Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren/Drittes Capitel

Zweites Capitel Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren (1877)
von Charles Darwin
Viertes Capitel


[60]
Drittes Capitel.
Allgemeine Principien des Ausdrucks. — (Schluß.)
Das Princip der directen Wirkung des erregten Nervensystems auf den Körper, unabhängig vom Willen und zum Theil von der Gewohnheit. — Veränderung der Farbe des Haars. — Erzittern der Muskeln. — Abgeänderte Secretionen. — Transpiration. — Ausdruck des größten Schmerzes, — der Wuth, großer Freude und äußerster Angst. — Contrast zwischen den Erregungen, welche ausdrucksvolle Bewegungen verursachen und nicht verursachen. — Aufregende und niederdrückende Seelenzustände. — Zusammenfassung.

Wir kommen nun zu unserm dritten Principe, daß nämlich gewisse Handlungen, welche wir als ausdrucksvolle für gewisse Zustände der Seele anerkennen, das directe Resultat der Constitution des Nervensystems sind und von Anfang an vom Willen und in hohem Maße auch von der Gewohnheit unabhängig gewesen sind. Wenn das Sensorium stark erregt wird, so erzeugt sich Nervenkraft im Überschusse und wird in gewissen Richtungen fortgepflanzt, welche von dem Zusammenhange der Nervenzellen und, so weit das Muskelsystem in Betracht kommt, von der Natur der Bewegungen, welche gewohnheitsgemäß ausgeübt worden sind, abhängen. Es kann aber auch allem Anscheine nach der Zufluß der Nervenkraft unterbrochen werden. Natürlich ist jede Bewegung, welche wir ausführen, durch die Constitution des Nervensystems bestimmt; aber Handlungen, welche in Gehorsam gegen den Willen oder in Folge von Gewohnheit oder durch das Princip des Gegensatzes ausgeführt werden, sollen hier soviel als möglich ausgeschloßen werden. Der hier vorliegende Gegenstand ist sehr dunkel; seiner großen Bedeutung wegen muß er aber in ziemlicher Ausführlichkeit erörtert werden; und es ist immer sehr rathsam, uns unsere Unwissenheit klar zu machen.

[61] Der auffallendste, wenn auch seltene und abnorme Fall, welcher für den directen Einfluß des Nervensystems auf den Körper angeführt werden kann, wenn ersteres heftig afficirt wird, ist das Erbleichen des Haars, welches gelegentlich nach äußerst heftigem Schreck oder Kummer beobachtet worden ist. Ein authentischer Fall ist von einem Manne in Indien berichtet worden, welcher zur Hinrichtung geführt wurde und bei welchem die Veränderung der Farbe so schnell eintrat, daß sie für das Auge wahrnehmbar war.[1]

Ein anderes gutes Beispiel bietet das Zittern der Muskeln dar, welches den Menschen und vielen oder geradezu den meisten der niedern Thiere gemeinsam zukommt. Das Zittern ist von keinem Nutzen, oft geradezu störend, und kann ursprünglich nicht durch den Willen erlangt und dann durch Association mit irgend einer Seelenerregung gewohnheitsgemäß geworden sein. Eine ausgezeichnete Autorität hat mir versichert, daß kleine Kinder nicht zittern, sondern unter den Umständen, welche bei Erwachsenen heftiges Zittern herbeiführen würden, in Convulsionen verfallen. Das Zittern wird bei verschiedenen Individuen in sehr verschiedenem Grade und durch die verschiedenartigsten Ursachen hervorgerufen, so durch Einwirkung der Kälte auf die Oberfläche, durch Fieberanfälle, trotzdem die Temperatur des Körpers hier höher als der normale Maßstab ist, bei Blutvergiftungen, im Delirium tremens und andern Krankheiten, durch allgemeinen Kräftemangel im hohen Alter, durch Erschöpfung nach übermäßiger Ermüdung, nach localen Reizen durch heftige Verletzungen, sowie Verbrennungen und in einer ganz besondern Art und Weise durch die Einführung eines Katheters. Von allen Seelenerregungen ist bekanntermaßen Furcht diejenige, welche am leichtesten Zittern herbeiführt, aber dasselbe thun gelegentlich großer Zorn und große Freude. Ich erinnere mich, einmal einen Knaben gesehen zu haben, welcher gerade seine erste Bekassine im Fluge geschossen hatte, dessen Hände vor Entzücken in einem solchen Grade zitterten, dass er eine Zeit lang nicht im Stande war, seine Flinte wieder zu laden; und ich habe von einem ganz ähnlichen Falle bei einem australischen Wilden gehört, dem eine Flinte geliehen worden war. Schöne Musik [62] verursacht in Folge der unbestimmten Erregungen, welche sie hervorruft, ein den Rücken hinablaufendes Schauern bei manchen Personen. In den eben erwähnten physikalischen Ursachen und den Seelenerregungen scheint sehr wenig Gemeinsames zu liegen, was das Zittern veranlassen könnte. Sir James Paget, welchem ich für mehrere der angeführten Thatsachen verbunden bin, theilt mir mit, dass der Gegenstand ein sehr dunkler ist. Da Zittern häufig durch Wuth veranlaßt wird, lange vorher, ehe Erschöpfung eintritt, und da es zuweilen große Freude begleitet, so möchte es fast scheinen, als ob jede starke Erregung des Nervensystems den stätigen Fluß der Nervenkraft zu den Muskeln unterbräche.[2]

Die Art und Weise, in welcher die Absonderung des Nahrungscanals und gewisser Drüsen, so der Leber, der Nieren oder der Milchdrüsen, durch heftige Gemüthserregungen afficirt werden, ist ein anderes ausgezeichnetes Beispiel für die directe Einwirkung des Sensoriums auf diese Organe und zwar unabhängig vom Willen oder von irgend einer nutzbaren associirten Gewohnheit. Es besteht die größte Verschiedenheit bei verschiedenen Personen in den Theilen, welche auf diese Weise afficirt werden, und in dem Grade ihrer Affection.

Das Herz, welches ununterbrochen Tag und Nacht in einer so wunderbaren Weise fortschlägt, ist für äußere Reize äußerst empfindlich. Der bekannte Physiolog Claude Bernard hat gezeigt,[3] wie die geringste Reizung eines Empfindungsnerven auf das Herz einwirkt, und zwar selbst dann, wenn ein Nerv so schwach berührt worden ist, daß von dem Thiere, an welchem experimentirt wird, unmöglich ein Schmerz empfunden werden konnte. Wir dürfen daher erwarten, daß, wenn die Seele heftig erregt wird, sie augenblicklich in einer directen Weise das Herz afficirt, und dies wird auch ganz allgemein anerkannt und von Allen gefühlt. Claude Bernard hebt auch wiederholt hervor, und dies verdient besondere Beachtung, daß, wenn das Herz afficirt wird, es auf das Gehirn zurückwirkt: andererseits wirkt aber der Zustand des Gehirns wieder durch den herumschweifenden Nerven auf das Herz zurück, so daß bei jeder Erregung eine lebhafte wechselseitige [63] Wirkung und Rückwirkung zwischen diesen beiden bedeutungsvollsten Organen des Körpers besteht.

Das vasomotorische System, welches den Durchmesser der kleinen Arterien regulirt, wird vom Sensorium direct beeinflußt, wie man sehen kann, wenn ein Mensch vor Scham erröthet. Ich glaube aber, daß in diesem letzteren Falle die gehemmte Fortleitung der Nervenkraft zu den Gefäßen des Gesichts theilweise in einer merkwürdigen Art durch Gewohnheit erklärt werden kann. Wir werden auch im Stande sein, etwas wenn auch sehr wenig Licht auf das unwillkürliche Emporsträuben des Haares bei den Erregungen des Schrecks und der Wuth zu werfen. Die Thränenabsonderung hängt ohne Zweifel von dem Zusammenhange gewisser Nervenzellen ab; aber auch hier können wir einige wenige der Schritte verfolgen, durch welche der Abfluß von Nervenkraft den erforderlichen Canälen entlang unter gewissen Seelenerregungen gewohnheitsgemäß geworden ist.


Eine kurze Betrachtung der äußeren Zeichen einiger der heftigeren Empfindungen und Gemüthserregungen wird am besten dazu dienen, uns, wenn auch nur im allgemeinen Umrisse zu zeigen, in welcher complicirten Art und Weise das hier betrachtete Princip der directen Thätigkeit des erregten Nervensystems auf den Körper mit dem Principe gewohnheitsgemäß associirter zweckmäßiger Bewegungen verbunden ist.

Wenn Thiere von einem Anfalle äußersten Schmerzes leiden, so winden sie sich meist in fürchterlichen Verdrehungen herum, und diejenigen, welche gewöhnlich ihre Stimme gebrauchen, stoßen durchdringende Schreie oder Geheul aus. Fast jeder Muskel des Körpers wird in heftige Thätigkeit versetzt. Bei dem Menschen ist der Mund dicht zusammengepreßt, oder gewöhnlicher sind die Lippen zurückgezogen, während die Zähne zusammengepreßt sind oder knirschen. Man sagt, daß in der Hölle „Zähne-klappern“ sei; ich habe das Knirschen der Backenzähne deutlich auch bei einer Kuh gehört, welche sehr heftig an einer Entzündung der Eingeweide litt. Als der weibliche Hippopotamus im zoologischen Garten seine Jungen zur Welt bringen wollte, litt er heftig. Das Thier gieng unaufhörlich herum oder wälzte sich auf den Seiten, öffnete und schloß die Kinnladen und schlug die Zähne aufeinander.[4] Bei dem Menschen starren die Augen [64] wie im fürchterlichsten Erstaunen wild hinaus oder die Augenbrauen sind heftig zusammengezogen. Der Körper ist von Schweiß gebadet und Tropfen rieseln das Gesicht herab. Die Circulation und Respiration sind bedeutend afficirt. Die Nasenlöcher sind daher meist erweitert und erzittern oft, oder der Athem wird so lange angehalten, bis das Blut in dem purpurrothen Gesichte stillsteht. Wenn die Seelenangst sehr heftig und lang anhaltend ist, so verändern sich alle diese Anzeichen. Die äußerste Erschöpfung folgt mit Ohnmachten oder Convulsionen.

Wenn ein Empfindungsnerv gereizt wird, so überliefert er einen gewissen Reiz der Nervenzelle, von welcher er ausgeht, und diese gibt ihren Reiz wieder zuerst an die entsprechende Nervenzelle der entgegengesetzten Körperseite und dann auf- und abwärts dem cerebrospinalen Nervenstrange entlang an andere Nervenzellen, und zwar in größerer oder geringer Ausdehnung je nach der Stärke des ursprünglichen Reizes, so daß zuletzt das ganze Nervensystem afficirt werden kann.[5] Diese unwillkürliche Überlieferung von Nervenkraft kann mit vollständigem Bewußtsein erfolgen oder auch ohne dasselbe. Warum die Erregung einer Nervenzelle Nervenkraft erzeugt oder freimacht, ist nicht bekannt; aber daß dies der Fall ist, scheint eine Folgerung zu sein, zu welcher die sämmtlichen bedeutenderen Physiologen, wie Johannes Müller, Virchow, Bernard u.s.w.[6] gelangt sind. Mr. Herbert Spencer bemerkt, daß man es als „eine gar nicht weiter fragliche Wahrheit annehmen kann, daß die in irgend einem Augenblicke vorhandene Quantität freigewordener Nervenkraft, welche in einer nicht weiter erforschbaren Weise in uns den Zustand hervorruft, den wir Fühlen nennen, sich in irgend einer Richtung ausdehnen muß und eine gleich große Offenbarung von Kraft irgendwo anders erzeugen muß“, so daß, wenn das Cerebrospinalsystem heftig gereizt und Nervenkraft im Überschusse frei gemacht wird, letztere sich in heftigen Empfindungen, lebendigem Denken, heftigen Bewegungen [65] oder vermehrter Thätigkeit der Drüsen ausbreiten kann.[7] Mr. Spencer behauptet ferner, daß „ein von keinem Beweggrunde besonders geleiteter Überschuß an Nervenkraft offenbar zunächst die am meisten gewohnheitsgemäßen Wege einschlagen und, wenn diese „nicht hinreichen, in die weniger gewohnheitsgemäßen überfließen werde.“ Folglich werden die Gesichts- und Athmungsmuskeln, welche die am meisten gebrauchten sind, geneigt sein, zuerst in Thätigkeit versetzt zu werden, dann diejenigen der oberen Extremitäten, zunächst dann diejenigen der untern und endlich diejenigen des ganzen Körpers.[8]

Eine Gemüthserregung kann sehr stark sein und wird doch nur wenig geneigt sein, Bewegungen irgend einer Art herbeizuführen, wenn sie nicht gewöhnlich zu einer willkürlichen Handlung behufs ihrer Erleichterung oder Befriedigung geführt hat; und wenn Bewegungen erregt werden, so wird deren Natur in einem hohen Grade durch diejenigen bestimmt, welche unter derselben Erregung häufig unwillkürlich zu einem bestimmten Zwecke ausgeführt worden sind. Große Schmerzen treiben alle Thiere und haben dieselben während zahlloser Generationen dazu getrieben, die heftigsten und verschiedenartigsten Anstrengungen zu machen, der Ursache des Leidens zu entfliehen. Selbst wenn eine Gliedmaße oder ein anderer besonderer Theil des Körpers verletzt wird, sehen wir oft eine Neigung, denselben zu schütteln, als gälte es, die Ursache abzuschütteln, obschon dies offenbar unmöglich wäre. Auf diese Weise kann eine Gewohnheit, mit der äußersten Kraft alle Muskeln anzustrengen, sich entwickelt haben, so oft heftige Schmerzen empfunden werden. Da die Muskeln der Brust und der Stimmorgane ganz beständig gebraucht werden, so werden diese besonders der Erregung ausgesetzt sein, und es werden laute, scharfe Schreie und Angstrufe ausgestoßen werden. Aber wahrscheinlich ist auch der Vortheil, den das Thier vom Schreien erlangt, mit in's Spiel gekommen; denn die Jungen der meisten Thiere rufen, wenn sie in Angst oder Gefahr sind, laut nach ihren Eltern um Hülfe, wie auch die Mitglieder einer und derselben Gemeinschaft einander um Hülfe anrufen.

[66] Ein anderes Princip, nämlich das innerliche Bewußtsein, daß die Kraft oder die Fähigkeit des Nervensystems beschränkt ist, wird, wenn auch nur in einem untergeordneten Grade, die Neigung zu heftigen Handlungen im äußersten Leiden verstärkt haben. Ein Mensch kann nicht tief nachdenken und gleichzeitig seine Muskelkraft auf das Äußerste anstrengen. Wie Hippokrates schon vor langer Zeit bemerkt hat: wenn zwei Schmerzen zu einer und derselben Zeit gefühlt werden, so übertäubt der heftigere den andern. Märtyrer sind in der Ecstase ihrer religiösen Schwärmerei wie es scheint häufig für die schauderhaftesten Qualen unempfindlich gewesen. Wenn Matrosen gepeitscht werden sollen, so nehmen sie zuweilen ein Stück Blei in ihren Mund, um es mit äußerster Kraft zu beißen und so den Schmerz zu ertragen. Kreißende Frauen bereiten sich darauf vor, ihre Muskeln bis zum Äußersten anzustrengen, um ihre Schmerzen dadurch zu erleichtern.

Wir sehen hieraus, daß die nicht besonders geleitete Ausstrahlung von Nervenkraft von den zuerst afficirt gewesenen Nervenzellen, — der lang fortgesetzte Gebrauch, in heftigem Kampfe den Versuch zu machen, der Ursache des Leidens zu entfliehen — und das Bewußtsein, daß willkürliche Anstrengung der Muskeln den Schmerz erleichtert, daß alles dies wahrscheinlich sich vereinigt hat, die Neigung zu den heftigsten beinahe convulsivischen Bewegungen im Zustande äußersten Leidens herbeizuführen; und derartige Bewegungen mit Einschluß derer der Stimmorgane werden ganz allgemein als im hohen Grade ausdrucksvoll für diesen Zustand anerkannt.

Da die bloße Berührung eines Empfindungsnerven in einer directen Weise auf das Herz zurückwirkt, so wird offenbar auch heftiger Schmerz in gleicher Weise aber noch weit energischer auf dasselbe zurückwirken. Nichtsdestoweniger dürfen wir selbst in diesem Falle die indirecte Einwirkung der Gewohnheit auf das Herz nicht übersehen, wie wir später noch sehen werden, wenn wir die Zeichen der Wuth betrachten.

Wenn ein Mann in einer Agonie von Schmerz leidet, so rieselt ihm häufig der Schweiß das Gesicht herab; und mir hat ein Veterinärarzt versichert, daß er häufig gesehen habe, wie bei Pferden die Tropfen von dem Bauche herabfallen und die Innenseite der Schenkel herabrinnen, ebenso an dem Körper der Kinder, wenn diese heftig leiden. Er hat dies beobachtet, als gar kein heftiges Sträuben vorhanden [67] war, welches die starke Hautthätigkeit erklären könnte. Der ganze Körper des oben erwähnten weiblichen Hippopotamus war, während er seine Jungen gebar, mit roth gefärbtem Schweiße bedeckt. Dasselbe tritt auch bei äußerster Furcht ein. Der genannte Thierarzt hat häufig Pferde aus diesem Grunde schwitzen sehen; dasselbe hat Mr. Bartlett beim Rhinoceros gesehen, und bei dem Menschen ist es ein bekanntes Symptom. Die Ursache der in diesen Fällen hervorbrechenden Transpiration ist vollkommen dunkel. Manche Physiologen glauben aber, daß sie mit einer Schwäche des capillaren Kreislaufs zusammenhängt, und wir wissen allerdings, daß das vasomotorische System, welches den capillaren Kreislauf regulirt, bedeutend von der Seele beeinflußt wird. Was die Bewegungen gewisser Muskeln des Gesichts im Zustande großen Leidens ebenso wie in Folge anderer Seelenerregungen betrifft, so werden diese am besten betrachtet werden, wenn wir von den speciellen Ausdrucksformen des Menschen und der niedern Thiere handeln.

Wir wollen uns nun zu den characteristischen Symptomen der Wuth wenden. Unter dem Einflusse dieser mächtigen Erregung ist die Thätigkeit des Herzens bedeutend beschleunigt[9] oder kann auch sehr gestört sein. Das Gesicht ist geröthet oder es wird purpurn in Folge des verhinderten Rückflusses des Blutes oder kann auch todtenbleich werden. Die Respiration ist beschwerlich; die Brust hebt sich mühsam und die erweiterten Nasenlöcher zittern. Häufig zittert der ganze Körper. Die Stimme ist afficirt; die Zähne sind fest zusammengeklemmt oder knirschen und das Muskelsystem ist gewöhnlich zu heftiger, beinahe tobsüchtiger Thätigkeit angeregt. Aber die Geberden eines Menschen in diesem Zustande weichen gewöhnlich von den zwecklosen Wendungen und Kämpfen eines vom wüthendsten Schmerz Geplagten ab; denn sie stellen mehr oder weniger deutlich die Handlung des Kämpfens oder Sichherumschlagens mit einem Feinde dar.

Alle diese Zeichen der Wuth sind wahrscheinlich zum großen Theile, und einige von ihnen scheinen es gänzlich zu sein, Folgen der directen Einwirkung des erregten Sensoriums. Aber Thiere aller [68] Arten und früher ihre Urerzeuger haben, wenn sie von einem Feinde angegriffen oder bedroht wurden, ihre Kräfte bis zum Äußersten im Kämpfen und im Vertheidigen angestrengt. Wenn ein Thier nicht so handelt, oder nicht die Absicht oder wenigstens die Begierde hat, seinen Feind anzugreifen, so kann man nicht im eigentlichen Sinne sagen, daß es in Wuth gerathen sei. Eine vererbte Gewohnheit der Muskelanstrengung wird hierdurch in Association mit Wuth erlangt worden sein; und dies wird direct oder indirect verschiedene Organe nahezu in derselben Weise afficiren, wie es große körperliche Leiden thun.

Ohne Zweifel wird das Herz gleicherweise in einer directen Art afficirt werden. Es wird aber auch aller Wahrscheinlichkeit nach durch Gewohnheit beinflußt werden und letzteres um so mehr, als es nicht unter Controle des Willens steht. Wir wissen, daß jedwede große Anstrengung, welche wir willkürlich unternehmen, das Herz beeinflußt und zwar durch mechanische und andere Principien, welche hier nicht betrachtet zu werden brauchen. Und im ersten Capitel wurde gezeigt, daß Nervenkraft leicht in gewohnheitsgemäß benutzten Canälen fließt und zwar durch die Nerven der willkürlichen oder unwillkürlichen Bewegung und durch die der Empfindung. So wird selbst ein mäßiger Grad von Anstrengung auf das Herz einzuwirken geneigt sein, und nach dem Principe der Association, von welchem so viele Beispiele angeführt worden sind, können wir ziemlich sicher sein, daß jede Empfindung oder Gemüthserregung wie großer Schmerz oder Wuth, welche gewohnheitsgemäß zu starker Muskelthätigkeit geführt hat, den Zufluß von Nervenkraft zum Herzen unmittelbar beeinflussen wird, obgleich zur gegebenen Zeit gar keine Muskelanstrengung vorhanden zu sein braucht.

Wie ich eben gesagt habe, wird das Herz nur um so leichter durch gewohnheitsgemäße Associationen afficirt werden, als es nicht unter der Controle des Willens steht. Wenn ein Mensch mäßig zornig oder selbst wenn er in Wuth gerathen ist, so kann er wohl die Bewegungen seines Körpers beherrschen, er kann es aber nicht verhindern, daß sein Herz heftig schlägt. Seine Brust gibt vielleicht ein paar seufzende Inspirationen und seine Nasenlöcher zittern eben, denn die Bewegungen der Respiration sind nur zum Theil willkürlich. In gleicher Weise werden zuweilen allein diejenigen Muskeln des Gesichts, welche am wenigsten dem Willen unterworfen sind, eine geringe und [69] vorübergehende Erregung verrathen. Ferner sind die Drüsen gänzlich vom Willen unabhängig, und ein an Kummer leidender Mensch kann wohl seine Gesichtszüge beherrschen, kann aber nicht immer verhindern, daß ihm die Thränen in die Augen kommen. Wenn verlockende Nahrung vor einen hungrigen Menschen hingestellt wird, so kann er wohl seinen Hunger durch keine äußerliche Geberde zu erkennen geben, er kann aber die Absonderung des Speichels in seinem Munde nicht unterdrücken.

Bei übergroßer Freude oder sehr lebendigem Vergnügen ist eine starke Neigung zu verschiedenen zwecklosen Bewegungen und zu Äußerung verschiedener Laute vorhanden. Wir sehen dies an unsern kleinen Kindern in ihrem lauten Lachen, dem Zusammenschlagen der Hände und dem Hüpfen vor Freude, in dem Springen und Bellen eines Hundes, wenn er mit seinem Herrn ausgehen will, und in den muntern Sprüngen eines Pferdes, wenn es auf ein offenes Feld gelassen wird. Freude beschleunigt die Circulation und diese reizt wieder das Gehirn, welches umgekehrt auf den ganzen Körper zurückwirkt. Die eben erwähnten zwecklosen Bewegungen und die vermehrte Herzthätigkeit können zum hauptsächlichsten Theil auf den erregten Zustand des Sensoriums[10] und auf den davon abhängigen, nicht geleiteten Überschuß von Nervenkraft bezogen werden, wie Mr. Herbert Spencer behauptet. Es verdient Beachtung, daß hauptsächlich das Vorausempfinden eines Vergnügens und nicht sein wirklicher Genuß es ist, welches zu zwecklosen und extravaganten Bewegungen des Körpers und zum Ausstoßen verschiedener Laute führt. Wir sehen dies an [70] unseren Kindern, wenn sie irgend ein großes Vergnügen oder einen besonderen Reiz erwarten; auch Hunde, welche beim Anblick eines Tellers mit Futter freudig umher gesprungen sind, zeigen, wenn sie es bekommen, ihr Ergötzen durch kein äußerliches Zeichen, nicht einmal durch ein Wedeln ihres Schwanzes. Nun ist bei Thieren aller Arten das Erreichen beinahe aller ihrer Freuden mit Ausnahme derer der Wärme und der Ruhe mit lebendigen Bewegungen associirt und ist lange so associirt gewesen, so beim Jagen oder beim Suchen nach Nahrung und bei ihrer Brautwerbung. Überdies ist die bloße Anstrengung der Muskeln nach langer Ruhe oder Gefangenschaft an sich selbst schon ein Vergnügen, wie wir auch an uns fühlen, und wie [WS 1] wir es an dem Spiele junger Thiere sehen. Nach diesem letzten Principe allein schon dürften wir daher vielleicht erwarten, daß lebhaftes Vergnügen geneigt sein wird, sich umgekehrt in Muskelbewegungen anzuzeigen.

Bei allen oder beinahe allen Thieren, selbst bei Vögeln, verursacht äußerste Angst ein Erzittern des Körpers. Die Haut wird blaß, es bricht Schweiß aus und die Haare sträuben sich. Die Absonderungen des Nahrungscanals und der Nieren werden vermehrt, und sie werden unwillkürlich entleert in Folge der Erschlaffung der Schließmuskeln, wie es ja bekanntlich bei dem Menschen der Fall ist und wie ich es bei Kindern, Hunden, Katzen und Affen gesehen habe. Das Athmen ist beschleunigt. Das Herz schlägt schnell, wild und heftig. Ob es aber das Blut auch wirksamer durch den Körper pumpt, dürfte bezweifelt werden; denn die Oberfläche des Körpers erscheint blutlos und die Kraft der Muskeln schlägt sehr bald fehl. Bei einem erschreckten Pferde habe ich das Schlagen des Herzens durch den Sattel hindurch so deutlich gefühlt, daß ich die Schläge hätte zählen können. Die Geistesthätigkeiten werden bedeutend gestört. Äußerste Erschöpfung folgt bald und selbst Ohnmacht. Man hat gesehen, daß ein erschrockener Canarienvogel nicht bloß erzitterte und um die Basis seines Schnabels herum weiß wurde, sondern in Ohnmacht fiel,[11] und einmal habe ich in einem Zimmer ein Rothkehlchen gefangen, welches so vollständig in Ohnmacht lag, daß ich eine Zeit lang glaubte, es sei todt.

Die meisten dieser Symptome sind wahrscheinlich das directe von Gewohnheit unabhängige Resultat des gestörten Zustandes des [71] Sensoriums. Es ist aber zweifelhaft, ob sie alle auf diese Weise erklärt werden können. Wenn ein Thier beunruhigt wird, so steht es beinahe immer für einen Augenblick bewegungslos da, um seine Sinne zu sammeln und die Quelle der Gefahr zu ermitteln, zuweilen auch zum Zwecke, der Entdeckung zu entgehen. Sehr bald folgt aber kopflose Flucht, ohne die Körperkraft wie beim Kampfe zu Rathe zu halten, und das Thier flieht so lange fort, als die Gefahr währt, bis äußerste Erschöpfung mit unterbrochener Respiration und Circulation, mit zitternden Muskeln des ganzen Körpers und profusem Schweiße ein ferneres Fliehen unmöglich macht. Es scheint daher nicht unwahrscheinlich zu sein, daß das Princip der associirten Gewohnheit zum Theil einige der oben erwähnten characteristischen Symptome des äußersten Schrecks erklärt, mindestens daß derartige Gewohnheiten dieselben verstärken.


Daß das Princip associirter Gewohnheiten bei der Verursachung von Bewegungen, welche für die in Vorstehendem erwähnten verschiedenen heftigen Gemüthserregungen und Empfindungen ausdrucksvoll sind, eine bedeutende Rolle gespielt hat, können wir, wie ich glaube, daraus schließen, daß wir erstens einige andere heftige Gemüthserregungen, welche zu ihrer Erleichterung oder Befriedigung gewöhnlich keine willkürliche Bewegung bedürfen, und zweitens den Contrast in der Natur der sogenannten erregenden und deprimirenden Seelenzustände in Betracht ziehen. Keine Gemüthserregung ist stärker als Mutterliebe. Es kann aber eine Mutter die innigste Liebe für ihr hülfloses Kind fühlen und sie doch durch kein äußeres Zeichen verrathen, oder nur durch leichte liebkosende Bewegungen mit einem sanften Lächeln und zärtlichen Augen. Nun soll aber irgend Jemand ihr Kind absichtlich verletzen, und man beachte nun, was für eine Veränderung eintritt; wie sie in die Höhe fährt mit einem drohenden Anblicke, wie ihre Augen funkeln und ihr Gesicht sich röthet, wie ihr Busen wogt, ihre Nasenlöcher sich erweitern und ihr Herz schlägt; denn der Zorn und nicht die Mutterliebe hat gewohnheitsgemäß zur Thätigkeit geführt. Die Liebe zwischen den beiden Geschlechtern ist von Mutterliebe völlig verschieden, und wenn Liebende sich treffen, so wissen wir, daß ihre Herzen schnell schlagen, ihr Athem beschleunigt ist und ihre Gesichter erröthen; denn diese Liebe ist nicht wie die einer Mutter zu ihrem Kinde unthätig.

[72] Ein Mensch kann sein Herz mit Haß oder dem schwärzesten Verdachte erfüllt haben oder von Neid oder Eifersucht zernagt sein: da aber diese Gefühle nicht sofort zu Handlungen führen und sie gewöhnlich eine Zeit lang anhalten, so werden sie auch durch kein äußerliches Zeichen sichtbar, ausgenommen, daß ein Mensch in diesem Zustande sicherlich nicht gemüthlich und gut gelaunt erscheint. Wenn diese Gefühle in äußerliche Handlungen umschlagen, so nimmt Wuth ihre Stelle ein und wird deutlich gezeigt. Maler können kaum Verdacht, Eifersucht, Neid u. s. w. porträtiren, ausgenommen mit Hülfe von Nebendingen, welche die Geschichte zu erzählen haben, und Dichter brauchen solche unbestimmte und phantastische Ausdrücke wie „grünäugige Eifersucht“.[12] Spencer beschreibt Verdacht als „faul, misgünstig und grimmig, schief unter den Augenbrauen vorschielend“ u. s. w. Shakespeare spricht vom Neid als „hager in ekler Höhle“ (2. Heinr. VI., Act III, Sc. 2); an einer andern Stelle sagt er: „sicher soll schwarzer Haß mein Grab nicht bauen“ (Heinr. VIII., Act II, Sc. 1); und weiter „außer dem Bereich des blassen Neids“ (Titus Andr. Act II, Sc. 1).

Gemüthsbewegungen und Empfindungen sind oft als erregende und deprimirende classificirt worden; wenn alle Organe des Körpers und der Seele — diejenigen der willkürlichen und unwillkürlichen Bewegung, der Wahrnehmung, Empfindung, des Denkens u. s. w. — ihre Functionen energischer und schneller als gewöhnlich ausführen, so kann man sagen, daß ein Mensch oder ein Thier erregt, und im entgegengesetzten Zustande, daß er niedergeschlagen sei. Zorn und Freude sind vom Anfang an erregende Gemüthsbewegungen und sie führen naturgemäß, besonders der erstere, zu energischen Bewegungen, welche auf das Herz und dieses wieder auf das Gehirn zurückwirken. Ein Arzt machte einmal gegen mich die Bemerkung, um die aufregende Natur des Zornes zu beweisen, daß, wenn man im äußersten Grade abgespannt ist, man sich zuweilen eingebildete Beleidigungen erfindet und sich in Leidenschaft bringt und zwar ganz unbewußt, nur um sich selbst wieder zu kräftigen. Und seitdem ich diese Bemerkung gehört habe, habe ich gelegentlich ihre vollständige Wahrheit anerkannt.

[73] Mehrere andere Seelenzustände scheinen anfangs aufregend zu sein, werden aber bald bis zu einem äußersten Grade niederschlagend. Wenn eine Mutter plötzlich ihr Kind verliert, so ist sie zuweilen vor Schmerz wie wahnsinnig und muß als sich in einem aufgeregten Zustande befindend betrachtet werden. Sie läuft wild umher, zerzaust sich das Haar oder die Kleider und ringt ihre Hände. Diese letztere Handlung ist vielleicht Folge des Princips des Gegensatzes und verräth ein innerliches Gefühl der Hülflosigkeit, daß nichts gethan werden kann. Die andern wilden und heftigen Bewegungen können zum Theil durch die Erleichterung erklärt werden, welche jede Anstrengung der Muskeln gewährt, und zum Theil durch den nicht in bestimmte Bahnen geleiteten Überfluß von Nervenkraft aus dem gereizten Sensorium. Aber beim plötzlichen Verluste einer geliebten Person ist einer der ersten und gewöhnlichsten Gedanken, welcher eintritt, der, daß irgend etwas mehr noch hätte geschehen können, um den Verlornen zu retten. Ein ausgezeichneter Beobachter[13] spricht bei der Beschreibung des Benehmens eines Mädchens beim plötzlichen Tode ihres Vaters: „sie gieng um das Haus herum, ihre Hände ringend wie ein geisteskrankes Geschöpf und rief aus: es war meine Schuld; ich hätte ihn niemals verlassen sollen; wenn ich nur bei ihm sitzen geblieben wäre!“ u. s. w. Wenn solche Ideen lebhaft vor der Seele stehen, dann wird durch das Princip associirter Gewohnheiten die stärkste Neigung zu energischen Handlungen irgend welcher Art eintreten.

Sobald der Leidende sich dessen vollständig bewußt wird, daß nichts mehr gethan werden kann, nimmt Verzweiflung oder tiefer Kummer die Stelle des wahnsinnigen Schmerzes ein. Der Leidende sitzt bewegungslos da oder schwankt langsam hin und her. Die Circulation wird träge. Das Athmen wird beinahe vergessen und tiefe Seufzer werden eingezogen. Alles dies wirkt auf das Gehirn zurück und es erfolgt bald Erschöpfung mit zusammengesunkenen Muskeln und stumpfen Augen. Da associirte Gewohnheit den Leidenden nicht länger mehr zum Handeln treibt, so wird er von seinen Freunden zu willkürlichen Anstrengungen veranlaßt und gedrängt, nicht dem schweigenden bewegungslosen Kummer nachzugeben. Anstrengungen reizen das Herz; dieses wirkt auf das Gehirn zurück und hilft dem Geiste seine schwere Last tragen.

[74] Ist der Schmerz sehr heftig, so führt er sehr bald äußerste Niedergeschlagenheit oder Erschöpfung herbei. Aber zuerst ist er ein Reizmittel und regt zu Handlungen an, wie wir sehen, wenn wir ein Pferd peitschen, und wie es sich zeigt durch die schrecklichen Qualen, die in fremden Ländern erschöpften Zugstieren beigebracht werden, um sie zu erneuerter Anstrengung anzutreiben. Furcht ist andrerseits die niederschlagendste von allen Gemüthserregungen; sie führt bald die äußerste hülflose Erschöpfung herbei, gewissermaßen in Folge oder in Association mit den heftigsten und fortgesetztesten Anstrengungen der Gefahr zu entfliehen, wenn auch derartige Versuche factisch nicht gemacht worden sind. Nichtsdestoweniger wirkt selbst äußerste Furcht häufig zu Anfang wie ein mächtiges Reizmittel. Ein durch Schreck zur Verzweiflung getriebener Mensch oder ein Thier wird mit wunderbarer Kraft begabt und ist notorisch im höchsten Grade gefährlich.


Im Ganzen können wir schließen, daß das Princip der directen Einwirkung des Sensoriums auf den Körper, welches eine Folge der Constitution des Nervensystems und von Anfang an unabhängig vom Willen ist, in hohem Grade von Einfluß auf die Bestimmung vieler Ausdrucksformen gewesen ist. Gute Beispiele hiefür werden von dem Zittern der Muskeln, dem Schwitzen der Haut, den modificirten Absonderungen des Nahrungscanals und der Drüsen bei verschiedenen Gemüthserregungen und Empfindungen dargeboten. Aber Thätigkeiten dieser Art werden oft mit andern combinirt, welche eine Folge unseres ersten Princips sind, nämlich, daß Handlungen, welche häufig von directem oder indirectem Nutzen waren, um bei gewissen Seelenzuständen gewisse Empfindungen, Begierden u. s. w. zu befriedigen oder zu erleichtern, noch immer unter analogen Umständen durch bloße Gewohnheit ausgeführt werden, obgleich sie von keinem Nutzen sind. Wir sehen Combinationen dieser Art wenigstens zum Theil in den wahnsinnigen Geberden der Wuth und in dem Sich-winden unter äußerstem Schmerz und vielleicht auch in der vermehrten Thätigkeit des Herzens und der Respirationsorgane. Selbst wenn diese und andere Gemüthsbewegungen oder Empfindungen in einer sehr schwachen Art erregt werden, wird doch eine Neigung zu ähnlichen Handlungen in Folge der Macht lange associirter Gewohnheit eintreten; und diese Handlungen, welche am wenigsten unter der Controle des Willens [75] stehen, werden allgemein am längsten beibehalten. Gelegentlich ist auch unser Princip des Gegensatzes gleichfalls in's Spiel gekommen.


Es können schließlich so viele ausdrucksvolle Bewegungen durch die drei Principien, welche nun erörtert worden sind, erklärt werden, — wie sich meiner Überzeugung nach noch im Laufe dieses Bandes herausstellen wird, — daß wir hoffen dürfen, später alle Ausdrucksformen hierdurch oder durch nahe analoge Principien erklärt zu sehen. Es ist indessen häufig unmöglich, zu entscheiden, wie viel Gewicht in jedem besondern Falle dem einen unserer Principien und wie viel Gewicht dem andern beizulegen ist; und sehr viele Punkte in der Lehre vom Ausdruck bleiben noch unerklärt.


  1. s. die interessanten Fälle, welche G. Pouchet gesammelt hat in der Revue des Deux Mondes. Jan. 1. 1872, p. 79. Vor wenig Jahren wurde auch ein Fall der British Association in Belfast mitgetheilt.
  2. Joh. Müller bemerkt (Handbuch der Physiologie des Menschen, Bd. 2, S. 92): „Bei stärkeren Gemüthsbewegungen verbreitet sich die Wirkung auf alle Rückenmarksnerven bis zur unvollkommenen Lähmung und zum Zittern.“
  3. Leçons sur les Prop. des Tissus vivants. 1866, p. 457—466.
  4. Mr. Bartlett, Notes on the Birth of a Hippopotamus. Proceed. Zoolog. Soc. 1871, p. 255.
  5. s. über diesen Gegenstand Claude Bernard, Tissus vivants. 1866, p. 316, 337, 358. Virchow drückt sich fast genau ebenso darüber aus in seiner Abhandlung „Über das Rückenmark“ (Sammlung wissenschaftlicher Vorträge 1871, S. 28).
  6. Joh. Müller sagt bei Schilderung der Nerventhätigkeit: „Jeder schnelle Übergang in den Zuständen der Seele ist im Stande eine Entladung zu bewirken“ (Handbuch der Physiol. Bd. 2. S. 89). s. Virchow und Bernard über denselben Gegenstand an Stellen der in der vorigen Anmerkung erwähnten Werke.
  7. H. Spencer, Essays, Scientific, Political etc. Second Series, 1863, p. 109. 111.
  8. Sir H. Holland bemerkt (Medical Notes and Reflexions. 1839, p. 328) bei Besprechung jenes merkwürdigen in allgemeiner nervöser Unruhe bestehenden Körperzustandes, daß er „Folge der Anhäufung irgend einer Erregungsursache zu sein scheint, welche zu ihrer Erleichterung der Muskelbewegungen bedarf.“
  9. Ich bin Mr. A. H. Garrod sehr verbunden dafür, daß er mich auf Lorain's Buch über den Puls aufmerksam gemacht hat, in welchem ein Sphygmogramm eines rasenden Weibes mitgetheilt wird; dasselbe zeigt bedeutende Verschiedenheiten in der Schnelligkeit und andern Merkmalen des Pulses derselben Frau in gesundem Zustande.
  10. Wie mächtig heftige Freude das Gehirn erregt und wie das Gehirn auf den Körper zurückwirkt, zeigt sich sehr deutlich in den seltenen Fällen sogenannter psychischer Intoxicationen. Dr. J. Crichton Browne erzählt (Medical Mirror, 1865) den Fall von einem jungen Menschen eines stark nervösen Temperaments, welcher beim Empfang eines Telegramms mit der Nachricht, daß er ein Vermögen geerbt habe, zuerst blaß, dann heiter und bald ganz ausgelassen, aber erhitzt und ruhelos wurde. Er machte dann mit einem Freunde einen Spaziergang, um sich zu beruhigen, kehrte aber mit stolperndem Gange, ausgelassen laut lachend, reizbarer Stimmung, beständig sprechend und laut in den Straßen singend zurück. Es wurde ganz positiv ermittelt, daß er kein spirituöses Getränk berührt hatte, obschon ihn Jedermann für betrunken hielt. Nach einer Zeit trat Erbrechen ein; der halbverdaute Mageninhalt wurde untersucht; es ließ sich aber auch hier kein Geruch von Alkohol nachweisen. Er fiel dann in tiefen Schlaf und war beim Erwachen gesund, ausgenommen, daß er über Kopfschmerzen, Übelkeit und Kraftlosigkeit klagte.
  11. Dr. Darwin, Zoonomia. Vol. I. 1794, p. 148.
  12. * „Green-eyed jealousy“, Kaufmann von Venedig, Act III, Sc. 2. Schlegel übersetzt es nicht, sondern sagt: „blasse Schüchternheit“.
  13. Mrs. Oliphant in ihrem Roman „Miss Majoribanks“, p. 362.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: wie wie
Zweites Capitel Nach oben Viertes Capitel
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.