Bemerkungen zu Gregor von Tours kleineren Schriften

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Autor: Georg Osterhage
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Titel: Bemerkungen zu Gregor von Tours kleineren Schriften
Untertitel: Wissenschaftliche Beilage zum Jahresbericht des Humboldt-Gymnasiums zu Berlin. Ostern 1895
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Auflage: 1. Auflage
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Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Gaertner
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[1]
Wissenschaftliche Beilage zum Jahresbericht des Humboldt-Gymnasiums
zu Berlin. Ostern 1895.


Bemerkungen
zu
Gregor von Tours kleineren Schriften.


Von
Georg Osterhage.




BERLIN 1895.

R. Gaertners Verlagsbuchhandlung

Hermann Heyfelder.


1895. Programm Nr. 57.


[3] Die vorliegende Abhandlung beschäftigt sich mit den Sagen, aus welchen die von Gregor von Tours gesammelten Wundergeschichten erwachsen sind. Während Loebell (Gregor v. T. und seine Zeit S. 222 ff.) und Hauck (Kirchengeschichte I 184 ff.) besonders die persönliche Seite in der Bildung dieser Erzählungen berücksichtigen und ein Bild des geistigen und sittlichen Lebens jener Zeit entrollen, soll hier lediglich der Stoff dieser Dichtungen einer Prüfung unterzogen werden. Wie die religiösen so bleiben auch die kulturgeschichtlichen Gesichtspunkte unerörtert, obgleich es die rein menschliche Teilnahme in hohem Grade erregt, bei den Orten zu verweilen, wo die Leidenden in den Jahrhunderten, in denen die Naturkunde so wenig beliebt war, Heilung suchten und oft, soweit seelische Eindrücke wirkten, auch fanden. Diese Prüfung besteht nur darin, die Sagen zu ordnen und mit denen der neueren Zeiten, besonders den französischen, zusammenzustellen. Es dürfte sich daraus ergeben, daß dieselben zur Zeit Gregors annähernd in demselben Umfange und in ähnlicher Form im Umlauf waren wie jetzt, und daß sie sich auch nicht wesentlich von den Sagen der benachbarten germanischen Gebiete unterscheiden, ein Nachweis der nicht unwichtig für das Verständnis der epischen Dichtung der Franken sein würde. Man kann einwenden, daß die Mirakel Gregors zeitlich oft weit auseinanderliegen. Darauf ist zu erwidern, daß eine gewisse Einheit durch den Zweck des Verfassers gewährleistet ist. Um die Gläubigen durch das Leben seiner Helden zu erbauen, mußte Gregor eine gewisse Auswahl treffen und Dinge, die seinen Zeitgenossen ganz fremdartig erschienen wären, weglassen. Dann bringt es die Natur dieser Sagen mit sich, daß man bei ihrer Zusammenstellung sich schwer ganz bestimmt auf einen gewissen Zeitabschnitt beschränken kann. Ein Blick in die Sammlungen der Neuzeit beweist, daß ihre Verfasser sich zeitlich noch weniger gebunden haben.

Es folgen zunächst einige Stellen, in denen Gregor heidnische Götterverehrung und Gebräuche als solche erwähnt, dann die Sagen, welche sich christlichen Anschauungen untergeordnet haben. Die Ordnung ist die gewöhnliche, welche von der volkstümlichen Einteilung des Alls in Luft und Erde (Pflanzenleben und Wasser) ausgeht und daran Sagen über Tiere, Dämonen und Menschen schließt. Die Orts- und Zeitangaben sind den Anmerkungen der Ausgabe von Krusch entnommen.

Zeugnisse vorchristlicher Religionsübung. Ein einheitliches Bild können sie nicht gewähren. Igitur instante persecutione ad Brivatinsim vicum (Brioude 70 Kilometer [4] von Clermont, am Allier), in quo fanatici erroris neniae colebantur, advenit (v. Juliani 1). Etwas genauer c. 5: Erat autem haud procul a cellula, quam supra sepulcrum martyris haec matrona (die Gemahlin eines spanischen Gefangenen dessen Befreiung durch Kaiser Maximus sie dem h. Julian zuschrieb) construxerat, grande delubrum, ubi in colomnam altissimam simulachrum Martis Mercuriique colebatur (die ältere Passio, Boll. AA. SS. 28. Aug. VI, p. 173, sagt: Illis autem temporibus a gentilibus vana superstitio in his locis celebrabatur). Cumque delubri illius festa a gentilibus agerentur, ac mortui mortuis thura deferrent, medio e vulgo commoventur pueri duo in scandalum… Der Verfolgte traut seinen Göttern nicht mehr und flieht in das Heiligtum des Julian. Der Verfolger erfaßt die Thürpfosten und erstarrt durch die Kraft des Heiligen. Beim Anblick dieses Wunders bekehrt sich die Menge. Einige Tage später (c. 6) wollte eine Schar doch wieder den Göttern opfern. Da erhebt sich auf Bitten des christlichen Bischofs ein so furchtbarer Sturm, daß die Heiden heulend dem Bischof versprechen, wenn der Sturm aufhöre, würden sie die Verehrung ihrer Bilder aufgeben. In der That zertrümmern sie die Bildsäulen und werfen die Reste in einen See nahe beim Orte und beim Flusse. Einigermaßen lehnt sich diese Darstellung an Sulpicius Severus, Dialogus III, 9 an. Bekannt (Meyer Mythologie 17) ist die Stelle von dem Heiligtum welches der h. Gallus aus Clermont in Köln verbrannte (v. Patrum VI 2). Erat autem ibi fanum quoddam diversis ornamentis refertum, in quo barbaries proxima libamina exhibens, usque ad vomitum cibo potuque replebatur; ibique et simulacra ut deum adorans, membra, secundum quod unumquemque dolor attigisset, sculpebat in ligno. Das daemonium meridianum wird erwähnt De v. S. Martini III 9, IV 36. Vgl. Grimm M.4 972. II existe également en Bretagne un malin démon qui n’apparaît qu’à l’heure de midi, et qui s’introduit dans le corps des laboureurs ou des moissonneurs endormis pour leur inspirer de mauvaises pensées (de Nore 214). Von dem See in Gabalitano territurio (Montagnes d’Aubrac) wird unter „Wasser” die Rede sein. Über das heilige Bild der Berecynthia redet Grimm M.4 211. In der vita des Nicetius von Trier erzählt jemand dem Bischof von einem Sturm auf dem Mittelmeer. Auf dem Schiffe befanden sich fast nur Landleute: Pagani vero invocabant deos suos, et ille Jovem, iste Mercurium proclamabat, alius Minervae, alius Veneris auxilium flagitabat. Er habe den Gott des Nicetius angerufen, worauf der Sturm sich legte (Patrum XVII 5). Die aus Prudentius entlehnte Geschichte von dem heidnischen Opfer, bei welchem, wie der Opferpriester entdeckte, die heidnischen Götter nicht zu erscheinen wagten, weil ein anwesender Soldat getauft war und dem Christentum angehörte, ist zwar sehr belehrend wegen der sinnlichen Auffassung der Gottheit auf heidnischer wie auf christlicher Seite, gehört aber doch Gregor nicht an (Martyrum 40).

Zwei Stellen der v. S. Andreae beweisen, wie die volkstümlichen Begriffe von Teufelswesen sich entwickeln. Ein Verfolger der Christen erzählt: apparuerunt mihi duo viri Aethiopes qui me flagris cedebant, dicentes: Non possumus hic jam ullam potestatem habere, quia venit homo ille quem persequi cogitabas. Et nunc in hac nocte, in qua adhuc potestatem habemus ulciscimur nos in te (Andreae 22). Eine Frau bittet ihre Schwester: Vade, quaeso, et invoca Dianam deam nostram, ut misereatur mei. Ipsa enim habet studium obstetricandi. Faciente autem sorore quae sibi imperata fuerant, venit ad eam nocte diabolus, dicens: Quid me casso invocas, cum tibi nihil prodesse possim? Sed magis vade ad apostolum Dei Andream in Achaia, et ipse miserebitur sorori tuae (25).

[5] Bei einem Gottesurteile, einer Wasserprobe, hatte jemand seinen Arm gesalbt. Als der Gegner das sieht, erhebt er den Einwand: Magicis artibus te elitandum putasti (Martyrum 80). In Thessalonika hatte ein Christ ein angelegtes Feuer durch einen Krug mit Wasser unter Anrufung des Namens Christi gelöscht. Als die Eltern das sahen, rufen sie: Ecce jam filius noster magus effectus est (Andreae 12). Dort nennt ein Proconsul den Andreas einen magus und maleficus, weil er einen Besessenen heilt und sich zeitweilig unsichtbar macht (18). Deutlicher tritt die Thätigkeit der Zauberer hervor. Per hoc enim nomen inluminantur tenebrae, serpentes fugiunt, idolatria prosternuntur, cessat hariolus, tabescit sortilegus (Martyrum 40). Gregor scheint mir mit den letzten Worten anzudeuten, daß der Zauberer der sonst Menschen und Vieh krank macht, durch Mittel wie sie in späteren Sagen Hexen anwenden, nun durch seine eigenen Waffen gestraft wird. Dasselbe scheint Wodan zu sagen in Havamal: Ein Sechstes ist mein, wenn ein Mann mich sehrt – mit wilden Baumes Wurzel, – nicht mich versehrt, den Mann verzehrt – das Verderben mit dem er mir drohte. Ein Jäger hatte auf der Jagd im Walde irgend etwas Entsetzliches gesehen, vielleicht die wilde Jagd, oder jene unheimlichen Stimmen der Waldgeister gehört, genaues läßt sich leider nicht sagen (Martini I 26 Narrabo et illud, qualiter diabolicae artis insaniae ad ejus basilicam denudentur. Quidam Aquilinus nomine, dum venatione cum patre suo in silvas Franciae exerceret, pavorem pessimum, inimico insidiante, incurrit. Erat enim ei tremor cordis, et interea videbatur ex sensu. Ähnlich ging es einem Chariwald, per venationem similem incurrens insidiam, latus unum, debilitata manu ac pede perdiderat 27). Im ersteren Falle wandten sich die Eltern zunächst an Zauberer. Parentes vero ejus intellegentes, eum diaboli inmissione mulcari, ut mos rusticorum habet, a sortilegis et hariolis ligamenta ei et potiones deferebant (I 26). Die Zauberer erkennen ferner die Wirkung des daemon meridianum und wenden Angehenke und Zauberformeln dagegen an (ligamina herbarum atque incantationum verba, Martini IV 36). Sogar Gregors Leute rufen, als er auf einer Wallfahrt in Brioude sich befand, und einer aus dem Gefolge an der Pest erkrankte, einen Zauberer, hariolum. Incantationes inmurmurat, sortes jactat, ligaturas (Angehenke Grimm M.2 1196) collo suspendit, promittit vivere quem ipse mancipaverat morti (Juliani 46 A). Das letzte soll wohl andeuten, daß die Pest auch von bösen Geistern (wie in Trier Patrum XVII 4) oder Zauberern gebracht war.

Luft, Feuer, Regen. Der h. Julian tötet die Frevler, welche das Eigentum seiner Basilika in Brioude sich aneignen durch den Blitz (igne de caelo dilapso 13, jaculo igneo de caelis elapso 15). Ein ehemaliger Diakon, der die Herden des Heiligen verletzt hatte, indem er den Raub mit höhnischen Reden einleitete und begründete, starb in Brioude vor der Basilika innerlich und äußerlich vom Fieber verbrannt (proclamat se miser incendi per martyrem… jactarique super se aquam deprecabatur… tamquam de fornace ita fumus egrediebatur e corpore 17). Ein Soldat ruft dem Proconsul zu: Warum schickst du mich gegen einen Mann (Andreas), der mich mit seinen Zauberkräften verbrennen kann (qui… suis me virtutibus incendere potest). Dann entweicht der Dämon aus ihm und er fällt tot hin (Andreae 18). Die letzten Fälle scheinen an den Glauben zu erinnern, daß man Hexen durch eine fern von ihnen vollbrachte Handlung namentlich durch Verbrennen bestimmter Gegenstände peinigen kann. Durch Feuer wird auch der Diakon bestraft, der einen vom h. Nicetius von Lyon hinterlassenen Mantel wie [6] ein gewöhnliches Kleidungsstück trennt und benutzt. Vom Dämon ergriffen fällt er nieder und speit Blut, dabei fallen die Füße in das Feuer und pedes cum pedulibus ignis pariter devoravit (Patrum VIII 5). Hierher gehört auch noch die Erzählung von dem Bischof in Brioude, der durch sein Gebet einen furchtbaren Sturm entfesselt um die hartnäckigen Heiden zu strafen und zur Bekehrung zu zwingen (Juliani 6). Durch Erdbeben, Blitz und Donner straft Andreas seine Verfolger und besonders eine Mutter die ihren Sohn verleumdet (Andreae 4). Strafe durch Blitz kommt auch in den Sagen der neueren Zeit noch vor. Auf der Straße von Clermont nach Tours im Berry bei la Croix Moquée hatten Arbeiter aus der Auvergne im Übermut den Stamm des Kreuzes angesägt. Mais à peine le fer effleura-t-il le bois sacré que l’on en vit jaillir des gouttes de sang et que les deux sacrilèges, frappés de la foudre, furent engloutis dans un abîme qu’elle ouvrit sous leurs pieds. In ruhigen Nächten hört der Wanderer noch das unterirdische Geräusch einer Säge (Laisnel de la Salle II 96.) Ein sehr belehrendes Beispiel findet sich im Coronement Looys 515 ff. Vgl. Zeitschr. f. rom. Ph. XI 343. Viel häufiger sind natürlich die Fälle, in denen die Heiligen ihre Verehrer gegen die Elemente schützen. Ein furchtbares Gewitter in Brioude, bei dem der Blitz durch die Öffnung, die für die Glockenseile bestimmt war, einschlug, verletzte niemanden (Juliani 27). Wachs aus der Basilika des h. Martin löschte einen Brand (Martini I, 2); in Bordeaux wird sogar eine Feuersbrunst, ohne materielle Mittel, durch Gebet zum h. Martin gelöscht (IV 47), ein Fall der bei Gregor sehr selten ist. In Poitiers erhob Plato, ein Schüler Gregors, das Gefäß mit dem Staube vom Grabe gegen das Feuer, erweckte dadurch einen Gegenwind und schützte das Haus der Kirche (IV 32). Ähnlichen Erfolg hatte Gregor selbst (Martyrum 10). In Clermont ging der h. Gallus bei einem großen Brande mit offenem Meßbuche den Flammen entgegen und dämpfte das Feuer (Patrum VI 6). In Gregors elterlichem Hause wurde ein Balkenbrand durch die Nähe der Reliquien des Eusebius gelöscht (Conf. 3). Auf dem Gute seiner Eltern wurde ein großer Brand auf den Feldern durch Reliquien unbekannter Märtyrer beschränkt (Martyrum 83). In Thiers (Puy-de-Dôme) schützten die Reliquien des h. Symphorianus zwar nicht die aus Holz gebaute Basilika, blieben aber selbst in der gewaltigen Glut unverbrannt (Martyrum 51). Stark von biblischen Wundern beeinflußt sind wohl die Legenden über Stürme auf der See und auf Strömen, die sich auf das Geheiß der Heiligen beruhigen (Andreae 8, 21, Patrum XVII 5, Martyrum 75, 82, Martini I 2, II 17). Gegen Feuer half auch eins der Zauberlieder Wodans im Havamal (Ein Siebentes brauch ich, seh’ ich den Brand – Hoch um der Menschen Behausung, – Wie breit er auch brenne, ich bring’ ihn zur Ruh’ – Mit zähmendem Zaubergesange). Eine längere Abhandlung über die Meinungen der Bewohner von Berry über die Kunst das Feuer zu bändigen (barrer le feu) giebt Laisnel de la Salle I 254 ff. On cite des exemples prodigieux de cette faculté surnaturelle; malheureusement ceux qui barrent le feu risquent leur âme; ce qui fait que ces précieux thaumaturges deviennent excessivement rares (254). Der Verfasser weist auch noch auf das von Raphael verewigte Wunder im Brand vom Borgo hin. Wenn die Edda selbst das Wunder dem christlichen Sagenkreise entnommen hätte, so ist es doch wahrscheinlich, daß diese Feuerbesprechung schon in vorchristlicher Zeit nicht bloß im keltischen Volksglauben vorhanden war. Wie in Tirol wurden auch in Frankreich früher gegen Blitzgefahr die Glocken geläutet. Berühmt wegen ihrer Kraft waren im Berry die Glocken von Saint Phalier zu Chabris, genannt les bons chiens [7] … qui mieux que limiers suivant la piste, savent chasser les démons et les tempètes (Laisnel de la S. I 257). Das Wachs der am Grabe des h. Martin geweihten Kerzen schützte gegen Hagel. Agrum quendam grando annis singulis vastare consueverat… Tunc ego in vineis illis arborem unam, quae erat excelsior ceteris, eligens, de sancta cera super eam posui. Post illam autem diem usque in praesens tempus numquam ibidem tempestas caecidit, sed veniens, locum illum tamquam timens praeteriit (Martini I 34).

Ein Lichtwunder dürfte noch zu erwähnen sein. In Bazas fielen von der Höhe der Kirche auf den Altar drei kristallhelle Tropfen nieder, die sich zu einer Perle vereinigten, ein Symbol des Geheimnisses der h. Dreifaltigkeit. Diese Perle in einem goldenen Kreuz gefaßt, erscheint dem Unschuldigen hell, dem Sünder dunkel (Martyrum XII). Diese von dem persönlichen Seelenzustande abhängige Veränderung in den Dingen bildet auch die Grundlage der bekannten Sagen von dem Wunderhorne des Auberon und dem noch von Ariost erwähnten Zauberbecher, aus dem nur der trinken kann, welcher durch treue Liebe beglückt wird.

Ein eigenartiger Windzauber liegt der folgenden Erzählung zu Grunde. Es wollte jemand aus der Gegend von Nizza Reliquien des h. Hospitius nach dem berühmten Kloster Lirinum (Saint Honorat) bringen. Das Schiff auf dem er sich befand, war nach Marseille bestimmt, und da es Juden gehörte, wagte der Überbringer nicht seinen Wunsch zu äußern. Plötzlich steht das Schiff, obwohl keineswegs Windstille herrschte, auf der Höhe von Lirinum still. Den staunenden Besitzern erzählt der Christ nun seinen Wunsch, er wird ans Land gesetzt und die Weiterfahrt geht ohne Hinderung von statten (Conf. 95). Dienstbar machte auch St. Martin das Licht den Menschen, indem er Lanzen und Schwerter leuchten ließ, so daß die Träger in einem Falle in großer Dunkelheit bei Gewitterhimmel den Weg über die Loire fanden, in dem anderen Falle die Umgegend einer Burg in Italien, welche von Barbaren belagert wurde, deutlich übersehen konnten (I 10, 14). In seiner Kapelle in Tours entzündete das Licht der Lampe vor dem Altar die Kerze einer Dienerin, die sich in Verlegenheit befand, aus erheblicher Höhe von selbst (Martyrum 14). Daß der Docht einer von seinem Grabe genommenen Kerze das Fieber stillt, gehört kaum noch hierher (Martini II 2).

Schlagende Stellen finden sich über die Annahme, daß in der Windhose ein Dämon sitzt der sie erregt um Schaden zu stiften. Ein Bürger von Bayeux der reichlich Wein getrunken hatte, ging ungeschickt seines Weges. Subito diversis flantibus ventis pulvis campi commovetur, et mixtum, ut solet, cum stipulis in sublime levatur, fitque totum aer una nubs pulveris, de qua hic opertus, amisso sensu, equo deicitur (Martini II 53). Er verfällt in Verfolgungswahnsinn, von dem er aber geheilt wird. Nach Jahren erleidet er einen Rückfall data, ut credo, iterum inimico potestate, also auch die erste Erkrankung war Werk des Feindes. Ein anderer Fall der ein dreijähriges Kind betraf, in Limoges, ist noch deutlicher: commotam per emissionem diabolicam vim venti, pulvis a terra cum paleis elevatur, super puerum ac matrem ejus cum magno turbine fertur (Martini III 16). Da die Mutter nicht schnell das Kreuzzeichen macht, so erblindet der Knabe. Dieser letzte Zug findet sich noch in zahlreichen Tiroler Sagen. Vgl. auch Martini III 20. Ein guter Geist war in dem Sturm, der den von einem zu harten Richter Verurteilten rettete (commoto subito vento, audivit vocem dicentem: Liberemus eum Martini III 53). Da erhebt sich ein Sturm aus allen Windrichtungen und [8] der Galgen stürtzt zusammen. Von guten wie von bösen Geistern im Winde und in Wolken finden sich in Frankreich noch Sagen genug. In der Normandie sagt man nach De Nore 263: Si l’on tire sur la nuée la plus noire, avec une balle bénite, il en tombera infailliblement un sorcier. Vgl. v. Alpenburg 257: Solche Hexenwetter vertrieb der vor sieben Jahren verstorbene Anton Hechenblaikner, am Reiterberg im Alpbachthale. Sobald eine dunkle Wetterwolke heranzog, schoß er aus einem kleinen Kanönchen gegen die Wolke hin mit einer bekreuzten Kugel, welche er am Palmsonntage mit den Palmen weihen ließ, und so glaubte er fest, er habe das Wetter unschädlich gemacht. Es fällt auch wohl eine Hexe aus der Wolke (Panzer II 167 nach dem Segen). Lorsque les Bretons aperçoivent un tourbillon de poussière, ils se persuadent, comme le font aussi les Irlandais, que ce tourbillon renferme dans son sein un groupe de fées qui changent de demeure (De N. 217). Die Bergbewohner des Dorfes Burbanche im Bugey sagen bei einem Sturm im Walde qu’une légion d’Esprits aériens était tombée sur le petit bois, et qu’ils avaient attristé le vallon de leurs gémissements et des cris de leurs douleurs (Monnier 29, etwas ganz ähnliches aus Abrêts, Isère). In der von Monnier angeführten Stelle aus Henri Boguet, discours des sorciers, 2e éd. p. 145 wird gesagt, daß es Zauberer gäbe qui, après avoir battu l’eau…, sont guindés en l’air avec les vapeurs et fumées qui s’élèvent de la même eau. Aus der Mitte von Frankreich (Berry): Chaque fois que les fruits de la terre ont été ravagés par la grêle, il est rare que nos paysans ne racontent pas que, dans telle paroisse, au moment où l’orage était le plus effrayant, un coup de fusil tiré dans la nuée, en fit tomber un ou plusieurs prêtres, dans les poches desquels se trouvèrent une grande quantité de grêlons. Au reste, aux yeux de nos villageois, qui ont conservé la plupart des préjugés du moyen âge, tout prêtre est un grand savant, et tout savant, étant plus ou moins sorcier, passe nécessairement pour être plus ou moins malfaisant (Laisnel de la Salle II 134). In Ephesus erlangte der Apostel Johannes durch sein Gebet, daß an der Stelle auf einem Berge, wo er zwischen Wänden die kein Dach hatten, sein Evangelium schrieb, kein Regen fiel bis er das Werk vollendet hatte (Martyrum 29). Als die Reliquien der hh. Agricola und Vitalis von Bologna nach Clermont gebracht wurden, regnete es in der Nähe dieser Stadt heftig. Aber der Teil des Zuges, in welchem die Reliquien getragen wurden blieb vom Regen dauernd verschont (43). Gregor selbst reiste von Burgund nach Clermont, beim Heranziehen eines heftigen Gewitters erhob er die Reliquien die er bei sich trug gegen die Wolke, da teilte sich diese und das Gewitter schadete weder ihm noch seinen Begleitern (83). Weniger schlagend sind folgende Fälle. Bei der Belagerung von Chinon im J. 463 entstand im Innern Wassermangel. Da prophezeite der Abt Maximus Regen der auch wirklich eintraf (Conf. 22). Bei dem Feste des h. Thomas im Orient (Martyrum 32), wo ein großer Zulauf des Volkes stattfand, lieferten die Brunnen wunderbarerweise soviel Wasser mehr daß es ausreichte. Mehr Beachtung verdient hier wieder die Sage von dem Schnee, der alles ringsherum bedeckte und nur das Grab eines Heiligen unbedeckt ließ (Conf. 71). Zur Erläuterung brauche ich hier nur hinzuweisen auf die beinahe zahllosen Sagen von Wetterhexen in Tirol und in anderen Gegenden. Während sonst diese Thätigkeit in unserer Zeit Zauberern beigelegt wird, sehen wir hier aus dem östlichen und südlichen Frankreich Fälle beigebracht, in denen Personen, die Gregor und seinen Heiligen gewissermaßen näher standen, dieselbe Macht ausübten. Le bon curé des Alymes, l’abbé Castin, passait bien auprès de certaines [9] gens du Bas-Bugey pour avoir le don d’écarter les orages de sa paroisse; mais deux de ses confrères, des bords de la rivière d’Ain, eurent pendant quelque temps la réputation contraire. Un jour, aux environs de 1835, nous entendîmes raconter par des vignerons, à la veillée, que les curés de St.-M. et de C.-G. avaient été vus se disputant un nuage de grêle. Nous ne savons si, dans le cercle qui écoutait, ce récit a soulevé plus de terreur que de colère, mais on n’avait pas l’air de douter de la véracité du conteur (Monnier 31 Anm.). Ähnliches erzählte eine alte Frau aus dem Dorfe Crançot im Jahre 1818 Monnier (32). Aus der Pyrenäengegend berichtet De Nore 97: Les montagnards disent que lorsque la grêle ne tombe point sur une paroisse, c’est que le curé a jeté son chausson en l’air dans la direction de la nuée.

Mythische Flora. Auch ohne Gregors Mitteilungen würden wir nach den gründlichen Untersuchungen Mannhardts (F. W. K. I) annehmen dürfen, daß man zu seiner Zeit noch eine Art Baumkultus gefunden hat. Um dieser unausrottbaren Sitte die kirchliche Weihe zu geben, begünstigte der Clerus die Entwickelung von Sagen, welche als Grund der Heilkraft die Vermittelung eines christlichen Heiligen, der mit dem Baum in irgendwelche Beziehung gekommen sein konnte, nahelegten. Wo irgendwie ein Baum in der Nähe einer Kirche oder eines Grabes sich fand, besonders wenn er von ehrwürdigem Alter oder auffälliger Form war, hatte die Sage einen Anhalt, an dem sie üppig emporwucherte. Von diesem Gesichtspunkte aus sind die folgenden Mitteilungen aufzufassen und zu erklären. In einem kleinen Orte bei Tours sah der h. Martin einen Baum, der durch seinen Fall den Weg versperrte. Er machte darüber das Kreuzzeichen und richtete ihn wieder auf. Dort sah ihn noch Gregor gerade am Wege stehen, halb erstorben und fast ohne Rinde, die als Heilmittel abgekocht wurde (Conf. 7). Bei Chinon hatte ein Priester Johannes Bäume gepflanzt, von denen einer später fast verdorrt war. Der Verwalter des Gartens machte daraus eine Bank. Nach längerer Zeit empfindet er darüber Gewissensbisse, zerschlägt die Bank und gräbt sie ein. Im Frühjahre wachsen an der Stelle Sträucher von 5–6 Fuß (Conf. 23). Mit Blättern von Gemüsen oder Bäumen heilte die selige Monigundis Geschwüre (24). Severus, bei Tarbes lebend, befahl einmal einem Baume, der ihn verletzt hatte, zu verdorren. Nachher bereut er seine Heftigkeit und befiehlt ihm wieder zu grünen. Beiden Befehlen folgte sofort die Ausführung (49). Heilsam in Krankheiten war ein Stück Holz, welches von einem Baume, den der h. Laurentius beim Bau einer ihm geweihten Kirche verlängert hatte, übrig geblieben war (Martyr. 41). Ein gutes Geschäft machte jemand mit Birnen, die auf dem Grabe der h. Nazarius und Celsus bei Embrun wuchsen (46). Von dem Maulbeerbaum, der an der Stelle stand, wo der h. Genesius bei Arles enthauptet war, waren Zweige und Rinde heilkräftig (67). In einer Stadt in den Pyrenäen (urbis Beorritanae) hatte ein Heiliger durch sein Gebet eine dürre Kastanie wieder grünen lassen. In seiner Basilika wurden an seinem Gedenktage verdorrte Lilien wieder grün (73). Bei Nîmes stand über dem Grabe des h. Baudelius ein Lorbeerbaum, der ohne Rinde und Blätter war, weil sie außerordentliche Wunder bewirkten. Als ein Kaufmann mit solchen Blättern sich einem orientalischen Hafen näherte, riefen die Besessenen schon vor der Landung vor dem staunenden Volke, der h. Baudelius nahe der orientalischen Küste (77). Deutlicher kann die Mannhardtsche Auffassung kaum bestätigt werden. Ein Stück von dem Holzgeländer, welches das Grab des h. Martin umgab, war von jemandem mitgenommen worden, der es [10] nicht genügend in Ehren hielt. Da mahnt ihn eine drohende nächtliche Erscheinung es Gregor zu bringen (S. Martini I 35). Von Stäben, die auf das Geheiß der Heiligen grünen, lesen wir noch Patrum X 3, Conf. 39. Daß ein Einsiedler bei Autun einen Holzkessel zum Kochen seiner Gemüse benutzen kann (Conf. 96), dürfte hier auch zu erwähnen sein. Diese Legende steht wohl in Verbindung mit der Sage, wonach gewisse Holzarten vor dem Blitze schützen (Laisnel de la Salle I 59). Auf dem Grabe des h. Julian findet ein Diakon Urbanus eines Morgens wunderbare Rosen, von besonderer Schönheit mitten im Winter, die nachher Heilungen bewirken (Jul. 46). Auf den Leichnam des h. Gallus in der Basilika St. Laurent in Clermont hatte man, damit er nicht anschwelle, ein Rasenstück gelegt. Dies wurde nachher in einem Garten weiter gepflegt und das Gras heilte Krankheiten (Patrum VI 7). Von gleicher Kraft erwiesen sich Kräuter, welche die Verehrung des Volkes in Lyon über das Grab des h. Nicetius gestreut hatte (Patrum VIII 6) und welche der Diakon Agiulfus, als er 590 von Rom zurückkam, nach Tours brachte. Aus Spanien berichtete man Gregor, daß der Hofnarr des Königs Miro durch Erstarrung des Armes bestraft wurde, weil er Trauben von einem der Basilika des h. Martin gehörigen Weinstock abschneiden wollte (Martini IV 7). Eine besondere unbekannte Pflanze wuchs in Caesarea Philippi vor einem Erzbilde Christi (Martyrum 20). In Besançon heilten die am Grabe des h. Ferreolus und Ferrucius aufgelesenen Kräuter Gregors Schwager (Martyrum 70). In Dijon legte man Moos vom Grabe des h. Tranquillus auf kleine Geschwüre (Conf. 43). In Saint-Lizier (Ariège) unter dem Leichname des h. Valerius (Conf. 83) fand man Lorbeerblätter, die der Bischof Kranken gab. In Cieutat (Begorra), Hautes Pyrénées, blühten sonst verdorrte Lilien am Tage des h. Genesius wieder auf (Martyrum 73). Beinahe dieselbe Sage wird von den Lilien in der Basilika des h. Severus bei Tarbes erzählt (Conf. 50). Reicher ausgeschmückt ist eine annähernd entsprechende Sage, welche Gregor, nach Prudentius, vom Grabe der h. Eulalia in Merida in Spanien erzählt (Martyrum 90). Sunt igitur ante ejus altare… tres abores… cumque jam medio mense decimo (10. Dec.)… sint ab omni foliorum decorae nudatae, ea die inlucescente caelo in modum columbae alitis flores proferunt suavitatis, scilicet quod sanctus ejus spiritus in columbae speciae penetraverit caelos, et quod beatum ejus corpusculum jam exanime vestibusque nudatum nix caelitus decedua molli vellere contexisset. Wenn die Blüten früh kommen, ist das Jahr günstig, wenn sie nicht aufbrechen wollen, sucht man durch Singen die Heilige zu erweichen. Vom Auslande hatte Gregor ebenfalls die Legende von dem Grünen der Dornenkrone Christi (Martyrum 6). Von einem Cultus des Vegetationsdämon giebt es noch eine ganze Reihe von Spuren in Frankreich. En Berry, comme ailleurs, on connaît plusieurs plantes qui, lorsqu’on les cueille dans la matinée qui ouvre le jour de la Saint-Jean acquièrent des propriétés merveilleuses. Les unes, telles que l’hièble, le frêne, l’aune, etc. sont employées par les sorciers dans l’exercice de leur art infernal ; les autres, au contraire, servent à éloigner ou à détruire les maléfices : de ce nombre sont le trèfle à quatre feuilles, l’aubépine, le buis, etc. (Laisnel de la Salle I 238). Aus ungedruckten Bemerkungen eines Präfekten von Saône-et-Loire (Roujoux) führt Monnier 390 folgende Stelle an: Il n’est pas rare de rencontrer au printemps une mère en pleurs, agenouillée devant un aubépin, priant avec ardeur pour un enfant fiévreux, qu’elle tient dans ses bras. Elle est sûre de sa guérison ; les vents porteront au ciel ses voeux avec la douce exhalaison des fleurs de l’aubépine. [11] On dit que les branches de cet arbrisseau formèrent la couronne du Christ, et cet acte de religion, fait avec ferveur, résultat d’une foi sincère, aurait droit au respect des hommes, s’il ne s’adressait pas à l’image matérielle dont ces gens simples ne séparent aucune idée.“ Auch der Maibaum gehört nach Mannhardt zu den Gegenständen dieses Cultus, von ihm findet man noch vielfach Beispiele (Monnier 307: Cet usage est, je pense, universel ; il n’appartient pas plus à telle province qu’à telle autre). Von Maibäumen in Bordeaux und Périgord spricht de Nore 137, 149. Ein heilkräftiger Gebrauch aus der Bretagne wird 231 erwähnt: Jadis, on faisait passer les hommes et le bétail par un creux d’arbre pour les préserver d’accidents et les guérir des douleurs qu’ils ressentaient dans le dos et dans les membres. Au VIIe siècle, saint Éloi reprochait cette superstition au peuple. Im Westen wie im Osten schützt der Weißdorn gegen den Blitz (De Nore 261, Monnier 389 f.) In der Bretagne pflückt man unter seltsamen Gebräuchen heilkräftige Kräuter gegen Viehkrankheiten (De Nore 225), gegen Gifte und Behexungen die Mistel (184), in Périgord Johanniskräuter gegen Krankheiten und Zaubereien (150 f.)

Wasser. Auch die unausrottbare Verehrung des Volkes für heilige Quellen suchte die christliche Sage durch Beziehungen auf das Leben der Heiligen auszunützen. So in Brioude: In loco autem illo quo beatus martyr percussus est fons habetur splendidus, lenis, dulcibus aquis uberrimus, in quo et a persecutoribus caput amputatum ablutum est (Juliani 3). Diese Quelle hilft u. a. auch Gregor gegen die Folgen eines Sonnenstichs, gegen Fieber selbst in schweren Fällen 25, 26. Ein Priester aus Limoges, Aridius, hatte eine kleine Flasche daraus geschöpft: „Antequam ad domum accederem colore spissitudine atque odore in balsamo conmutata est (41). Eine Wunderquelle ließ der h. Marcellinus in Embrun entspringen (Conf. 68). Aridius aus Limoges fand auch das Wasser eines vom h. Martin gegrabenen Brunnens heilkräftig: puteum quem sanctus dei proprio labore patefecit (Martini II 39). Zur Belohnung einer Frau, die ihm Wasser gegeben, kniet Martin nieder und betet. Ac statim consummata oratione, disrupta terra, fontem inmensum populis admirantibus patefecit. Qui usque hodie beneficium praebet hominibus… IV 31. Der Einsiedler Caluppan betet mit ähnlichem Erfolge: Statimque… gutta laticis a caute prorumpens coepit solum stillis frequentibus inrigare Patrum XI 2. In Köln wurde ein Brunnen erst wunderkräftig, nachdem Märtyrer von der thebäischen Legion hineingeworfen waren (Martyrum 61). Andere Beispiele berichtet Gregor aus dem Auslande. In Bethlehem zeigte sich Einzelnen ein Stern in dem Brunnen, aus dem Maria geschöpft hatte (Mart. 1). Von den bekannten spanischen Osterquellen berichtet er Mart 23. Es scheint, daß er auch die Sage von den drei Quellen an der Stelle, wo Paulus enthauptet wurde, gekannt hat (Mart. 28). Unreines stößt das heilige Wasser aus, wie der Jordan. Eine Frau will, wie es Sitte war, mit Anderen am 6. Januar in den Fluß steigen: Cumque… amnem ingrederetur, mirum dictu fugit aqua ante pedes ejus; illa quoque insequente, fluvius ad ripam aliam premebatur. Sie bekennt dann: Septem jam a me parvulos editos interfeci, octavum adhuc die praeterita sugillavi (Mart. 87). Ein böser Geist, Dämon oder Zauberer läßt bei Limoges eine nützliche vielfach ausgenutzte Quelle verschwinden… insidiatoris, ut credo, invidia sub terra dehiscit, ac velut in stadiis duodecim in medium paludis, ubi nullum prorsus possit opus efficere, fluctibus sparsis, exoritur. Die Reliquien des h. Clemens geben ihr später den gewöhnlichen Lauf [12] wieder (Mart. 36). Die Heiligen beherrschen auch die Gewässer und gebieten ihnen, die Menschen, die sie anrufen, zu verschonen oder zu begünstigen. Die bösen Geister haben gleichfalls Gewalt über dieselben, aber unterliegen, wenn jene angerufen werden. Zu Ostern wollte eine Fähre bei Tours über die Loire setzen, um Wallfahrer nach der Zelle des h. Martin zu bringen. Da entsteht plötzlich temptatoris inpulsu ein Windstoß und das Fahrzeug schlägt um. Hilfeflehend wenden sich alle an St. Martin und sie gelangten sämtlich ans Ufer (Martini I 2). Ähnlich rettet Romanus bei Blaye an der Gironde die Seefahrer sobald sie seine Basilika aus der Mitte des Stromes erblickt haben, wie Gregor persönlich erfuhr. Ein Kaufmann aus Trier erzählte der Äbtissin Agnes aus Poitiers, er sei im Salzhandel mit einem Schiffe in Metz gewesen und habe an der Moselbrücke Abends sich schlafen gelegt in seinem Kahn mit den Worten „Domne Martine, me et puricellos quos habeo et navicellam meam tibi conmendo.“ Am anderen Morgen sei er in Trier erwacht, weder die hochgehenden Fluten noch die Klippen der felsigen Ufer hätten seinem Fahrzeuge geschadet, das führerlos flußabwärts fuhr (Martini IV 29). In Trier erlebte der h. Nicetius folgendes: Dum Mosellam fluvium navigio transnataret, inter pilas pontis fluctuum actus inpulsu, palmis tantum pilae adhaesit, pede contenens navem, et sic ab intuentibus jam ad dimersionem paratus erutus est, quod non sine temptatoris insidia haec pertulisse ferebat (Patrum XVII 3). In der Indre hatte der h. Ursus eine Mühle gebaut, indem er das Wasser durch Steinschleusen zurückhielt. Ein Gothe Silarius, dem die Mühle gefiel, wollte sie kaufen und baute, als er abgewiesen wurde, flußabwärts neue Schleusen, die den Betrieb des höher gelegenen Werkes störten. Der Abt betete zwei Tage und zwei Nächte ununterbrochen; am dritten Tage war die ganze Anlage des Gothen spurlos von den Fluten verschlungen (Patrum XVIII 2). Die Entstehung dieser Sagen ist klar genug. Flüsse und Seen waren ursprünglich von Gottheiten bewohnt, bei den Kelten sowohl wie bei Germanen und anderen Stämmen. Eine bekannte Stelle darüber findet sich im Leben des h. Hilarius: Mons enim erat in Gabalitano territurio cognomento Helarius (montagnes d’Aubrac, Longnon 529) lacum habens magnum. Ad quem certo tempore multitudo rusticorum, quasi libamina lacui illi exhibens, lenteamina projeciebat ac pannos, qui ad usum vestimenti virili praebentur; nonnulli lanae vellera, plurimi etiam formas casei ac cerae vel panis diversasque species, unusquisque juxta vires suas, quae dinumerare perlongum puto. Veniebant autem cum plaustris potum cibumque deferentes, mactantes animalia et per triduum aepulantes. Quarta autem die cum discendere deberent, anticipabat eos tempestas [immensa] cum tonitruo et corruscatione valida; et in tantam imber ingens cum lapidibus violentiam discendebat, ut vix se quisque eorum putaret evadere. Sic fiebat per singulos annos, et involvebatur insipiens populus in errore (Conf. 2). Der Bischof predigt den Leuten und mahnt sie von diesem Götzendienst abzulassen „Nulla est enim religio in stagnum“. Es wird dort eine Basilika gebaut und die Gaben dieser dargebracht. Der Sturm hörte von da ab auf und störte die christliche Feier nicht mehr. – Ein Bauer muß ganz früh um Holz zu holen über eine Schiffbrücke fahren. Zufällig hatte ein Geistlicher bei ihm die Nacht zugebracht und sein Brod geweiht. Mitten auf der Brücke hört er plötzlich eine Stimme: Merge, merge, ne moreris.“ Cui respondit vox alia, ait: Sine tua enim admonitione quae proclamas fecissem, si res sacra meis conatibus non obstaret. Nam scias, eum euglogiis sacerdotis esse munitum, ideo ei nocere non possum. At ille voces audiens et personam [13] nullius cernens ac de se verba jactari cognoscens, consignans se cruce dominica, gratias Deo egit, quod ei pars adversa praevalere non potuit (Conf. 30). Diese Geschichte könnte genau so in den Sammlungen von Panzer und v. Alpenburg sich finden. Die allgemeine Anschauung findet ihren kürzesten Ausdruck in der aus den apokryphen Evangelien geschöpften vita s. Andreae: Der Apostel badet und heilt am Wasser einen Besessenen. Es erfolgen Bekehrungen und Andreas erklärt: Inimicus generis humani ubique insidiatur, sive in lavacris sive in fluminibus (27). In den heutigen Sagen erscheinen die Seen und andere Gewässer überwiegend von Feen bewohnt (v. Alpenburg 98–102), doch auch von verderblichen Wesen. In den Krimmler Wasserfall wirft man Steine, wodurch die Geister günstig gestimmt werden, abweichend von der gewöhnlichen Sage. Jemand der auf den Grund des Ammersees zu dringen suchte, hörte die Worte: „Ergründst du mich, so schlück ich dich.“ Ein goldener Ring wird alle Jahre hineingeworfen, damit er nicht austrete (Panzer II 236 f.). Aus De Nore: Les Bretons nomment[WS 1] Mary-mor-gands, les fées qui habitent les eaux, et, à Vannes, on appelle Groac’hs celles qui vivent dans les puits 212. A Toulouse, on jette des pièces d’argent dans la fontaine de Sainte-Marie, pour la rendre propice (81). Si l’on insulte le lac de Tabe, en jetant quelque chose dans ses eaux, on excite des tempêtes, on est consumé par le feu, brisé par la foudre etc. (80). La fontaine de Moniès, près de Dourgue (in den montagnes noires östlich von Toulouse) guérit les douleurs au moyen des ablutions que l’on fait avec son eau sur la partie du corps qui est affectée (95). Besonders groß ist die Wirksamkeit am Johannistage. Eine Quelle la Sague canine a la réputation de rendre les femmes fécondes. Aussi voit-on fréquemment des pèlerines agenouillées au bord de la source et puisant force verres de l’eau du miraculeux bassin (96). Les bonnes femmes vont se laver les yeux à la fontaine de Saint-Thyrses (commune de Labruguière). Le saint ayant été roulé jusqu’à cette source, dans un tonneau garni d’instruments tranchants, la doua de la propriété de guérir des ophthalmies (96). Gegen Aussatz hilft das Baden in der fontaine dite de la Reine bei Lacaune. La reine ou la nymphe qui préside à cette source ne s’en éloigne jamais (97). Les fontaines, les lacs et les ruisseaux sont en grande vénération chez les habitants des Pyrénées. On jette dans leurs eaux des pièces d’argent, des aliments et des étoffes ; et pendant la nuit qui précède la fête de la saint Jean, on y lave ses yeux ou[WS 2] les parties du corps affaiblies par des infirmités (127. Vgl. 148). An den Stern in dem Brunnen zu Bethlehem erinnert einigermaßen folgende Stelle. Les habitants de Sorèze (in der Montagne Noire) se rendent, le jour de la saint Jean, à la fontaine de la Mandre, et là, munis de verres noircis, ils attendent le lever du soleil, parce que, dans ce jour solennel, l’astre doit danser en l’honneur du saint (96). Aus dem Berry: Nous connaissons, dans nos pays, un grand nombre de fontaines dont les eaux sont certaines (efficaces) contre les fièvres et une foule d’autres maux… Le fiévreux, dit M. Jaubert, dans le Glossaire du Centre, après y avoir bu, ne manque pas de déposer aux alentours une pièce de menue monnaie. Malheur au passant qui s’avisera de la ramasser ! il attrapera à son tour la fièvre“… En vain, depuis cet avertissement (der Kapitularien) les canons de l’Église tonnèrent-ils cent fois contre ces coutumes païennes, la vieille croyance celtique (oracle des fontaines, sources regardées comme des divinités) bravant et capitulaires et canons, s’est perpétuée jusque dans notre siècle de lumières (Laisnel de la Salle I 324).

Tiersagen. Seelen von Gestorbenen werden in Tauben verwandelt, so die Seele [14] der h. Eulalia (S. 10). Etwas weniger deutlich ist die Erzählung von der Taubenschar, die den Leichenzug der Jungfrau Georgia in Clermont begleitet (Conf. 33). Der Bildung der Sage liegt wohl die Anschauung zu Grunde, daß die Seelen anderer Jungfrauen und Gefährtinnen, die ihr im Tode vorangegangen, sie an der Schwelle des Jenseits empfangen. Auf diese Verwandlung müssen auch wohl alle jene Sagen zurückgeführt werden, in denen Tiere in irgend einer Weise Menschen führen und leiten, sich gewissermaßen als vernünftiger erweisen. Die Burgunder hatten Brioude (am Allier) erobert. Tunc Hillidius quidam a Vellavo (Le Velay) veniens et, ut aiunt, commonitione columbae alitis incitatus, super eos inruit… Quod ne quis dubitet hanc beati Martyris (Juliani) fuisse victoriam, sed insinuatio columbae aliquod misterium fuisse creditur virtutis divinae. Nam veniente Hillidio, haec in obviam venit; cum ille, ut adsolet, aliquid demoraretur, haec in circuitu illius volitabat, illoque progrediente, ista praecedebat et revertebatur in obviam, quasi accelerare deprecans iter… Sed et ipso pugnante, columba, semper circa eum est visa decurrere. Quod ne quis invideat confictum de columba et homini praestitum christiano, cum Horosius consolem Romanum, id est Marcum Valerium, a corvo alite scribat adjutum (Juliani 7). Bei Thiers (Puy-de-Dôme[WS 3]) fanden verirrte Kühe das verborgene Grab des h. Genesius (Martyrum 66). Bei Reims sollte ein Priester Reliquien von Heiligen nach deren Basilika bringen. Er läßt sich durch die Bitten einer Frau bewegen, ihr davon abzugeben. Sein Roß steht aber still und ist nicht von der Stelle zu bringen, bis er die Reliquien der Frau wieder abgenommen hat (Martyrum 54). Wenn Reiter es versäumen bei einer Kapelle zu beten, sind die Pferde nicht zu vermögen weiter zu gehen (bei Tours Conf. 8, bei Clermont Conf. 32). Freilich lehnen sich diese Sagen auch an entsprechende Stellen aus dem alten Testamente an. Ein Falke (milvus) entreißt einem reich gewordenen Weinfälscher das Geld mit der roten Börse und wirft es in die Saône (Conf. 110). Etwas anders verhält es sich mit den rasenden Rossen des Königs Charibert in der mit Unrecht besetzten Klosterwiese des h. Martin zu Nazelles bei Tours. Et frementes ad invicem, disruptis locis, per plana prosiliunt et in fugam vertuntur; et sic male dispersi, alii excaecantur, alii rupibus praecipitantur, alii sepibus ingerentes, palorum acuminibus ultro transfodiuntur (Martini I 29). Zur Bildung dieser Sage mag der Glaube beigetragen haben, der noch jetzt in manchen Gegenden Frankreichs herrscht, daß koboldartige Wesen (lutins, follets) sich mit der Pflege der Pferde befassen und sie ganz beherrschen (Monnier 653, De Nore 213). Meist zeigen sie ihre Gegenwart oder Macht nur in harmloser Weise, doch zeigen sie sich auch schelmisch und rachsüchtig (Monnier 647 ff.). Auch Dämonen trieben die Tiere zur Raserei vgl. S. 17 (Sulpicius Severus Dialogus II 9).

Wie die Seelen so verwandeln sich auch Dämonen in Tiere. Unweit Tours lebte der Abt Venantius, welcher et ipsis daemonibus saepius inpulsatus est, sed victor in certamine perstitit. Nam surgente eo quadam nocte de stratu suo, vidit duos arietes magnos suis foribus adsistentes, quasi praestolantes adventum ejus. Quo viso, furibundi ad eum cum impetu valido diregunt. At ille signum crucis opponens, illis evaniscentibus, absque metu oratorium est ingressus (Patrum XVI 3). Dem Nicetius von Trier erschien ein schwarzer Schatten mit Augen in modum tauri petulantis… At ille facto signo crucis econtra, in modum fumi ascendentis evanuit (XVII 3). Als Frösche quälten die Dämonen den zum Trunke neigenden Landulfus aus Vienne (Martini II 18). Aus dem Orient hat Gregor die Sage aufgenommen von sieben Dämonen, die in Hunde verwandelt [15] wurden (Andreae 6 und 7). Diese wohnten zuerst in Nicea inter monumenta sita secus viam, wohl in einer Art Campagnalandschaft zwischen Grabmälern oder Ruinen. Nicht ganz klar sind folgende Erzählungen. Ein Priester Pannichius bei Poitiers wollte mit Freunden Wein trinken. Eine zudringliche Fliege kehrte obwohl mehrmals abgewehrt immer wieder… sensit esse insidiam inimici. Er segnet den Kelch darauf und dieser zerspringt in vier Teile… liquor, qui inerat, elevata in excelso unda, terrae diffunditur, patuit namque manifestissime fuisse haec insidiam inimici (Martyrum 106). Als Theodorich die Auvergne verwüstete, erschien der Abt Partianus als Vermittler in seinem Lager bei Artonne (Riom), traf aber nur den Grafen Sigivald. Der Abt soll durchaus Wein trinken und ihn auch vorher segnen, da zerspringt der Becher und der Wein fließt zur Erde cum inmenso serpente (Patrum V 2). Die Franken danken ihm, daß er auch sie gerettet. Von Vergiftungen scheint in beiden Fällen keine Rede zu sein.

Die mittelalterlichen Drachensagen sind aus biblischen, griechischen und einheimischen, keltisch-germanischen, Teilen zusammengesetzt. Von Drachenkämpfen ist hier nicht die Rede, weil Gregor nicht Heroen sondern Heilige feiert, die die Ungeheuer durch Gebet töten. So Andreas (19): adolescens… rogavit, ut accederet ad agrum ejus, in quo serpens mirae magnitudinis erat, qui totam regionem illam devastabat… Erat enim longitudo ejus quinquaginta cubitorum… Der Apostel wirft ihm das Unheil, das er im Paradiese angerichtet habe, vor und tötet es durch sein Wort. Keltisch dürfte die Sage von den zwei Drachen sein, die Caluppan (Patrum XI 1) in wilder Gebirgslandschaft angreifen und ebenfalls von ihm mit der biblischen Schlange identificiert werden. Der ganze Ton der Erzählung erinnert an die Drachensage im Moniage Guillaume. In Paris tötete Marcellus eine ungeheure Schlange (Conf. 87). Vielleicht dürfen wir hier schon germanischen Einfluß annehmen. Weniger deutlich ist was Amabilis in Clermont that, qui virtutibus magnis saepe serpentibus dicitur imperasse (Conf. 32). Dieser Heilige wird in dem nahen Riom verehrt und man berührte noch im 18. Jahrhundert die von Schlangen Gebissenen mit seinem Zahne (Gaidoz 86). Diese Drachensagen haben sich ungemein zahlreich entwickelt und erhalten. (Vgl. Monnier 136.)

An bekannte Sagen von Einsiedlern und an den Schutz, den die saligen Fräulein den Gemsen gewähren, erinnert die Erzählung von dem Einsiedler Aemilianus in einem Walde der Auvergne… cohabitatores enim bestias avesque illi erant, qui ad eum cotidie tamquam ad Dei famulum confluebant (Patrum XII 1), wenn Gregor etwas Wunderbares dadurch hat ausdrücken wollen. Beachtenswerter dürfte sein, daß alle Tiere ihre Wildheit verlieren, wenn sie in Brioude in die Basilika des h. Julian geführt wurden. Die wildesten Stiere wurden sanft wie Lämmer. Teils beruhte das, wie Gregor angiebt, auf Beobachtung, es mag auch zur Sagenbildung die Vorstellung beigetragen haben, daß Zauberer wilde Tiere schon aus der Ferne bändigen können, um so mehr also der Heilige. v. Alpenburg 311: Ein unbändiger Stier raste auf der Alpe Verwall. Der Besitzer verkauft ihn spottbillig an einen Zauberer. Dieser schickt einen zwölfjährigen Knaben zur Alpe, von dem sich der Stier ganz folgsam lenken ließ. Verwall liegt bei Schuan an der Arlbergstraße. In Auch kehrten Bienen, welche wild geworden waren, nach Anrufung des heiligen Martin sogleich in den Garten des Besitzers zurück, und das gewonnene Wachs zeigte sich wie es scheint als heilkräftig gegen Rückenschmerzen (Martini IV 15). [16] Unerheblich und aus der Bibel entlehnt scheinen die Wunder von den Fischen, die sich fangen lassen, wenn ein Heiliger ihrer bedarf (Patrum XI 2, XVII 4, Conf. 5).

Die Grundlage aller dieser Tiersagen ist der Glaube, daß Seelen von Menschen und Dämonen in Tiere übergehen. Dafür finden sich in den französischen Sagensammlungen viele Belege. L’alouette, qui s’élève en chantant vers le zénith, est souvent une âme qui se rend en paradis… La même chose se raconte en Bretagne, au dire de M. de Villemarqué, et, selon cet auteur, ce serait là un des vestiges des vieilles croyances druidiques, d’après lesquelles l’âme revêtait souvent la forme poétique d’un oiseau (Laisnel de la Salle I 224). Im Bugey (Dép. de l’Ain) sah ein Gärtner die Seele seines Herrn als Schmetterling im Treibhause. Er verschwand auf die Frage „Ame de mon maître, est-ce vous ? Requiescas in pace (Monnier 143). D’autres (esprits) apparaissent sous des formes hideuses, d’hommes ou d’animaux, pour inspirer encore une plus grande crainte (De Nore 258). Werwölfe waren in der Normandie, (De Nore 265) in der Montagne noire (Pyrenäen), in Béarn (De Nore 99, 127) noch sehr verbreitet. Les gens de la campagne sont persuadés qu’ils ont rencontré plusieurs fois, dans la nuit, des béliers noirs qui vomissent des flammes, des chats noirs dont les yeux étincellent, des lapins blancs suspects, des taureaux rouges à cornes épouvantables, et des chiens noirs immobiles dans les lieux où il y a des trésors (De Nore 269. Normandie). Deutlicher noch als diese letztere Stelle sprechen die Beispiele aus dem deutschen Süden, vgl. v. Alpenburg c. X S. 210–219. Die Legende, daß Tiere den Leichnam eines Heiligen an eine bestimmte Stelle bringen, findet sich besonders in Deutschland noch oft. So brachten weiße Ochsen den Leichnam der Notburga in Tirol gerade dahin, wo sich ihr Tempel erheben sollte (Payer II 48).

Gegen Viehseuche holte jemand Öl aus den Lampen, die in der Basilika St. Martin brannten… deportatumque domo pecora intinctum digitum in liquore, per frontes et dorsa cruce dominica signat, ipsisque animalibus ex hoc unguine fide plenus infudit in ore. Mox dicto citius clandestina peste propulsa, pecora liberata sunt (Mart. III 18). Als bei Bordeaux eine Pferdekrankheit herrschte, ging man zur Kapelle des Heiligen in Marsat bei Blaye und betete. Cumque his haec causa commodum exhiberet, addiderunt ut de clave ferrea, quae ostium oratorii recludebat, caracteres caballis imponerent (33). So werden mit den glühend gemachten Hubertusschlüsseln[WS 4] (clefs oder cornets de St.-Hubert, vgl. Gaidoz La rage et St.-Hubert 127 ff.) auch Menschen, besonders aber Tiere gebrannt und dadurch gegen die Wutkrankheit geschützt. Gaidoz führt Stellen an, nach denen derselbe Gebrauch auch im Berry, in der Champagne, in Baiern und Württemberg sich findet. In der Normandie verkauft man kleine Hubertusringe gegen dieselbe Krankheit (De Nore 270). An vielen Orten Frankreichs herrschte nach Thiers, Superstitions I 371, der Gebrauch, das Vieh an den Kirchenthüren mit einem glühenden Eisen zu brennen, welches la clef de St. Pierre genannt wurde.

Dämonen. Kein Element der vorchristlichen Religionen ist so verbreitet gewesen, als der Glaube an böse Geister und Zauberer. Die Dämonen wirken nach Gregors Meinung wohl in der Weise, daß sie sich ganz äußerlich, nicht durch Besitznahme wie bei den Energumeni, an einzelne Menschen, die sich durch Sündhaftigkeit eine solche Strafe zugezogen haben, oder auch an Tiere heften. Ich schließe dies aus der Anschauung, die in dem Leben des h. Martin von Sulpicius Severus durchweg hervortritt. [17] Wenn dort ein rasendes Tier Schaden anrichtet, so sitzt ihm ein Dämon auf dem Nacken (Dialogus II 9), und wenn ein Mann sich gegen seine Vorgesetzten empört, so hetzen ihn dazu Dämonen, die sich in unmittelbarer Nähe des geschilderten Auftritts befinden[WS 5] (Dialogus III 15). Gesehen werden diese aber nur von besonders begnadeten Personen, z. B. von dem h. Martin. Von diesen Ansichten ausgehend, konnte sich Gregor die bekannten Erzählungen von den bösen Einflüssen der „Zauberer“ oder „Hexen“ erklären und sie als incursio diabolica u. s. w. bezeichnen. Der eigentliche Hexenglaube des späteren Mittelalters lag ihm natürlich fern. So, glaube ich, sind folgende Stellen aufzufassen. Cum autem quidam per incursum diabolicum oculum perdidisset… Jul. 22. Ein fast ganz Gelähmter kam zum Feste und… ab omni incursione diabolica mundatus, sanus abscessit, Martini III 14. Puer vero ex Andecavo terreturio, dum in domo parentum resederet, per inmissionem, ut ipse adserebat, artis diabolicae, manum pedumque perdidit usum ib. 27. Clericus… per incursum insidiatoris lumine multatus ib. 28. Servus… per incursionem nescio quam unius poplitis perdiderat usum ib. IV 41. Merobaudis quidam ex pago Pictavensi, dum esset laborans in opere, caecitate pessima, insidiatore inmittente, percussus est II 15. Ähnlich der Hexensage im Macbeth Andr. 32, 34. Daemon vero… seduxit puerum in secretum cubiculum et suffocavit eum, laqueo extorquens animam ejus Andreae 14. Andreas erweckt einen Ertrunkenen am Meeresufer. Dieser erzählt nun, daß durch Teufelskunst noch 39 Halbbekehrte mit ihm ertrunken seien Andr. 24. An mehreren Stellen ist vom Feuer die Rede. Eine Kirche in Rennes wird instinctu maligni, qui semper bonis adversatur operibus, vom Feuer ergriffen (Conf. 54.) Victurius… non perferens eclesiasticas caulas ab insidia satanae devastari, obviam se turbini (incendio) obtulit ib. 55, invidia temptatoris inmissum incendium Martini I 2. An eine Nachahmung der biblischen Erzählung von Hiob ist hier kaum zu denken. Dem widerspricht die Vergleichung dieser Krankheitsfälle mit anderen, bei denen die Andeutung, daß sie durch böse Mächte veranlaßt seien, fehlt, weder zeichnen sich die Leidenden in unseren Fällen durch besondere Tugend, noch in den anderen durch Sündhaftigkeit aus. Wie käme namentlich der junge Mann aus Angers (Martini III 27) dazu, seine Lähmung mit der Krankheit Hiobs irgendwie zu vergleichen? Entsprechende Sagen finden sich heute noch. Die „Brandhexen“, welche mit Blitz und Feuer die Häuser anzünden, besonders zur Zeit, wenn im Herbst Heu und Ernte gut eingebracht ist, sind besonders in Tirol bekannt (v. Alpenburg 257). Von den angeführten Stellen sprechen die, welche französischem Boden entstammen, von Anfällen von Lahmheit oder Blindheit. Die ersteren erklären sich möglicherweise so, daß Gregor Sagen gehört hat, wonach dämonische Wesen solche Leiden verursachen, die man annähernd richtig mit dem erklärenden Worte Hexenschuß bezeichnen kann (Meyer Myth. 135). Die zweite Klasse mag veranlaßt sein durch die Vorstellung, daß die stauberregende Windhose von einem Dämon erregt oder bewohnt war. Der Glaube, daß Zauberer und Hexen Krankheit und sogar Tod bringen, ist in Frankreich sehr verbreitet. Vgl. De Nore 140, 154, 170, 193, 242, 257, 260 u. s. w. Als in Trier die Pest herrschte, betete Nicetius, der Bischof, für seine Herde: factus est sonus de nocte magnus tamquam tonitruum validum super pontem amnis, ita ut putaretur urbs ipsa dehiscere. Cumque omnis populus exterritus in lectulis resedisset, letifero eis interitum operiens, audita est in medio rumoris vox una ceteris clarior dicens: Et quid hic, o socii, faciemus? [18] Ad unam enim portam Eucharius (erster Bischof von Trier) sacerdos observat, ad aliam Maximinus excubat, in medio versatur Nicetius; nihil hic ultra praevalere possumus, nisi sinamus hanc urbem eorum tuitioni. Haec voce audita, statim morbus quievit, nullusque ab eo ultra defunctus est (Patrum XVII 4). Aus dem Ultenthale bei Meran berichtet v. Alpenburg 301 eine ganz ähnliche Klage. Dort war an der Laugenspitze ein Sitz der Wetterhexen, von denen einst eine klagte: „Ach, hinter mir die heilige Maria von Sennal, vor mir der heilige Ritter Hippolitus auf Naraun, zur Seite der heilige Blutzeuge Pankrazius! Da soll der Teufel sein Wetter selber machen, wir vermögens nicht!“ Die Hexen sind freilich nicht mehr die Dämonen selbst, aber doch die ergebensten, verschriebenen Dienerinnen derselben. Wenn manche Zusammenstellungen dieses Kapitels weniger treffend erscheinen, so wird dieser Mangel, wie mir scheint, ausgeglichen durch den vorliegenden Fall, der bei der auffallenden Ähnlichkeit des ganzen Tones der Erzählung den Gedanken an eine Entlehnung nahe legt, wenn eine solche nicht zu unwahrscheinlich wäre. Ähnliches teilt Laisnel de la Salle I 262 aus dem Berry mit. Zwei entsetzliche Hagelschauer näherten sich der Gemeinde Thevet. Une voix sortie des profondeurs du dernier des nuages fit entendre ces paroles : Nous arrivons !… Avance ! Avance !… Pas possible, Martin (die Glocke der Kirche) parle ! répondit une autre voix qui partait du nuage le plus avancé. Darauf wenden sie sich links nach der Pfarrei St. Julien und verheeren alles. Man hatte übrigens die Stimmen erkannt. Es waren zwei Zauberer, Vater und Sohn, die noch im Laufe des Jahres elend umkamen.

Venantius (bei Tours wohnend) alia nocte regressus ab oratorio, invenit cellulam suam plenam daemoniis, dixitque eis: Unde venitis? A Roma, aiunt, hesterna die egressi, ad hunc locum accessimus. Quibus ille: Abscedite, inquit… Haec eo dicente, sicut fumus evanuerunt (Patrum XVI 3). Sehr beachtenswert sind die Ansichten, welche über das Verhältnis der Dämonen und der Heiligen zu Raum und Zeit in Umlauf waren. Wie germanische Götter müssen sie persönlich anwesend sein um zu nützen oder zu schaden. Gregor jammert in allem Ernste, als die Besessenen vor der Basilika ihm eines Tages zuriefen, der h. Martin sei nicht zugegen, er wirke Wunder in Rom (Martini II 25). Die Schnelligkeit ihrer Fahrten ist offenbar hergenommen von einer gewissen Beobachtung der Bewegungen der Luft, also von Windgöttern auf Heilige und Dämonen übertragen worden.

Die Erzählung von den Dämonen, welche einen Einsiedler mit Steinen werfen (v. Patrum I 1), scheint mir ein Nachklang solcher Sagen zu sein, nach welchen Riesen oder Hexen Unwetter erregen (Meyer Myth. 135 f.) und dadurch Bergstürze, Runsen, Steinregen und ähnliche schädliche Ereignisse veranlassen (v. Alpenburg 300). Nicht selten begegnet man in den Hexensagen der Anschauung, daß man der Zauberin indirekt körperlich schaden kann, indem man andere Dinge besonders Tiere schädigt. So legte nach v. Alpenburg 300 die Frau eines Zimmermanns die Ohren und Schwänze von gefallenen Lämmern aufs Feuer. Gleichzeitig empfand die schuldige Hexe den Schmerz und jammerte, sie müsse verbrennen, wenn das, was in der Küche auf dem Feuer stehe nicht weggenommen werde. (Vgl. Laisnel de la Salle I 291.) In einem gewissen wenn auch entfernten Zusammenhange damit steht die Meinung, daß jemand sterben muß wenn sein Lebensbaum stirbt (Mannhardt F. W. K. I 49 ff.). Wie Bäume so bedeuten bekanntlich [19] auch Lichter das Leben eines Menschen, und unter dem Einfluß dieser Vorstellung muß sich die Wundersage gebildet haben, die Gregor Martyrum 78 mittheilt: Ein Graf Gomacharius hatte ein Gut der Kirche zu Agde an sich gerissen. Bischof Leo veranlaßt ihn, nachdem der Graf vom Fieber ergriffen war, dasselbe herauszugeben, worauf er geheilt wird. Darauf bemächtigt sich der Graf von neuem des Gutes. Jetzt geht Leo morgens in die Kirche und löscht alle Lichter aus mit den Worten: Non hic accenditur lumen, donec ulciscatur Deus de inimicis et restituat res domus suae. In demselben Augenblick (Haec eo dicente protinus…) fällt jener wieder in das Fieber zurück und stirbt bald darauf. Natürlich verkenne ich nicht, daß der Bischof den Heiligen zwingen will, etwas für seine Kirche zu thun. Die beiden Vorstellungen schließen sich nicht aus.

Eine Schauergeschichte, wie sie in Spinn- und Webestuben erzählt wurden, folge hier. Hoc tempore et mulier quaedam, dum, discedentibus paribus, sola tantum remansit ad telam, apparuit ei sedenti umbra teterrima, quae arripiens puellulam trahere coepit. Ad illa vociferans et plangens, cum nullum aspiceret auxilium, viriliter tamen resistere conabatur. Post decursa vero duarum aut trium horarum spatia regressae mulieres reliquae, invenerunt eam semivivam humo jacentem, nihil penitus loqui posse. Innuebat quidem illa manu; sed nihil intellegentibus, haec muta permansit. Umbra vero, quae ei apparuerat in tantum hominibus domus illius insidiata est, ut relinquentes locum alibi conmigrarent (Martini III 37). Nach einigen Monaten erhält sie in der Basilika die Sprache wieder. In Orleans hatte ein junger Mann vom Hofe des Königs Childebert das Fieber. Staub vom Grabe des h. Martin hatte das Fieber gemäßigt: In sequenti vero nocte, cum dies ille, quo frangi consueverat, advenisset, vidit per visum advenientem personam teterrimam dicentemque sibi: Ecce jam tempus tui tremoris advenit, quid dissimulas? Age quod consuevisti! Da erscheint ihm im Traume der Heilige als ehrwürdiger alter Mann und heilt ihn. Auch dem Kaiser Justinus erschien ein solcher Schatten (umbra intolerabis Martyr. 5). Es will sich jemand in seiner Kammer erhängen. Et ecce umbra squalida atque funesta, quae nihil minus vultu quem diabolum similabat, apparuit ei hortans ac dicens: Heia, age, ne moreris… At ille semper agebat: Beatissime Paule, esto adjutor meus! Subito adfuit alia umbra huic similis, dicens ei quae eum homine erat: Fuge miserrime! En Paulum huc venientem!… Tunc evaniscentibus umbris, hic crucem virtutis dominicae pectori nutanti depingens, paenitentiam… agebat (Mart. 28). Ein anderes Beispiel aus dem Morgenlande: Uxor proconsulis abiit ad balneum cum procuratore suo. Cumque lavarentur simul, apparuit eis daemon teterrimus, a quo percussi ambo ceciderunt et mortui sunt (Andreae 23). In dichtem Dorngesträuch erscheint dem h. Nicetius von Trier umbra teterrima, statu procera, crassitudine valida, oculorum scintillantium inmensitate in modum tauri petulantis habebat, ore patulo quasi ad deglutiendum virum Dei parata. At ille facto signo crucis econtra, in modum fumi ascendentis evanuit. Quod non ambigitur, ipsum ei sceleris principem fuisse monstratum (Patrum XVII 3).

Die Bezeichnung umbra teterrima deckt hier natürlich Wesen verschiedener Art. Offenbar bezeichnet es mehrfach Krankheitsgeister, die aus dem Walde aber auch sonst von allen möglichen Orten kommen (Mannhardt F. W. K. I 22). Die Krankheitsgeister gehen über nach der einen Seite in Teufel und nach der anderen Seite in die „armen Seelen“, deren Nähe oft Siechtum oder Tod bringt. Die ganze Reihe der unteren Gottheiten [20] wurde auf christlichem Boden in Engel, unerlöste Seelen und Dämonen, je nach dem Grade ihrer Hilfsbereitschaft oder ihrer Schädlichkeit verwandelt. Wer den Tod, angelehnt an sein Haus sieht, stirbt bald (Panzer II 110). In Gestalt eines unheimlichen schwarzen Mannes zeigte sich ehemals in Tirol der Viehschelm (v. Alpenburg 62). An nächtliche Schatten und Phantome glaubt man noch jetzt in der Bretagne, den Pyrenäen (De Nore 85 f.) und in vielen anderen Gegenden Frankreichs. In Languedoc bringt ein „homme noir“ den verderblichen Hagel (De Nore 80). Hierher gehört auch wahrscheinlich die Geschichte von der dunklen Gestalt (sombre figure), die sich hinter den Bäumen des Waldes von Fontainebleau Heinrich IV. im Jahre 1598 zeigte (Monnier 82).

Leben und Tod. Die größte Zahl der Heilungen wird hervorgebracht durch Genuß des Staubes von den Gräbern. Zu den Bemerkungen, die Gaidoz in der Bibliotheca mythica I 211 ff. hierüber macht, ist folgendes hinzuzufügen. Gregor gehörte gewiß zu den gebildetsten Leuten seiner Zeit, aber als Theologe steht er eigentlich sehr tief. Er füllte seinen Platz sehr gut aus als Mann von unbeugsamer Rechtlichkeit und starrer Überzeugung, aber in seinen metaphysischen Anschauungen vermochte er sich den volkstümlichen Meinungen trotz eines gewissen nüchternen Verstandes nicht zu entziehen. So nimmt er denn ohne Kritik Vorchristliches als christliche Anschauung auf. – Wie stark die Meinung, daß durch die Asche der Verbrannten ihre Kraft übertragen werden konnte verbreitet war, scheint auch aus dem Bestreben der Heiden hervorzugehen, die Asche der Märtyrer nicht den Christen zu überlassen. Daher wurde die Asche der Märtyrer von Lyon (Martyrum 48), ebenso die der armenischen (95) ins Wasser geworfen. Gleiche Anschauung herrscht jedenfalls in Karls Drohung im Renaut de Montauban (S. 289) an Maugis: En charbon le ferai ardoir et embraser – Et la poldre cueillir et jeter en la mer. – Quant tot çou aurai fait, que vos ai devisé, – Si set tant li diables engiens et fausetés – Puis eschaperoit il, qu’il iert si atornés. Eine scherzhafte Übertreibung mag in diesem Falle allerdings auch vorliegen. Auch jetzt ist dieser Aberglaube noch nicht ganz verschwunden. Es klingt an das bekannte Verbot in den Capitularien gegen Genuß des Hexenfleisches an, was Laisnel de la S. I 165 erzählt. Dans quelques-uns de nos départements, les paysans vont encore trouver le bourreau, qui leur vend de la graisse de supplicié, qu’ils appliquent sur leurs écrouelles ou sur leurs rhumatismes.

Quidam ex Viennensi terreturio Landulfus nomine a lunatici daemonii infestatione vexabatur, ita ut plerumque ab hoste se vallari putans in terram corrueret, cruentasque ex ore spumas emittens, tamquam mortuus habebatur. Quod genus morbi ephilenticum peritorum medicorum vocitavit auctoritas; rustici vero cadivum dixere, pro eo quod caderet (Martini II 18). Thiers (Traité des superstitions I 517): Ceux qui se disent de la race de S. Martin prétendent guérir du mal caduc. Ich glaube kaum, daß ein Zusammenhang von Alters her zwischen diesen Wundern vorhanden war.

Die Verjüngung zweier Greise, welche den Leichnam des h. Julian bestatteten, wird schon von der älteren Passio bezeugt (senserunt eam se a Deo quam in juventute habuerunt pristinam recepisse virtutem). Gregor kennt die Sage in einer noch deutlicheren Form: ita redintegrati sunt ut in senctute summa positi tamquam juvenes haberentur (Juliani 1); qui senum quondam decrepitae aetatis membra rigentia antiquo vigore restituit (4). Die Sagen von einer Verjüngung des Alters haben ihren Grund in einer der ältesten Formen des Mythus. Alljährlich verjüngt sich beim Beginn der schönen Jahreszeit [21] Himmel und Erde zu einem neuen kurzen Lebensfrühling. Daraus gingen hervor (vgl. besonders Mannhardt F. W. K. II 264 ff.) der Mythus von Venus und Adonis und eine lange Reihe von Mythen und mythischen Gebräuchen. Die Beziehung auf Einzelwesen ist seltener, doch hinreichend belegt, z. B. in der Sage vom Jugendbrunnen, von Medea, in der von Panzer mitgeteilten Sage von Christus und Petrus, welche die alte Frau eines Schmiedes töten und dann verjüngen.

Bei Orléans wurde Saint-Avit mit großem Prunke und unter großem Zulauf des Volkes verehrt. Ein Bürger nahm jedoch seine Hacke und begab sich an dem Feiertage trotz der Warnungen anderer in seinen Weinberg, mit den Worten: Et hic quem colitis operarius fuit. Verum ubi ingressus vineam primo ictu terram aperuit, protinus, retorta cervice, facies ejus ad tergum conversa est (Conf. 97). Die Sage von dieser Strafe wird sich gebildet haben unter dem Einflusse jener Sage von der wilden Jagd, nach welcher die Bestraften ihren Kopf umgewandt halten müssen, um die Schreckensgestalten der Jagd zu sehen. Zur Strafe weil er einem Gespenst nachgejuchzt hatte, kam 1847 ein Bauernknecht bei Kreith mit umgedrehtem Kopf ins Dorf Fulpmes (v. Alpenburg 205).

An die in Frankreich sehr bekannten Sagen von verborgenen Schätzen, die sich Begnadeten periodisch, gewöhnlich während der Mitternachtsmesse zu Weihnachten öffnen, erinnert die Erzählung von dem Einsiedler und Abt Romanus im Jura, den Gott einen Schatz finden ließ, von dem er sich alljährlich holte, was er zum Unterhalte seiner Gemeinschaft brauchte (Patrum I 3).

Eine wundersame Geschichte passierte einem Diebe, der aus der Basilika des h. Felix bei Narbonne ein Pack kostbarer Sachen gestohlen hatte. Unterwegs gesellt sich zu ihm ein Mann, dem er, gegen das Versprechen die Sache geheim zu halten, seinen Schatz zeigt. Er schlägt ihm vor, die Sachen zu verkaufen und den Erlös zu teilen. Der Fremde sagt, er habe in verschiedenen Gegenden viele Freunde und selbst ein großes, zum Verbergen geeignetes Haus. Dort könne er die Schätze zunächst niederlegen. Vertrauensvoll folgt ihm der Dieb und befindet sich plötzlich, ohne es zu merken, wieder in der Basilika, wo er die Sachen niederlegen muß. Der Begleiter war schnell verschwunden. Unde indubitatum est ipsum ei beatum martyrem apparuisse (Martyrum 91). Bei einem Feste des h. Julian hatte ein Dieb ein Pferd gestohlen. Er reitet weg und glaubt, als es hell wird, mindestens dreißig Wegstunden entfernt zu sein. Aber im Morgengrauen sieht er, daß er noch in der Nähe der Basilika herumirrt und bringt das Pferd vorsichtig wieder an seinen Ort zurück. Sic miser virtute martyris tota nocte detentus in circuitu vici et, ut ego credo, ab auctore qui eum obsederat est delusus, ut viam quam adprehendere voluit non valeret (Juliani 18). Weniger auffallende Beispiele dieser Art s. Juliani 20, Martyrum 37. Diese Legenden scheinen sich gebildet zu haben nach dem Muster der zahlreichen Sagen von Geistern, die es lieben, Wanderer irre zu leiten, am meisten solche, die kein ganz reines Gewissen haben. De Nore 212: Dans la Cornouaille, les… Spriggians-fées se plaisent à égarer les voyageurs. Monnier 266: Nos Dryades… aiment à égarer les jeunes garçons dans les bocages. S. 647: Les follets malicieux se plaisaient… à égarer les voyageurs.

Eine große Rolle spielt die wunderbare Befreiung der Gefangenen (Juliani 4, Andreae 15, Patrum III 1, VIII 10, u. s. w.): Es werden sich auch hier die einheimischen [22] Zauberkünste mit den biblischen Erzählungen verschmolzen haben. Als Beweise der volkstümlichen Anschauung erwähne ich Wodans Zauberlied im Havamal (Alsbald ich es singe, sobald kann ich fort, vom Fuße fällt mir die Fessel, der Haft von den Händen herab) und besonders die Zaubereien des Maugis im Renaut de Montauban.

In Bourges hatte Venantius auf Wunsch seiner Eltern sich verlobt und brachte der Braut cum poculis frequentibus etiam calciamenta (Patrum XVI 1). Ebenso that Leobardus bei Clermont (Dato sponsae anulo, porregit osculum, praebet calciamentum, celebrat sponsaliae diem festum (XX 1). Vgl. Grimm Rechtsaltertümer2 156. Von dieser Sitte schreibt De Nore 190 aus der westlichen Bretagne, wie es scheint, um Nantes herum: Dans quelques lieux, les fiançailles ou les Affédales consistent simplement dans le cadeau que le prétendu fait à sa future, d’un anneau et d’une paire de souliers. Nach Laisnel de la Salle II 32 ff. versuchen im Berry alle Verwandten nach der Reihe der Braut den Schuh anzuziehen und legen nach vergeblichem Bemühen ein Stück Geld hinein. Endlich erscheint der Bräutigam, dem es sofort gelingt. Der Verfasser führt dazu aus Michelet (Origines du droit français 12) den Satz an: La femme entrait dans le soulier, lorsqu’elle entrait en puissance de mari.

Reliquien vom h. Julian wurden auch nach Reims gebracht. Der Träger nähert sich Reims und kommt in die Nähe eines Gutes, auf dem viele Arbeiter mit Pflügen und anderen Bestellungsarbeiten beschäftigt sind. Da schreit plötzlich ein Ackerknecht zum großen Staunen seiner Genossen, die offenbar gar keine Ahnung haben, daß ein Besessener mit ihnen arbeitet, laut auf und klagt, er werde vom Heiligen verbrannt und gequält. Der Priester muß mit der Reliquienkapsel den bösen Geist vertreiben (32). Die Einkleidung dieses Wunders erinnert, bei allen gern zugestandenen Abweichungen, an die bekannten Erzählungen von Waldwesen in Tirol, die bei Bauern emsig dienen und sich ganz heimisch zu fühlen scheinen, bis sie plötzlich, auf einen Ruf aus dem Walde her, ihre Natur entdecken und ohne weiteres das Haus verlassen, um in den Wald, woher sie stammen, zurückzukehren. Auch der Knabe, der im Hause seiner Eltern lebte, und beim Anblick der Reliquien wie tot niedersank (45), bis ihn der Priester heilte, scheint vorher kein Zeichen seiner dämonischen Natur gegeben zu haben, da die Eltern glauben, daß er infolge magischer Künste hingefallen ist. Jene Fanggen in Tirol sind die unerkannten Kinder von Walddämonen, die Ansichten von der Besessenheit beruhen zum Teil auf gleicher Annahme.

An der Martinsquelle bei Ligugué war ein Stein qui vestigium retinet aselli illius, super quem sanctus sedit antistis (Martini IV 31). Bei Dijon, wo der h. Benignus verehrt wurde, fand sich ein Stein in quo cum plumbo remisso pedes ejus confixi fuerunt, factis loculis, vinum aut siceram multi infundunt (Martyrum 50). Diese Flüssigkeiten halfen gegen schlimme Augen und Wunden. Ob die letztere Stelle auch auf das bekannte mythische Hinterlassen von Spuren körperlicher Eindrücke (Roßtrappe) in Felsen zu verstehen ist, bleibe dahingestellt.

Mehrfach findet sich die seltsame Erscheinung, daß Gestorbene sich noch einmal erheben um zu sprechen oder durch eine Bewegung irgend einen letzten Wunsch kundzugeben. Diese Stellen scheinen mir von besonderer Bedeutung, weil durch sie die gewaltige Kluft, die Leben und Tod trennt, zuerst überbrückt erscheint und weil sie vermutlich den Weg eröffneten für die Sagen von Auferweckungen der Toten, die sich mit so erstaunlicher Zähigkeit in den Leben der Heiligen erhalten haben. Hier zeigt sich [23] am deutlichsten das Grundprinzip aller mythologischen Anschauung, die großen Unterschiede, welche die Klassen der Wesen und die Entwickelungsstadien im Leben trennen, zu verwischen. Verwandt mit diesen Sagen aber nicht zu verwechseln sind jene, welche von Geistererscheinungen nach dem Tode, in denen das Los im Jenseits sich offenbart, berichten. Ein klassisches Beispiel findet sich in der Rolandsage, das sich bis in Italien erhalten hat. In der Spagna rimata klagt Karl vor der Leiche Rolands in Roncesvalles stehend diesen an, daß er ihm nicht, wie er versprochen, das Schwert Durlindana wiedergegeben habe. Da erhebt sich Roland, giebt Karl das Schwert in die Hand und sinkt wieder hin (XXXVI 6). So war nach Gregor St. Gallus in der Kirche zu Clermont aufgebahrt. Magnum ibi miraculum ostensum fuit, quod sanctus dei, adtracto dextro pede in feretro, se in aliud latus, quod erat versus altari, contulit (Patrum VI 7). Ein Mann steht am Grabe seiner Frau, die eben in Clermont in der Basilika beigesetzt wird und dankt Gott quod, sicut mihi eam conmendare dignatus es, ita tibi reddidi ab omni voluptatis contagio inpollutam. Da lächelt die Tote und sagt: Sile, sile, vir Dei, quia non est necesse, fatearis nostrum, nemine interrogante, secretum. Nach einiger Zeit wurde auch der Mann ebenda begraben, aber an einer anderen Wand. Am anderen Morgen fand man die Gräber nebeneinander (Conf. 31). In Dijon wurde die Frau eines Senators Helarius in dem Grabmal ihres Mannes begraben, subito elevata viri dextera conjugis cervicem amplectitur (41). Hierher gehört auch wohl die Erzählung von den zwei befreundeten Priestern in Bouillac bei Bordeaux. Der eine ist an der nördlichen, der andere an der südlichen Seite begraben und beim Chorsingen erhebt jeder seine Stimme mit dem ihm zunächst befindlichen Chore vereint (46). Unklar ist der Fall des h. Nicetius in Lyon, dessen Stimme bei seinem Begräbnis einen blinden Knaben ermahnt, näher an die Bahre zu treten, weil es auch die Stimme einer Erscheinung sein kann (perlata est vox in aure ejus 60). Ebenfalls in Lyon hielt der h. Helius einen Leichenräuber nicht nur so lange an seinem Grabe fest bis Leute nahten, sondern bis der Richter dem Strafwürdigen wenigstens das Leben geschenkt hatte (61).

Eine sehr geizige Frau hatte Geld, das zum Loskaufen von Gefangenen bestimmt war unterschlagen und in ihrer Hütte vergraben, wo es nach ihrem Tode gefunden wurde. Der Bischof befiehlt das Sündengeld ihr ins Grab auf den Leichnam zu legen. Nec mora, nocturno tempore, audiuntur voces a tumulo, fletus et ululatus inmensus… Nach drei Tagen öffnet man das Grab wieder und sieht das Gold quasi in fornace resolutum in os mulieris ingredi cum flamma sulpurea. Der Bischof betet dann und die Klagen werden nicht mehr gehört (Martyrum 105). Allgemeiner berichtet De Nore 267 aus der Normandie: Un homme damné mange après sa mort le suaire qui lui couvre le visage, et ce malheureux pousse dans la tombe des cris sourds et effrayants. Wiederholt liest man, daß Särge plötzlich leicht oder schwer werden wenn der Tote an einem bestimmten Orte beigesetzt werden will oder nicht (Patrum VII 3, Conf. 74, Martyr. 88 u. a.). Wie die Unterschiede zwischen Mensch[WS 6] und Tier, Leben und Tod, sich in dem Mythos verwischen, so auch die natürlichen Eigenschaften der Körper. Anklänge findet man auch jetzt noch in Frankreich. Es kommt vor, daß der Sarg vor dem Kirchhof plötzlich schwer wird, ein Zeichen daß der Gestorbene ne se trouve point en état de grâce ou qu’il est damné ! Dans le premier cas, les prières… réussissent presque toujours à lever la difficulté… Le second cas se présenta il y a bien des années à Lacs. Alors on creusa la fosse aux [24] abords du saint lieu ; mais lorsqu’on y eut descendu le cercueil, il s’enfonça à une telle profondeur dans la terre, qu’on le perdit complètement de vue, et que tout le monde fut persuadé qu’il s’était directement rendu aux enfers (Laisnel de la S. II 78). Wenn das auch als Scherz erzählt wurde, so müssen die Grundlagen doch in alten Erzählungen vorhanden gewesen sein.

In der Basilika des h. Julian in Brioude wurde ein räuberischer Krieger vom Blitz getroffen. Seine Genossen warfen über den Leichnam Steine, die aber von Blitz und Donner auseinandergerissen wurden, sodaß der Leichnam unbedeckt blieb. Wie mir scheint, haben wir hier eine verschiedene Auffassung derselben Handlung bei Franken und Römern vor uns. Die Germanen warfen Steine über den Körper des Toten, um den bösen Geist des von der Gottheit getroffenen an die Stelle zu bannen, wie man in Tirol Steine auf das Grab der wilden Fräulein warf (Zingerle 156), damit sie sich nicht als schwere Bürde von dem Wanderer bis zur nächsten Kapelle tragen ließen. Gregor faßt die Bedeckung offenbar als eine Handlung der Pietät auf, die dem Kirchenräuber gegenüber nicht am Platze ist. Der Gebrauch ist sehr alt und Spuren davon sind noch im Berry vorhanden. Jamais les Celtes ne passaient près d’un tombeau sans y ajouter une pierre (Laisnel de la S. II 75).

Die Erzählung von der unterseeischen Grabstätte des h. Clemens enthält deutlich Spuren mythologischer Sagen, die zum Teil schon in Gregors Quelle, der von Surius herausgegebenen Passio, vorhanden sind. Im allgemeinen scheint der Gedanke des periodisch zugänglichen unterseeischen Grabes dem keltischen Sagenkreise, der sich später zu der Sage von der Fata Morgana verdichtete, entnommen zu sein. Die Zuthat von der Mutter, die ihren Sohn dort aus Versehen zurückläßt und ihn nach Jahresfrist noch schlafend wiederfindet, erinnert unverkennbar an entsprechende Sagen von bergbewohnenden Geistern oder Zwergen, bei denen jemand ein Jahr oder öfter sieben Jahre verweilt in dem Glauben nur eine Nacht dort zugebracht zu haben: aspicit filium in eo loco, ubi eum dormientem reliquerat, in ipso adhuc sopore teneri… Interrogansque, ubi per anni fuisset spatia, nescire se ait, si annus integer praeterisset; tantum dormisse se suavi sopore in unius noctis spatio aestimabat (Martyrum 35). Vgl. etwa die Sage vom Kasermannl (Zingerle 85) und aus dem Berry die Erzählung einer alten Frau bei Laisnel de la Salle I 275. Die Urgroßmutter der Erzählerin hatte an einem heiligen Abend unter den Pfeilern einer Kapelle einen Schatz entdeckt. Während sie das Gold und Silber aufraffte, war ihr Kind verschwunden. Nach Verlauf eines Jahres zur selben Stunde während der Mitternachtsmesse findet sie an derselben Stelle ihr Kind wieder, welches aber ganz mager geworden war und ein Zaubermerkmal (wie von der Kralle einer Katze) trug.

Intra ipsum autem terminum Toronicum erat mons parvulus, sentibus, rubis vitibusque repletus agrestibus, ut vix aliquis intro possit inrumpere. Ferebat enim fama, duas Deo sacratas virgines in loco illo quiescere. Hilicet cum in vigiliis dierum festorum lumen ibi accensum divinitus a fidelibus saepius cerneretur, unus audatior ad locum accedere sub obscura nocte non metuit, atque cereum mirae candoris inmenso lumine fulgorantem aspiciens admiratusque diu, discessit, aliisque quae viderat nuntiavit. Tunc uni de incolis loci se virgines per visum ostendunt; exponunt se ibidem esse sepultas ac sine tecto imbrium injuriam diutius ferre non posse. Hic vero, si sibi vellet esse consultum, incisis vepribus tegumen tumulis adhiberet. Expergefactus vero, tradidit oblivioni quae viderat. Alia vero nocte apparuerunt ei iterum, vultu minaci terribiliter conminantes, [25] nisi locum tegeret, anno praesenti ab hoc saeculo migraret. Er baut nun dort eine Kapelle und bittet den Bischof Eufronius, sie zu weihen. Dieser entschuldigt sich wegen seines hohen Alters und des schlechten Zustandes der Wege im Winter. Verum ubi sacerdos membra quieti laxavit, vidit duas virgines adstare sibi, quarum senior tristi vultu sic infit: „Quid tibi ingratae extetimus? Quid moleste intulimus regioni tibi a Deo commissae?… Veni nunc obsecramus per nomen omnipotentis Dei, cujus nos sumus ancillae“… Als er nun hingeht, hört Wind und Regen auf. Von den Jungfrauen unam quidem dicebat prolixiorem, alteram minorem statu, non merito, utramque tamen nive candidiorem. Quarum unam Mauram, Brittam alteram vocitabat, dicens se ab earum ore haec nomina cognovisse Conf. 18. In mancher Beziehung noch interessanter ist das was wir über das Grab des h. Benignus in Dijon erfahren. Benignus apud Divionensim castrum martyrio consummatus est. Et quia in magnum sarcophagum conditus fuit, putabant nostri temporis homines, et praesertim beatus Gregorius episcopus, ibi aliquem positum fuisse gentilem. Nam rustici vota inibi dissolvebant et quae petebant velociter inpetrabant. Ad hoc ergo beati sepulcrum quidam, dum exinde multa beneficia perciperet, cereum detulit; quo accenso, domi rediit. Puerulus enim parvulus haec observans, illo abeunte discendit ad tumulum, ut ardentem cereum extingueret et auferret. Quo discendente, ecce serpens mirae magnitudinis de alia parte veniens, cereum circumcingit… Talia et his similia beato pontifici nuntiata nullo modo credebat, sed magis, ne ibidem adorarent, fortiter testabatur. Tandem aliquando Dei martyr beato se confessori revelat et dicit: „Quid, inquid, agis? Non solum quod tu despicis, verum etiam honorantes me spernis. Ne facias, quaeso, sed tegmen super me velocius praepara“… Martyrum 50. Vgl. auch Martyrum 56. Wir gewinnen hier einen Einblick in die Zeit, in welcher die heiligen Denkmäler der Kelten, Dolmen, Menhirs und angebliche Gräber von Feen für den christlichen Kultus erobert wurden. Die Heiden verehrten, wie aus dem Beispiel von Dijon hervorgeht, ihre heiligen Gräber ungefähr so wie die Christen. Es fehlte auch nicht an Stimmen, die sich ablehnend gegen diese Herübernahme keltischer Heiligtümer verhielten. Der h. Martin war selbst in dieser Beziehung nach Sulpicius Severus vita B. M. 11 mißtrauisch gewesen. Er hatte den Geist des Begrabenen beschworen und dieser hatte ihm gestanden, er sei ein Räuber gewesen und wegen seiner Verbrechen getötet worden. Wenn ich diese Sage recht verstehe, so bedeutet sie, daß ein Halbgott, seiner Natur nach verwandt mit dem göttlichen Räuber Mercur, dort seine Grabstätte hatte. Die Vorstellungen, welche der Erbauer der Kapelle und der Bischof Eufronius von christlichen Heiligen hatten, müssen stark von keltischen Sagen beeinflußt gewesen sein. Die Sprache, die sie zu hören glaubten, ist etwa die der saligen Fräulein in Tiroler Sagen. Die Zweizahl der Jungfrauen ist weniger oft belegt als die Dreizahl, aber doch namentlich insofern häufig, als sich unter einer Dreizahl von mythischen Schwestern fast immer eine böse befindet, so bei einer großen Zahl der von Panzer mitgeteilten Fälle. Die Erscheinungen rühmen sich, daß sie der Gegend nichts böses gethan hätten, sie konnten also jedenfalls durch Wettermachen auch Schaden anstiften. Um Wettersegen wird auch die Landbevölkerung an dem Grabe bei Dijon gebetet haben. Wahrscheinlich befanden sich solche Gräber oft auf Höhen, die in gewissem Sinne die Witterung in der Umgegend beherrschten.

Ein Kranker, der nachts vor der Basilika des h. Julian in Brioude auf einem [26] Wagen liegt, sieht das Innere plötzlich hell erleuchtet und hört den Gesang vieler Menschen. Wie er eintreten will, verschwindet die Lichterscheinung, aber er fühlt sich geheilt (Jul. 42). Am Grabe des h. Stremonius, in der Basilika von Issoire (Puy-de-Dôme), sieht der Bischof Cautinus von Clermont († 571), dessen Kammer an die Kirche stieß, ebenfalls helles Licht und eine Menge weißgekleideter Kerzenträger und Sänger (Conf. 29). Als Bertchramnus († 585) Bischof von Bordeaux war, geschah es durch Versehen, daß eine alte Frau, welche die Lichter der Basilika des h. Petrus anzuzünden hatte, in der Krypta eingeschlossen wurde: vidit circa medium fere noctis, patefactis ostiis, omnem basilicam inmenso lumine effulgere. Et ecce chorus psallentium, qui ingressus basilicam! Postquam, dicta Gloria Trinitati, psallentii modolatio conquievit, audivit viros conquerentes inter se atque dicentes: Moram nobis sanctus levita facit Stephanus. Iam enim alias debebamus adire basilicas et non possumus, nisi ille prius qui praestolatur adveniat. Haec enim crebre repetentibus, advenit vir subito in veste alba, cujus personam omnis illa multitudo salutavit humiliter, dicens: Benedic nobis, sacer ac sanctae levita Stephane. At ille iterum salutans, data oratione, interrogatus ab eis, cur a visitatione locorum sanctorum paululum retardasset, respondit: Navis enim in mari periculum dimersionis incurrerat, ibique invocatus adsteti, erutamque, ecce adsum! Et ut ipsi probetis esse vera quae loquor, vestimentum, quod indutus sum, adhuc guttis stillantibus marinis, fluctibus cernitur umectatum“. Diese Tropfen nimmt die Frau später sorgsam mit einem Tuche auf, welches sie dem Bischof giebt. Von diesem hatte Gregor die Sache gehört (Martyrum 33). Einen anderen Charakter trug eine nächtliche Scene in der Kirche von Voultegon (Deux-Sèvres). Zwei Knaben glauben nachts die Kirchenglocken zu hören; sie stehen auf und begeben sich dorthin. Cumque in atrium eclesiae pervenissent, inveniunt ibidem choros mulierum canentium. Exterritique valde, cognoscentes catervam esse daemoniorum, dum ad terram corruunt, nec se signo salutare praemuniunt, unus lumine, alius et lumine et gressu multatur (Martini II 45). In Autun befand sich ein Kirchhof neben der Basilika des h. Stephan. Zwei nächtliche Beter hörten in dieser Kirche ebenfalls Gesang und sahen übernatürliches Licht. Einer der Sänger naht sich ihnen und sagt: Execrabilem rem fecistis, ut nobis arcana orationum Deo reddentibus adesse praesumeretis. Discedite ergo alioquin ab hoc mundo migrabitis. Ex quibus unus discedens abiit, alter vero, qui in loco remansit, post [non] multos dies a saeculo conmigravit (Conf. 72).

Gregor hatte von Clermont einige kleine Reliquien, Fasern von einer Grabdecke, nach Tours gebracht und sie in einer Kirche niedergelegt: Referebat autem mihi vir fidelis, cum nos basilicam sumus ingressi, vidisse se pharum inmensi luminis e caelo dilapsam super beatam basilicam discendisse, et deinceps quasi intro ingressa fuisset (Jul. 34). Fremde hatten Reliquien vorläufig für eine Nacht auf dem Altare von Saint Martin in Tours niedergelegt, über ihnen sah der Abt Brachio um Mitternacht gleichfalls eine Feuerkugel emporsteigen (Patrum XII 3). Als Gregor Reliquien des h. Martin in seine Hauskapelle brachte, durchfuhr ein furchtbarer Blitz den ganzen Raum (Conf. 20). Er erinnert dabei an jene Feuerkugel, die sich einst über dem Haupte des h. Martin als er am Altare stand, erhoben hatte (Severi Dial. II 2). Ganz klar wird die Bedeutung dieser Kugel durch die Erscheinung, welche dem Bischof Trojanus von Saintes zu teil wurde. Als dieser nachts in Begleitung eines Subdiakons die heiligen [27] Stätten der Umgegend besuchte, erschien ihm ein globus magnus luminis quasi de caelo descendens. Cognita autem vir Dei re, ait comiti: Ne sequaris penitus, donec ego te vocem… Adpropinquante vero lumine, cucurrit sacerdos ad occursum ejus, et usque ad terram se humilians, ait: Benedic, quaeso, mihi beate pontifex. Cui ille qui advenerat ait: Tu mihi benedic, sacerdos Dei Trojane. Et dato sibi osculo, facta oratione, locuti sunt diutissime simul. Subdiaconus vero attonitus spectans vidit, lumen qui apparuerat eadem qua venerat via reverti. Dem Subdiacon sagt Trojanus auf seine Frage: Dico tibi, sed tu nemini dixeris. Nam scito, ut, in quacumque die haec publicaveris, ab hoc mundo migrabis. Sanctum, inquid, Martinum Turonicum vidi, et ipse locutus est mihi. Cave ergo, ne cui vulgare audeas arcana Dei. An seinem Todestage erst erzählt der Subdiacon zu Ehren des h. Trojanus das Erlebte (Conf. 58). Pelagia, die Mutter des Abtes Aridius, starb am 26. August 586. Vier Tage später wurde sie beigesetzt. In der folgenden Nacht (30. August) erschien in der Luft eine solche Feuerkugel, welche durch den ganzen Himmel ziehend über der Kirche stehen blieb (Conf. 102). Vgl. Geschichte der Franken VIII 42, Fredegar IV 6.

In der Kirche zu Marsat (Puy-de-Dôme) glaubte Gregor selbst eine nächtliche Schar zu überraschen, aber bei seinem Eintritt zeigte sich nichts ungewöhnliches (Martyr. 8). Die Bildung der Sage von dem ohne Öl und Docht brennenden Lichte in der indischen Klosterkirche, wo der Apostel Thomas zuerst begraben war, scheint sich auf gleicher Grundlage vollzogen zu haben (ib. 31), ebenso die Legende von der leuchtenden Krypta in Lyon mit den Gräbern dreier Märtyrer (49). Biblischen Ursprungs sind wohl die Legenden von den wunderbaren Ölvermehrungen in den Lampen vor den Gräbern der Heiligen, von dem Glanze, der die nächtlichen Erscheinungen derselben begleitet, von dem himmlischen Feuer, welches eine Kerze entzündet, von dem Gebete, das als Flamme emporsteigt. Hieran schließe ich noch einige wunderbare Lichterscheinungen etwas anderer Art.

Als Nantes von den Barbaren belagert wurde (vor 511), erschienen Nachts die hh. Rogatianus und Donatius an der Spitze eines Zuges weißgekleideter Männer mit Kerzen und zogen aus ihrer Basilika einem anderen Zuge gleicher Art entgegen, der aus der Basilika des h. Similinus auszog. Sie begrüßten sich und gingen wieder nach der bezüglichen Kirche zurück. Als der Führer der Feinde, Chillo, das beobachtet hatte, wurde er sofort Christ (Martyrum 59). Eine ähnliche Sache wird Martyrum 12 erzählt, nur daß es da einigermaßen unklar bleibt, ob der Zug, der auf der Mauer einherzieht, überirdischer Natur ist. Die belagerte Stadt ist Bazas, der Belagerer König Geiserich. Es fanden auch wirkliche Züge auf der Stadtmauer unter Anführung des Bischofs statt, der letzte scheint aber übernatürlicher Art zu sein. Daß die Schutzgötter, Schutzengel und Heiligen der Stadt an der Verteidigung teilnehmen, ist eine Anschauung die sich im Altertum wie in christlicher Zeit findet. Monnier widmet dieser Auseinandersetzung ein längeres Kapitel (S. 15 ff.), die angeführten Beispiele beziehen sich aber zum großen Teil auf die Schutzpatrone einzelner. Am zutreffendsten ist das, was er nach Grimm über die Belagerung von Salzwedel mitteilt: On avait vu de ces créatures célestes allant et venant sur les remparts, interceptant les coups du catapulte, détournant les projectiles, et dirigeant eux-mêmes la défense.

Vom h. Partianus in der Auvergne[WS 7] sagt Gregor: Nec hoc praeterire volui, quod [28] eum diabolus diversis machinis conatus inludere, cum videret se nihil ei posse nocere, visibilibus illum proeliis est adgressus. Nam nocte quadam… vidit cellulam suam quasi incendio concremari; exsurgensque perterritus, ostium petiit. Quem cum reserare nequiret, in oratione prosternitur, ac signum salutare coram se et circa se faciens, protinus phantasia flammarum quae apparuerat evanuit, cognovitque, haec diaboli fuisse fallatiam (Patrum V 3). Das wurde gleichzeitig dem Protasius offenbart, der seinem Mitbruder einen Mönch schickte mit der Ermahnung standhaft zu bleiben. Die Trugbilder, welche durch ein Flammenmeer schrecken, finden sich in der keltischen Sage, besonders im Lancelot, und später bei den Italienern bis Tasso, häufig. Wenn das visibilibus illum proeliis est adgressus auf Sagen von körperlichen Kämpfen beruht, so finden sich entsprechende Beispiele auch in Tirol (v. Alpenburg 170). Ein Schlüsseldreher wirft einen bösen Geist, der ihm in Tiergestalt erscheint, weit von sich.

Daß Lichterscheinungen Seelen verkörpern, ist eine auf dem ganzen Gebiete der Sage bestätigte Bemerkung. Les paysans font le signe de la croix, lorsqu’ils aperçoivent ces météores connus sous[WS 8] le nom d’étoiles qui filent, parce qu’ils pensent que c’est[WS 9] l’âme d’un petit enfant non baptisé. Si, lorsqu’ils marchent de nuit, ces paysans remarquent des feux follets, ils croient que c’est une âme en peine dans l’autre monde (De Nore 160). Ähnlich erscheinen die Feen der Bretonen: Ce sont de belles femmes, et si lumineuses que ceux qui les ont vues les comparent à des lanternes (208). Lorsqu’on voit tomber un météore, connu sous le nom d’étoile qui file, c’est que quelqu’un meurt au même instant, et que son âme monte au ciel (267). Vgl. Monnier 160 c. XXXIX les étoiles filantes; v. Alpenburg 151 ff., die Feuerpütze, und oft; Mannhardt F. W. K. I 41, 51. Ein Beispiel einer Totenversammlung in einer hell erleuchteten Kirche (in Kronach) bei Panzer II 109. Im Schlosse Braghiero im Thale von Nonsberg in Tirol wird nachts im hellen Saale „die wilde unheimliche Hochzeit“ gefeiert (Zingerle, Sagen aus Tirol 251). In der Burg Völtenberg zwischen Götzens und Axam im Selrainthal unweit Innsbruck, erscheinen zu gewissen Zeiten um Mitternacht in den Ruinen die alten Besitzer der Burg, Herren und Ritter, Damen in Schleppkleidern mit Dienerschaft, alle uraltmodisch aufgeputzt, aber Totenschädel statt der Köpfe auf dem Hals, steigen die Treppen auf und ab (v. Alp. 206.). Im Schloß Vorst bei Meran sieht man um Mitternacht „blaue Lichter flimmern blaß und fahl“ und hört die Totenvesper „Geister loben ihren Gott und Herrn“ (Zingerle 174).




Druck von W. Pormetter in Berlin.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: nommeut
  2. Vorlage: on
  3. Vorlage: Puy-de Dôme
  4. Vorlage: Hubertuschlüsseln
  5. Vorlage: bebefinden
  6. Vorlage: Menseh
  7. Vorlage: Anvergne
  8. Vorlage: sons
  9. Vorlage: cest