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Sensoriums. Es ist aber zweifelhaft, ob sie alle auf diese Weise erklärt werden können. Wenn ein Thier beunruhigt wird, so steht es beinahe immer für einen Augenblick bewegungslos da, um seine Sinne zu sammeln und die Quelle der Gefahr zu ermitteln, zuweilen auch zum Zwecke, der Entdeckung zu entgehen. Sehr bald folgt aber kopflose Flucht, ohne die Körperkraft wie beim Kampfe zu Rathe zu halten, und das Thier flieht so lange fort, als die Gefahr währt, bis äußerste Erschöpfung mit unterbrochener Respiration und Circulation, mit zitternden Muskeln des ganzen Körpers und profusem Schweiße ein ferneres Fliehen unmöglich macht. Es scheint daher nicht unwahrscheinlich zu sein, daß das Princip der associirten Gewohnheit zum Theil einige der oben erwähnten characteristischen Symptome des äußersten Schrecks erklärt, mindestens daß derartige Gewohnheiten dieselben verstärken.


Daß das Princip associirter Gewohnheiten bei der Verursachung von Bewegungen, welche für die in Vorstehendem erwähnten verschiedenen heftigen Gemüthserregungen und Empfindungen ausdrucksvoll sind, eine bedeutende Rolle gespielt hat, können wir, wie ich glaube, daraus schließen, daß wir erstens einige andere heftige Gemüthserregungen, welche zu ihrer Erleichterung oder Befriedigung gewöhnlich keine willkürliche Bewegung bedürfen, und zweitens den Contrast in der Natur der sogenannten erregenden und deprimirenden Seelenzustände in Betracht ziehen. Keine Gemüthserregung ist stärker als Mutterliebe. Es kann aber eine Mutter die innigste Liebe für ihr hülfloses Kind fühlen und sie doch durch kein äußeres Zeichen verrathen, oder nur durch leichte liebkosende Bewegungen mit einem sanften Lächeln und zärtlichen Augen. Nun soll aber irgend Jemand ihr Kind absichtlich verletzen, und man beachte nun, was für eine Veränderung eintritt; wie sie in die Höhe fährt mit einem drohenden Anblicke, wie ihre Augen funkeln und ihr Gesicht sich röthet, wie ihr Busen wogt, ihre Nasenlöcher sich erweitern und ihr Herz schlägt; denn der Zorn und nicht die Mutterliebe hat gewohnheitsgemäß zur Thätigkeit geführt. Die Liebe zwischen den beiden Geschlechtern ist von Mutterliebe völlig verschieden, und wenn Liebende sich treffen, so wissen wir, daß ihre Herzen schnell schlagen, ihr Athem beschleunigt ist und ihre Gesichter erröthen; denn diese Liebe ist nicht wie die einer Mutter zu ihrem Kinde unthätig.


Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1877, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAusdruck.djvu/77&oldid=- (Version vom 31.7.2018)