehn Se, nu hab’ ick mal ’ne orndt’liche Pfeife verkooft! Aber wie’n? Vier Silberjroschen hab’ ick dran verdient, nu bitt’ ick Ihnen, Madam Piesichen, möchte man da nich de Schwerenoth kriejen? Wie? Was? Trietzen eenen de Leute nich bis uf’s Blut? Hat der verdammte Kerrel, der die Pfeife koofte, nich jehandelt, als ob er die Pfeife durchaus haben müßte? Braucht so’n Kerrel zu roochen, wenn er nich honett bezahlen will? Was?

Piesich. Ja ’t is schändlich! De Leute ziehen eenen ’t Fell über de Ohren.

Brecke. Ach ne, des dhuen se nich mal! Wenn Se des dhäten, denn jing ick da rüber nach die Trommelbude, un verkoofte den Mann mein Fell, denn en Esel is man un bleibt man, deß man überhaupt lebt. Zum Donnerwetter, wozu is’n des verdammte Leben? Ick frage Ihnen, Piesichen, wozu lebt man’n? Blos deß man sich ärjert un boßt un sorgt un abrakkert, um die Würmer da unten en orndt’lichen Braten vorzusetzen! Na, mir komm’ eener noch mal mit’n Leben! Ne! Was is’n des von de Vorsehung, deß se eenen so ohne en paar Dhaler Jeld, ohne Vermöjen in de Welt setzt? Wie? Unrecht is es! Wovor [269] sind’n jrade die Reichen reich, worum sind wir’n nich reich? Was? Da hat mir wieder der Kerrel, der verdammte Unter-Cullekteur, en Viertel zu de vor’je Lottrie anjeschmiert! „Nähm’n Se, nähm’n Se, bäi Jott, ’sis ä propre Nummer; uf Ehre, Se müssen drof jewinnen! Jott’s Wunder, Se wär’n doch nischt Ihr Jlück von sich stoßen; Se jewinnen druf! Meine Mutter soll mer in meine letzte Sterbestunde beede Beene ausreißen, wenn Se nischt druf jewinnen!“ Un wat hab’ ick druf jewonnen? Kuchen hab’ ick druf jewonnen! De propre Nummer is janz proper durchjefallen! Na wat sagen Sie dazu, Piesichen? Ick warte de erste Klasse ab: nischt! Ick warte de zweete Klasse ab: wieder nischt! Ick warte de dritte Klasse ab: nich de Spur! Ick warte de vierte Klasse ab: (sehr böse) noch nischt! Ick warte de fünfte Klasse ab: jaar nischt! Himmeldausenddonnerwetter, aber ick sage Ihnen, Piesichen, ick war Ihnen denn doch ooch so wüthend, wie ick bei Matzdorfen in de Liste nachsah, det ick nich rausjekommen war, det ick mit de Faust uf’n Ladendisch schluch un schrie: des is ja ’ne verfluchte Wirthschaft, det hier en anständijer Mensch nie nich rauskommt in de Lottrie! Wat jeschieht? Wird der Matzdorf noch böse un fährt uf mir zu un meent, ich sollte mir nich so benehmen hier! J, Herr Matzdorf, sag’ ick, Sie können mir des jar nich übel nehmen; bei Ihn’n hab’ ick nich jesetzt; aber et is doch um de Platze zu kriejen, deß man nie nich rauskommt! So sagt Matzdorf: Hör’n Se mal, wenn Se nu nich stille sind un jehen, denn können Sie sehr leichte rauskommen! – Des war des Janze, wat ick von mein Loos hatte.

[270] Vier Gesellen. (Einer vorauf, eine Sechspfennig-Fahne schwenkend; die drei Andern hinterher, mit einem Waldteufel, einer Knarre und einer blechernen Kinder-Trompete musicirend. Sie singen eine Melodie aus der Stummen von Portici mit folgendem Text:) Raa – didella – dideldi, Didera – didela – dideldi – di, raa – didela – diddeldi – diddeli – diddelda – diddeldom, tom, tom – tom.

Ein Zuschauer. Ach, Herrjeeses, nu setzen Die den Weihnachtsmarcht ooch noch in Musik! Dazu jehört wahrhaftig viel Talent. (zu seinem Begleiter) Uebrijens is mir die Musik noch viel lieber als die vielen Harmonika’s, die man hier quiken hören muß.

Gelbgießer Poppe. (Ist sehr betrunken, versucht grade zu gehen, was ihm aber durchaus nicht gelingen will, und raisonnirt vor sich hin): Mir is schwindlich – is mir, sehr schwindlich is Poppen! Se haben mir zu viel Punsch jejeben, haben Sie mir. De Welt denkt nu, ich könnte nich jrade jehen, denkt de Welt. (steht still) Die Welt is en Schafskopp! Die Welt jeht alleene nich jrade, ooch nich jrade jeht sie! Die Welt turkelt um de Sonne!

Ein Bube (ihn verspottend). Ja, da haben Se recht, Männiken! Die Welt lebt überhaupt liederlich. Sehn Se doch mal da oben ruf nach’n Kopp: sie hat ja schon en Mondschein!

Poppe. Halt’s Maul, dommer Junge! Rede hier nich mit vernünftje Menschen, sonst kriegste....

Nachtwächter. (pfeift und ruft:) Zehn is die Klock!

Poppe. Wat is de Klocke? Zehne? Elwe is se! Der Nachtwächter jeht ’ne Stunde nach, jeht er! Jo nich Zehne, Poppe is später!

[271] Bube. Poppe jeht sehr vor, der is schon halb Sieben!

Poppe (sich langsam umdrehend.) Halb Sieben? (Er wankt zurück und versucht den Zungen zu haschen.) Warte, Krabbe, Dir wer’ ick Klopstock’s Werke vorlesen, wer’ ick Dir, wenn ich Dir krieje!

Meier (nimmt ihn unter den Arm). Hör’ mal, Bruder, mach’ hier keenen Krakeel nich, hörste! Komm’, ich wer’ Dir zu Hause bejleiten, sonst schläfste in Nummer Sicher. (will mit ihm fort.)

Poppe (reißt sich los). Ick brauche mir nich bejleiten zu lassen; ick bin keene Jungfer, ick bin en Mann, bin ick! Wissen Sie, wat en Mann is? Des wissen Sie nich, Sie sind en dommer Junge!

Meier. Na ja, ja, aber des schadt nischt; ich will mit Dir noch en bisken drinken jehn. (Er faßt ihn wieder unter.)

Poppe. Drinken? Poppe noch drinken? Ja, des dhut Poppe! (Sie gehen.)

Fritz. (mit sehr heiserer Stimme schreiend:) Walddeibelverkoof! Hall..... ne, ick will es nu jrade nich mal mehr ausrufen, denn hier jibt es doch heute nischt mehr zu lukriren. (zu seiner Schwester) Bei den Schnee un so späte, da halten sich de Menschen nich lange mit uns uf. Nu komm’, nu jehen wir noch en bischen durch de Weinhandlungen; wenn da’s Jlück jut is, denn nehmen wir noch en acht bis zwölf Jroschen in, dieses is de Hauptsache. Ueberjens muß ick noch da drüben den Perjemietenkerrel eene Perjemiete von hinten umschmeißen. Der hat mir heute jeschumpfen, un des leiden wir nich, jo nich!

Rendant (mit seinem Freunde, einem Arzte). Hier muß ich gehen; schlaf’ wohl! Na, Du, vergiß nicht Deine Frau zu bitten, daß [272] Sie das Zeug für meine Frau kauft! Und präge ihr ja recht ein, daß sie vom schönsten und besten nimmt, denn Du weißt, wie die Damen sind: sie sparen gar zu gern.

Arzt. Gut, gut! Na und Deine Frau bittest Du wegen des Hutes bei Kramer und Tallacker. Aber morgen schon, sonst wird er verkauft.

Rendant. Du kannst Dich darauf verlassen. Gute Nacht.

Arzt (indem er sich umdreht). Schlaf wohl!

Rendant (ihm nachrufend). Hör’ mal, Du! Besorge nur die Commisstonen meiner Frau für mich ordentlich! (lächelnd) Daß Du mir ja recht was Schönes kaufst!

Arzt. Hahaha! Und von Dir hoff’ ich, daß Du die Kupferstiche recht schön einrahmen läßt, die Du mit Augusten für mich zum Weihnachtsgeschenk ausgesucht hast. Hahaha, gute Nacht!

Rendant. Hahaha, schlaf’ wohl!

Nachtwächter (pfeift und ruft). Elf is die Klock!

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ich ich