Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 53 (1886), ab Seite: 291. (Quelle)
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Weigl, Thaddäus (Compositeur und Musicalienhändler, geb. in Wien 1776, nach Anderen schon 1774, gest. daselbst am 10. Februar 1844). Ein Sohn des berühmten Violoncellisten der Wiener Hofoper Franz Joseph [S. 298, Nr. 6] und Bruder des noch [292] berühmteren Compositeurs Joseph Weigl [S. 279], verrieth er schon in jungen Jahren ungewöhnliche Neigung und Talent zur Musik, welche durch seine Umgebung nur noch mehr genährt wurden; sein Vater spielte nämlich trefflich ein Streichinstrument, seine Mutter glänzte als Sängerin, sein um zehn Jahre älterer Bruder Joseph war in der Musik schon weit vorgeschritten, und zu den Freunden des Hauses, welche dasselbe oft besuchten und darin gar herrliche Musik machten, gehörten Albrechtsberger, Dittersdorf, Haydn, Kreibich, Mozart, Salieri, Umlauf[WS 1] und Wanhal; daß unter solchen Verhältnissen die bereits vorhandene Anlage nur immer reicher sich entfaltete, kann nicht Wunder nehmen. Als dann Thaddäus im Alter von neun Jahren seiner Gesundheit wegen die ungesunde Stadtluft mit der würzigen auf dem Lande vertauschen mußte, wurde er zu einem alten Freunde des Vaters, dem Regenschori in Korneuburg Sebastian Witzig, gegeben, der, ein Schüler des tüchtigen Kirchencomponisten Matthias Georg Mann [Band XVI, S. 378], sowohl Weigl’s Bruder Joseph als auch dein berühmten Contrapunktisten Albrechtsberger musicalischen Unterricht ertheilt hatte. Unter der Leitung des betagten Lehrers widmete sich Weigl, während er dem Studium der ersten Grammaticalclassen oblag, auch fleißig der Musik, indem er Singen und Clavierspielen lernte, sich auch, und zwar mit nicht geringem Erfolg im Präludiren übte und schon das Violinspiel begann. Nach einem Jahre kehrte er mit gekräftigter Gesundheit nach Wien zurück, wo er unter Albrechtsberger in der Musik sich weiter ausbildete und während eines sechsjährigen stufenweise betriebenen Studiums zuletzt die Compositionslehre und die alten Meister studirte. Wie Weigl in einer autobiographischen Aufzeichnung berichtet, „ertaubte ihm Albrechtsberger zum Galanteriespiele nur die Werke eines Händel und Bach; jene Mozart’s und Haydn’s waren in seines Lehrers Augen nur Zuckerbrod, das alle Monat blos einmal genossen werden durfte“. Aber während der Meister so sprach, ging Weigl doch seinen eigenen Weg und vertiefte sich in die Meisterwerke der Letzteren, welche ja in der Stube, die er mit seinem Bruder Joseph gemeinschaftlich bewohnte, auf Tischen und Stühlen umherlagen, und welche er, wenn er allein war, vornahm und auf das eifrigste aus ihren Partituren studirte. Als ihn eines Tages seine Mutter, die ehemals berühmte Sängerin, die in Gluck’s Opern geglänzt hatte, bei diesem Studium Mozart’scher und Haydn’scher Partituren überraschte, ermunterte sie ihn nur noch mehr darin, übernahm, um es ihm leichter und angenehmer zu machen, wohl ein und das andere Mal selbst die Gesangspartien und förderte in dieser Weise des jüngeren Sohnes Fortschritte in so glücklicher Weise, daß er seinen Bruder, der bisher in der Hofcapelle als Cembalist bedienstet gewesen und nach Salieri’s Versetzung in den Ruhestand von Kaiser Leopold II. zu dessen Nachfolger ernannt worden war, im Orchester des Hoftheaters suppliren konnte. Nun aber war es nicht in der Absicht des Vaters gelegen, nachdem schon der ältere Sohn die Musik als Beruf gewählt, daß auch der jüngere sich ihr zum gleichen Zwecke widme. Wohl boten sich demselben auch auf dieser Laufbahn die vortheilhaftesten Aussichten, denn durch seinen Vater und [293] Bruder waren ihm die ersten Häuser Wiens geöffnet, seine Compositionen, obgleich nur in Handschrift, gingen von Hand zu Hand und fanden freundliche Aufnahme, und auch als Musiklehrer war er sehr gesucht und beliebt; doch aber mußte er nach Abschluß des philosophischen Studiums jenes der Rechte beginnen. Ein Umstand richtete die Aufmerksamkeit des größeren Publicums auf den jungen Musiker. Als er nämlich die philosophischen Studien beendet hatte, wollte er in seiner Art seinem Lehrer Franz Samuel Karpe [Bd. XI, S. 14], welcher damals die Philosophie an der Wiener Hochschule vortrug, seine Dankbarkeit beweisen, componirte zu diesem Zwecke eine Cantate, welche er mit einigen musikbeflissenen Collegen vor der Wohnung des Lehrers als Nachtmusik zum Vortrage brachte. Das Musikstück gefiel so sehr, daß es mit verändertem Texte noch im nämlichen Jahre bei verschiedenen Gelegenheiten zur Aufführung kam; und Kaiser Leopold II., der an diesem Zuge der Dankbarkeit des ehemaligen Schülers gegen seinen Lehrer Gefallen fand, ließ Weigl zu dessen fernerer Ausbildung eine ansehnliche Summe auszahlen. Dieser Erfolg ermunterte den jungen Tonkünstler, und er componirte eine Einlagsarie für die Partie des Grafen Almaviva in Mozart’s „Barbier von Sevilla“ und nahm noch einen höheren Flug ins Reich der Töne, als er die erste komische Oper: „Die Marionettenbude oder der Jahrmarkt zu Grünwalde“ für das Marinelli’sche Theater in der Leopoldstadt schrieb. Schon früher hatte er aus dem Repertoire der seit 1790 von Kaiser Leopold II. berufenen Opern- und Balletgesellschaften die Opern und Ballete, welche von den betreffenden Copisten in Abschriften verkauft zu werden pflegten, für das Piano, und zwar mit solchem Geschick übertragen, daß die Compositeure und das Publicum damit vollkommen zufrieden gestellt waren. Als nun 1793 der damalige Hoftheaterdirector Peter Freiherr von Braun zu Gunsten des musikliebenden Publicums in der Burg den Hoftheater-Musikverlag errichtete, wurde Weigl mit der Clavierübertragung sämmtlicher Opern und Ballete betraut und unterzog sich mit großem schon durch vorangegangene Schulung auf diesem Gebiete bewährten Geschicke dieser Aufgabe. Auch setzte er seine eigenen Compositionsversuche fort und schrieb für das Hoftheater das Ballet: „Die Unterhaltung auf dem Lande“ und nach einem Texte von Perinet die Oper „Idoli“ für das Marinelli’sche Theater. Anfangs März 1796 unternahm er im Auftrage des Barons Braun in Geschäften des oben erwähnten Hoftheater-Musikverlags eine Reise durch ganz Deutschland. Nach seiner Rückkehr schrieb er das große komische Ballet, nach dem Text von Traffieri: „Die Verlobung im Keller“, welches im August g. J. in Scene ging. Nun wurde er als k. k. Hoftheatercompositeur angestellt und vollendete als solcher das Ballet „Die Huldigung“. Als dasselbe im October zur Aufführung gelangte, fand es solchen Beifall, daß eine Deputation der in Preßburg zum Landtag versammelten ungarischen Stände eine Aufführung desselben in dieser Stadt verlangte; aber wegen der damit verbundenen mannigfaltigen Schwierigkeiten, welche nicht zu beheben waren, unterblieb dieselbe. Wenige Monate später, zu Beginn des Jahres 1797, wurde sein großes Ballet „Cyrus und Tawyris“, und zwar unter seiner eigenen Leitung in Scene gesetzt, [294] da sein Bruder Joseph durch Ueberbürdung mit den Directionsgeschäften daran verhindert war. Neben der theilweisen Direction des Hoftheaterorchesters und den vertragsmäßig zu leistenden Uebersetzungen für den k. k. Hoftheater-Musikverlag schrieb er in den folgenden Jahren die Ballete: „Das Gespenst im Traume“; – „Hamlet“; – „Der Tod des Herkules“. Darauf ernannte ihn die Hoftheaterdirection zum wirklichen Adjuncten des Hoftheater-Capellmeisters, mit welchem Posten zugleich die Leitung des Archivs nebst der Hoftheatercopiatur verbunden war. Da das Archiv in völlig ungeordnetem Zustande sich befand und alle von der vormals bestandenen gräflich Kohary’schen Masse und den vorangegangenen italienischen Pachtungen, wie auch von der früheren kaiserlichen Direction herrührenden deutschen, italienischen und französischen Opern und Ballete in einigen Kammern des vierten Stockwerkes des Kärnthnerthortheaters chaotisch durcheinander lagen und eigentliche Inventare gar nicht, sondern nur fragmentarische Aufzeichnungen vorhanden waren, dann aber ein großer Theil, vornehmlich der neueren deutschen und italienischen Opern und Ballete sich zerstreut bei den betreffenden Copisten befand, so galt es, eine durchgreifende Ordnung und Aufstellung des Archivs durchzuführen, welche Aufgabe Weigl auch mit aller Umsicht löste. Dabei blieb er aber als Tonsetzer nicht unthätig, componirte mehrere Divertissements und brachte nach und nach zur Aufführung die Ballete: „Die Waise der Berghöhle“; – „Der wachsame Dorfrichter“; – „Zulima and Azow“; – „Verlegenheit durch Zufälle“; – „Die verliebten Thorheiten“; – „Der Tiroler Jahrmarkt“; – dann die Opern: „Armidoro, Prinz von Leon“, nach einem Texte des Barons von Retzer; – „Omar oder der schönste Sieg“, heroische Oper, nach einem Text von Hofrath Friedrich Rochlitz; – „Das erhaltene Orakel“, Text von Lippert, welche letztere, wie Weigl in seiner Selbstbiographie mit Bitterkeit bemerkt, „das damalige Schicksal aller deutschen Compositeure hatte und nicht zur Aufführung kam“. Als dann im Jahre 1803 Capellmeister Franz X. Süßmayer [Bd. XL, S. 290] starb, wurde Weigl wirklicher zweiter Capellmeister. Schon 1801 hatte er die Erlaubniß erhalten, eine Kunst- und Musikhandlung zu errichten. Es hatte sich schon früher das von einigen betriebsamen Männern ins Leben gerufene Kunst- und Industriecomptoir in Wien zur Aufgabe gemacht, den bis dahin brachliegenden inländischen Musikhandel zu heben, nun vereinigte Weigl seine dahin abzielenden Bestrebungen mit denen des Comptoirs; zugleich vertrat er seinen Bruder Joseph, da derselbe fast täglich zur Leitung der Kammermusiken der Kaiserin berufen ward, Süßmayer aber, der schon seit längerer Zeit kränkelte, die Stelle des ersten Capellmeisters auch nicht vertreten konnte. Diese Häufung von Geschäften konnte Weigl auf die Dauer nicht ertragen; alle Versuche bei Baron Braun um eine entsprechende Abhilfe scheiterten in Ermanglung tauglicher Persönlichkeiten. Noch brachte er sein Ballet „Bacchus und Ariadne“ mit günstigstem Erfolge auf die Scene, nachdem aber dies geschehen, nahm er seine Entlassung als zweiter Director, um sich nun ausschließlich dem Kunst- und Musicalienhandel, dem er in erfolgreichster Weise den Weg gebahnt und der im erfreulichen Aufschwünge begriffen war, zu widmen. Diesen betrieb er denn auch bis zu seinem im Alter von 68 Jahren erfolgten Tode, [295] worauf denselben sein zweitgeborener Sohn Peter, der schon bei Lebzeiten des Vaters diesem im Geschäfte zur Seite gestanden, fortführte. In der Folge wurde dasselbe aufgelöst.

Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Für Künstler,. Kunstfreunde und alle Gebildeten. Angefangen von Dr. Jul. Schladebach, fortgesetzt von Eduard Bernsdorf (Offenbach 1861, Johann André, gr. 8°.) Bd. III, S. 859. – Schilling (G. Dr.). Das musicalische Europa (Speyer 1842, F. C. Neidhart, gr. 8°.) S. 352. – Gerber (Ernst Ludwig). Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler u. s. w. (Leipzig 1814, Kühnel, gr. 8°.) Bd. IV, Sp. 534. – Gaßner (F. S. Dr.). Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Fr. Köhler, Lex.-8°.) S. 888.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Umlauft.