BLKÖ:Wittola, Marcus Antonius

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Wittmann
Band: 57 (1889), ab Seite: 176. (Quelle)
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Wittola, Marcus Antonius (theologischer Schriftsteller, geb. zu Kosel in Schlesien 25. April 1736, gest. in Wien 23. März 1797). Sein Vater Anton war Doctor der Rechte, aber mittellos, und so nahmen des Sohnes die Jesuiten sich während dessen Studienjahre liebreich an und unterstützten ihn, und insbesondere der gelehrte P. Ludwig Debiel war sein Gönner und Wohlthäter. Nachdem er die höheren Studien in Wien beendet hatte, erwarb er auch daselbst die theologische Doctorwürde. Nun machte er die Bekanntschaft des Weihbischofs und Domherrn Simon von Stock, eines der eifrigsten Jansenisten der Josephinischen Periode, der ihn in die Schriften des Jansenius, Pascal, Quesnell, Nicole Arnaud und der Utrechtischen Kirche einführte, wodurch er, bis dahin seinen Wohlthätern, den Jesuiten, zugethan, ihr geschworener Gegner wurde. Von dem Cardinal Migazzi an eine Gräfin von Khevenhüller empfohlen, erhielt er zunächst von derselben die einträgliche Pfarre zu Schärfling am Attersee[WS 1] in Oberösterreich. Bald aber ernannte ihn der damalige Fürstbischof von Chiemsee[WS 2] Truchseß von Waldburg[WS 3] zu seinem wirklichen geistlichen Rathe und nahm ihn als Begleiter zu den kirchlichen Visitationen mit. Später löste sich dieses Verhältniß aus uns unbekannten Gründen, und Wittola begab sich nach Wien, wo er sich mit Uebersetzung verschiedener theologischer Werke der französischen Literatur, welche zu jener Zeit eines gewissen Rufes sich erfreuten, beschäftigte, wodurch er das Wohlwollen der Kaiserin in solchem Grade erwarb, daß sie ihn zum Nachfolger des Weihbischofs Stock als Director der theologischen Facultät an der Wiener Hochschule in Aussicht nahm, was aber die Jesuiten und Dominicaner zu hintertreiben wußten. Dafür entschädigte [177] ihn die Kaiserin 1774 durch die Pfarre zu Probstdorf nächst Wien, welche er bis an seinen Tod versah; auch machte sie ihn zum Assessor bei der Büchercensur. Als in der Zwischenzeit, 1777, unter den mährischen Bauern eine religiöse Bewegung ausbrach und eine beträchtliche Anzahl derselben öffentlich zum lutherischen Glauben sich bekannte, wurde er zugleich mit dem Königgrätzer Bischof Johann Leopold Hay [Band VIII, S. 103] und Freiherrn Kressel von Gualtenberg [Bd. XIII, S. 201] abgesendet, um die Bauern zu beruhigen. Nachdem er diesen Auftrag zur Zufriedenheit der Kaiserin ausgeführt, ernannte ihn dieselbe zum Titularpropst der (zur Zeit nicht mehr bestehenden) Propstei von Bienko in Ungarn. Doch sein ferneres Auftreten in geistlichen Angelegenheiten machte ihn der Gnade der Kaiserin verlustig, der Cardinal Bischof von Passau nahm ihm die Rathsstelle, und wenige Monate vor Maria Theresiens Tode verlor er den Censorposten, die Pfarre aber konnte ihm nicht entzogen werden, und so beschloß er als Pfarrer und Titularpropst seine Lebenstage. Wie sehr auch sein Verhalten in einzelnen Punkten des katholischen Glaubens das Aergerniß der strenggläubigen Katholiken und ihrer Priester erregte – so war er ein Erzfeind aller Ordensgeistlichen, vornehmlich der Jesuiten, bestritt das Dogma der unbefleckten Empfängniß auf das entschiedenste, wie er überhaupt den ganzen Marienglauben stark beanständete, verwarf alle Wallfahrten und nannte die drei berühmten Wallfahrtsorte Maria Zell, Maria Taferl und Sonntagberg immer Tunis, Tripolis und Algier, drei Raubnester, erhob energischen Widerspruch gegen die sogenannte Herz Jesu-Andacht u. s. w. – bezüglich seines sittlichen Lebenswandels war nur eine Stimme, und in einem Visitationsprotokoll der Pfarre Probstdorf heißt es von ihm: „er ist untadelhaft, nüchtern, keusch, bescheiden, wohlthätig gegen Arme und Kranke, denen er Hilfe leistet, und barmherzig, deshalb ihn auch die Armen lieben“. Gewiß ist es, daß er in seinen Schriften ganz als Reformer im Josephinischen Geiste auftrat, daß er in seinem Aufklärungseifer die Worte nicht wählte und in zuweilen wenig priesterlicher Weise grob und unanständig wurde und durch sein maßloses Gebaren die Verfolgungen und Angriffe seiner Gegner geradezu heraufbeschwor; daß er in seinen kritischen Schriften katholischer Werke mit schonungslosem Eifer, mit einer Rücksichtslosigkeit, die nicht immer am Platze war, vorging, wodurch es denn geschah, daß, wie er in den Wald hineinschrie, es ihm daraus auch herausscholl. Wir lassen hier eine Uebersicht der Werke Wittola’s, sowohl seiner Uebersetzungen, als seiner selbständigen Schriften folgen: „Geistlicher Gewissensrath für die, welche keinen eigenen haben“ (Wien 1771, 8°.), Uebersetzung des Werkes des Abbé Sim. Mich. Treuvé: „Le directeur spirituel pour ceux qui n’en ont point“ das zuerst 1690 in Paris erschien und dann oft wieder gedruckt wurde; – „Kurzgefasste Geschichte des alten Testamentes sammt Erklärungen“, 10 Theile (Wien 1771 u. f., gr. 8°.), auch eine Uebersetzung aus dem Französischen des Mesenguy; – „Jacob Ludwig von Rastignac, Erzbischofs zu Tours, hirtlicher Unterricht von der christlichen Gerechtigkeit“ (Salzburg 1772, 8°.); – „Betrachtungen über die Kirchengeschichte des Herrn Abtes Fleury mit der Rechtfertigung derselben; aus dem Französischen“, 3 Bände (ebd. 1772, gr. 8°.); – „Das neue Testament unseres Herrn Jesu Christi mit Anmerkungen; [178] aus dem Französischen des Mesenguy übersetzt“, 3 Bände (Wien 1775–1776, gr. 8.“); – „Der Jansenismus, ein Schreckenbild für Kinder“ (Friedburg 1776, 8°.); – „Der seine Religion nach dem wahren Geiste ihrer Grundsätze betrachtende Christ oder ein... Betrachtungsbuch... daraus Priester, Ordensleute und gemeine weltliche Christen die sichern Regeln für die Heiligung eines jeden nach seinem Berufe gleich viel erlernen mögen. Auf allerhöchsten Befehl aus dem Französischen übersetzt“, 6 Bände (Wien 1776, gr. 8°.); – „Des Erzbischofs zu Lyon hirtlicher Unterricht, in welchem von den Quellen des Unglaubens und von den Gründen der Religion gehandelt wird. Auf allerhöchsten Befehl übersetzt“ (ebd. 1780, gr. 8°.); – „Das Buch der Psalme zum allgemeinen Gebrauch andächtiger Christen“ (ebd. 1781, gr. 8°.); – „Erinnerung an den Exjesuiten Herrn Wurz wegen seiner Trauerrede auf die Kaiserin“ (ebd. 1781, 8°.); – „Schreiben eines österreichischen Pfarrers über Toleranz“ (ebd. 1781); zweites Schreiben (ebd. 1782, 8°.); – „Text des Augsburgischen Intoleranten mit den Noten eines toleranten Oesterreichers“ (ebd. 1782, 8°.); – „Gutachten etlicher holländischer Rechtsgelehrten über die Grundsätze, welche die Curialisten auf die Bahn bringen, um die vom katholischen Bischofe und Geistlichkeit zu Utrecht zu unterdrücken. Aus dem Französischen“ (ebd. 1783, 8°.); – „Hirtenbrief des hochw. Herrn Bischofs zu Pistoja und Prato an die Geistlichkeit und das Volk der Stadt Prata und ihres Sprengels; nach der dritten florentinischen Auflage aus dem Welschen übersetzt“ (ebd. 1788, gr. 8°.); – „Neueste Beiträge zur Religionslehre und Kirchengeschichte“, I. bis III. Jahrg. (ebd. 1790–1792, 8°.). Auch gab er in den Jahren 1784–1789 in Wien die „Kirchenzeitung“, jeden Jahrgang in 4°. zu 12 Stück, heraus. Wir schließen diese Skizze mit zwei Urtheilen aus entgegengesetzten Lagern. Sebastian Brunner, unstreitig der kampffähigste und beredeste Vertheidiger seiner Kirche, schreibt über Wittola: „Er war der geschäftigste und unternehmendste Agent der Aufklärungspartei zu Wien, ein Meister im Schimpfen und Lärmen gegen berufstreue Geistliche und ein Denunciant aller Jener, welche irgend eine der Aufklärungsordonnanzen nicht zu beobachten sich erkühnt hatten.“ Die „Biedermannschronik“ aber charakterisirt Wittola als „einen erleuchteten gelehrten, vortrefflichen Theologen, einen der wärmsten Eiferer für die Wahrheit und die gereinigte Lehre, erklärten öffentlichen Widersacher der Jesuitentheorie, des Probabilismus und der Möncherei, dem es weder an Willen noch an Fähigkeit mangelt; die mannigfaltigen Irrlehren zu widerlegen und des Bessern zu belehren; der die berufenen Bullen In Coena Domini[WS 4] und Unigenitus[WS 5] in ihrem wahren Lichte aufstellte; der den römisch gesinnten Bischöfen und den ähnlich denkenden Priestern schon so manche kühne, aber auch heilsame Wahrheiten sagte, sich überhaupt um die vernünftige Aufklärung große Verdienste erworben und in allen seinen Schriften und Handlungen bewiesen hat, daß er verdiente, selbst Oberhirt zu sein“. Er ist es aber nicht geworden.

Biographie der Glaubensfeger in Oesterreich 1783 (sine loco, 8°.). – Brunner (Seb.). Die theologische Dienerschaft am Hofe Josephs II. Geheime Correspondenzen und Enthüllungen zum Verständniß der Kirchen- und Profangeschichte in Oesterreich von 1770 bis 1800 u. s. w. (Wien 1868, Braumüller, 8°.) S. 394–404: „Ein Fortschreiter aus dem Clerus“. – Derselbe. Die Mysterien der Aufklärung in Oesterreich 1770–1800. Aus archivalischen und anderen bisher unbeachteten Quellen (Mainz 1869, Franz Kirchheim, gr. 8°.) S. 53, 362, 459. – (De Luca). Das gelehrte Oesterreich. Ein Versuch (Wien 1778, von Trattnern, 8°.) I. Bds. 2. Stück, S. 264. – Meusel [179] (Johann Georg). Lexikon der vom Jahre 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller (Leipzig 1816, Gerh. Fleischer, 8°.) Bd. XV, S. 252. – Oesterreichische Biedermanns-Chronik. Ein Gegenstück zum Phantasten- und Prediger-Almanach (Freiheitsburg [Akademie in Linz] 1784, Gebrüder von Redlich, 8°.) S. 206. – Oesterreichische National-Encyklopädie. Von Gräffer und Czikann (Wien, 8°.) Bd. VI, S. 469 [nach dieser gest. zu Probst vors 24. März 1797]. – Wittola und Merz[WS 6] in einem Zweikampf vorgestellt (Augsburg 1783, 8°.).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Schörfling am Attersee (Wikipedia).
  2. Vorlage: Cardinal und Bischof von Passau.
  3. Franz Karl Eusebius von Waldburg-Friedberg und Trauchburg, 1701–1772, (Wikipedia).
  4. In coena Domini (Wikipedia).
  5. Unigenitus (1713) (Wikipedia).
  6. Merz, Alois (ADB).