Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren/Viertes Capitel

Drittes Capitel Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren (1877)
von Charles Darwin
Fünftes Capitel


[76]
Viertes Capitel.
Mittel des Ausdrucks bei Thieren.
Äusserung von Lauten. — Stimmlaute. — Auf andere Art hervorgebrachte Laute. — Aufrichten der Hautanhänge, der Haare, Federn u. s. w., bei den Seelenerregungen des Zorns und Schreckens. — Das Zurückziehen der Ohren als eine Vorbereitung zum Kämpfen und als ein Ausdruck des Zorns. — Aufrichten der Ohren und Emporheben des Kopfes ein Zeichen der Aufmerksamkeit.

In diesem und dem folgenden Capitel will ich, aber nur in so weit hinreichendem Detail als zur Erläuterung meines Gegenstandes nöthig ist, die Bewegungen des Ausdruckes bei einigen wenigen allgemein bekannten Thieren in verschiedenen Seelenzuständen beschreiben. Ehe ich aber dieselbe in gehöriger Aufeinanderfolge betrachte, wird es viel nutzlose Wiederholung ersparen, wenn ich gewisse, den meisten von ihnen gemeinsame Ausdrucksmittel erörtere.

Das Äußern von Lauten. — Bei vielen Arten von Thieren, den Menschen mit eingeschlossen, sind die Stimmorgane im höchsten Grade wirksame Mittel des Ausdrucks. Wir haben im letzten Capitel gesehen, daß, wenn das Sensorium stark erregt wird, die Muskeln des Körpers allgemein in heftige Bewegung versetzt werden; als Folge hiervon werden laute Töne ausgestoßen, wie schweigsam auch das Thier im Allgemeinen sein mag und obschon die Laute von keinem Nutzen sind. Hasen und Kaninchen gebrauchen z. B., wie ich glaube, ihre Stimmorgane niemals, ausgenommen im Zustande des äußersten Leidens; so wenn ein verwundeter Hase vom Jäger getödtet oder wenn ein junges Kaninchen von einem Wiesel gefangen wird. Rinder und Pferde ertragen große Schmerzen schweigend; ist aber der Schmerz excessiv und besonders wenn er mit Schrecken verbunden ist, dann stoßen sie fürchterliche Laute aus. Ich habe in den Pampas häufig in großen Entfernungen das Gebrüll der Rinder im Todeskampfe [77] unterschieden, wenn sie mit dem Lasso gefangen und ihnen die Schenkelsehnen durchschnitten wurden. Man sagt, daß Pferde, wenn sie von Wölfen angegriffen werden, laute und eigenthümliche Angstschreie ausstoßen.

Zu der Äußerung vocaler Laute dürften unwillkürliche und zwecklose, in der erwähnten Art und Weise angeregte Zusammenziehungen der Muskeln der Brust und Stimmritze zuerst Veranlassung gegeben haben. Jetzt wird aber die Stimme von vielen Thieren zu verschiedenen Zwecken benutzt; auch scheint Gewohnheit bei deren Verwendung unter anderen Umständen eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Naturforscher haben, und wie ich glaube mit Recht, bemerkt, daß sociale Thiere, weil solche ihre Stimmorgane gewohnheitsgemäß als Mittel zu gegenseitiger Mittheilung benutzen, dieselben auch bei andern Veranlassungen viel häufiger gebrauchen als andere Thiere. Es gibt aber auffallende Ausnahmen von dieser Regel, z. B. beim Kaninchen. Auch hat das Princip der Association, welches einen so weiten Wirkungskreis hat, dabei eine Rolle gespielt. Es folgt hieraus, daß die Stimme, weil sie unter gewissen, Vergnügen, Schmerz, Zorn u. s. w. veranlassenden Bedingungen gewohnheitsgemäß als nützliches Hülfsmittel angewendet worden ist, allgemein gebraucht wird, sobald nur immer dieselben Empfindungen oder Gemüthsbewegungen unter völlig verschiedenen Bedingungen oder in einem geringeren Grade angeregt werden.

Die beiden Geschlechter vieler Thiere rufen während der Brunstzeit unaufhörlich einander, und in nicht wenig Fällen sucht das Männchen durch die Stimme das Weibchen zu bezaubern oder zu reizen. Dies scheint allerdings der uranfängliche Gebrauch und die ursprüngliche[WS 1] Entwickelungsweise der Stimme gewesen zu sein, wie ich in meiner „Abstammung des Menschen“ zu zeigen versucht habe. Hiernach wird der Gebrauch der Stimmorgane mit der Vorausempfindung des größten Vergnügens, was die Thiere zu fühlen im Stande sind, associirt worden sein. Thiere, welche in Gesellschaft leben, rufen einander oft, wenn sie getrennt werden und empfinden offenbar eine große Freude, wenn sie sich treffen; dies sehen wir z. B. an einem Pferde bei der Rückkehr seines Gefährten, dem es entgegenwiehert. Die Mutter ruft beständig nach ihren verlorenen Jungen, so z. B. eine Kuh nach ihrem Kalbe; auch rufen die Jungen vieler Thiere nach ihrer Mutter. Wenn eine Schafheerde auseinander getrieben [78] wird, so blöcken die Mutterschafe unaufhörlich nach ihren Lämmern und die wechselseitige Freude beim Zusammenkommen drückt sich ganz deutlich aus. Wehe dem Menschen, welcher sich mit den Jungen der größeren und furchtbareren Raubthiere zu schaffen macht, wenn diese das Angstgeschrei ihrer Jungen hören. Wuth führt zur heftigen Anstrengung aller Muskeln mit Einschluß derer der Stimme; und einige Thiere versuchen, wenn sie in Wuth gerathen sind, ihre Feinde durch deren Kraft und Wildheit in Schrecken zu versetzen, wie es der Löwe durch Brüllen und der Hund durch Knurren thut. Ich glaube deshalb, daß ihr Zweck hierbei der ist, Schrecken einzujagen, weil zu gleicher Zeit der Löwe sein Mähnenhaar, der Hund das Haar seinem Rücken entlang aufrichtet und sie sich dadurch so groß und so schrecklich aussehend machen wie nur möglich. Rivalisirende Männchen versuchen durch ihre Stimmen sich einander zu überbieten und einander herauszufordern; und dies führt zu Kämpfen auf Tod und Leben. Hierdurch wird der Gebrauch der Stimme mit der Erregung des Zorns, auf welche Weise er auch veranlaßt worden sein mag, associirt worden sein. Wir haben auch gesehen, daß intensive Schmerzen gleich der Wuth zu heftigem Aufschreien führen; die Anstrengung des Schreies gibt an und für sich etwas Erleichterung. Hierdurch wird der Gebrauch der Stimme mit Leiden jedweder Art associirt worden sein.

Die Ursache, warum sehr verschiedene Laute bei verschiedenen Gemüthsbewegungen und Empfindungen geäußert werden, ist ein sehr dunkler Gegenstand. Auch gilt die Regel nicht immer, daß irgend eine ausgesprochene Verschiedenheit besteht. So weicht z. B. beim Hunde das Bellen vor Zorn nicht sehr von dem Bellen vor Freude ab, obschon beide unterschieden werden können. Es ist nicht wahrscheinlich, daß irgend eine genaue Erklärung der Ursache oder der Quelle jedes besonderen Lautes unter verschiedenen Seelenzuständen jemals gegeben werden wird. Wir wissen, daß einige Thiere, nachdem sie domesticirt worden sind, die Gewohnheit erlangt haben, Laute auszustoßen, die ihnen nicht natürlich waren.[1] So haben domesticirte Hunde und selbst gezähmte Schakals zu bellen gelernt, was ein Laut ist, der keiner Species der Gattung eigen ist, mit Ausnahme [79] des Canis latrans von Nord-America, welcher bellen soll. Auch haben einige Rassen der domesticirten Tauben in einer neuen und eigenthümlichen Art und Weise zu girren gelernt.

Der Character der menschlichen Stimme unter dem Einflusse verschiedener Seelenerregungen ist von Herbert Spencer in seinem interessanten Aufsatze über Musik erörtert worden.[2] Er zeigt deutlich, daß die Stimme unter verschiedenen Bedingungen sich bedeutend in der Lautheit und in der Qualität ändert, d. h. in der Resonanz und im Timbre, in der Höhe und den Intervallen. Es kann wohl Niemand einen beredten Sprecher oder einen Prediger, dann einen Menschen, der zornig einen Andern anschreit, oder einen, welcher Erstaunen über Etwas ausdrückt, hören, ohne von der Wahrheit der Bemerkung Spencer's frappirt zu sein. Es ist merkwürdig, wie früh im Leben schon die Modulation der Stimme ausdrucksvoll wird. Bei einem meiner Kinder bemerkte ich, ehe dasselbe zwei Jahre alt war, deutlich, daß das „Hm“ der Zustimmung durch eine leichte Modulation stark emphatisch gemacht wurde, während ein eigenthümlich winselndes Verneinen eine obstinate Bestimmtheit ausdrückte. Mr. Spencer weist ferner nach, daß die Sprache unter Erregung des Gemüths in allen den oben angeführten Beziehungen eine innige Verwandtschaft mit Vocalmusik, und folglich auch mit Instrumentalmusik darbietet; und er versucht die characteristischen Eigenschaften beider mit physiologischen Gründen zu erklären, nämlich aus „dem allgemeinen Gesetze, daß eine Empfindung ein Reiz zur Muskelthätigkeit ist“. Man kann zugeben, daß die Stimme durch dies Gesetz beeinflußt wird; die Erklärung erscheint mir aber zu allgemein und zu vag, als daß sie auf die einzelnen Unterschiede, mit Ausnahme des der Lautheit, zwischen dem gewöhnlichen Sprechen und dem Sprechen in gewissen Gemüthserregungen oder dem Singen viel Licht werfen könnte.

Diese Bemerkung behält seine Gültigkeit, mögen wir annehmen, daß die verschiedenen Qualitäten der Stimme dadurch entstanden, daß unter der Erregung starker Gefühle gesprochen wurde und daß diese Qualitäten später auf die Vocalmusik übertragen wurden, oder mögen wir der Ansicht sein, wie ich es behaupte, daß die Gewohnheit musikalische Laute auszustoßen zuerst als ein Mittel der Brautwerbung bei den frühen Urerzeugern des Menschen entwickelt und [80] hierdurch mit den stärksten Gemüthserregungen, deren sie fähig waren, associirt wurde, — nämlich mit glühender Liebe, Rivalität und Triumph. Daß Thiere musikalische Töne hervorbringen, ist eine Jedermann geläufige Thatsache, wie wir es ja täglich im Gesang der Vögel hören. Eine merkwürdigere Thatsache ist die, daß ein Affe, einer der Gibbons, genau eine Octave musikalischer Töne hervorbringt, wobei er die Tonleiter in halben Tönen auf- und abwärts singt, so daß man von diesem Affen sagen kann, daß „er allein unter den Säugethieren singe“.[3] Durch diese Thatsache und durch die Analogie mit anderen Thieren bin ich zu der Folgerung geführt worden, daß die Urerzeuger des Menschen wahrscheinlich musikalische Töne ausstießen, ehe sie das Vermögen der articulirten Sprache erlangt hatten, und daß in Folge hievon die Stimme, wenn sie in irgend einer heftigen Gemüthserregung gebraucht wird, durch das Princip der Association einen musikalischen Character anzunehmen strebt. Bei einigen der niederen Thiere können wir deutlich wahrnehmen, daß die Männchen ihre Stimmen dazu gebrauchen, ihren Weibchen zu gefallen und daß sie selbst an ihren eigenen vocalen Äußerungen Vergnügen finden. Warum aber besondere Laute ausgestoßen werden, und warum diese Vergnügen gewähren, kann für jetzt nicht erklärt werden.

Daß die Höhe der Stimme in gewisser Beziehung zu gewissen Empfindungszuständen steht, ist ziemlich klar. Eine Person, welche sich ruhig über schlechte Behandlung beklagt oder welche unbedeutend leidet, spricht beinahe immer in einem hohen Tone. Wenn Hunde ein wenig ungeduldig sind, so geben sie oft einen hohen pfeifenden Ton durch die Nase, der uns sofort als klagend auffällt;[4] wie schwer ist es aber zu wissen, ob der Laut seinem Wesen nach ein klagender ist oder nur in diesem besondern Falle als solcher erscheint, weil wir aus Erfahrung gelernt haben, was er bedeutet. Rengger gibt an,[5] daß die Affen (Cebus Azarae), welche er in Paraguay hielt, ihr [81] Erstaunen durch einen halb pfeifenden, halb brummenden Ton, Zorn oder Ungeduld durch Wiederholung des Lautes „hu“, „hu“ mit einer tieferen, grunzenden Stimme, und Schrecken oder Schmerz durch schrilles Geschrei ausdrückten. Auf der andern Seite drückt beim Menschen ein tiefes Stöhnen und ein hohes durchdringendes Geschrei in gleicher Weise den äußersten Schmerz aus. Das Lachen kann entweder hoch oder tief sein, so daß, wie schon Haller vor langer Zeit bemerkt hat,[6] der Laut bei erwachsenen Personen den Character der Vocale O und A annimmt, während er bei Frauen und Kindern mehr den Character von E und I hat. Diese letzten beiden Vocallaute haben, wie Helmholtz gezeigt hat, ihrer Natur gemäß einen höheren Ton, als die beiden erstern; und doch drücken beide Töne des Lachens in gleicher Weise Freude oder Vergnügen aus.

Bei Betrachtung der Art und Weise, in welcher Äußerungen der Stimme eine Gemüthserregung ausdrücken, werden wir naturgemäß darauf geführt, die Ursache dessen zu untersuchen, was man in der Musik „Ausdruck“ nennt. Mr. Litchfield, welcher der Theorie der Musik lange Zeit seine Aufmerksamkeit gewidmet hat, ist so freundlich gewesen, mir über diesen Gegenstand die folgenden Bemerkungen mitzutheilen: — „Die Frage, was das Wesen des musikalischen ‚Ausdrucks' sei, schließt eine Anzahl dunkler Punkte in sich, welche soviel mir bekannt ist, noch ungelöste Räthsel sind. Indessen muß bis zu einem gewissen Punkte ein jedes Gesetz, welches in Bezug auf den Ausdruck der Gemüthserregungen durch einfache Laute als gültig erfunden worden ist, auch auf die höher entwickelte Ausdrucksweise des Gesangs anwendbar sein, welcher ja als der ursprüngliche Typus jeder Musik angenommen werden kann. Ein großer Theil der gemüthlichen Wirkung eines Gesanges hängt von dem Character der Thätigkeit ab, durch welche die Töne hervorgebracht werden. So hängt z. B. bei Gesängen, welche große Heftigkeit der Leidenschaft ausdrücken, die Wirkung oft hauptsächlich von dem kraftvollen Ausstoßen einer oder zweier characteristischer Passagen ab, welche bedeutende Anstrengung der Stimmkraft erfordern, und es ist häufig zu beobachten, daß ein Gesang dieser Art seine gehörige Wirkung verfehlt, wenn er zwar von einer Stimme von hinreichender Kraft und gehörigem Umfange, um die characteristischen Passagen wiederzugeben, [82] aber ohne große Anstrengung gesungen wird. Dies ist ohne Zweifel der Schlüssel zu dem Geheimnis, warum ein Lied so oft durch Transposition aus einer Tonart in die andere seine Wirkung verliert. Es zeigt sich hieraus, daß die Wirkung nicht bloß von den wirklichen Klängen selbst, sondern zum Theil auch von der Natur der Thätigkeit abhängt, welche die Klänge hervorbringt. Es ist in der That offenbar, daß, sobald wir fühlen, der ,Ausdruck‘ eines Gesanges sei eine Folge seiner schnelleren oder langsameren Bewegung, der Ruhe seines Flusses, der Lautheit seiner Äußerung u. s. w., wir in der That die Muskelthätigkeit, welche den Klang hervorbringt, in derselben Weise beurtheilen, wie wir die Muskelthätigkeit überhaupt beurtheilen. Dies läßt aber die feinere und specifischere Wirkung, welche wir den musikalischen Ausdruck des Gesanges nennen, — das durch seine Melodie oder selbst durch die einzelnen die Melodie erst zusammensetzenden Töne hervorgerufene Entzücken, unerklärt. Es ist dies eine Wirkung, welche von der Sprache nicht definirt werden kann, welche auch, so viel ich weiß, Niemand zu analysiren im Stande gewesen ist, und welche die geistvolle Speculation Herbert Spencer's über den Ursprung der Musik vollkommen unerklärt läßt. Denn es ist ganz sicher, daß die melodische Wirkung einer Reihe von Tönen nicht im Allergeringsten von ihrer Stärke oder ihrer Schwäche, noch von ihrer absoluten Höhe abhängt. Eine Melodie bleibt immer dieselbe, mag sie nun laut oder schwach, von einem Kinde oder einem Erwachsenen gesungen, mag sie nun auf einer Flöte oder auf einer Posaune gespielt werden. Die rein musikalische Wirkung irgend eines Tones hängt von seiner Stellung in dem ab, was man technisch die Tonleiter nennt; ein und derselbe Ton bringt hienach absolut verschiedene Wirkungen auf das Ohr hervor, je nachdem er in Verbindung mit der einen oder einer andern Reihe von Tönen gehört wird.“

„Es ist also diese relative Association von Tönen das Moment, von dem alle die wesentlich characteristischen Wirkungen abhängen, welche man unter der Bezeichnung ,musikalischer Ausdruck' zusammenfaßt. Warum aber gewisse Associationen von Tönen gerade die und die, andre jene Wirkungen haben, ist ein Problem, welches noch immer zu lösen bleibt. Allerdings müssen diese Wirkungen auf die eine oder die andere Weise mit den arithmetischen Verhältnissen zwischen den Schwingungszahlen der Töne, welche eine musikakische [83] Tonleiter bilden, in Verbindung stehen. Und es ist wohl möglich, — doch ist dies eine bloße Vermuthung, — daß die größere oder geringere mechanische Leichtigkeit, mit welcher der schwingende Apparat des menschlichen Kehlkopfes aus einem Schwingungszustand in den andern übergeht, eine der ursprünglichen Ursachen gewesen ist, weshalb verschiedene Reihen von Tönen ein größeres oder geringeres Vergnügen hervorgerufen haben.“

Lassen wir aber diese verwickelten Fragen bei Seite und beschränken wir uns auf die einfacheren Laute, so können wir wenigstens einige der Gründe für die Association gewisser Arten von Tönen mit gewissen Seelenzuständen einsehn. Es wird z.B. ein von einem jungen Thiere oder von einem Gliede einer Thiergemeinde als ein Ruf nach Hülfe ausgestoßener Schrei naturgemäß laut, lang ausgezogen und hoch sein, so daß; er in größere Entfernung reicht. Denn Helmholtz hat gezeigt,[7] daß in Folge der Form der innern Höhle des menschlichen Ohrs und seiner daraus sich ergebenden Resonanzfähigkeit hohe Töne einen eigenthümlich starken Eindruck hervorrufen. Wenn männliche Thiere Laute ausstoßen, um den Weibchen zu gefallen, so werden sie natürlich solche anwenden, welche den Ohren der Species lieblich sind; und es möchte scheinen, als wenn dieselben Töne oft sehr verschiedenen Thieren angenehm wären, und zwar in Folge der Ähnlichkeit ihres Nervensystems, wie wir selbst ja dies darin wahrnehmen, daß uns der Gesang der Vögel und selbst das Zirpen gewisser Laubfrösche Vergnügen macht. Auf der andern Seite werden Laute, welche hervorgebracht werden, um einem Feinde Schrecken einzujagen, naturgemäß rauh und unangenehm sein.

Ob das Princip des Gegensatzes, wie sich vielleicht hätte erwarten lassen, bei Lauten mit in's Spiel gekommen ist, ist zweifelhaft. Die unterbrochenen lachenden oder kichernden Laute, welche der Mensch und verschiedene Arten von Affen hervorbringen, wenn sie vergnüglich gestimmt sind, sind von langausgezogenen Schreien dieser Thiere, wenn sie in Angst sind, so verschieden, als nur möglich. Das tiefe Grunzen der Befriedigung eines Schweines, wenn ihm sein Futter zusagt, ist von dem scharfen Schrei des Schmerzes oder Schreckens äußerst verschieden. Beim Hunde aber sind, wie erst vor Kurzem [84] bemerkt wurde, das Bellen vor Zorn und das vor Freude Laute, welche durchaus nicht in Gegensatz zu einander stehn; dasselbe gilt auch für einige andere Fälle.

Es findet sich dabei noch ein anderer dunkler Punkt, nämlich, ob die unter verschiedenen Zuständen der Seele hervorgebrachten Laute die Form des Mundes bestimmen oder ob die Form desselben nicht von unabhängigen Ursachen bestimmt und der Laut dadurch modificirt wird. Wenn ganz junge Kinder schreien, so öffnen sie ihren Mund weit, und dies ist ohne Zweifel nothwendig, um einen starken vollen Laut auszustoßen; der Mund nimmt aber dann aus einer völlig verschiedenen Ursache eine fast viereckige Gestalt an, welche, wie später erklärt werden wird, von dem festen Schließen der Augenlider und dem daraus folgenden Heraufziehen der Oberlippe abhängt. In wie weit diese viereckige Form des Mundes den klagenden oder weinenden Laut modificirt, bin ich nicht vorbereitet zu sagen; wir wissen aber aus den Untersuchungen von Helmholtz und Andern, daß die Form der Mundhöhle und der Lippen die Natur und die Höhe der hervorgebrachten Vocallaute bestimmt.

In einem spätern Capitel wird auch gezeigt werden, daß bei den Gefühlen der Verachtung oder des Abscheus aus erklärlichen Gründen eine Neigung vorhanden ist, durch die Mundhöhle oder Nasenlöcher hinaus zu blasen, und dies ruft einen Laut hervor wie „Puh“ oder „Pish“. Wenn irgend Jemand erschreckt oder plötzlich in Erstaunen versetzt wird, so tritt, gleicherweise aus einer erklärlichen Ursache, nämlich um für eine längere Anstrengung vorbereitet zu sein, eine augenblickliche Neigung ein, den Mund weit zu öffnen, wie um eine tiefe und schnelle Inspiration auszuführen. Wenn die nächste volle Ausathmung erfolgt, so wird der Mund leicht geschlossen und, aus später zu erörternden Ursachen, die Lippen vorgestreckt; nach Helmholtz bringt aber diese Form des Mundes, wenn die Stimme überhaupt nur zum Tönen gebracht wird, den Laut des Vocals O hervor. Sicherlich kann man einen tiefen Laut eines langen Oh! von einer ganzen Menge Menschen unmittelbar nach dem Erleben irgend eines staunenerregenden Ereignisses hören. Wenn in Verbindung mit Überraschung Schmerz gefühlt wird, dann tritt eine Neigung ein, alle Muskeln des Körpers, mit Einschluß derer des Gesichts, zusammenzuziehen und dann werden die Lippen zurückgezogen; dies dürfte es vielleicht erklären, daß dann der Ton höher wird und den Character [85] des Ah oder Ach annimmt. Da die Furcht ein Erzittern sämmtlicher Muskeln des Körpers verursacht, so wird auch die Stimme zitternd und gleichzeitig auch wegen der Trockenheit des Mundes heiser, da die Speicheldrüsen nicht thätig sind. Warum das Lachen der Menschen und das Kichern der Affen aus einer schnellen Wiederholung von Lauten besteht, kann nicht erklärt werden. Während der Äußerung dieser Laute wird der Mund dadurch, daß die Winkel nach hinten und nach oben gezogen werden, quer verlängert; für diese Thatsache eine Erklärung zu geben wird in einem späteren Capitel versucht werden. Aber das ganze Thema von den Verschiedenheiten der unter verschiedenen Seelenzuständen hervorgebrachten Laute ist so dunkel, daß es mir kaum gelungen ist, irgend welches Licht darauf zu werfen; und die Bemerkungen, welche ich hier gemacht habe, haben nur wenig Bedeutung.


Fig. 11. Lauterregende Kiele vom Schwanze des Stachelschweins.
Alle bis jetzt erwähnten Laute hängen von den Respirationsorganen ab; es sind aber auch Laute, welche durch völlig verschiedene Mittel hervorgebracht werden, ausdrucksvoll. Kaninchen stampfen laut auf den Boden, um ihren Kameraden ein Signal zu geben; und wenn man es ordentlich zu machen versteht, so kann man an einem ruhigen Abend die Kaninchen rings umher antworten hören. Es stampfen auch diese Thiere, ebenso wie einige andere, auf den Boden, wenn sie zornig gemacht werden. Stachelschweine rasseln mit ihren Stacheln und machen ihren Schwanz erzittern, wenn sie zornig gemacht werden; ein solches Thier benahm sich in dieser Weise, als eine lebendige Schlange in seinen Käfig gebracht wurde. Die Stacheln am Schwanze sind von denen am übrigen Körper sehr verschieden; sie sind kurz, hohl, dünn wie ein Gänsekiel mit quer abgeschnittenem Ende, so daß sie offen sind; sie werden von langen, dünnen, elastischen Stielen getragen. Wenn nun der Schwanz schnell geschüttelt wird, so schlagen diese hohlen Kiele gegen einander und bringen, wie ich im Beisein des Mr. Bartlett hörte, einen eigenthümlichen anhaltenden Laut hervor. Ich glaube, wir können einsehen,

[86] warum Stachelschweine durch eine Modifikation ihrer schützenden Stacheln mit diesem lauterzeugenden Instrumente versehen worden sind. Sie sind nächtliche Thiere; und wenn sie ein auf Raub ausziehendes Raubthier wittern oder hören, so dürfte es für sie im Dunkeln ein großer Vortheil sein, ihrem Feinde anzuzeigen, was sie sind und daß sie mit gefährlichen Stacheln ausgerüstet sind. Sie werden dadurch dem Angriffe entgehen. Sie sind sich, wie ich hinzufügen will, der Kraft ihrer Waffen so vollständig bewußt, daß wenn sie in Wuth gerathen, sie nach hinten einen Angriff machen, wobei ihre Stacheln aufgerichtet, indeß etwas nach hinten geneigt sind.

Viele Vögel bringen während ihrer Brautwerbung mittelst speciell eingerichteter Federn verschiedenartige Laute hervor. Wenn Störche erregt werden, so bringen sie mit ihren Schnäbeln ein lautes klapperndes Geräusch hervor. Manche Schlangen machen ein knarrendes und rasselndes Geräusch. Viele Insecten striduliren dadurch, daß sie speciell modificirte Theile ihrer harten Bedeckungen auf einander reiben. Diese Stridulation dient allgemein als ein sexueller Reiz oder Ruf; sie wird aber auch dazu benutzt, verschiedene Gemüthserregungen auszudrücken.[8] Jeder, welcher Bienen aufmerksam beobachtet hat, weiß, daß sich ihr Summen ändert, wenn sie zornig sind; und dies dient als eine Warnung, daß Gefahr gestochen zu werden vorhanden ist. Ich habe diese wenigen Bemerkungen gemacht, weil einige Schriftsteller ein so großes Gewicht auf den Umstand gelegt haben, daß die Stimm- und Athmungsorgane speciell als Mittel des Ausdrucks angepaßt worden sind, daß es mir gerathen schien zu zeigen, wie auf andere Weise erzeugte Laute demselben Zwecke gleichmäßig gut dienen.


Aufrichten der Hautanhänge. — Kaum irgend eine Bewegung des Ausdrucks ist so allgemein wie das unwillkürliche Aufrichten der Haare, Federn und andern Hautanhänge; denn durch drei der großen Wirbelthierclassen geht es gemeinsam durch. Diese Anhänge werden unter der Erregung des Zornes oder Schreckens emporgerichtet, ganz besonders wenn diese Gemüthserregungen mit einander verbunden sind oder schnell aufeinander folgen. Die Bewegung dient dazu, das Thier seinen Feinden oder Nebenbuhlern größer und furchtbarer [87] erscheinen zu lassen und wird allgemein von verschiedenen willkürlichen Bewegungen, die demselben Zwecke angepaßt sind, sowie von dem Ausstoßen wilder Laute begleitet. Mr. Bartlett, welcher über Thiere aller Arten eine so reiche Erfahrung besitzt, zweifelt nicht daran, daß dies der Fall ist; es ist aber eine davon ganz verschiedene Frage, ob die Fähigkeit des Aufrichtens ursprünglich zu diesem speciellen Zwecke erlangt wurde.

Ich will zuerst eine ziemlich beträchtliche Menge von Thatsachen mittheilen, welche zeigen, wie allgemein diese Handlungsweise bei Säugethieren, Vögeln und Reptilien ist; dabei behalte ich das, was ich in Bezug auf den Menschen zu sagen habe, auf ein späteres Capitel vor. Mr. Sutton, der intelligente Wärter im zoologischen Garten, beobachtete für mich sorgfältig den Chimpanse und den Orang; er gibt an, daß, wenn sie plötzlich erschreckt werden, wie durch ein Gewitter, oder wenn sie zornig gemacht werden, wie durch Necken, ihr Haar aufgerichtet wird. Ich sah einen Chimpanse, der vom Anblick eines schwarzen Kohlenträgers beunruhigt war; sein Haar richtete sich am ganzen Körper in die Höhe; er machte kurze Ansätze nach vorwärts, als wollte er den Mann angreifen, ohne irgend eine wirkliche Absicht es zu thun, aber doch, wie der Wärter bemerkt, in der Hoffnung, den Mann zu erschrecken. Wird der Gorilla zur Wuth gereizt, so erscheint er nach der Beschreibung des Mr. Ford[9] „mit aufgerichtetem und vorstehendem Kamme, erweiterten Nasenlöchern und nach unten geworfener Unterlippe; zu gleicher Zeit stößt er seinen characteristischen Schrei aus, gewissermaßen um seinen Gegner zu erschrecken.“ Beim Anubis-Pavian sah ich, wie sich in der Erregung des Zorns das Haar dem Rücken entlang vom Nacken bis zu den Lenden sträubte, aber nicht am Rumpfe oder an andern Theilen des Körpers. Ich brachte eine ausgestopfte Schlange in das Affenhaus und im Augenblicke sträubte sich bei mehreren Species das Haar in die Höhe, besonders am Schwanze, wie ich es namentlich bei dem Cercopithecus nictitans beobachtete. Brehm gibt an,[10] daß der Midas oedipus (eine zur Abtheilung der amerikanischen Affen gehörige Form) [88] im Affecte seine Mähne aufrichtet, um, wie er hinzufügt, sich so schrecklich als möglich aussehend zu machen.

Bei den Raubthieren scheint das Sträuben der Haare beinahe ganz allgemein zu sein; es wird häufig von drohenden Bewegungen, wie dem Zeigen der Zähne und dem Ausstoßen wilden Gebrülls begleitet. Beim Herpestes habe ich das Haar nahezu über den ganzen Körper mit Einschluß des Schwanzes aufrecht stehen sehen; bei Hyaena und Proteles wird der Rückenkamm in einer auffallenden Weise aufgerichtet. Der Löwe richtet im Affecte der Wuth seine

Fig. 12. Henne, welche einen Hund von ihren Küchlein wegtreibt. Nach der Natur gez. von Mr. Wood.

Mähne empor. Das Sträuben des Haares beim Hunde dem Nacken und Rücken entlang und bei der Katze über den ganzen Körper ist eine Jedermann bekannte Erscheinung. Bei der Katze tritt es augenscheinlich nur im Affecte der Furcht ein, beim Hunde unter dem des Zorns und der Furcht, aber nicht, so weit ich es beobachtet habe, bei unterwürfiger Furcht, wie wenn ein Hund von einem strengen Wildwart geschlagen werden soll. Wenn aber ein Hund sich zum Kampfe aufgelegt zeigt, wie es zuweilen vorkommt, so geht das Haar in die Höhe. Ich habe häufig bemerkt, daß das Haar des Hundes besonders gern sich sträubt, wenn er halb im Zorne ist und halb sich [89] fürchtet, wie z. B. wenn er im Dunkeln irgend einen Gegenstand nur undeutlich sieht.

Ein Veterinärarzt hat mir versichert, daß er oft gesehen habe, wie sich bei Pferden und Rindern, an welchen er früher eine Operation vollzogen hatte und welche er von Neuem operiren wollte, das Haar sträubte. Als ich einem Peccari eine ausgestopfte Schlange zeigte, richtete sich das Haar dem Rücken entlang in einer wunderbaren Art in die Höhe: dasselbe geschieht auch beim Eber, wenn er in Wuth geräth. Man hat beschrieben, wie ein Elk, welcher in den Vereinigten Staaten

Fig. 13. Schwan, welcher einen Eindringling fortjagt. Nach der Natur gez. von Mr. Wood.

einen Mann todt stach, zuerst sein Geweihe schwang, vor Wuth schrie und den Boden stampfte; „endlich sah man, wie sich sein Haar sträubte und aufrecht stellte“ und dann sprang er vorwärts zum Angriff.[11] Auch bei Ziegen, und wie ich von Mr. Blyth höre, auch bei einigen indischen Antilopen wird das Haar aufgerichtet. Ich habe es beim behaarten Ameisenfresser sich sträuben sehen, ebenso beim Aguti, einem Nagethier. Eine weibliche Fledermaus,[12] welche [90] ihre Jungen in der Gefangenschaft aufzog, „sträubte das Haar auf ihrem Rücken“, wenn irgend Jemand in den Käfig hineinsah, und „biß heftig nach hingehaltenen Fingern“.

Vögel aller der großen Hauptordnungen richten ihre Federn auf, wenn sie zornig oder erschreckt werden. Wohl ein Jeder wird einmal gesehen haben, wie sich zwei junge Hähne, selbst wenn es ganz junge Vögel sind, mit aufgerichteten Halssichelfedern zum Kampfe vorbereiten; es können diese Federn, wenn sie aufgerichtet werden, nicht etwa als Vertheidigungsmittel dienen; denn Kampfhahnzüchter haben durch die Erfahrung gelernt, daß es für die Hähne ein Vortheil ist, diese Federn gestutzt zu haben. Der männliche Kampfläufer (Machetes pugnax) richtet gleichfalls seinen Federkragen in die Höhe, wenn er kämpft. Wenn ein Hund sich einer gemeinen Henne nähert, so breitet sie ihre Flügel aus, erhebt ihren Schwanz, richtet alle ihre Federn auf und stürzt sich so wild als möglich aussehend auf den Eindringling. Der Schwanz wird nicht immer in derselben Stellung gehalten: zuweilen wird er so hoch gehoben, daß die mittlern Federn, wie in der umstehenden Zeichnung, beinahe den Rücken berühren. Schwäne erheben, wenn sie in Zorn gerathen, gleichfalls ihre Flügel und ihren Schwanz und richten ihre Federn auf. Sie öffnen ihren Schnabel und machen beim Rudern kleine schnelle Stöße vorwärts gegen einen Jeden, der sich dem Rande des Wassers zu weit nähert. Von den Tropik-Vögeln[13] sagt man, daß sie, wenn sie auf ihren Nestern gestört werden, nicht fortfliegen, sondern „nur ihre Federn aufrichten und schreien.“ Nähert man sich der Schleiereule, so „schwellt sie augenblicklich ihr Gefieder auf, breitet ihre Flügel und ihren Schwanz aus, zischt und schlägt ihre Kinnladen schnell mit Heftigkeit zusammen“.[14] Dasselbe thun auch andere Eulenarten. Wie mir Mr. Jenner Weir mitgetheilt hat, schütteln auch Habichte unter ähnlichen Umständen ihre Federn auf und breiten ihre Flügel und ihren Schwanz aus. Einige Arten von Papageien richten ihre Federn auf; ich habe dasselbe Manoeuvre beim Casuar gesehen, als er beim Anblick eines Ameisenfressers zornig wurde. Junge Kuckucke im Neste richten ihre Federn auf, öffnen ihre Schnäbel weit und machen sich so schrecklich als möglich.

[91] Wie ich von Mr. Weir höre, richten auch kleine Vögel, wie verschiedene Finken, Meisen und Grasmücken, wenn sie zornig sind, alle ihre Federn auf oder nur diejenigen um den Hals; oder sie breiten ihre Flügeln oder Schwanzfedern aus. Mit dem Gefieder in diesem Zustande und mit drohenden Geberden fahren sie, den Mund weit geöffnet, auf einander los. Aus seiner reichen Erfahrung zieht Mr. Weir den Schluß, daß das Aufrichten der Federn viel mehr durch den Zorn als durch Furcht verursacht wird. Als Beispiel führt er einen Bastard-Goldfinken von sehr zorniger Disposition an, welcher, wenn sich ihm der Diener zu sehr näherte, im Augenblicke die Erscheinung einer Kugel von Federn annahm. Er glaubt, daß, wenn Vögel erschreckt werden, sie der allgemeinen Regel nach ihre sämmtlichen Federn dicht andrücken; die hierdurch eintretende Verminderung ihrer Größe ist häufig staunenerregend. Sobald sie sich von der Furcht oder der Überraschung erholen, ist das erste, was sie vornehmen, ihre Federn aufzuschütteln. Die besten Beispiele von diesem Andrücken der Federn, welche Mr. Weir beobachtet hat, bieten die Wachtel und der Wellenpapagey dar.[15] Eine solche Handlungsweise ist bei diesen Vögeln daraus verständlich, daß sie gewöhnt sind, in Gefahr sich entweder platt auf den Boden zu ducken oder bewegungslos auf einem Zweige zu sitzen, um der Entdeckung zu entgehen. Obgleich bei Vögeln Zorn die hauptsächlichste und häufigste Ursache des Aufrichtens der Federn sein mag, so ist es doch wahrscheinlich, daß junge Kuckucke, wenn sie im Neste angesehen werden, und eine Henne mit ihren Küchlein, der sich ein Hund nähert, wenigstens einen geringen Schrecken fühlen. Mr. Tegetmeier theilt mir mit, daß bei Kampfhähnen das Aufrichten der Federn auf dem Kopfe schon seit langer Zeit auf den Kampfplätzen als ein Zeichen der Feigheit erkannt worden ist.

Die Männchen einiger Eidechsen breiten, wenn sie während der Brunstzeit mit einander kämpfen, ihre Kehlsäcke oder Krausen aus und richten ihre Rückenkämme in die Höhe.[16] Dr. Günther glaubt aber nicht, daß sie die einzelnen Dornen oder Schuppen aufrichten können.

[92] Wir sehen hieraus, wie allgemein in den ganzen zwei höheren Wirbelthierclassen und bei einigen Reptilien die Hautanhänge unter dem Einflusse des Zorns oder der Furcht emporgerichtet werden. Wie wir aus Kölliker's interessanter Entdeckung[17] wissen, wird diese Bewegung durch die Zusammenziehung kleiner, nicht gestreifter, unwillkürlicher Muskeln, häufig Arrectores pili genannt, bewirkt, welche an die Wurzelscheiden der einzelnen Haare, Federn u. s. w. geheftet sind. Durch die Zusammenziehung dieser Muskeln können die Haare augenblicklich aufgerichtet werden, wie wir beim Hunde sehen, wobei das Haar gleichzeitig ein wenig aus seinem Balge herausgezogen wird; später wird es dann schnell wieder niedergedrückt. Die unendlich große Zahl dieser sehr kleinen Muskeln über den ganzen Körper eines behaarten Säugethiers ist staunenerregend.[WS 2] Das Aufrichten des Haares wird indessen in manchen Fällen, wie bei dem am Kopfe des Menschen, durch die quergestreiften und willkürlichen Fasern des darunter liegenden Panniculus carnosus unterstützt. Es geschieht durch die Thätigkeit dieser letztern Muskeln, daß der Igel seine Stacheln aufrichtet. Aus den Untersuchungen Leydig's[18] und Anderer geht auch hervor, daß sich quergestreifte Muskelfasern von dem Panniculus zu einigen der größeren Haare erstrecken, wie z. B. zu den Schnurrborsten gewisser Säugethiere. Die Arrectores pili ziehen sich nicht bloß während der oben erwähnten Gemüthserregungen zusammen, sondern auch bei der Einwirkung von Kälte auf die Hautoberfläche. Ich erinnere mich, daß meine, aus einem niedrigeren und wärmeren Lande gebrachten Maulthiere und Hunde, nachdem sie eine Nacht auf der rauhen Cordillera zugebracht hatten, das Haar über den ganzen Körper emporgesträubt hatten, wie im allergrößten Schrecken. Wir sehen dieselbe Erscheinung bei uns in der „Gänsehaut“ während des Frostes vor einem Fieberanfall. Mr. Lister[19] hat auch gefunden, daß das Kitzeln einer benachbarten Hautstelle das Aufrichten und Vortreten der Haare verursacht.

Aus diesen Thatsachen geht offenbar hervor, daß das Aufrichten [93] der Hautanhänge eine vom Willen unabhängige Reflexbewegung ist; tritt diese Bewegung unter dem Einflusse des Zorns oder der Furcht ein, so darf sie nicht als eine zum Zwecke der Erlangung irgend eines Vortheils erworbene Fähigkeit, sondern muß als ein wenigstens zu einem großen Theil mit einer Affection des Sensorium zusammenfallendes Resultat angesehen werden. Das Resultat kann, so weit es zufällig ist, mit dem profusen Schwitzen im äußersten Schmerz oder Schrecken verglichen werden. Nichtsdestoweniger ist es merkwürdig, eine wie unbedeutende Reizung häufig hinreicht, das Aufrichten des Haares zu verursachen, so wenn zwei Hunde im Spielen mit einander zu kämpfen vorgeben. Wir haben auch bei einer großen Zahl von Thieren, die zu sehr verschiedenen Ordnungen gehören, gesehen, daß das Aufrichten der Haare oder Federn beinahe immer von verschiedenen willkürlichen Bewegungen begleitet wird, — von drohenden Geberden, Öffnen des Mundes, Zeigen der Zähne, bei Vögeln von Ausbreiten der Flügel und des Schwanzes und Ausstoßen rauher Laute; die Absicht bei diesen willkürlichen Bewegungen ist unverkennbar. Es scheint daher kaum glaublich, daß das coordinirte Aufrichten der Hautanhänge, durch welche das Thier seinen Feinden oder Nebenbuhlern größer und schrecklicher aussehend gemacht wird, durchaus ein zufälliges und zweckloses Resultat der Reizung des Sensoriums sein sollte. Es scheint dies beinahe ebenso unglaublich, als daß das Aufrichten der Stacheln beim Igel oder der Stacheln beim Stachelschweine oder der Schmuckfedern bei vielen Vögeln während ihrer Brautwerbung Alles nur zwecklose Handlungen sein sollten.

Wir stoßen hier auf eine bedeutende Schwierigkeit. Wie kann die Zusammenziehung der nicht gestreiften und unwillkürlichen Arrectores pili mit der der verschiedenen willkürlichen Muskeln für denselben speciellen Zweck coordinirt worden sein? Wenn wir annehmen dürften, daß die Arrectoren ursprünglich willkürliche Muskeln gewesen wären, und seitdem ihre Querstreifen verloren hätten und unwillkürlich geworden wären, so würde der Fall verhältnismäßig einfach sein. Mir ist indessen nicht bekannt, daß irgend welche Belege zu Gunsten dieser Ansicht sprächen, obschon der umgekehrte Übergang keine große Schwierigkeit dargeboten haben würde, da die willkürlichen Muskeln in den Embryonen der höheren Thiere und in den Larven mancher Crustaceen in einem ungestreiften Zustande sich befinden. Überdies findet sich in den tieferen Hautschichten erwachsener Vögel [94] das Muskelnetz nach Leydig[20] in einem Übergangszustande, da die Fasern nur Andeutungen einer Querstreifung darbieten.

Es scheint eine andere Erklärung möglich zu sein. Wir können annehmen, daß ursprünglich die Arrectores pili unbedeutend in einer directen Art und Weise unter der Einwirkung der Wuth und des Schreckens durch eine Reizung des Nervensystems beeinflußt worden sind, wie es unzweifelhaft bei unserer sogenannten „Gänsehaut“ vor einem Fieberanfall der Fall ist. Thiere sind wiederholt durch viele Generationen hindurch von Wuth und Schrecken erregt worden; in Folge hiervon werden die directen Wirkungen des gereizten Nervensystems auf die Hautanhänge beinahe sicher durch Gewohnheit und die Tendenz der Nervenkraft, leicht gewohnten Canälen entlang auszuströmen, verstärkt worden sein. Wir werden diese Ansicht von der Kraft der Gewohnheit in einem spätern Capitel auffallend bestätigt sehen, wo gezeigt werden wird, daß das Haar der Wahnsinnigen in Folge der wiederholten Anfälle von Wuth und Schrecken in einer außerordentlichen Art und Weise afficirt wird. Sobald nun bei Thieren die Fähigkeit des Aufrichtens hierdurch gekräftigt oder gesteigert worden war, so werden sie die Haare oder Federn bei rivalisirenden oder in Wuth gerathenen Männchen sicher häufig aufgerichtet und den Umfang ihrer Körper vergrößert gesehen haben. In diesem Falle scheint es möglich zu sein, daß bei ihnen der Wunsch entstanden ist, sich ihren Feinden gegenüber größer und furchtbarer aussehen zu machen dadurch, daß sie willkürlich eine drohende Stellung annahmen und rauhes Geschrei ausstießen; daß ferner derartige Stellungen und Laute nach einer Zeit durch Gewohnheit instinctiv wurden. Auf diese Weise dürften Handlungen, welche durch die Zusammenziehung willkürlicher Muskeln ausgeführt wurden, zu demselben speciellen Zwecke mit solchen, welche unwillkürliche Muskeln ausführten, combinirt worden sein. Es ist sogar möglich, daß Thiere, wenn sie erregt und sich undeutlich irgend einer Veränderung im Zustande ihres Haarkleides bewußt sind, durch wiederholte Anstrengungen ihrer Aufmerksamkeit und ihres Willens auf dasselbe einwirken können; denn wir haben zu glauben Ursache, daß der Wille im Stande ist, in einer nicht klaren Art und Weise die Thätigkeit einiger nicht gestreiften oder unwillkürlichen Muskeln zu beeinflussen, wie z. B. in Bezug [95] auf die Periode der peristaltischen Bewegungen des Darms und die Contraction der Blase. Auch dürfen wir die Rolle nicht übersehen, welche Abänderung und natürliche Zuchtwahl gespielt haben können; denn diejenigen Männchen, welchen es gelang, sich ihren Nebenbuhlern oder ihren andern Feinden gegenüber am furchtbarsten aussehend zu machen, wenn diese nicht von ganz überwältigender Kraft gewesen sind, werden im Mittel mehr Nachkommen hinterlassen haben, ihre characteristischen Eigenschaften zu erben, was dieselben auch sein und wie sie zuerst erlangt sein mögen, als andere Männchen.

Das Aufblähen des Körpers und andere Mittel, beim Feinde Furcht zu erregen. — Gewisse Amphibien und Reptilien, welche entweder keine Stacheln zum Aufrichten oder keine Muskeln, durch welche jene aufgerichtet werden könnten, besitzen, vergrößern sich, wenn sie beunruhigt oder zornig werden, dadurch, daß sie Luft einathmen. Daß dies bei Fröschen und Kröten der Fall ist, ist allgemein bekannt. In der Aesopischen Fabel vom Ochsen und dem Frosche läßt der Dichter das letztere Thier vor Eitelkeit und Neid sich soweit aufblasen, bis es platzt. Diese Handlungsweise muß während der allerältesten Zeiten beobachtet worden sein, da, zufolge der Angabe des Mr. Hensleigh Wedgwood[21] das Wort Kröte in vielen europäischen Sprachen die Gewohnheit des Anschwellens ausdrückt. Es ist dies Schwellen bei einigen exotischen Arten in den zoologischen Gärten beobachtet worden, und Dr. Günther glaubt, daß es der ganzen Gruppe allgemein zukommt. Nach Analogie zu schließen, war der ursprüngliche Zweck wahrscheinlich der, einem Feinde gegenüber den Körper so groß und fürchterlich als möglich erscheinen zu machen; es wird aber noch ein anderer und vielleicht bedeutungsvollerer secundärer Vortheil dadurch erreicht. Wenn Frösche von Schlangen ergriffen werden, welches ihre hauptsächlichsten Feinde sind, so vergrößern sie sich wunderbar, so daß, wenn die Schlange von geringer Größe ist, sie, wie mir Dr. Günther mittheilt, den Frosch nicht verschlucken kann, er entgeht daher dadurch dem Verschlungenwerden.

Chamäleons und einige andere Eidechsen blähen sich auf, wenn sie zornig werden. So ist eine Oregon bewohnende Species, die Tapaya [96] Douglasii, langsam in ihren Bewegungen und beißt nicht, hat aber ein schreckliches Ansehen; „wenn sie gereizt wird, springt sie in einer äußerst drohenden Art auf Alles zu, was man ihr vorhält, öffnet gleichzeitig den Mund weit und zischt hörbar, worauf sie ihren Körper aufbläht und andere Zeichen des Zorns blicken läßt“.[22]

Mehrere Arten von Schlangen blähen sich gleichfalls auf, wenn sie gereizt werden. In dieser Hinsicht ist die Puff-Otter (Clotho arietans) merkwürdig; nachdem ich aber dieses Thier sorgfältig beobachtet habe, glaube ich doch, daß es dies nicht thut zum Zwecke der scheinbaren Vergrößerung seines Körperumfangs, sondern einfach um eine große Menge Luft einzuathmen, so daß es seinen überraschend lauten, harschen und lang ausgezogenen zischenden Laut hervorbringen kann. Die Cobra-de-capellos (Brillenschlangen) schwellen sich, wenn sie gereizt werden, ein wenig auf und zischen mäßig; zu derselben Zeit aber heben sie ihren Kopf in die Höhe und breiten mittelst ihrer verlängerten vorderen Rippen die Haut zu beiden Seiten des Halses zu einer großen platten Scheibe, dem sogenannten Schilde, aus. Mit weit geöffnetem Munde nehmen sie dann ein schreckenerregendes Aussehen an. Der hierdurch erreichte Vortheil muß beträchtlich sein, um den damit verbundenen Verlust an Schnelligkeit (obschon diese noch immer bedeutend ist) zu compensiren, da sie im ausgebreiteten Zustande doch nicht ebenso gut auf ihre Feinde oder ihre Beute losstürzen können, nach demselben Princip nämlich, nach welchem ein breites dünnes Stück Holz nicht so schnell durch die Luft bewegt werden kann als ein dünner runder Stock. Eine nicht giftige Schlange, Tropidonotus macrophthalmus, eine Bewohnerin Ost-Indiens, breitet, wenn sie gereizt wird, gleichfalls die Halshaut aus und wird daher häufig irrthümlich für ihre Landesgenossin, die Cobra, gehalten.[23] Diese Ähnlichkeit dient vielleicht dem Tropidonotus als ein gewisser Schutz. Eine andere nicht giftige Schlange, die Dasypeltis von Süd-Africa, bläht sich auf, breitet ihren Hals aus und zischt und schießt auf jeden Eindringling in ihr Bereich.[24] Viele andere Schlangen zischen unter ähnlichen Umständen. Sie schwingen auch ihre [97] vorgestreckten Zungen mit Schnelligkeit; und dies dürfte dazu dienen, das Schreckenerregende ihres Ansehens noch zu vermehren.

Schlangen besitzen noch andere Mittel zum Hervorbringen von Lauten außer dem Zischen. Vor vielen Jahren beobachtete ich in Süd-America, daß eine giftige Schlange, ein Trigonocephalus, wenn sie gestört wurde, mit Schnelligkeit das Ende ihres Schwanzes in vibrirende Bewegung versetzte, so daß es gegen das trockene Gras und Reißig stoßend ein rasselndes Geräusch hervorbrachte, welches noch in einer Entfernung von sechs Fuß deutlich gehört werden konnte.[25] Die giftige und wilde Echis carinata von Indien bringt „einen merkwürdigen, lang ausgezogenen, beinahe zischenden Laut“ auf eine ganz andere Weise hervor, nämlich dadurch, daß sie „die Ränder ihr seitlichen Körperschuppen gegen einander reibt“, während der Kopf beinahe in ein und derselben Stellung verbleibt. Die Schuppen an den Seiten, aber an keiner anderen Stelle des Körpers, sind stark gekielt und die Kiele wie eine Säge gezähnt; wenn nun das aufgerollt daliegende Thier seine Seiten gegen einander reibt, so kratzen sie aufeinander.[26] Endlich haben wir noch den bekannten Fall der Klapperschlange. Wer nur die Klapper einer todten Schlange geschüttelt hat, kann sich keine rechte Idee von dem Laute machen, den das lebende Thier hervorbringt. Professor Shaler gibt an, daß dieser Laut von dem nicht zu unterscheiden ist, den das Männchen einer großen Cicade (ein homopteres Insect), welche denselben Bezirk bewohnt, hervorbringt.[27] Als im zoologischen Garten die Klapperschlangen [98] und Puff-Ottern zu gleicher Zeit heftig erregt wurden, war ich von der Ähnlichkeit der von ihnen hervorgebrachten Laute sehr frappirt; und obgleich das von der Klapperschlange gemachte Geräusch lauter und schriller als das Zischen der Puff-Otter ist, so konnte ich doch, wenn ich in der Entfernung von einigen Yards von ihnen stand, kaum beide von einander unterscheiden. Zu welchem Zwecke auch der Laut von der einen Species hervorgebracht wird, ich kann doch kaum bezweifeln, daß er bei der andern Species demselben Zwecke dient; und aus den von vielen Schlangen gleichzeitig gemachten drohenden Geberden schließe ich, daß ihr Zischen, das Klappern der Klapperschlange, das Schütteln des Schwanzes beim Trigonocephalus, das Kratzen der Schuppen bei Echis und die Ausbreitung des Halsschildes bei der Cobra, alles demselben Ende dient, dem nämlich, sie ihren Feinden schrecklich erscheinen zu lassen.[28]

Auf den ersten Blick scheint die Schlußfolgerung wahrscheinlich, daß Giftschlangen, wie die im Vorstehenden erwähnten, weil sie bereits durch ihre Giftzähne so gute Vertheidigungsmittel haben, niemals von irgend einem Feinde angegriffen werden und daß sie demzufolge nicht nöthig haben, noch mehr Schrecken zu erregen. Dies ist aber durchaus nicht der Fall; denn in allen Theilen der Erde wird ihnen von vielen Thieren bedeutend nachgestellt. Es ist eine bekannte Thatsache, daß in den Vereinigten Staaten Schweine dazu benutzt werden, von Klapperschlangen heimgesuchte Bezirke zu säubern, was sie auch in äußerst wirksamer Weise thun.[29] In England greift der Igel die Kreuzotter an und verzehrt sie. Wie ich von Dr. Jerdon höre, tödten in Indien mehrere Arten von Habichten und wenigstens eine Säugethierart, [99] der Herpestes, Brillenschlangen und andere Giftschlangen;[30] Ähnliches gilt auch für Süd-Africa. Es ist daher durchaus nicht unwahrscheinlich, daß irgend ein Zeichen oder ein Laut, durch welchen sich die giftigen Arten im Augenblicke als gefährlich zu erkennen geben können, ihnen von größerem Nutzen ist, als den nicht giftigen Arten, welche, im Falle daß sie angegriffen werden, nicht im Stande sein würden, irgend welchen wirklichen Schaden zu thun.

Da ich einmal so viel über Schlangen gesagt habe, werde ich versucht, noch einige wenige Bemerkungen über die Art und Weise hinzuzufügen, auf welche die Klapper der Klapperschlange wahrscheinlich entwickelt worden ist. Verschiedene Thiere, mit Einschluß einiger Eidechsen, kräuseln entweder oder schwingen ihren Schwanz, wenn sie gereizt werden. Dies ist bei vielen Arten von Schlangen der Fall.[31] Im zoologischen Garten schwingt eine nicht giftige Art, die Coronella Sayi, ihren Schwanz so rapid hin und her, daß man ihn kaum mehr sehen kann. Der vorhin erwähnte Trigonocephalus hat dieselbe Gewohnheit; dabei ist das Ende seines Schwanzes ein wenig verdickt oder endet in einem Knopfe. Bei der Lachesis, welche mit der Klapperschlange so nahe verwandt ist, daß Linné sie beide in eine und dieselbe Gattung brachte, endet der Schwanz in einer einfachen, großen, lanzettförmigen Spitze oder Schuppe. Bei einigen Schlangen ist, wie Professor Shaler bemerkt, die Haut „in der Schwanzgegend unvollständiger von den darunterliegenden Theilen geschieden als an andern Theilen des Körpers“. Wenn wir nun annehmen, daß das Schwanzende irgend einer alten americanischen Species vergrößert und von einer einzigen großen Schuppe bedeckt war, so hätte diese kaum bei den aufeinanderfolgenden Häutungen abgestoßen werden [100] können. In diesem Falle wird sie beständig beibehalten worden sein und in jeder Wachsthumsperiode wird sich, wenn die Schlange größer wurde, eine neue Schuppe, größer als die letzte, über dieser gebildet haben, welche dann ebenfalls erhalten worden sein wird. Es wird damit der Grund zur Entwickelung einer Klapper gelegt worden sein; wenn die Schlange, wie so viele andere Arten, ihren Schwanz in schwingende Bewegungen versetzte, so oft sie gereizt wurde, so wird die Klapper gewohnheitsgemäß benutzt worden sein. Daß die Klapper seit jener Zeit speciell dazu entwickelt worden ist, als ein wirksames schallerzeugendes Instrument zu dienen, darüber kann kaum ein Zweifel bestehen; denn selbst die in der Schwanzspitze eingeschlossenen Wirbel sind in ihrer Form geändert worden und hängen zusammen. Darin aber, daß verschiedene Gebilde, wie die Klapper der Klapperschlange, die Seitenschuppen der Echis, der Hals mit den darin befindlichen Rippen bei der Cobra und der ganze Körper der Puff-Otter zum Zwecke, die Feinde dieser Thiere zu warnen und fortzuschrecken, modificirt worden sind, liegt keine größere Unwahrscheinlichkeit als darin, daß der ganze Körperbau eines Vogels, nämlich des wunderbaren Secretairs (Gypogeranus), zu dem Zwecke modificirt worden ist, Schlangen ungestraft tödten zu können. Nach dem, was wir vorhin gesehen haben, zu urtheilen, ist es in hohem Grade wahrscheinlich, daß dieser Vogel seine Federn aufrichten wird, sobald er eine Schlange angreift; und sicher ist es, daß der Herpestes, wenn er eifrig auf eine Schlange losstürzt, das Haar auf dem ganzen Körper und besonders am Schwanze aufrichtet.[32] Wir haben auch gesehen, daß manche Stachelschweine, wenn sie beim Anblicke einer Schlange zornig oder beunruhigt werden, ihren Schwanz in schnelle vibrirende Bewegung setzen und dabei durch das Zusammenschlagen der hohlen Stachelkiele einen eigenthümlichen Laut hervorbringen. Es versuchen also hier beide, sowohl der Angreifer als der Angegriffene, sich gegenseitig so schrecklich als möglich zu machen, und beide besitzen speciell zu diesem Zwecke entwickelte Mittel, welche merkwürdig genug in einigen dieser Fälle nahezu dieselben sind. Endlich können wir einsehen, daß wenn einerseits diejenigen individuellen Schlangen, welche am besten im Stande waren, ihre Feinde fortzutreiben, am sichersten dem Verschlungen werden entgiengen, und [101] wenn andererseits diejenigen Individuen der angreifenden Feinde in größerer Zahl leben blieben, welche am besten für das gefährliche Unternehmen, Giftschlangen zu tödten und zu verschlingen, ausgerüstet waren, — daß dann in dem einen Falle wie in dem andern unter der Annahme, daß die in Frage stehenden Charactere variirten, wohlthätige Abänderungen durch das Überleben des Passendsten erhalten worden sind.

Das Zurückziehen der Ohren und Andrücken derselben an den Kopf. — Die Ohren sind durch ihre Bewegungen bei vielen Thieren äußerst ausdrucksvoll; bei einigen aber, wie beim Menschen, den höheren Affen und vielen Wiederkäuern versagen sie in dieser Beziehung ihren Dienst. Ein unbedeutender Unterschied in der Haltung dient dazu, wie wir es täglich beim Hunde sehen können, in der deutlichsten Weise einen verschiedenen Seelenzustand auszudrücken; wir haben es aber hier nur damit zu thun, daß die Ohren scharf nach hinten gezogen und dicht an den Kopf angedrückt werden. Es wird damit ein böser Gemüthszustand gezeigt, doch nur bei den Thieren, welche mit ihren Zähnen kämpfen; eine Erklärung dieser Haltung bietet die Sorgfalt, mit welcher sie es zu verhüten suchen, daß sie von ihren Gegnern bei den Ohren ergriffen werden. In Folge hiervon werden bei ihnen durch Gewohnheit und Association, so oft sie sich im geringen Grade böse fühlen oder im Spiel wild zu sein vorgeben, ihre Ohren zurückgezogen. Daß dies die richtige Erklärung ist, kann man aus der Beziehung folgern, welche bei sehr vielen Thieren zwischen ihrer Art und Weise zu kämpfen und dem Zurückziehen ihrer Ohren besteht.

Alle carnivoren Raubthiere kämpfen mit ihren Eckzähnen und alle ziehen, so viel ich beobachtet habe, ihre Ohren zurück, wenn sie böse oder wild werden. Man kann dies beständig bei Hunden sehen, wenn sie im Ernste mit einander kämpfen und bei jungen Hunden, wenn sie sich im Spiele beißen. Die Bewegung ist verschieden von der, wenn die Ohren herabsinken und leicht nach hinten gezogen werden, was ein Hund thut, wenn er vergnügt ist und von seinem Herrn geliebkost wird. Das Zurückziehen der Ohren ist gleichfalls bei jungen Kätzchen zu sehen, wenn sie in ihren Spielen mit einander kämpfen, ebenso bei erwachsenen Katzen, wenn sie wirklich wild werden, wie früher in Fig. 9 dargestellt worden ist (p. 52). Obgleich [102] hierdurch die Ohren in hohem Grade geschützt sind, so werden sie doch häufig bei alten männlichen Katzen während ihrer Kämpfe unter einander zerrissen. Dieselbe Bewegung ist bei Tigern, Leoparden u. s. w. sehr auffallend, wenn sie in Menagerien über ihrem Futter knurren. Der Luchs hat merkwürdig lange Ohren; das Zurückziehen derselben, wenn man sich einem dieser Thiere in seinem Käfig nähert, ist sehr auffallend und für die wilde Stimmung des Thieres in eminentem Grade ausdrucksvoll. Selbst eine der Ohren-Robben, die Otaria pusilla, welche sehr kleine Ohren hat, zieht sie zurück, wenn sie wild auf die Füße ihres Wärters losstürzt.

Wenn Pferde mit einander kämpfen, so brauchen sie ihre Schneidezähne zum Beißen und ihre Vorderbeine zum Schlagen viel mehr als sie ihre Hinterbeine zum Ausschlagen nach hinten brauchen. Es ist dies beobachtet worden, wenn sich Hengste losgemacht und mit einander gekämpft haben; es läßt sich auch aus der Art der Verwundungen schließen, welche sie sich einander beibringen. Ein Jeder erkennt das bösartige Aussehen, was das Zurückziehen der Ohren einem Pferde gibt. Diese Bewegung ist von der sehr verschieden, welche ein Pferd macht, wenn es auf etwas hinter sich hört. Wenn ein bösgelauntes Pferd in einem Stalle geneigt ist, hinten auszuschlagen, so werden die Ohren aus Gewohnheit zurückgezogen, obschon es weder die Absicht noch die Möglichkeit zu beißen hat. Wenn aber ein Pferd im Spiel, wenn es z. B. auf ein offenes Feld kommt, oder wenn es nur leise von der Peitsche berührt wird, seine beiden Hinterbeine aufhebt, so zieht es nicht immer die Ohren zurück; denn seine Stimmung ist dann nicht böse. Guanacos kämpfen wüthend mit ihren Zähnen; sie müssen dies sehr häufig thun, denn ich fand die Häute mehrerer solcher Thiere, die ich in Patagonien schoß, tief mit Narben bedeckt. Dasselbe thun auch Kameele, und beide Thiere ziehen, wenn sie böse werden, ihre Ohren dicht nach hinten. Ich habe auch bemerkt, daß, wenn Guanacos nicht die Absicht zu beißen haben, sondern nur ihren widrigen Speichel aus der Ferne auf einen Eindringling ausspucken, sie ihre Ohren zurückziehen. Selbst wenn der Hippopotamus mit seinem weit geöffneten enormen Munde einem Kameraden droht, zieht er, gerade wie ein Pferd, seine kleinen Ohren zurück.

Welchen Contrast bieten nun die eben erwähnten Thiere gegenüber den Rindern, Schafen und Ziegen dar, welche niemals ihre Zähne beim Kampfe benutzen und auch niemals ihre Ohren zurückziehen, wenn [103] sie in Wuth gerathen! Obgleich Schafe und Ziegen so friedfertige Thiere zu sein scheinen, so begegnen sich doch häufig die Männchen in wüthenden Kämpfen. Da die Hirschartigen eine nahe verwandte Familie bilden und ich nicht wußte, daß sie jemals mit ihren Zähnen kämpften, war ich über die Schilderung sehr erstaunt, welche Major Ross King von dem Orignal in Canada gegeben hat. Er sagt: wenn sich „zwei Männchen zufällig begegnen, so fahren sie, die Ohren zurückgeschlagen und mit den Zähnen aufeinander knirschend, mit fürchterlicher Wuth auf einander los“.[33] Mr. Bartlett theilt mir aber mit, daß einige Hirscharten bösartig mit ihren Zähnen mit einander kämpfen, so daß das Zurückziehen der Ohren beim Orignal mit unserer Regel übereinstimmt. Mehrere im zoologischen Garten gehaltene Arten von Känguruhs kämpfen in der Weise, daß sie mit ihren Vorderbeinen kratzen, mit den Hinterbeinen schlagen; sie beißen aber einander niemals und die Wärter haben auch niemals gesehen, daß sie ihre Ohren zurückziehen, wenn sie in Wuth gerathen. Kaninchen kämpfen hauptsächlich durch Schlagen und Kratzen; doch beißen sie auch einander; ich habe einmal gehört, daß eines den halben Schwanz seines Gegners abgebissen hat. Im Beginn ihrer Kämpfe schlagen sie die Ohren zurück; später aber, wenn sie über einander wegspringen und einander stoßen, halten sie die Ohren aufrecht oder bewegen sie viel herum.

Mr. Bartlett beobachtete einen wilden Eber, der sich mit seiner Sau zankte; beide hatten das Maul geöffnet und ihre Ohren zurückgezogen. Allem Anscheine nach ist dies aber beim domesticirten Schweine, wenn es sich herumzankt, nicht das gewöhnliche Benehmen. Eber kämpfen in der Weise mit einander, daß sie mit ihren Hauern von unten nach oben schlagen; Mr. Bartlett bezweifelt es, ob sie dann ihre Ohren zurückziehen. Elephanten, welche in gleicher Weise mit ihren Stoßzähnen kämpfen, ziehen ihre Ohren nicht zurück, richten sie im Gegentheile auf, wenn sie aufeinander oder auf einen Feind losfahren.

Die Rhinocerosse im zoologischen Garten kämpfen mit ihren Nasenhörnern, und man hat niemals gesehen, daß sie versuchen, einander zu beißen, ausgenommen beim Spielen; auch sind die Wärter überzeugt, daß sie, wenn sie böse werden, ihre Ohren nicht wie Pferde [104] und Hunde zurückziehen. Es ist daher die folgende von Sir S. Baker[34] gemachte Angabe unerklärlich, daß nämlich ein Rhinoceros, welches er in Nord-Africa schoß, „keine Ohren hatte; es waren ihm dieselben von einem andern Thiere derselben Art während eines Kampfes dicht am Kopfe abgebissen worden; auch ist diese Verstümmelung durchaus nicht ungewöhnlich“.

Endlich noch ein paar Worte über die Affen. Einige Arten, welche bewegliche Ohren haben und mit ihren Zähnen kämpfen, — wie z. B. der Cercopithecus ruber — ziehen ihre Ohren, wenn sie gereizt werden, gerade so wie Hunde zurück; und dann haben sie ein sehr tückisches Ansehen. Andere Arten, wie der Inuus ecaudatus, handeln dem Anscheine nach nicht so. Ferner ziehen andere Arten, — und dies ist im Vergleich mit den meisten anderen Thieren eine große Anomalie, — ihre Ohren zurück, zeigen ihre Zähne und klappern damit, wenn sie sich über Liebkosungen recht vergnügt gestimmt fühlen. Ich habe dies bei zwei oder drei Species von Macacus und bei dem Cynopithecus niger beobachtet. In Folge unserer intimen Bekanntschaft mit Hunden würde diese Ausdrucksform von Leuten, welche mit der Art der Affen unbekannt sind, niemals für eine solche erkannt werden, welche Freude oder Vergnügen bezeichnet.

Aufrichten der Ohren. — Diese Bewegung erfordert kaum noch eine eingehendere Erwähnung. Alle Thiere, welche das Vermögen haben, ihre Ohren frei zu bewegen, richten ihre Ohren, wenn sie erschreckt werden oder wenn sie irgend einen Gegenstand aufmerksam beobachten, nach dem Punkte hin, auf welchen sie ihre Blicke richten, um jeden Laut aus dieser Gegend her wahrzunehmen. Allgemein richten sie zu derselben Zeit ihren Kopf in die Höhe, da alle ihre Sinnesorgane an diesem gelegen sind; einige von den kleineren Thieren richten sich sogar auf ihren Hinterbeinen auf. Selbst diejenigen Arten, welche auf dem Boden kauern oder augenblicklich die Flucht ergreifen, um der Gefahr zu entgehen, handeln für einen Moment in der geschilderten Weise, um die Quelle und die Natur der Gefahr zu ermitteln. Das Aufheben des Kopfes mit aufgerichteten Ohren und vorwärts gerichteten Augen gibt jedem Thiere den nicht miszuverstehenden Ausdruck gespannter Aufmerksamkeit.


  1. s. die Belege hierüber in meinem „Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication“ 2. Aufl. Bd. I. S. 29. Über das Girren der Tauben ebenda, Bd. I. S. 172.
  2. Essays, Scientific, Political and Speculative, 1858. The Origin and Function of Music, p. 359.
  3. Die Abstammung des Menschen. 3. Aufl. 1875. Bd. 2, p. 310. Die citirten Worte sind von Professor Owen. Es ist neuerdings nachgewiesen worden, daß Säugethiere, welche in der Stufenreihe viel tiefer als Affen stehen, nämlich Nagethiere, fähig sind, correcte musikalische Töne hervorzubringen, s. die Schilderung einer singenden Hesperomys von S. Lockwood in „The American Naturalist.“ Vol. V. December, 1871, p. 761. s. Die Abstammung des Menschen, a. a. O., p. 311.
  4. Mr. Tylor (Primitive Culture, Vol. I. 1871, p. 166) erwähnt bei Erörterung dieses Gegenstandes das Winseln des Hundes.
  5. Naturgeschichte der Säugethiere von Paraguay. 1830. S. 46.
  6. citirt von Gratiolet, De la Physionomie. 1865, p. 115.
  7. Die Lehre von den Tonempfindungen, 1870, S. 221 ff. Helmholtz hat auch in diesem gelehrten Werke die Beziehung der Form der Mundhöhle zu dem Hervorbringen der Vocallaute ausführlich erörtert.
  8. Ich habe einige Details hierüber in meiner „Abstammung des Menschen“, 3. Auflage, 1875, Bd. I. S. 371, 398 angeführt.
  9. Citirt von Huxley in: „Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur.“ Übersetzung. 1863. S. 59.
  10. Illustrirtes Thierleben. (1. Aufl.) Bd. I. S. 130. [2. Aufl. S. 233 von Hapale Rosalia].
  11. The Hon. J. Caton, Ottawa Acad. of Natur. Sciences. May 1868, p. 36, 40. Wegen der Capra aegagrus s. Land and Water, 1867, p. 37.
  12. Land and Water, 20. July 1867, p. 659.
  13. Phaeton rubricauda: Ibis, Vol. III, p. 180.
  14. Über die Strix flammea s. Audubon, Ornithological Biography, Vol. II, 1854, p. 407. Andere Fälle habe ich im Zoologischen Garten beobachtet.
  15. Melopsittacus undulatus s. eine Schilderung seiner Lebensweise bei Gould, Handbook of Birds of Australia. 1865, Vol. II, p. 82.
  16. s. z. B. die Schilderung, welche ich von einer Anolis und dem Draco gegeben habe (Abstammung des Menschen, 3. Aufl., Bd. II. S. 29, 30, 31).
  17. Diese Muskeln sind in seinen bekannten Büchern beschrieben. Ich bin dem ausgezeichneten Beobachter sehr dafür verbunden, daß er mir in einem Briefe Aufklärung über diesen Gegenstand gegeben hat.
  18. Lehrbuch der Histologie des Menschen u. s. w. 1857. S. 82. Ich verdanke der Freundlichkeit des Prof. Turner Auszüge aus diesem Werk.
  19. Quarterly Journal of Microscopical Science. 1853, Vol. I, p. 262.
  20. Lehrbuch der Histologie u. s. w. 1857, S. 82.
  21. Dictionary of English Etymology, p. 403.
  22. s. die Schilderung der Lebensweise dieses Thieres von Dr. Cooper, citirt in ,Nature', 27. Apr. 1871, p. 512.
  23. Dr. Günther, Reptiles of British India, p. 262.
  24. Mr. J. Mansel Weale ‚Nature', 27. Apr. 1871. p. 508.
  25. Reise eines Naturforschers (Übers.), 1875, p. 110. Ich verglich hier das auf die oben erwähnte Weise erzeugte Rasseln mit dem Klappern der Klapperschlange.
  26. s. die Schilderung des Dr. Anderson in: Proceed. Zoolog. Soc. 1871, p. 196.
  27. The American Naturalist. Jan. 1872, p. 32. Ich bedaure, Hrn. Prof. Shaler in der Annahme nicht folgen zu können, daß die Klapper durch natürliche Zuchtwahl zu dem Zwecke entwickelt worden sei, Laute hervorzubringen, welche Vögel täuschen und anlocken, so daß sie der Schlange zur Beute dienen können. Ich will indessen nicht bezweifeln, daß der Laut gelegentlich diesem Zwecke dient. Die Schlußfolgerung, zu welcher ich gelangt bin, daß nämlich das Klappern den Thieren als Warnung dient, welche die Schlange zu verschlingen drohn, scheint mir viel wahrscheinlicher zu sein, da sie verschiedene Classen von Thatsachen mit einander verbindet. Hätte diese Schlange die Klapper und die Gewohnheit zu klappern zu dem Zwecke erlangt, Beute anzulocken, so scheint es nicht wahrscheinlich zu sein, daß das Thier auch ausnahmslos dasselbe Instrument benutzt, wenn es gereizt oder gestört wird. Was die Entwickelungsweise der Klapper betrifft, so hat Prof. Shaler nahezu dieselbe Ansicht wie ich: ich bin immer dieser Meinung gewesen, seitdem ich in Süd-America den Trigonocephalus beobachtet habe.
  28. Nach den in neuerer Zeit von Mrs. Barber über die Schlangen von Süd-Africa gesammelten und im „Journal of the Linnean Society“ mitgetheilten Berichten, wie auch nach den von mehreren Schriftstellern, z.B. von Lawson über die Klapperschlange von Nord-America gegebenen Schilderungen erscheint es nicht unwahrscheinlich, daß das schreckenerregende Aussehen von Schlangen und die von ihnen hervorgebrachten Laute gleichfalls dazu dienen können, ihnen Beute dadurch zu verschaffen, daß sie kleinere Thiere lähmen oder, wie es zuweilen genannt wird, bezaubern.
  29. s. die Schilderung des Dr. R. Brown in: Proceed. Zoolog. Soc. 1871, p. 39. Er sagt, daß ein Schwein, so bald es eine Schlange sieht, auf dieselbe losstürzt; auch flüchtet sich eine Schlange sofort, wenn ein Schwein erscheint.
  30. Dr. Günther gibt Bemerkungen (Reptiles of British India, p. 340) über die Zerstörung der Cobras durch den Ichneumon oder Herpestes und, so lange die Schlangen jung sind, durch das Jungle-Huhn. Es ist bekannt, daß auch der Pfauhahn ungestüm Schlangen tödtet.
  31. Prof. Cope zählt eine Anzahl von Arten in seiner „Method of Creation of Organic Types“, gelesen vor der American Philos. Soc. 15. Decemb. 1871, p. 20, auf. In Bezug auf den Nutzen der von Schlangen gemachten Geberden und Laute hat Prof. Cope dieselbe Ansicht wie ich. Ich erwähnte diesen Gegenstand kurz in der letzten Ausgabe meiner „Entstehung der Arten“. Seitdem die obigen Stellen im Texte gedruckt worden sind, habe ich das Vergnügen gehabt zu finden, daß Mr. Henderson (The American Naturalist, May 1872, p. 260) eine ähnliche Ansicht vom Nutzen der Klapper hat, nämlich daß sie „verhindere, daß ein Angriff auf die Schlange gemacht werde“.
  32. Mr. des Voeux, in Proceed. Zoolog. Soc. 1871, p. 3.
  33. The Sportsman and Naturalist in Canada. 1866, p. 53.
  34. The Nile Tributaries of Abyssinia. 1867, p. 443.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage:urspüngliche
  2. Vorlage: staunenerregerd
Drittes Capitel Nach oben Fünftes Capitel
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.