der Hautanhänge eine vom Willen unabhängige Reflexbewegung ist; tritt diese Bewegung unter dem Einflusse des Zorns oder der Furcht ein, so darf sie nicht als eine zum Zwecke der Erlangung irgend eines Vortheils erworbene Fähigkeit, sondern muß als ein wenigstens zu einem großen Theil mit einer Affection des Sensorium zusammenfallendes Resultat angesehen werden. Das Resultat kann, so weit es zufällig ist, mit dem profusen Schwitzen im äußersten Schmerz oder Schrecken verglichen werden. Nichtsdestoweniger ist es merkwürdig, eine wie unbedeutende Reizung häufig hinreicht, das Aufrichten des Haares zu verursachen, so wenn zwei Hunde im Spielen mit einander zu kämpfen vorgeben. Wir haben auch bei einer großen Zahl von Thieren, die zu sehr verschiedenen Ordnungen gehören, gesehen, daß das Aufrichten der Haare oder Federn beinahe immer von verschiedenen willkürlichen Bewegungen begleitet wird, — von drohenden Geberden, Öffnen des Mundes, Zeigen der Zähne, bei Vögeln von Ausbreiten der Flügel und des Schwanzes und Ausstoßen rauher Laute; die Absicht bei diesen willkürlichen Bewegungen ist unverkennbar. Es scheint daher kaum glaublich, daß das coordinirte Aufrichten der Hautanhänge, durch welche das Thier seinen Feinden oder Nebenbuhlern größer und schrecklicher aussehend gemacht wird, durchaus ein zufälliges und zweckloses Resultat der Reizung des Sensoriums sein sollte. Es scheint dies beinahe ebenso unglaublich, als daß das Aufrichten der Stacheln beim Igel oder der Stacheln beim Stachelschweine oder der Schmuckfedern bei vielen Vögeln während ihrer Brautwerbung Alles nur zwecklose Handlungen sein sollten.
Wir stoßen hier auf eine bedeutende Schwierigkeit. Wie kann die Zusammenziehung der nicht gestreiften und unwillkürlichen Arrectores pili mit der der verschiedenen willkürlichen Muskeln für denselben speciellen Zweck coordinirt worden sein? Wenn wir annehmen dürften, daß die Arrectoren ursprünglich willkürliche Muskeln gewesen wären, und seitdem ihre Querstreifen verloren hätten und unwillkürlich geworden wären, so würde der Fall verhältnismäßig einfach sein. Mir ist indessen nicht bekannt, daß irgend welche Belege zu Gunsten dieser Ansicht sprächen, obschon der umgekehrte Übergang keine große Schwierigkeit dargeboten haben würde, da die willkürlichen Muskeln in den Embryonen der höheren Thiere und in den Larven mancher Crustaceen in einem ungestreiften Zustande sich befinden. Überdies findet sich in den tieferen Hautschichten erwachsener Vögel
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/99&oldid=- (Version vom 31.7.2018)