Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Thamas, Franz
Band: 44 (1882), ab Seite: 163. (Quelle)
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Tham, Wenzel (čechischer Schriftsteller und Schauspieler, geb. in Přelauć um das Jahr 1765, Todesjahr unbekannt, doch fällt dasselbe nicht vor 1815). Das Gymnasium und die philosophischen Jahrgänge besuchte er in Prag, wo er auch in noch jungen Jahren die philosophische Doctorwürde erlangte. Dem Beispiele seines Bruders, des Lexikographen Karl Ignaz [siehe den Vorigen], folgend, verlegte er sich mit allem Eifer auf das Studium der vaterländischen Sprache und Literatur und war ihm bei der Katalogisirung und Ordnung der nationalen Abtheilung der Prager Universitätsbibliothek behilflich. Bald gewann er eine große Vorliebe für das čechische Theater, so daß er einer der eifrigsten Theilnehmer und Förderer des eben damals im Aufblühen begriffenen Institutes wurde, und zwar nicht minder als Dilettant in Heldenrollen, denn als fleißiger Uebersetzer und Verfasser von Dramen und anderen Stücken in čechischer Sprache. Von allen diesen meist ungedruckt gebliebenen Arbeiten nennen wir die Lustspiele: „Die Martinsbeigeln“ (Martinský rohlik), „Die Nicolaus-Bescherung“ (Mikulasovo naděleni), „Des Braunschweigers Reise nach Prag“ (Brunsvíkova cesta do Prahy), „Des Braunschweigers Mißgeschick und Tod“ (Brunsvíkova nestěsti a smrt), dann die Nationaldramen: „Wlasta und Sarka“, „Wiprecht von Groitsch“, „Albrecht von Waldstein“, „Wenzel der Fromme“, „Die Schweden in Böhmen“ (Svédská vojna v Čechách), welch letzteres unter dem Titel: „Die Tapferkeit der Prager Bürger und Studenten“ (Udatnost Pražkych měsťanů a studentů“) noch heute auf dem Repertoire steht. Außerdem übersetzte er mehr als vierzig Trauer-, Schau-, Lust- und Singspiele ins Čechische, darunter: „Don Juan“, von Molière, „Seneca“, von Kleist, „Der Onkel aus Lissabon“, von Schröder, „Der dankbare Sohn“, von Engel, „Die Lautenspieler“, von Schikaneder, „Friedrich von Oesterreich“, von Iffland, Stücke von Rautenstrauch, Erdmann, Mayer, Braun, Eckert, Weidmann und von französischen und italienischen Poeten. Von diesen zahlreichen Arbeiten erschien aber nur der kleinste Theil im Druck, und zwar: „Fridrich Rakouský aneb věrnost českého národu. Vlastenská činohra v 5 jednáních. Dle něm. A. V. Ifflanda, d. i. Friedrich von Oesterreich oder die Treue des böhmischen Volkes. Vaterländisches Drama in fünf Aufzügen. Aus dem Deutschen des A. W. Iffland (Prag 1785, gr. 8°.); – „Stěpan Fadinger aneb Sedlská vojna. Hra v 5 jednáních. V něm. sepsaná od Weidmanna v češtině uvedena“, d. i. Stephan Fadinger oder der Bauernkrieg. Schauspiel in fünf Aufzügen. Deutsch von Weidmann (Prag 1786, 8°.), und „Neslýchaná náhoda strašlivého hromobití aneb žebrový Študent; veselá hrá ve dvou jednáních“, d. i. Unerhörte Folge eines schrecklichen Donnerschlages oder der Bettelstudent. Lustspiel in zwei Aufzügen (Prag 1785, gr. 8°.); auch gab er in čechischer Uebersetzung Lieder und [164] Couplets der beliebtesten italienischen und deutschen Opern und Singspiele jener Zeit unter dem Titel: „Zpěvy z nejvýbornějších 12 zpěvoher“, d. i. Lieder aus zwölf der vorzüglichsten Singspiele (Prag 1799) heraus, unter denen auch Lieder aus der „Zauberflöte“ vorkommen. Eine andere von ihm herausgegebene heute noch von Literaturfreunden geschätzte Sammlung aber ist die folgende: „Básně v řeči vázané. Sebrání první“ (Prag 1785, bei Rosenmüller’s Erben, 8°.), „Druhé sebrání“ (ebd. 1785, J. F. v. Schönfeld, 2. Aufl. ebd. 1812, 8°.), d. i. Gedichte in gebundener Rede. Erste und zweite Sammlung, jede dieser Sammlungen umfaßt drei Hefte, und zwar enthält die erste im ersten Hefte: Gedichte von Kadlinsky, im zweiten: Originalgedichte von Tham, nebst seinen Uebersetzungen aus Gleim, Anakreon und Bohuslaw Hasenstein, im dritten: Gedichte von Stach, Kavka, Kramerius; die zweite Sammlung bringt im ersten Hefte: wieder Gedichte von Kadlinsky, dann von Lomnicky, Dobřensky, Komensky, Konac und Harant, im zweiten: Originalgedichte von Tham und Uebersetzungen aus Kleist’s Gedichten, im dritten: Gedichte von Stach, Štván, Dlabacz, Hafner u. A. Die vorerwähnte zweite vermehrte Auflage dieser Sammlung, in der weniger der poetische als der literarhistorische Werth zu berücksichtigen ist, besorgte Wenzels Bruder Karl Ignaz Tham. Sonst gab Wenzel nur noch die Uebersetzung eines Andachtsbuches für Unmündige von Seiler unter dem Titel: „ Dr. J. F. Seilera: Náboženství nedospělých; z nejnovějšího německého původního vydání přeložene“ (Prag 1785, 8°.) heraus. Indem wir im Vorstehenden seine literarischen Leistungen erschöpften, bleibt nur noch Einiges über seinen weniger bekannten Lebensgang zu berichten. Anfänglich widmete er sich dem öffentlichen Dienste und versah auch einige Zeit die Stelle eines Polizeicommissärs. Als dann jedoch die dramatische Bewegung in Fluß kam und er in ihr Fahrwasser gerieth, wurde er in seiner Begeisterung für das nationale Theater Schauspieler, trat zuerst in deutschen, dann aber in čechischen Stücken, und zwar vornehmlich in Heldenrollen auf. Zu Beginn des laufenden Jahrhunderts verschwand er aus Prag, wurde Mitglied einer Wandertruppe, wie es hieß, aus Liebe, die ihn für ein weibliches Mitglied derselben erfaßt hatte. Gewiß ist, daß er auf verschiedenen kleinen Bühnen in Oesterreich als Charakterspieler wirkte, aber immer mehr und mehr verkümmerte. Später spielte er nur noch den Possenreißer. Im Jahre 1809 stand er bei einer Truppe, welche in Raab Vorstellungen gab, als Komiker und Garderobe-Inspector; 1811 tauchte er in Znaim als Regisseur auf. Von 1812 bis 1815 zog er mit der fahrenden Gesellschaft, welche der Vater der Therese Krones dirigirte, im Erzherzogthume Oesterreich und in Mähren von Markt zu Dorf, erschien mit derselben später wieder in Böhmen, und zwar 1812 in Polna, 1813 in Landskron und Grulich. Er hatte inzwischen die stumme Tochter des Theaterdirectors Hein geheiratet. Diese erhielt bei ihrer ersten Entbindung die Sprache wieder und wurde dann eine recht verwendbare Schauspielerin. Nach einiger Zeit aber entfloh sie mit einem jungen Schauspieler und starb bald nachher im Elend in einer Stadt Galiziens. Tham, obwohl durch Trunksucht und das jahrelange wüste Wanderleben ganz verkommen, nahm sich doch die That seines treulosen [165] Weibes sehr zu Gemüthe. Er wurde immer tiefsinniger und verlor selbst seinen verzweifelten Humor. Plötzlich – es war im Jahre 1815 oder 1816 – verließ er die Krones’sche Gesellschaft und ging zu Fuß nach Galizien, das Grab seines entflohenen Weibes aufzusuchen. Kaum aber hatte er sein Ziel erreicht, so erlöste ihn der Tod von allem weiteren Elende.

Magazin für Literatur des Auslandes. Von Dr. J. Lehmann (Leipzig, 4°.) 1864, S. 396. – Rodinna kronika. Redactor Jan Neruda[WS 1], d. i. Vaterländische Chronik. Redigirt von Joh. Neruda, 1863, Nr. 84, S. 76, im Artikel: „Drobnosti historické belletristické, a literarni“, d. i. Historische, belletristische und literarische Kleinigkeiten. – Außerdem die bei seinem Bruder Karl Ignaz erwähnten Quellen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Nerada.