Der Beruf der evangelisch-lutherischen Kirche zum Amt der Diakonie/9. Stunde

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9. Stunde.
Freitag Morgen.

Gebet: Verleihe, o Herr, alle den Deinen, daß sie in täglich freiem Zugang zu Deiner Gnade in Jesu Christo Ruhe finden vor allen Stürmen der Sünde und vor aller Angst des Lebens und schenke ihnen, daß ihre letzten Gedanken dermaleinst Gedanken des Lobes über Deine gnädige Führung sein möge, um Christi, ihres einigen Erbarmers willen. Amen.


 Was Ihnen in den nächsten Tagen die eigentliche Zugehörigkeit zu diesem Hause, die Eingliederung in seine Satzungen und Ordnungen und die Mitarbeit an seinen Aufgaben gewähren soll, ist die an Ihnen zu vollziehende Einsegnung. Es ist mir nicht leicht über dieselbe zu reden. Der selige Gründer dieses Hauses war jahrelang in der Theorie mit sich im Reinen, in der Praxis nicht. In der Theorie stund ihm fest, daß das kirchliche Amt der Diakonie der kirchlichen Abordnung und Weihe bedürfe. So gewiß das kirchliche Amt der Lehre durch die Ordination vermittelt wird, so gewiß soll das kirchliche Amt der Diakonie durch die feierliche Abordnung übertragen werden. In seiner Ehrfurcht vor der rechten Lehre und vor der kirchlichen Ordnung kam er aber noch nicht alsbald zur kirchlichen Fixierung. – Es haben andere Diakonissenhäuser weit früher die Einsegnung vollzogen,| als gerade Neuendettelsau. – Später hat auch Löhe die Einsegnung vollzogen, aber eins muß immer das Schwere gewesen sein: Ist das Amt kirchlich anerkannt, gut? wenn aber nicht, hat dann ein Diener der Kirche das Recht, von ihm selber diese kirchliche Anerkennung zu vollziehen? Das ist eine Frage über die der selige Löhe nicht hinauskam, über die auch andere nicht ganz hinauskommen werden.

 Das Amt der Diakonie ist eigentlich kirchlich noch nicht gefestigt, dazu ist es noch zu wenig kirchlich bekannt, aber wir wissen, daß es das Werk des Hl. Geistes ist, dieses Amt zu festigen. Der wird es von den Seinen nehmen, denn wir sind nicht, wie die reformierte Kirche, in sklavischer Abhängigkeit von dem Bibelwort: sondern wissen, der Geist wird es uns verkündigen, was not tut, wenn Zeit und Stunde gekommen.

 Und wenn auch praktisch nicht durch irgend welchen Bekenntnisakt das Amt der Barmherzigkeit festgestellt ist, wenn es noch nicht „untergebracht“ ist, so haben wir doch das teure Recht, das Amt der Barmherzigkeit, als aus dem Amt der Lehre hervorgegangen, auf demselben beruhend und von demselben abhängig, anzuerkennen. Unter diesen drei Gesichtspunkten allein vermag der Diener der Kirche den kirchenmäßigen Auftrag zu vollziehen. So gewiß ich das ungeschmälerte Recht besitze, einen gebührlich berufenen, geprüften und bewährten Kandidaten auftragsgemäß zum hl. Amte zu ordinieren, so gewiß habe ich das Recht, unter diesen drei Gesichtspunkten Ihnen die Hand aufzulegen und Sie abzuordnen zum Amt der Barmherzigkeit. Wir evangelisch-lutherische Christen müssen nüchtern sein und dürfen weder sentimentale noch sakramentale Anwandelungen bei der Einsegnung haben. Sentimentale Anwandelung hat entschieden die römische Kirche bei der Abordnung der Nonnen. Wer je einmal der Einsegnung einer römischen Schwester beigewohnt hat, der kann sich des Eindrucks der Sentimentalität nicht erwehren. Lebendig begraben werden, Verhüllung, Aufsetzen des Kranzes| feierliche Weihe nur durch den Bischof, das symbolische Absterben der Welt, all dieses kann tiefen Sinn haben, und wenn es von einem frommen Bischof ausgeführt wird, tiefen Eindrucks nicht verfehlen, aber der Eindruck des Sentimentalen liegt sehr nahe, nicht des Sakramentalen; denn die katholische Kirche kennt zwar ein Sakrament der Priesterweihe, nicht aber ein Sakrament der Abordnung der Nonnen. So muß vor allen Dingen immer der Begriff des Handelns festgestellt werden. Unsere lutherische Einsegnung entbehrt nicht der höchsten Feier. Ich möchte nichts davon missen, nicht einmal jene von den drei übrigen Lektionen so sehr abweichende Nomenklatur; weil (Röm. 16) dieses Kapitel die einzige Spur der weiblichen Diakonie in der alten Kirche gibt, darum gewinnen diese scheinbar trockene Namen Bedeutung. Es geht alles in geheiligter Natürlichkeit zu, nicht in schrankenloser Subjektivität, sondern in gezüchteter. Aber auch der sakramentale Charakter soll entschieden ferngehalten werden. Das Sakrament ist Allen notwendig. „Taufet alle, esset und trinket alle,“ das Sakrament ist nur für alle. Ich tröste mich meiner Ordination, und der Ordinationseid hilft mir über die schwersten Stunden hinaus und hält mich aufrecht; aber nie glaube ich an eine sakramentale Wirkung der Ordination. Das Sakrament hat das vor den Sakramentalien voraus, das es für alle zur Seligkeit notwendig ist, während die hl. Handlungen nur in besonderen Fällen dienen, die Heilsnotwendigkeit besitzen sie nicht.
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 Anfänglich bestand in diesem Hause bloß die Ordnung der Aussegnung, welche seitens der Oberin und der Schwestern vollzogen wurde zu einem Zeugnis, daß die Auszusegnenden den Forderungen des Diakonissenhauses während der Probezeit entsprochen hatten. Noch jetzt erfolgt zuerst die Aussegnung der Schwestern, bei welcher der Knecht und Diener der Kirche nichts zu handeln hat. Sie geschieht nur unter seiner passiven Assistenz, er nimmt das Zeugnis entgegen, daß diese| Schwestern von dem Mutterhaus für würdig erachtet werden, hinaus in die Arbeit gestellt zu werden mit allen Rechten und Pflichten einer Schwester. Ich möchte fast sagen, daß hier das Regimen, das dem jeweiligen Rektor zukommt, sich ganz fest zugesellt dem Regimen der Oberin, ja daß der Rektor das Amt der äußeren Leitung in dieser Stunde ganz in die Hand der Oberin legt, welche so gedoppelte Verantwortung hat, während der Seelsorger des Hauses, der Diener der Kirche, der auch Diener der Kirche ist, ohne daß er hier Rektor wäre, die Erklärung der Tüchtigkeit und Würdigkeit glückwünschend entgegen nimmt: „Friede sei mit diesen Diennerinnen Jesu!“ Er kann sie aber nicht entgegen nehmen, ohne mit derselben einverstanden zu sein. Der Diener der Kirche und von dem Herrn Jesus Christus berufene Hirte der Diakonissengemeinde nimmt diese Erklärung entgegen, daß man Sie in die Arbeit senden wolle, in und mit ihr die Bitte, den Segen der Kirche denen nicht vorzuenthalten, welche ohne diesen nichts tun wollen, noch können. Diese Bitte kann er unter den angeführten Gesichtspunkten entsprechen. Nachdem alle Vorbedingungen, soweit Menschen es können, erfüllt sind, nachdem eine Probezeit vorausgegangen ist, nachdem im Unterricht über die großen Ziele und Aufgaben schlecht und recht gesprochen worden ist, nachdem durch die Erforschung des Gewissens jede einzelne selber die Freudigkeit verspürt hat, um den Segen der Kirche zu bitten, nachdem jede einzelne mit Freudigkeit sagen kann: „Ich will, Herr, wenn Du willst“, nachdem also die Hände nicht zu bald aufgelegt werden, fremder Sünden Sich schuldig zu machen (1. Tim. 5, 22), kann die Kirche nicht anders als segnen, gerüstet mit göttlichem Befehl und gestärkt durch göttliches Wort. Die besondere Aufgabe bedarf des Segens, wenn irgend eine andere. Nicht als ob dieser Segen ein besonderer wäre, wohl aber ein Segen für die besondere Art des Dienens. Und so wird unter dem Weihegebet der apostolischen Kanones, das aus dem 3. Jahrhundert stammt, die Hand der einzelnen Jungfrau| aufgelegt und das Gebet des Amtes der Lehre ihr hiemit vermittelt. Es wird das Gebet des Amtsträgers und damit des gesamten Amtes, für das aus ihm hervorgegangene Amt der Barmherzigkeit der einzelnen zugeeignet, auf daß sie wisse, daß der Herr Sich in dieser Stunde zu ihr bekennt. Und wo Er Sich bekennt, tut Er es nicht mit leeren Händen, sondern Er gibt Gnaden, nicht sonderlicher Art, aber Gnaden zur besonderen Art des Dienens, jene Gnaden, die jeder Christ jeden Tag haben muß, die aber in sonderlicher Weise den einzelnen mitgeteilt werden, weil sie ihrer sonderlich bedürfen. So wenig wir an der magischen Kraft der Handauflegung festhalten, so gewiß ist es doch, daß die Handauflegung nicht eine bloße inhaltlose Ceremonie ist, sondern daß sie wahrhaftig Gebetsgnaden vermittelt, nicht sonderliche Gnaden, – denn es sind eigentlich alle Seine Gnaden sonderlich, – nicht eigene Gnaden, sondern Gnaden, die dem eigenen Dienst sich anpassen. Wenn eine unter Ihnen nach der Einsegnung nichts verspürte, so wäre das kein Zeichen gegen die Realität der Sendung, es wird noch kommen: „So seid auch ihr geduldig und wartet“, es kommt noch. Und wenn die Stürme kommen, so möge es Ihnen ergehen, wie es jedem Knecht der Kirche ergeht. Trösten Sie sich des Berufs und gedenken Sie der Abendstunde des 9. Mai, in der Sein Knecht im Namen seines Herrn Ihnen einen Gruß der Ewigkeit hat entbieten dürfen, der Stunde, in der Sein Knecht hat sagen dürfen: „Lasset sie im Frieden, sie will ein gutes Werk an Mir tun!“ Ja, Sie dürfen fröhlich gewiß sein, daß keine leere Ceremonie zu vollziehen der Diener der Kirche sich hergibt, daß er viel zu groß von seinem heiligen Amte denkt, als daß er sich zu irgendwelcher Sentimentalität brauchen ließe. So gewiß er sich getröstet, daß vor Jahren sein Herr mit ihm gehandelt hat und ihn ausgesandt, daß er im Schweiße seines Angesichts zur Einbringung der zur Reife sich neigenden Ernte helfen möge, so gewiß ruft sie der Herr durch den Mund Seines Knechts, und wenn Er Sie beruft, dürfen Sie aus Seinen Händen| nehmen Gnade um Gnade. Und deshalb ruht die segnende Hand des in aller Armut sich reich fühlenden Dieners auf Ihrem Haupte, aus welchem die Gedanken hervorgehen, die Ihren Willen regieren. Die Auflegung der Hände ist eben übertragende Zueignung der sich zeigenden Gotteskraft! Und in Ihnen soll es heißen: „Was soll ich Dir denn nun, mein Herr zum Opfer geben, was soll ich Dir zum Danke tun?“ Er verleihe Ihnen, daß sie jener Abendstunde des kommenden Dienstag sich zu aller Zeit getrösten und sich freuen dürfen, daß das Amt der Lehre, das einzig wirklich zum Bestand der Kirche nötige Amt, sich zu Ihnen bekennt, und wo das Amt sich bekennt, da bekennt Sich der Herr Selber zu Ihnen, und wo Er Sich bekennt, da handelt Er in Gnaden. Das ist die Auffassung der Einsegnung, und mit dieser will ich stehn und fallen. Diese Auffassung erkläre ich für irreformabel – was mich anlangt – aber ich sollte meinen, daß in dieser Auffassung der Trost liegt: Ihr König handelt mit Ihnen, legt Ihnen väterliche Hände auf, dieselben Hände, die auf Ihnen geruht haben bei der hl. Taufe, bei der Konfirmation, so oft Sie in der Beichte Seiner Gnade wollten gewiß werden. Es sind keine andern Hände, keine verringerten Kräfte, es sind Kräfte des Herrn, der so oft schon mit Ihnen gehandelt und Sie sollen Ihm in der Ihnen bevorstehenden Feierstunde danken, daß Er Sie zu Seinen armen Dienerinnen erwählt hat. Er hat Sie nicht anders erwählt, als die arme Magd, den armen Knecht, die auf dem Felde arbeiten; aber Er hat Sie erwählt zum Dienst der Treue und des hinströmenden Dankes für alle Seine Gnade. Es soll die Einsegnung nicht eine höhere Rangstufe, nicht ein „Avancement“ in christlicher Beziehung bedeuten; aber es soll da von Ihnen bekannt werden: „Treue dem Treuen.“ „So du dich zu Mir hältst, will Ich Mich zu dir halten, und ehe du zu ihnen fällst, müssen sie alle zu Dir fallen,“ und so rufe ich Ihnen in diesem fröhlichen Bewußtsein zu: „So Ihr Euch zu dem König der Barmherzigkeit halten wollt, so wird Er| auch bei Euch bleiben. Er ist bereit, Euren Dank anzunehmen, Er nimmt nicht, ohne zu geben. „Wer Dank opfert, der preiset Mich, und das ist der Weg, daß Ich ihm zeige das Heil Gottes.“ „Wer Dank opfert“ – das ist Ihre Sache, „und Ich werde ihm zeigen Mein Heil,“ das ist die Seine. In diesem Psalmwort liegt der Trost für Sie. „Wer Dank opfert, der preiset Mich.“ Der Knecht des Herrn hört diesen Dank an, er wird Ihnen bestätigt durch die Aussegnung; denn diese wird nicht vollzogen ohne Dank und Gelübde. Und die Antwort des königlichen Herrn, die Ihnen Sein Knecht zu überbringen hat, ist: „Das ist der Weg, daß Ich Dir zeige Mein Heil.“ Ja, Er wolle Ihnen das Größte in der Einsegnung geben, daß Sie bei aller Not Leibes und der Seele, daß Sie bei allem Schrecken einen freien offenen Zugang zu dem Gnadenstuhl haben, der unter uns aufgerichtet ist, zu dem Trone des ewigen Erbarmers Jesu Christi. Er wird Sie Seiner sonderlichen Gnade versichern, und Sie mögen immer wieder auf Grund Seiner Zusage zu Ihm kommen. Und was man so mancher Schwester in ernster Zeit schon zurufen mußte, sei auch Ihnen jetzt gesagt Ps. 71, 3: „Sei mir ein starker Hort, dahin ich immer fliehen möge, der Du zugesagt hast, mir zu helfen.“ Er hat es Ihnen zugesagt, so machen Sie es, wie es Luther gethan, werfen Sie Ihm alle Seine Verheißungen vor, denn Er ist der Treue. Darum sollen auch Sie dem Amt der Kirche, das Ihnen Seine Treue verheißt, nicht bloß, sondern anhandelt, dankbar bleiben im Leben. Nicht dem einzelnen Amtsträger, sondern dem Amte sollen Sie den Dank bezahlen, indem Sie für das Amt beten und nicht sich an diesem Amte versündigen, wie oben gezeigt. Daß gerade von dem Dienste der Barmherzigkeit so viele Sünden gegen das Amt der Lehre begangen werden, das sei Gott geklagt: jene maßlose Kritik, ungezüchtete Art des Urteils, jenes leichtfertige Dahinfahren der Rede. Wohl wird das Amt von sündigen, armen, schwachen Menschen getragen; aber hier setzt das Wort Luthers| ein: „Wenn wir so viel für unsere weltliche und geistliche Obrigkeit beten würden, als wir über sie reden, so stünde es traun besser.“ Glauben Sie, daß alles, was Sie für das Amt der Lehre betend vor Ihren Herrn bringen, auf Sie immer wieder zurück kommt. Das schenke der Herr Ihnen, daß das Amt der Barmherzigkeit in kindlicher Ehrfurcht zum Amt der Lehre stehe. Ja, Er schenke Ihnen das Beste, ein göttliches Gemüte und einen königlichen Geist. Er schenke, daß Sie im Sturm und Drang des Lebens Den immer fester fassen, Der sich unsern Frieden nennt. Er verleihe Ihnen, daß sie mitten im Weh immer wieder Jesum einige Kraft, einige Gnade und ewiges Erbarmen sehen mögen.

 Es ist mir oft schon durch den Sinn gegangen, was der selige Blumhardt sagte, als er vor Jahren vor den Toren Wittenbergs stand und die Türme der alten Reformatorenstadt im Abendsonnenschein erglänzen sah: „Ich weine, warum der Herr aus Seinem Köcher nicht mehr solche Pfeile wie Luther und Melanchthon entsandt hat.“ Doch nein, ich getröste mich: „Laßt uns die Gaben erwecken, die in uns sind.“ Fachet die Kohlen an, noch glühen sie; denn sie sind von dem Altar des ewigen Feuers genommen. „Stehe auf“, heißts einmal im Hohenlied, „Nordwind komme und Südwind wehe durch den Garten, daß seine Würze triefen!“ Mache Dich auf, Herr, und entflamme alles das in Deiner Kirche, was Du gnädig entzündet hast. Ja, das wollen wir bitten, daß der Geist, der einst in Feuerflammen durch die Welt gegangen, auch bei uns die Flamme der Liebe entzünde, auf daß sie Ihm entgegenlohe mit Freuden.

 Denn Geisteserweckung und Geisteserweisung tun not. Ueber das Feuer erster Liebe, in den Tagen der Einsegnung, wills Gott, angefacht, legen sich Asche und Erde der Alltäglichkeit. Diese Asche durch Gottes Odem zerstreuen, die Gottesgabe verwerten, das ist Aufgabe. Die Gottesgabe, welche durch Auflegung der Hände geworden ist. „Wollte Gott, daß alle das Wort| des Herrn weissagten und der Herr Seinen Geist über sie gäbe!“ – „Die Gleichgiltigkeit“, sagt Pressensé († 1891), „ist wie ein totes Meer, in dem nichts lebt, wie eine Wüste, in der nichts wächst, sie ist das schwerste moralische Uebel der Zeit!“ Darum erwecket immer wieder zu Trotz der lähmenden Alltäglichkeit die Gabe, ob Marthawerk oder Marienweise: Man erwecke durch Buße, die hinunterzieht in die Buße des 130. Psalms, um zu dem Vertrauen des 121. Psalms zu erheben. Alle Erweckung des Geistes beginnt mit dem büßend bedauernden „ich“. Ich bins nicht wert, ich weiß, daß in mir wohnet nichts Gutes; ich, der vornehmste aller Sünder. Denn dieses „ich“ verhindert, sich hinter und unter die Allgemeinheit des Bekennens zu verkriechen und zu verbergen. Und zur Buße das Gebet! Er, der den Geist hatte ohne Maßen, also unbegrenzt, ging (St. Lucas erzählt es in einem Kapitel zweimal) immer wieder in die Einsamkeit, um zu beten. Wenn nun Er, der Heilige, besorgt, den Zusammenhang mit der heimatlichen Welt zu verlieren, wie müssen wir bangen, die wir in so unheimlicher Wahlverwandtschaft zu den diesseitigen, ja abgründigen Mächten stehen! Und Geisteserweisung – nicht in Furcht feigen Nachgebens, welche lieber Menschenseelen verderben lässet, als daß sie es mit Menschen verdirbt, aber auch nicht in furchtsamem Aufgeben: Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele! Geisteserweisung in der Kraft: Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht. Und in der Liebe, nicht in der, welche den Armen abspeist, mit reichlichen Brocken, ohne doch seiner sich zu erbarmen, sondern die das „pflege sein“ als Höchstes kennt, nicht die Liebe, welche die Armut pflegt, sondern die Armen. Und in der Zucht zum letzten. Die Selbzucht gegen die Selbstsucht, Zuchterweisung gegen innere und äußere Zuchtlosigkeiten!


Gebet: Laß, o gebenedeiter Herr, aus dessen Händen nur Segen und ewige Gnaden kommen, diese Deine Mägde in allerlei Zeit Deiner segnenden Rechten und Deiner Hilfe aus der Höhe sich getrösten und schenke ihnen, daß| sie in der Liebe, mit der Du sie geliebt hast, immer hinkommen zu dem Quell all ihres Lebens, zu dem ewigen Born freudiger Jugend, zu der Freudigkeit beständigen Dankens, auf daß sie dermaleinst mit all ihrem Dienst vor Dir dienen und, zu Deinem Abendmahl berufen, bei Dir ewige Feste halten mögen. Amen.





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