Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Šušnik, Franz
Band: 41 (1880), ab Seite: 1. (Quelle)
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Sušil, Franz, (čechischer Dichter und Schriftsteller, geb. zu Neu-Raußnitz in Mähren am 14. Juni 1804, gest. 31. Mai 1868). Der Gastwirth und Oekonomiebesitzer Sušil zu Neu-Raußnitz, welcher eifrig in čechischen Bibeln zu lesen liebte, verhielt auch seinen Sohn Franz frühzeitig zu dieser löblichen Beschäftigung, wodurch er wohl den Grund zur späteren Richtung des Knaben gelegt haben mag, aus dem ein trefflicher Exeget der heiligen Schrift wurde. Neben der Bibel verschlang aber Franz in seinem von Wißbegierde entfachten Eifer auch die ganze kleine Bibliothek des Vaters und machte sich so in früher Jugend mit dem Geiste der čechischen Sprache und ihrer Koryphäen vertraut. Die Elementarschule und die drei ersten Grammaticalclassen besuchte er in seinem Geburtsorte; mit Beginn des vierten Jahres seiner Gymnasialzeit kam er nach Kremsier, wo der Unterricht ausschließlich in deutscher Sprache ertheilt wurde, was ihn jedoch in seiner Lust und Liebe zum Studium des čechischen Idioms nicht beirrte. Um die philosophischen Jahrgänge durchzumachen, begab er sich nach Brünn, wo er mit emsiger Sorgfalt das Studium der classischen Sprachen, aber mit nicht geringerem Eifer auch jenes der deutschen, englischen und französischen betrieb. Zugleich versuchte er sich schon in kleineren Arbeiten in seiner Muttersprache, welche in den schöngeistigen Journalen jener Tage: im „Krok“, d. i. Der Fortschritt 1823), „Květy“ (Blüten, 1823), „Dennice“ (Morgenstern, 1825) und „Poutník slovanský“ (slavischer Pilger, 1826) erschienen. Es waren meist Naturdichtungen, welche sich jedoch mit der Zeit immer mehr zu philosophischen Reflexionen zuspitzten. In seinen wissenschaftlichen und geistigen Bestrebungen fand er an einem seiner Professoren, dem Piaristen Dominik Kinsky [Bd. XI, S. 275][WS 1] einen wohlwollenden Förderer. Um sich der Sache seines Volkes, die er als Student mit aller Begeisterung erfaßte, mit aller Kraft auch in der Folge widmen zu können, beschloß er, Geistlicher zu werden, weil er im priesterlichen Stande den besten und naturgemäßen Weg erkannte, unbehelligt die selbst gewählte Mission zu erfüllen. Im Jahre 1823 trat er daher in das bischöfliche Seminar in Brünn, wo er neben den übrigen Berufswissenschaften mit aller Gründlichkeit das Studium der orientalischen Sprachen, und zwar der hebräischen, syrischen, chaldäischen und arabischen, unter dem damaligen Professor, späteren Prälaten Cyrill Franz Napp [Bd. XX, S. 81] betrieb. Sein Eifer war von großem Einfluß auf viele seiner Mitschüler, von denen wir beispielsweise nennen: B. M. Kulda [Band XIII, [2] S. 355], Matthias und Thomas Prochazka [Bd. XXIII, S. 344 und 348, Nr. 8], Šmidek [Band XXXV, S. 179], Soukup [Bd. XXXVI, S. 39], welche ihm den ersten Impuls zu ihrer Thätigkeit verdanken. Im Jahre 1827 zum Priester geweiht, trat er als Caplan zu Wolframitz, einem utraquistischen zwischen Brünn und Znaim gelegenen Städtchen, in die Seelsorge. Von da kam er nach Kumrowitz, einem durchaus deutschen Posten. Neben der Seelsorge, in welcher er sich bald die Liebe und das Vertrauen der Gemeinden, in denen er wirkte, erwarb, lag er seinen früheren wissenschaftlichen Studien auf sprachlichem und theologischem Gebiete ob, und durch fleißige Lecture deutscher theologischer Zeitschriften, wie „Sion“, „Katholik“, „Athanasius“, „Literaturzeitung“, erhielt er sich auch auf der Höhe der Forschung auf diesem Felde. Bei seiner Vorliebe für Musik, welcher er seit seinen Knabenjahren, freilich nur in Mußestunden, huldigte, gerieth er aber auf ein Gebiet, auf welchem er sich in der čechischen Literatur ein Verdienst erwerben sollte, das ihm kein Zweiter streitig machen konnte. Schon als Caplan in Wolframitz hatte er begonnen, mährische Volkslieder zu sammeln, und dieser Aufgabe blieb er bis an sein Lebensende treu. Dreißig Jahre hindurch pilgerte er, wenn er Zeit und Gelegenheit fand, von Ort zu Ort, von Stadt zu Stadt, durchzog, oftmals verlacht, nicht selten unter großen Mühsalen und Entbehrungen eine Gegend nach der anderen, um nach nationalen Volksliedern zu forschen. Jedoch nur Lieder, die er selbst aus dem Munde des Volkes gehört, nahm er in seine Sammlung auf und fügte die betreffenden Melodien bei. Schon im Jahre 1833 konnte er mit seinem Werk vor die Oeffentlichkeit treten, es erschien zuerst unter dem Titel: „Moravské národné pisně od F. S.“, d. i. Mährische Volkslieder (Brünn 1833, Traßler, VI und 128 Seiten 8°. mit den Gesängen); dann folgte: eine „Sbírka nova s 288 nápěvy“, d. i. Neue Sammlung mit 288 Gesängen (ebd. 1840, 214 S, 8°.). Obwohl seine Arbeit bereits zu jener Zeit beifällig aufgenommen wurde, war er doch noch lange nicht mit derselben zufrieden, sondern setzte seine Forschungen und Sammlungen nach dieser Richtung unermüdlich fort, so daß im Jahre 1858 eine zweite Auflage erscheinen konnte, welche in acht Heften nicht weniger denn 1800 Volkslieder enthält. Inzwischen war er auch in seinem seelsorgerlichen Berufe unablässig thätig gewesen, hatte sich aber, im Jahre 1835, als der Concurs für die Professur des N. T. an der theologischen Lehranstalt in Brünn ausgeschrieben wurde, von seinem Freunde Thomas Prochazka energisch dazu aufgemuntert, um diesen Posten beworben, welchem er bei seiner Bibelkenntniß und anerkannten Tüchtigkeit in den orientalischen Sprachen auch vollkommen gewachsen war. Er hatte den schriftlichen Concurs in ausgezeichneter Weise geschrieben und zum mündlichen Vortrage einen bis dahin noch nicht behandelten Gegenstand, nämlich die slavischen Bibelübersetzungen, „de versione slavica“ gewählt und sein Thema mit solcher Tüchtigkeit ausgeführt, daß er über seine Mitconcurrenten den Sieg davontrug und am 20. Februar 1837 zum wirklichen Professor des Bibelstudiums in Brünn ernannt wurde. 31 Jahre wirkte er auf diesem Posten, auf welchem er den ganzen jüngeren Clerus der Diöcese heranbildete. Ueber seine [3] verdienstvolle Thätigkeit als Professor, über seine Parteilosigkeit gegenüber seinen čechischen und deutschen Schülern, über seine Toleranz gegen die Protestanten, deren wissenschaftliche Arbeiten er mit unbefangener Würdigung las, über seine ganze priesterliche Würdigkeit im Leben und Handeln sind alle Biographen einig, und als er im Jahre 1862 sein 25jähriges Professoren-Jubiläum beging, kamen die Gefühle der Verehrung, die ihm Alt und Jung zollte, unverhohlen zum Ausdrucke. Seine Schüler brachten ihm einen kostbaren Kelch als Ehrengabe dar, und er verehrte diesen der Kirche in Welehrad, als der ersten Stätte des Christenthums in Mähren. Mit den erwähnten Sammlungen der mährischen Volkslieder, als dem Hauptwerke seines Lebens, war noch lange nicht seine schriftstellerische Thätigkeit erschöpft. Seit dem Jahre 1827 wirkte er als ständiger Mitarbeiter des „Časopis pro katolické duchovenstvo“, d. i. Zeitschrift für die katholische Geistlichkeit, des „Časopis českého Museum“, d. i. Zeitschrift des böhmischen Museums, des „Hlas církevní“, d. i. Die Stimme der Kirche, und des „Moravan“, d. i. des Kalenders der Mährer. Aber außer den zahlreichen Aufsätzen, die er für diese Blätter schrieb, gab er noch nachstehende Werke heraus: „Spisy svátých otců apoštolských. Přeložil, vysvětlil a úvody opatřil“, d. i. Die Schriften der h. apostolischen Väter, übersetzt, erläutert und mit Einleitungen versehen (Brünn 1837, mit vier Bildern. Zweite stark verm. und verb. Aufl., ebd. 1849, gr. 8°.); – „Básně“, d. i. Dichtungen (Brünn 1847), neue verbesserte Auflage unter dem Titel: „Zebrané básně“, d. i. Gesammelte Dichtungen (ebd. 1862, Nitsche, 8°.); – „Hymny církevní převedl a vyložil F. Sušil“, d. i. Kirchenlieder mit Vorwort und Erläuterungen von .... (Brünn 1846, F. Wimmer, gr. 12°.; zweite verb. und verm. Aufl., ebd. 1859, Nitsche und Grosse, gr. 8°.); – „Růže a trní. Básně“, d. i. Rosen und Dornen. Gedichte (Brünn 1851, Nitsche 12°.); – „Josefa Flavia o válce židovské a vlastní životopis. Přeložené staré zcela opravené“, d. i. Josephus Flavius vom Kriege der Juden und Selbstbiographie. Ganz neu bearbeitete Uebersetzung (Brünn 1856, Nitsche und Grosse, gr. 12°.); – „O prosodii“, d. i. Von der Prosodie (Brünn 1856, Rohrer) war ursprünglich im mährischen Kalender „Moravan“ abgedruckt; eine zweite vermehrte Auflage erschien unter dem Titel „Krátká prosodie česká. Pro začátečníky zepsal“, d. i. Kurze čechische Prosodie. Für Anfänger geschrieben (Brünn 1861, Nitsche) eine dritte umgearbeitete Auflage (ebd. 1863); – „Anthologie z Ovida, Katulla, Propertia a Musea. Přeložil,F. Sušil“, d. i. Blumenlese aus dem Ovid, Catullus, Propertius und Musäus. Von F. Sušil übersetzt (Brünn 1861, A. Nitsche, gr. 8°.); – „Evangelium sv. Matouše. Přeloženo a obšírně vyloženo“, d. i. Evangelium des h. Matthäus. Uebersetzt und ausführlich erläutert (Prag 1864, gr. 8°.). – Mit vorbenannten Schriften schließt Sušil’s schriftstellerische Thätigkeit ab. Von den übrigen Momenten seiner verdienstlichen Wirksamkeit sei noch gedacht seiner Mitgliedschaft der „Heredität der Hh. Cyrill und Method“, deren Mitbegründer und seit 1850 Vorstand er war, und seiner Mitgliedschaft der „Sanct Prokops-Heredität“ in Prag, welcher er auch in seinem letzten Willen seinen handschriftlichen Nachlaß vermachte, in [4] welchem sich kritische Bearbeitungen der Werke älterer Kirchenväter und eine ganz auf Grund der Tischendorf’schen Forschungen ausgeführte Umarbeitung der im Jahre 1849 erschienenen Sammlung apostolischer Väter befinden. Seine Verdienste fanden mannigfache Würdigung. So ernannte ihn der Brünner Bischof 1848 zum Titular-Consistorialrathe und nahm ihn 1862 in die Reihe seiner wirklichen Räthe auf; am 14. December 1864 erhob ihn Seine Majestät zum Ehrencanonicus des Brünner Domcapitels; die Wiener Universität aber verlieh ihm 1865 aus Anlaß ihrer fünften Säcularfeier das Ehrendoctorat der Theologie, indem der damalige Rector magnificus Professor Hyrtl Sušil als einen Gelehrten bezeichnete: „qui rebus sacris idiomate slavico tractatis propagatis eruditorum suffragia et auram popularem in se collegit“. Schon seit längerer Zeit leidend, suchte Sušil Hilfe in den Bädern zu Bistřitz am Hostein, er fand sie dort nicht, wohl aber die ewige Ruhe. Seine Leiche wurde nach Brünn gebracht und daselbst mit großem Pompe auf dem städtischen Friedhofe beigesetzt. Ein stattliches Denkmal [siehe 2. Spalte] schmückt die Ruhestätte des edlen Priesters, der, alle anderen Nationen achtend, trotzdem ein würdiger Sohn seines engeren Vaterlandes war.

d’Elvert (Christian von), Notizenblatt der historisch-statistischen Section der k. k mähr.-schles. Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und Landeskunde (Brünn, Lud. M. Rohrer, 4°.) Jahrgang 1868, Nr. 10: „Zur mährisch-schlesischen Biographie. XLVII. Dr. Franz Sušil“. Von P. M. Kinter. – Wenzig (Joseph), Blicke über das böhmische Volk, seine Geschichte und Literatur u. s. w. (Leipzig 1855, Brandstetter, 8°.) S. 141. – Salzburger Kirchenblatt, 1868, Nr. 24 u. f. – Procházka (Matěj), František Sušil, Životopisný nástin, d. i. Lebensskizze (Prag 1871, schm. 4°.). – Květy, d. i. Blüten (Prager illustr. Blatt, 1870, Nr. 27. – Moravska Orlice, d. i. Der mährische Adler (polit. Blatt, Fol.) 1864, Nr. 64 und 65; 1868, Nr. 127, 140 u. 141 im Feuilleton: „Zpominky na Frant. Sušila“, d. i. Erinnerungen an Franz Sušil. – Světozor (Prager illustr. Blatt) 1868, S. 227.
Porträte. 1) Unterschrift: Facsimile des Namenszuges: „Dr. Frant. Sušil“. Holzschnitt aus Bartel’s Atelier in Prag. – 2) Unterschrift: „Dr. Fr. Sušil“. Sehr ähnlicher Holzschnitt, ohne Angabe des Zeichners und Xylographen, im Kalender „Prorok“, d. i. Der Seher, für das Jahr 1870, S. 100. – 3) Unterschrift: „František Sušil. Kreslil Kriehuber“, d. i. Gezeichnet von Kriehuber. Schöner und sehr ähnlicher Holzschnitt im „Světozor“, 1868, Nr. 28. – 4) Unterschrift: „František Sušil. Kreslil K. Maixner“, d. i. Gezeichnet von K. Maixner, geschnitten von Stolarz. In den „Květy“, 1870, Nr. 27. – 5) Unterschrift: Facsimile von vier čechischen Verszeilen: „Dvě krásek... srdce celé“, mit der Unterschrift: „František Sušil“. Zelený gez. Kolař lith. J. Rauh gedr. (kl. Fol.).
Sušil’s Grabdenkmal. Bald nach Sušil’s Tode bildete sich ein Comité, welches die Aufstellung eines stattlichen Denkmals auf des Dichters Grabe beschloß. Aus Gaben Einzelner kam die erforderliche Summe zusammen. Nach einer Zeichnung des Baurathes Hansen in Wien führte A. Beck, Bildhauer in Kremsier, das Monument aus. In Capellenform ist es aus schlesischem Marmor gemeißelt. Auf erhabenem Piedestal ruht ein lorbeerbekränzter Sarkophag, auf welchem sich die Büste des Verewigten erhebt. Diese ist von Loos in Brünn aus carrarischem Marmor gearbeitet. Die Höhe des Denkmals beträgt 17 Schuh, die Breite 8 Schuh. Das Piedestal weist folgende Inschrift: František Sušil | narodil se 14. června 1804 v Novém Rousínově, umřel | dne 31. Května 1868 v Bystřici pod Hostinem. | Dvě krásek spanilých, duše mé ovládnulo stánek | zemská jedna, druhá s výšiny pošla nebes. | Církev a vlast, ty v mojich milují sestersky se ňádrech | Každá půl, každá má moje [5] srdce celé“, deutsch: „Franz Sušil, geb. am 14. Juni 1804 zu Neu-Raußnitz, gest. am 31. Mai 1868 zu Bystřiz bei Hostein. | Zwei erhab’ne Gestalten erfüllten ganz meine Seele, | eine von dieser Welt, eine dem Himmel entstammt, | Kirche und Vaterland, sie theilten sich schwesterlich beide | in mein Herz, und dies beiden gehörte es ganz“. Abbildungen des Grabdenkmals brachten die „Květy“, 1871, Nr. 35, im Holzschnitt, nach einer Zeichnung von K. Maixner, und der „Světozor“ 1871, Nr. 39, im Holzschnitt, nach einer von der Photographie abgenommenen Zeichnung des Fr. Chalupa.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: [Bd. XI, S. 245].