vorgestreckten Zungen mit Schnelligkeit; und dies dürfte dazu dienen, das Schreckenerregende ihres Ansehens noch zu vermehren.
Schlangen besitzen noch andere Mittel zum Hervorbringen von Lauten außer dem Zischen. Vor vielen Jahren beobachtete ich in Süd-America, daß eine giftige Schlange, ein Trigonocephalus, wenn sie gestört wurde, mit Schnelligkeit das Ende ihres Schwanzes in vibrirende Bewegung versetzte, so daß es gegen das trockene Gras und Reißig stoßend ein rasselndes Geräusch hervorbrachte, welches noch in einer Entfernung von sechs Fuß deutlich gehört werden konnte.[1] Die giftige und wilde Echis carinata von Indien bringt „einen merkwürdigen, lang ausgezogenen, beinahe zischenden Laut“ auf eine ganz andere Weise hervor, nämlich dadurch, daß sie „die Ränder ihr seitlichen Körperschuppen gegen einander reibt“, während der Kopf beinahe in ein und derselben Stellung verbleibt. Die Schuppen an den Seiten, aber an keiner anderen Stelle des Körpers, sind stark gekielt und die Kiele wie eine Säge gezähnt; wenn nun das aufgerollt daliegende Thier seine Seiten gegen einander reibt, so kratzen sie aufeinander.[2] Endlich haben wir noch den bekannten Fall der Klapperschlange. Wer nur die Klapper einer todten Schlange geschüttelt hat, kann sich keine rechte Idee von dem Laute machen, den das lebende Thier hervorbringt. Professor Shaler gibt an, daß dieser Laut von dem nicht zu unterscheiden ist, den das Männchen einer großen Cicade (ein homopteres Insect), welche denselben Bezirk bewohnt, hervorbringt.[3] Als im zoologischen Garten die Klapperschlangen
- ↑ Reise eines Naturforschers (Übers.), 1875, p. 110. Ich verglich hier das auf die oben erwähnte Weise erzeugte Rasseln mit dem Klappern der Klapperschlange.
- ↑ s. die Schilderung des Dr. Anderson in: Proceed. Zoolog. Soc. 1871, p. 196.
- ↑ The American Naturalist. Jan. 1872, p. 32. Ich bedaure, Hrn. Prof. Shaler in der Annahme nicht folgen zu können, daß die Klapper durch natürliche Zuchtwahl zu dem Zwecke entwickelt worden sei, Laute hervorzubringen, welche Vögel täuschen und anlocken, so daß sie der Schlange zur Beute dienen können. Ich will indessen nicht bezweifeln, daß der Laut gelegentlich diesem Zwecke dient. Die Schlußfolgerung, zu welcher ich gelangt bin, daß nämlich das Klappern den Thieren als Warnung dient, welche die Schlange zu verschlingen drohn, scheint mir viel wahrscheinlicher zu sein, da sie verschiedene Classen von Thatsachen mit einander verbindet. Hätte diese Schlange die Klapper und die Gewohnheit zu klappern zu dem Zwecke erlangt, Beute anzulocken, so scheint es nicht wahrscheinlich zu sein, daß das Thier auch ausnahmslos dasselbe Instrument benutzt, wenn es gereizt oder gestört wird. Was die Entwickelungsweise der Klapper betrifft, so hat Prof. Shaler nahezu dieselbe Ansicht wie ich: ich bin immer dieser Meinung gewesen, seitdem ich in Süd-America den Trigonocephalus beobachtet habe.
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/103&oldid=- (Version vom 31.7.2018)