Der Besuch (Klemm)
Cydalise, Damis.
Celimene. Siehst du nun, wie behutsam man mit den Mannspersonen umgehen muß? Wie lange man sie für rechtschaffen, für zärtlich, für beständig halten kann? und auf einmal ist der Verräther da. Alle sind Verräther, alle Mannspersonen. Wie sehr danke ich dem Himmel, daß ich Erasten nunmehro meine Hand nicht schon vor einem Vierteljahre gegeben habe. [578] Itzt wäre ich wieder so elend, so unglücklich, wie in meiner ersten Ehe. Und ich habe es noch nicht einmal meiner Klugheit zu danken, ein Zufall hat seine Gemüthsart aufgedecket. Du hast Wunder gedacht, wie gut du Erasten kennst. Nicht wahr, du hast dich betrogen?
Finette. Ich gestehe es ihr Gnaden, ich hätte Häuser auf den Erast bauen wollen. Er war immer so sanftmüthig wie ein Lamm, er hat sich ja gewunden, gedreht. Auf diese Art sind freylich die Mannsbilder keinen Kreutzer werth. Der Erast, das fromme Lämmel.
Celimene. Und der reissende Tyrann im Herzen. Ich weiß es aus der Erfahrung. Wie kroch mein verstorbener Mann vor meinen Füßen herum, da er mich zu seiner Gemahlin begehrte. Er war verliebt, ich weiß es gewiß; Aber wie lange blieb er es? Gerade neun Wochen nach der Hochzeit; da war Celimene vergessen, er war mit dem größten Widerwillen in meiner Gesellschaft, und, und ach! du weißt es nur mehr als zu wohl, jedes Kuchelmensch war ihm lieber als seine zärtliche Gemahlin.
Finette. Nun der ist tod, ihr Gnaden. Und das ist schon recht. Ich weiß es vollkommen, er verdiente ihr Gnaden im geringsten nicht. Aber wenn nun das Heyrathen so eine gefährliche Sache ist, warum wollen sie sich ihr Gnaden gleichwohl wieder verheyrathen?
Celimene. Mädel, du wirst nasenweis. Ich bin noch jung, die Wittwen sind verachtet, ich lebe gerne ungezwungen. Da hast du Ursachen genug; und kurz, weil ich mich das erstemal schlecht verheyrathet habe, so will ich mich das zweytemal desto besser verheyrathen. Sollte denn gar kein würdiger Mann mehr in der Welt seyn, mit dem man glücklich seyn könnte?
Finette. Ich weiß nicht, ihr Gnaden, ich habe auch schon drey Amanten gehabt, und die sind alle drey [579] zum Schelm geworden. Ihr Gnaden sehn, daß ich noch immer ledig bin, und man wird doch auch alle Tage älter.
Celimene. Der Erast, den ich für einen so zärtlichen Jüngling gehalten habe, der hängt sich an eine Cydalise, die weder Verstand, noch Schönheit, noch sonderlichen Reichthum hat? Ach wie sehr verabscheue ich ihn, und alle Männer.
Finette. Es kann aber seyn, daß er noch nicht so strafbar ist, als es die Leute Euer Gnaden weiß machen wollen.
Celimene. Die Leute haben recht. Das allgemeine Gerücht trügt niemals. Man spricht ja schon von einer Vermählung unter ihnen.
Finette. Das glaube ich in meinem Leben nicht.
Celimene. Nun die Sache wird sich heute zeigen. Cydalise hat mir versprechen lassen, daß sie heute gewiß kömmt. Erast auch. Beyde wissen nichts von einander. Beyde denken Wunder, was ich für Heimlichkeiten mit ihnen auszumachen habe. Sie werden sich sehn, und da wird es sich gleich zeigen, ob die Leute Recht oder Unrecht gehabt haben.
Finette. Den Auftritt wäre ich selber neugierig zu sehen.
Celimene. Da soll sich der Betrüger schämen! Was für zärtliche Sachen hat er mir nicht immer vorgesagt, wie sehnlich hat er mich um mein Herz gebeten! O ich mag nicht mehr dran denken. Weißt du auch, daß der Damis kömmt?
Finette. Der vorige Amant von der Cydalise?
Celimene. Ja, und der sich itzt alle ersinnliche Mühe giebt, mir zu gefallen. Chlorinde, die so lange schon heimlich für ihn seufzet, kömmt auch.
Finette. Und keines weiß etwas von dem andern?
Celimene. Nein.
[580] Finette. Nun das wird eine lustige Unterhaltung seyn. Aber was haben denn ihr Gnaden für Absichten bey diesen letzteren?
Celimene. Ich will mich an ihrer Bestürzung, an ihrer Verlegenheit weiden, kurz, ich will mich rächen, triumphiren, und ihnen zeigen, daß ich sie alle verachte.
Finette. Ich höre ein Getöß. Das wird schon jemand von der Gesellschaft seyn.
Celimene. Nun so geh, ich werde dir schon läuten, wenn ich dich brauche.
Celimene. Willkommen meine liebe Fräulein, ha das ist recht brav, daß sie mir die Ehre erweisen –
Chlorinde. Ihre Dienerin, gnädige Frau. Das ist ja wieder ein elendes Wetter, es ist als wenn wir diesen Sommer gar keinen schönen Tag zu sehn kriegen könnten.
Celimene. Ja, es ist immer schlechtes Wetter. Nun so lassen sie sich nieder. Wie leben sie denn immer?
Chlorinde. Es gieng ja noch so mit, wenn nur das Wetter und die Dienstbothen etwas nutz wären in Wien. Ich glaube gar nicht, daß es noch einen guten Dienstboten in der Welt giebt.
Celimene. Es ist wahr, sie sind rar. Haben sie Cydalisen lange nicht gesehn?
Chlorinde. O die lächerliche Creatur; die allein in der Welt schön seyn will, die sich stellt beständig krank zu seyn, damit man glauben soll, sie würde noch zehnmal schöner seyn, wenn sie gesund wäre. Das Mädel weiß sich vor lauter Hochmuth nicht zu lassen. [581] Sie hat auch geglaubt, sie hat den Damis schon erwischt, die Närrin die! Aber itzt trägt man sich mit einer Neuigkeit, meine Aufsetzerin hat mir heute ein paar Worte davon gesagt, allein – –
Celimene. Was ist das für eine Neuigkeit, meine liebe Chlorinde?
Chlorinde. Ich glaube es nicht. Erast hat keinen so gar elenden Gusto.
Celimene. O die Liebe ist ein eigensinnig Ding, ich glaube sicher, daß Erast Cydalisen heyrathen wird.
Chlorinde. Und das sagen sie so ruhig, gnädige Frau? Ich habe wohl gewußt, daß Erast die Hochachtung bey weitem nicht verdient, die ihm so viele erzeigt haben. Der Mensch muß nicht für einen Kreutzer Verstand haben. Es ist ein elender, dummer – – An die Cydalise – –
Celimene. Sie ereifern sich. Sollte sich denn Erast so wenig zu Cydalisen schicken? Hätte es denn Damis besser mit ihr getroffen?
Chlorinde. Damis ist ein affectirter Narr, er hat die Cydalise niemals geliebt. Glauben sie das nicht. Da muß ein ander Frauenzimmer kommen, das diesen Flüchtling einmal fest machen soll.
Celimene. Kömmt Zeit, kömmt Rath. Was halten sie davon, ich habe mir vorgenommen, den Damis beständig zu machen. Er ist itzt nicht von meiner Seiten zu bringen, und er ist gleichwohl ein Mensch, aus dem noch etwas zu machen wäre.
Chlorinde. Ja, sie haben bereits die Probe davon abgeleget. Erast ist ein beständiger Liebhaber.
Celimene. Nun wir wollen es versuchen. Vielleicht wird Damis meiner Zärtlichkeit dereinst noch würdig. Ich wundere mich über sie, Fräulein Chlorinde. Sie sind aber recht glücklich dabey, kein einzig Mannsbild hat noch Eindruck auf sie gemacht.
[582] Chlorinde. Ich fange nicht so leicht Feuer.
Celimene. Ich habe vor einiger Zeit einmal geglaubt, der Damis hätte ihnen ein wenig gefallen, aber ich sehe wohl, daß ich mich geirret habe. Und ich hätte doch gedacht – – Lassen wir es gut seyn, man mag nun sagen was man will, Damis ist doch immer ein belebter und artiger Mensch.
Chlorinde. Diese Lobrede hatte ich nicht vermuthet. Allein so belebt er auch in ihren Augen seyn mag, so ist er doch ein gefährlicher Mensch, ein Freygeist, für den sich jedes Frauenzimmer in Acht nehmen sollte, die ihre Ehre lieb hat. Wer kömmt denn da? Gott vergieb mir meine Sünde, das ist ja Cydalise.
Celimene. Seyn sie tausendmal willkommen, mein lieber Schatz.
Chlorinde. O meine englische Cydalise, lassen sie sich ein Bussel geben, recht lange habe ich sie nicht gesehn. Sie sind doch immer noch meine liebwertheste Freundin?
Cydalise. Auf ihren Befehl, gnädige Frau, habe ich mir die Freyheit genommen, und ich treffe so unvermuthet meine liebe Chlorinde an? Ich dachte, Frau von Celimene, sie – – Ja, in der That, meine liebe Chlorinde, ich weis mich es bald nicht mehr zu erinnern, wenn wir uns das letztemahl gesehn haben. Nicht wahr, ich sehe recht elend aus? Ich kann nicht sagen, daß ich nur einmal eine rechte gesunde Stunde hätte.
Celimene. Sie blühen ja, wie eine Rose, meine liebe Cydalise.
[583] Cydalise. Ach sie foppen mich wieder. Ich bin ja blaß wie der Tod. Meiner Treu, ich muß doch in einem recht unglücklichen Zeichen gebohren seyn, daß ich niemals vollkommen gesund seyn kann.
Chlorinde. Sie werden es schon werden, wenn die Nachrichten richtig sind, mit denen man sich herum trägt.
Cydalise. Ich mag niemanden Abbruch thun. Den Damis habe ich niemals leiden können, und Erast ist schon versehn. Ich mag weder einen gar zu flüchtigen, noch einen gar zu ernsthaften Menschen. Und überhaupt preßirt das Heyrathen so sehr nicht bey mir. Ich habe es schon gesagt, ich mag niemanden betrüben.
Celimene. Sie sind sehr großmüthig, meine liebe Cydalise. Aber fürchten sie sich dafür nicht. Heyrathen sie ruhig, andere sind eben so großmüthig als sie.
Chlorinde. Ich versichere sie, daß ich es auch bin. Nur dauret mich der arme Damis, daß er das Glück nicht hat haben können, ihnen zu gefallen, meine liebe Cydalise.
Cydalise. Wenn er nur andern gefällt, und das scheint mir, so ist er eben nicht sonderlich zu beklagen.
Chlorinde. Meinen sie so?
Cydalise. Ich weiß so nicht, warum er sich an eine so heßliche und kränkliche Person hat wenden wollen, wie ich bin, da es doch so viele schöne, reizende und gesunde Frauenzimmer giebt.
Chlorinde. Sie haben Recht.
Cydalise. So habe ich Recht? Ich weiß aber doch daß es noch schlechtere Gesichter giebt, als meines ist. Wir könen nicht alle so schön seyn, wie Fräulein Chlorinde.
Celimene. Ich bitte, ich bitte, meine Fräulein. Lassen sie sich Gerechtigkeit wiederfahren, jedes Frauenzimmer findet ihren Liebhaber, dem sie gefällt.
[584] Chlorinde. Und der sie wieder verläßt. Ich habe mich noch nicht entschließen können, auf Eroberungen auszugehn.
Celimene. Es kömmt ja nur darauf an, daß man eine ruhige Miene annimmt, so sehr man auch im Herzen glüht, so ungefähr wie die Prüden. Doch, lassen sie uns von etwas andern reden. Wissen sie auch, meine Fräulein, daß ich noch hoffe, ihnen heute zu dero bevorstehenden Heyrath Glück wünschen zu können?
Cydalise. Mir? Hm.
Chlorinde. Das wäre gewiß sehr sonderbar.
Cydalise spöttisch. Vielleicht muß man ihnen dazu Glück wünschen, gnädige Frau. Der Damis – –
Damis. Ich habe meinen Namen nennen hören – Ha – Was – – In der That – –
Celimene. Willkommen Herr Damis! Was fehlt ihnen?
Damis. Nichts gnädige Frau. Unterthäniger Knecht. Fräulein Cydalise, ich bin – – Auch sie Fräulein Chlorinde?
Cydalise. Das Vergnügen hätte ich nicht vermuthet, sie heute hier zu sehn, Herr Damis.
Chlorinde. Ich gewiß auch nicht.
Damis. Und ich am allerwenigsten.
Cydalise. Sie haben ja recht gute Gesellschaft Frau von Celimene. In der That, man muß sie bey ihnen suchen.
[585] Celimene. Ja, Herr Damis besucht mich von Zeit zu Zeit. So nehmen sie doch Platz. Kommen sie, setzen sie sich zu mir.
Chlorinde. Ich will ihnen Platz machen, Damis, ich mache gerne Platz.
Celimene. Ja, das sieht man an ihrem Gesichte. Aber wissen sie auch Damis, daß ich prophezeyt habe, die beyden Fräulein werden noch heute erfahren, wer ihr Gemahl werden soll?
Damis. So?
Cydalise. Je nun, es kann bey mir vielleicht seyn, Erast hat mir versprochen, mich heute noch zu besuchen. Wenn mir auch Damis die Ehre nicht mehr erweißt –
Damis. Ach, ich muß doch meine Sprache wieder finden. Ich habe ihnen sonst fleißig aufgewartet, Fräulein Cydalise.
Cydalise. Ich erinnere mich dessen noch ein wenig. Warum bin ich nicht so liebenswürdig, als gewisse andere Personen?
Celimene. Als gewisse andere Personen.
Chlorinde. Als gewisse andere Personen, vortreflich.
Damis. Alles gut. (zu Celim.) Aber gnädige Frau, ich kann mich noch nicht recht in die Sache schicken. Doch ich bin frey, und rede frey. Ich habe ihnen schon meine Meinung gesagt. Ich verspreche nicht mehr als ich halten kann. Ich liebe, so lange als meine Geliebte liebenswürdig bleibt, und ich höre auf zu lieben, so bald sie es nicht mehr ist. Was wollen wir uns mit einer Beständigkeit plagen, die jederman im Munde und keiner im Herzen hat? Darf ich mir schmeicheln, gnädige Frau, daß ich ihnen unter diesen Bedingungen aufwarten darf? Ich würde – –
Celimene. Recht gut mein Herr. Ich bin billig, ich verlange von den Mannsbildern keine Unmöglichkeiten, nichts, was wider ihre Gemüthsart und über ihre Kräfte ist. Die Beständigkeit! Wer hat dies Gespenst [586] jemals gesehn? Die heftigste Liebe ist ein Platzregen, der nur eine sehr kurze Zeit dauert.
Chlorinde. Man ist ohne Zweifel sehr glücklich bey ihrer Gemüthsart, gnädige Frau.
Celimene. Ja, meine liebe Fräulein, man ist glücklicher, wenn man die Welt aus dem Umgange, als aus den Romanen kennet. Man muß keine Unmöglichkeiten verlangen. Ich schätze die Aufrichtigkeit in dem Damis.
Damis. O lassen sie sich die Hand küssen, gnädige Frau. Ich verspreche ihnen eine ewige Zärtlichkeit.
Cydalise. Ja, eine ewige Zärtlichkeit.
Chlorinde. Eine ewige Zärtlichkeit. Die schöne Ewigkeit! Hm.
Celimene. Sie vergessen sich, Damis. Wenn ich ihnen nämlich ewig gefalle.
Damis. Ja, so meyne ich es auch. O sie sind eine Frau von einem unendlichem Geiste.
Celimene. Nun so verspreche ich ihnen denn auch, sie so lange zu lieben, als sie in meinen Augen Reizungen haben werden.
Chlorinde. Allerliebst, scharmant. Ih. Nun itzt – – Ich habe die Ehre mich zu empfehlen. Ich glaube, es fängt schon wieder an zu regnen. Es fällt mir gerade ein – –
Celimene. O bleiben sie, ich bitte.
Cydalise. Ich werde sie begleiten Chlorinde, ich bin nicht gerne beschwerlich. Votre servante Monsieur.
Celimene. Ich bitte.
[587]
Erast. O Gott! was sehe ich? Ich – ha – habe – –
Celimene. Kommen sie Erast? Nun das freut mich.
Cydalise. Ihre Dienerin, Erast. Nun das ist brav. Ich hätte nicht gedacht, daß wir uns hier finden sollten.
Chlorinde. Das ist doch curios. Erast, ihre unterthänige Dienerin. Fräulein Cydalise, soll ich gratuliren?
Damis. Grüß dich der Himmel, Bruder. Was Teufel, was fehlt dir?
Erast. Ich, ich möchte mir den Kopf entzwey schlagen, das ist – Ha! – –
Cydalise. Was ist das für ein Betragen, Erast? Kommen sie, an meine Seite setzen sie sich. Recht unvermuthet. In Wahrheit. Nu warum setzen sie sich nicht?
Celimene. O setzen sie sich, Erast. Das ist sehr unhöflich. Sehen sie denn Fräulein Cydalisen nicht?
Erast. Gnädige Frau, (ich möchte des Henkers werden.)
Celimene nimmt ihn, und führt ihn zu Cydalisen. So setzen sie sich doch! man erwartet sie. Sie haben ja sonst Lebensart gehabt.
Erast in der größten Verwirrung, setzt sich. Fräulein Cydalise – –
Damis. Was Teufel! was ist dir denn, Erast?
Erast. Das ist ein blutiger Streich, gnädige Frau.
[588] Celimene. Warum? weil man ihr Vergnügen befördert? Ich habe mir deswegen ein recht verbindliches Compliment von ihnen versprochen. (Welcher Triumph für dein gekränktes Herz, Celimene!)
Bediente zu Celimenen. Ihr Gnaden, es ist der Laquey von der Hofräthin da, und hat eine Post an ihr Gnaden.
Celimene. Ich bitte unterthänig, bleiben sie, meine lieben Fräulein, ich werde gleich wieder aufwarten.
Chlorinde. A propos, Herr Erast! Herr Damis ist ein Bräutigam.
Erast. So?
Chlorinde. Ja, und zwar mit der Frau von Celimene.
Erast. Was?
Chlorinde. So kommen sie doch zu sich selber.
Erast. Ja.
Cydalise. Erast ist heute recht liebenswürdig, in Wahrheit zum Küssen. Was träumen sie denn ewig, hören sie doch Erast?
[589] Erast. Ja doch, gnädige Frau.
Cydalise. Recht allerliebst. Gnädige Frau! Wissen sie auch, daß ich nach Hause gehe? Der Kopf thut mir schon wieder so weh, so weh – – Erast sie begleiten mich, kommen sie.
Erast. Ist es wahr, Damis? Geh, du bist ein Narr.
Damis. Hat sich wohl. Als wenn ich nicht eben so gut heyrathen könnte als du. Die ewige Liebe fällt in den Brunnen.
Cydalise. He, Erast! erwachen sie. So kommen sie doch, ich bleibe keinen Augenblick länger.
Chlorinde. Was das für eine Rolle ist, die man hier spielt. Ich gehe mit ihnen, Cydalise. Damis, sie lieben sehr vernünftig.
Damis. Ich freue mich, wenn ich ihren Beyfall habe.
Celimene. Ich bitte um Vergebung, meine Fräulein. Nun so lassen sie uns denn miteinander plaudern. Damis, sie sind ja sonst ein fruchtbarer Kopf. Erzählen sie uns doch etwas.
Cydalise. Ich bitte um Vergebung, ich muß nach Hause, ich danke ihnen für die Ehre, die sie mir haben erzeigen wollen. Die Ehre war recht groß, recht groß. Kommen sie, Erast.
Celimene. O so verweilen sie doch nur noch ein wenig.
Cydalise. Keinen Augenblick länger. Hören sie doch Erast, so kommen sie. Sind sie denn unbeweglich auf ihrem Sessel?
[590] Erast. Ich bitte, gnädige Fräulein, nur noch – – O ich bin außer mir.
Celimene. Nun, da Fräulein Cydalise denn gar nicht zu halten ist, warum bleiben sie denn sitzen, Erast? Nach Hause sollen sie ihre Geliebte begleiten.
Erast. Auf ein Wort, gnädige Frau.
Celimene. Was können sie mir zu sagen haben?
Cydalise. Ich frage sie Erast, ob sie gehen wollen oder nicht? Der Kopf möchte mir zerspringen vor lauter Kopfweh. Erast.
Erast. Ja, gnädige Fräulein. (steht auf, und setzt sich wieder nieder.)
Cydalise. Was pflanzen sie sich denn wieder hin? Ob sie mit gehn?
Erast nach einigem Nachdenken. Nein.
Cydalise. Sie sind ein Dummkopf, ein Betrüger. Kommen sie Chlorinde. (ab.)
Chlorinde. Ich habe Ursache, mich für die Ehre zu bedanken, die sie mir in ihrem Hause erwiesen haben, Frau von Celimene. Es regnet doch nicht etwan? Ich werde das Kapitel von den Coquetten zu Hause durchlesen. (ab.)
Celimene. Auch das von den Prüden, wenn ich bitten darf.
Celimene. Wie gefiel ihnen dieser Auftritt, Herr Damis?
Damis. Unvergleichlich, ihr Gnaden. Erast, was Henker! du siehst aus, als wenn du verrückt wärest? Du wirst den Teufel kriegen, wenn du zu Cydalisen kömmst. Schau doch, was wir für einen Wechsel getroffen [591] haben; ich machte Anfangs meine Aufwartung der Cydalise, und du der gnädigen Frau da. Itzt wird die Fräulein Cydalise deine Gemahlin, und die gnädige Frau meine. Ich bin mit dem Tausch zufrieden.
Erast. Reißen sie mich aus meiner Unruhe, gnädige Frau! ist es wahr, daß sie – –
Celimene. Warum nicht, mein Herr? Was zweifeln sie?
Erast. Dem Damis wollen sie ihre Hand geben?
Celimene. Ja Erast, und ich hoffe glücklich mit ihm zu seyn. Lassen sie uns unsere Vermählung mit einander begehen, heyrathen sie ihre Cydalise.
Erast. Die Decke fällt mir von den Augen, sie sind meiner unwürdig. Itzt erkenne ich es, und das muß mich trösten.
Celimene. Das wußte ich ja, nur Cydalise ist ihrer würdig.
Erast. Ihr Spott ist Gift.
Celimene. Nein, mein lieber Erast, was hätten sie mit mir machen sollen? ich schätze die traurige Vernunft, ich will in meinem Gemahle meinen besten Gesellschafter, meinen besten Freund sehn. Meine Reizungen fangen an zu verblühen. Sie sind ein Mann, so wie sie alle sind, das heißt sinnlich. Sie wollen das lieben, was in die Augen fällt; Cydalise hat würklich ein schönes Gesicht. Geben sie Cydalisen ihre Hand. Wir würden nur alle beyde unglücklich mit einander gewesen seyn.
Erast. Gnädige Frau, sehn sie mich zu ihren Füßen, ich weiß es, daß sie mich einmal geliebt haben. Sollte alle Zärtlichkeit gegen mich auf einmal aus ihrem göttlichen Herzen verschwunden seyn? Vergeben sie mir mein Verbrechen, es war eine Verirrung meiner Vernunft. Mein Oheim, den ich schonen muß, befahl mir bey dem Verluste seiner Gewogenheit, Cydalisen einige Besuche zu machen. Ich wäre der unglückseligste [592] Mann mit Cydalisen geworden. O gnädige Frau – –
Celimene. Stehn sie auf Erast, ich mag sie nicht in dieser Stellung sehn.
Erast. Nicht eher, nicht eher gnädige Frau, als bis ich Vergebung von ihnen erhalten habe, bis sie mir versprechen, daß sie meine Gemahlin werden wollen.
Celimene. Stehn sie auf Erast, ich fühle daß ich sie noch liebe, und daß sie meiner Liebe nicht ganz unwürdig sind. Sie sind sonst so ein edelmüthiger Mann, kann denn keine einzige Mannsperson zu allen Zeiten edelmüthig handeln? Hier haben sie meine Hand, und wenn sie nicht glücklich mit mir sind, so ist es der Fehler ihres Herzens.
Erast. O gnädige Frau, wie sehr entzücken sie mich! Gott, in was für einem Irthume war ich! Eine elende affectirte Närrin! Cydalise. O ich sterbe vor Scham.
Damis. So tauschen wir schon wieder? Gnädige Frau, ich sehe, man darf auf ihr Wort auch keinen Staat machen.
Celimene. So wie auf ihre Liebe. Lernen sie hier mein Herr, was wahre Zärtlichkeit ist, die sie und so viele Tausend nicht kennen. Ihre Gemüthsart, ihre Grundsätze verdienen kein Frauenzimmer von Ehre. Gehn sie nach Paris, und halten sie sich an Princeßinen aus der Oper. Da werden sie mit ihren Grundsätzen am besten fortkommen. Verstehn sie mich?