BLKÖ:Reicha, Anton Joseph
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Reicha, Joseph | ||
Band: 25 (1873), ab Seite: 153. (Quelle) | |||
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Joseph R. [s. d. Folg., S. 159], der in dem schwäbischen Städtchen Wallenstein lebte, ziehen zu dürfen. Dort begann Reicha’s erste Bildung. Er, der bisher nur čechisch sprach, erlernte dort deutsch und französisch, und erhielt Unterricht in der Musik, für die er besonderes Talent zeigte. Er lernte auf der Geige, die Flöte und Clavier spielen, Um diese Zeit erhielt Maximilian von Oesterreich, Bruder des Kaisers Joseph II., den [154] Churhut von Cöln. Der Prinz liebte sehr die Musik, die er selbst mit Eifer betrieb. Er berief nun Reicha’s Onkel, den er bereits als tüchtigen Musicus kannte, nach Cöln, übertrug ihm die Organisation des Orchesters und dessen Leitung und später auch die Capellmeisterstelle des Theaters. Der junge Reicha erhielt nun, da er schon ziemlich gewandt mehrere Instrumente behandelte, eine Anstellung im churfürstlichen Orchester. Da bot sich ihm nicht nur reiche Gelegenheit, sich ferner in der Musik auszubilden, es erwachte auch, da er die Werke der Musik darstellen sah, sein eigenes Compositionstalent. Aber darin sollte er wenig Förderung finden. Sein Oheim sprach ihm alles Compositionstalent ab und untersagte ihm auf das Ernstlichste, mit dergleichen die kostbare Zeit zu vergeuden. Was nun der junge Reicha nicht offen betreiben durfte, betrieb er heimlich nur um so eifriger. Er kaufte sich die besten Lehrbücher und studirte mit Ernst und Eifer die Werke von Händel, Mozart und Haydn. Als um diese Zeit Erzherzog Maximilian in Cöln eine Universität gründete, besuchte R. die daselbst gehaltenen Vorträge über Literatur, Philosophie und bildete sich in verschiedenen Zweigen des Wissens, so einen festen Grund zu jenen Arbeiten legend, die später seinen Namen in der Kunstwelt berühmt machten. Indessen setzte er trotz der entschiedenen Abwehr seines Oheims, in der Stille die componistischen Arbeiten und Studien fort und legte eines Tages eine Composition auf den Tisch seines Oheims. Mit Bangen kehrte er spät Abends – er konnte sich den Tag über zur Rückkehr nicht entschließen – heim und erhielt den Befehl, sofort bei seinem Oheim zu erscheinen. Mit großer Angst betrat er dessen Zimmer, und kaum stand er vor dem sonst so strengen Mann, als dieser dem Neffen um den Hals fiel mit den Worten: „Du hast gesiegt, deine Composition hat mir eine unbeschreibliche Freude bereitet. Folge deiner Neigung, ich will mich hinfüro nicht mehr widersetzen“. Und nun begann für den jungen talentvollen Mann ein neues Leben. Die Capelle des Oheims führte seine Symphonie für großes Orchester aus und bald folgten dieser Aufführung mehrere andere. Dieß genügte, um die Arbeitslust des talentvollen Jünglings zu fördern. In Bonn lernte Reicha auch Beethoven kennen. „Wir haben vierzehn Jahre mit einander zugebracht, sagte Reicha, verbündet wie Orestes und Pylades, und waren in unserer Jugend immer zusammen. Nach achtjähriger Trennung sahen wir uns in Wien wieder, und hier theilten wir uns Alles mit, was, uns beschäftigte“. So war die Lage der Dinge, als die französische Revolution ausbrach. Die französische Armee drang in Bonn ein, das der Erzherzog Maximilian bereits verlassen hatte. Auch Reicha’s Bleiben war nicht länger dort. Er wandte sich zuerst, 1794, nach Hamburg, wo er sich seinen Lebensunterhalt durch Musiklectionen erwarb und sonst mit Compositionen beschäftigte. Doch schlug er in diesen letzteren immer seinen eigenen Weg ein, nie nach der Mode sich richtend, daher sie für ihn auch keine Erwerbsquelle war. „Ich habe mich also eingerichtet, sagte Reicha, nie weder Hilfe von der Composition zu erwarten, noch auf sie zu zählen“. Während eines fünfjährigen Aufenthaltes in Hamburg hat R. mehrere Instrumental- und Vocalwerke componirt, darunter zwei Opern, eine auf ein deutsches Libretto von Kotzebue, die andere auf [155] einen französischen Text: „Obaldi ou les Français en Egypte“. Jedoch sagte das Klima ihm nicht zu, er verließ also 1799 Hamburg und begab sich nun nach Paris, das später seine zweite Heimat wurde. Nachdem der Versuch, seine beiden oberwähntem Opern zur Aufführung zu bringen, gescheitert, debutirte er mit einer Symphonie zu großem Orchester, welche allgemein Anerkennung fand. In einem Concerte von Rode brachte er er eine zweite Symphonie zur Aufführung, andere Versuche aber mit Opern-Compositionen blieben alle erfolglos, und so verließ er denn Paris und begab sich nach Wien. Dort suchte er vor Allem den siebenzigjährigen Haydn auf, der ihn in wohlwollendster Weise aufnahm. Auch in Wien wollte es ihm nicht gelingen, seine Opern zur Darstellung zu bringen. Im Hause des Fürsten Lobkowitz fand er freundliche Aufnahme, wodurch er in weiteren Kreisen bekannt wurde. Auch gelang es ihm, der Kaiserin Maria Theresia, Gemalin des Kaisers Franz, vorgestellt zu werden. Die Kaiserin war eine große Freundin der Musik und gab ihm den Auftrag, ein italienisches Libretto: „Argene regina di Granada“, zu componiren, welches im Schloßtheater zu Schönbrunn gegeben wurde und worin die Monarchin selbst die Titelrolle spielte. In dieser Zeit erhielt R. einen sehr vortheilhaften Ruf von dem Prinzen Ludwig Ferdinand von Preußen, den er aber, um länger an Haydn’s Seite bleiben und die Lehren dieses Tonheros aus dessen eigenem Munde empfangen zu können, ablehnte. In Wien verkehrte er außerdem mit Beethoven, Albrechtsberger und Salieri. In die Zeit seines Wiener Aufenthaltes fällt die Composition der Cantate zu Bürger’s „Leonore“. Seine Versuche aber, sie zur Aufführung zu bringen, scheiterten an der Censur, welche aus Gott weiß welchen Gründen die Aufführung nicht zuließ. R. beschloß demnach, nach Leipzig zu gehen und dort sein Vorhaben auszuführen. Auf seiner Reise nach Leipzig besuchte er sein Heimatland Böhmen und seine alte Mutter, welche er 26 Jahre nicht gesehen hatte. In Leipzig angekommen, traf er alle Anstalten, um sein Concert in’s Werk zu setzen. Nachdem er alle Hindernisse beseitigt und sogar der Tag der Aufführung angesetzt war, machte die Schlacht von Jena Alles zunichte. An ein Concert war unter diesen Umständen nicht mehr zu denken und nach vier Monaten vergeblicher Mühen kehrte R. unverrichteter Dinge nach Wien zurück. Dort arbeitete er fleißig und blieb bis zum Jahre 1808. Durch seine Compositionen, welche während seines achtjährigen Aufenthaltes in Wien entstanden, begründete er seinen musikalischen Ruf. Die vorzüglichsten derselben sind, außer der bereits erwähnten Cantate „Leonore“, eine Opera, seria; ein Oratorium, betitelt: „Der Psalm“; ein Requiem; 36 Fugen für das Clavier, nach einem ganz neuen Systeme und Haydn gewidmet, 1803 bei Steiner in Wien gestochen; sechs große Quintetten für Saiteninstrumente, von denen drei später in Paris gedruckt wurden; mehrere andere seiner Arbeiten erschienen damals bei Breitkopf und Härtel zu Leipzig im Stiche. Als im Jahre 1808 die politischen Verhältnisse immer drohender sich gestalteten und gerade Wien der Schauplatz von Ereignissen, die nichts weniger als förderlich für die Kunst sind, zu werden drohte, verließ R. Wien und begab sich nach Paris, das er nun bis an sein Lebensende nicht mehr verließ. In Paris bestritt er im Anbeginn seinen Lebensunterhalt [156] vom Musikunterrichte, indessen aber wurde er sich immer klarer über seine neue Lehrmethode, deren Werth er bei seiner praktischen Beschäftigung immer genauer kennen und würdigen lernte. Er entschloß sich nun, die Resultate seiner theoretischen und praktischen Studien zu veröffentlichen, um die Urtheile der Fachmänner kennen zu lernen. Es erschienen nun folgeweise: „Traité de Melodie, abstraction faite de ses rapports avec l’Harmonie suivi d'un Supplément sur l’art d’accompagner la Mélodie par l’Harmonie lorsque la première est prédominante“ (Paris 1814, auch 1834, 4°.), mit einem Hefte Musikbeilagen; der berühmte Méhul wollte dem Institut de France eine ausführliche Würdigung dieses an neuen Ideen so reichen Werkes vorlegen, aber sein unvermuthet eingetretener[WS 1] Tod vereitelte dieses Vorhaben. – Dieser Arbeit folgten: „Cours complet de Composition musicale ou Traité complet et raisonné d’Harmonie pratique“ (Paris 1818, Gambaro, 4°.); dieses Werk Reicha’s hatte einen großen Erfolg, und während R. dafür nicht mehr denn 3000 Francs erhalten hatte, gewann der Verleger damit 70.000 Fr.; – „Traité de haute Composition musicale“, 2 parties (Paris 1824 et 1825, Zeller & Co., 4°.), schließt sich organisch als Fortsetzung an die beiden vorgenannten an und behandelt die verschiedenen Arten von Contrapuncten und Canons mit den alten und neuen Instrumentalfugen, mit den Doppelchören, mit der Anwendung des fugirten Genre in der Kirchen-, Instrumental- und Theatermusik, endlich mit der Form und der Abtheilung der Musikstücke, woraus die eigentliche Symphonie und die daraus hervorgegangene Kammermusik bestehen; – „Art du compositeur dramatique ou cours complet de Composition vocale divisé en quatre parties et accompagné d’un volume de planches“ (Paris 1833, A. Farenc, 4°.), voll trefflicher Bemerkungen über die Prosodie, die Poesie, die Stimmen und die verschiedenen, beim Theater gebräuchlichen Musikstücke. Noch sind einige kleinere theoretische Arbeiten Reicha’s anzuführen, welche in die Folge seiner unnummerirten Opera aufgenommen erscheinen und die Titel führen: „Petit traité d’Harmonie pratique à deux parties, suivi d’exemples en Contrepoint double et de douze duos pour violon et violoncelle, pouvant se jouer aussi sur le piano“ (Paris s. d., Gambaro, 4°.); – „Étude des Transitions et deux fantaisies pour le Piano“ – und „Études ou Théories pour le Pianoforte dirigés d’une manière nouvelle“. Diese Arbeiten, namentlich die erstgenannten vier, haben Reicha’s Ruhm in der Musikwelt bleibend begründet, sein Ruf ging über die Grenzen Frankreichs hinaus und er zählt allgemein als der erste Compositionslehrer unserer Zeit, ein Ruhm, der ihm bis zur Stunde nicht streitig gemacht worden ist. Nach dem glücklichen Erfolge dieser theoretischen Werke wurde Reicha schon im Jahre 1817 zum Compositionslehrer an Méhul’s Stelle im Pariser Conservatorium ernannt; im Jahre 1831 mit dem Kreuze der Ehrenlegion geschmückt und vier Jahre später zum Mitgliede des Institut royal de France erwählt, nachdem er über die Zulassung in die Reihe der Mitglieder schon im Jahre 1831 ein Memoire an die Mitglieder der Akademie der schönen Künste gerichtet hatte, unter dem Titel: „A messieurs les membres de l’Académi des beaux arts à l’Institut de France. Réflexions sur les titres [157] d’admission dans la section de musique de cette Académie“ (Paris 1831, Pihan Delaforest-Morinval). Mit dieser Thätigkeit als Schriftsteller der musikalischen Theorie verband R. aber die praktische als Musiklehrer und fleißiger Compositeur. Als Musiklehrer war er einzig in seiner Art, man sprach immer von einer „Reicha’schen Methode“, aber nicht ganz mit Recht, denn er besaß in seiner Art des Unterrichtes kein besonderes ausgesprochenes System, es wäre denn, daß man seine Kunst, seinen Unterricht dem Fassungskreise und angebornen Talente seines Schülers anzupassen, ein System nennen wollte; freilich hatte er, wie einer seiner berühmtesten Schüler, Ouslow, sagte, „das volle wichtige Geheimniß des Unterrichtes inne“. Groß war die Zahl seiner Schüler, und es sei hier nur der berühmtesten unter den vielen berühmten gedacht: Rode, Dauprat, Habeneck der Aeltere, Baillot, Blanchard, lange Zeit Mitarbeiter, der „Gazette musicale“, Elwart, Componist und Theoretiker, Colet, Barbereau, Jelensperger, Osborne, Musard; die öfter vorkommende Angabe, daß auch Berlioz sein Schüler gewesen, ist unrichtig. Und eben als Lehrer ist es vornehmlich Reicha, der in der Musik die deutsche Schule in Frankreich zur Geltung gebracht, den Geschmack für die deutsche Musik im Dilettantismus verbreitet und durch ihren zusehends wachsenden Einfluß das musikalische Italienerthum bekämpft und verdrängt hat. Auch auf dem Felde der Composition war R. fleißig und thätig und schlug auf demselben seinen eigenen Weg ein, wie sich denn in Allem, was Reicha vornahm, eine durch Nachdenken über die eben in Angriff genommene Arbeit gewonnene Originalität kundgibt. Von seinen dramatischen Compositionen sind bekannt: „Cagliostro“, dreiactige Oper, im Theater Feydeau aufgeführt und, wie er selbst mit Humor berichtet, bis zur achten und letzten Vorstellung ausgepfiffen. Reicha selbst gibt die Ursachen dieses Mißerfolges an. An diesem Werke waren vier Autoren betheiligt, zwei Librettisten und zwei Compositeure, er selbst hatte die Ouverture und die zwei ersten Acte componirt; – „Nathalie ou la famille russe“, große Oper in drei Acten, sechsmal in der Académie royale de musique gegeben; R. schreibt, es würde ein dicker Band werden, wollte er die unerhörten Mühseligkeiten erzählen, die er erlitten, um die mise en scène zu erlangen, und dann die Cabalen und Intriguen während der sechs ersten Proben, um die Aufführung zu verhindern oder doch das Werk durchfallen zu machen; – „Gusman d’ Alfarache“, komische Oper in einem Acte, Text von Scribe, wurde nicht aufgeführt; – „Begri ou le chanteur à Constantinople“, komische Oper in einem Acte, nicht aufgeführt; – „Sapho“, große Oper in drei Acten, 1822 in der Académie royale musique zehnmal gegeben; – „Philocléte“, große zweiactige Oper, wurde nicht aufgeführt; die Erfolge mit seinen dramatischen Compositionen waren im Ganzen nicht darnach angethan, um ihn zu ferneren Arbeiten auf diesem Gebiete zu ermuntern. R. selbst schreibt anläßlich seiner mit Beifall gegebenen Oper „Sapho“: „ich gewann 1860 Francs mit dieser Arbeit, vernachlässigte aber die Zeit hindurch, während ich mich mit derselben beschäftigte, mehr als für zehntausend Franken Privatstunden-Ertrag“. Glücklicher war R. mit seinen übrigen Compositionen und darunter vor Allem mit jenen für Blasinstrumente, [158] welche bisher in der Composition zu sehr vernachlässigt wurden. Er fing an Quintetten zu componiren, und zwar für die Flöte, die Oboe, die Clarinette, das Horn und das Fagott. Er bewies mit diesen Arbeiten, was diese bisher vernachlässigten Instrumente in einem Ensemble, in welchem ihre pikanten, verschiedenartigen Effekte zur Geltung gebracht wurden, zu leisten im Stande seien. Er schuf auf diese Art eine ganz neue Genremusik für Blasinstrumente, welche die Mitte hielt zwischen den Stimmen und den Saiteninstrumenten. Dem ersten nicht ganz gelungenen Versuche folgte ein zweiter, schon glücklicherer, dann ein dritter und diesen noch drei andere. Die fünf Künstler Guillou Vogt, Bouffil, Dauprat und Henry, welche im Jahre 1815 diese erste Sammlung zur Aufführung brachten, erhielten einen so günstigen Erfolg, daß die Quintetten Tagesgespräch in Paris wurden und Alles dieselben hören wollte. Ermuthigt durch diesen Beifall, componirte er im Ganzen 24 solche Quintetten für Blasinstrumente. Von seinen anderen Compositionen, die sich im Ganzen auf mehr als 160 Nummern belaufen, von denen zwei Drittel im Stiche erschienen sind, sind hervorzuheben: „Études ou theories pour le Pianoforte, dirigées d’une manière nouvelle“, Op. 30 (Paris, Imbault); – „Fugue composée sur un thème de célèbre D. Scarlatti“, Op. 32; – „XII fugues pour le Pf. dans un genre nouveau“; – „Hamlet’s Monolog mit Begleitung des Pianoforte“; – „12 Gesänge mit Begleitung des Claviers“, außerdem schrieb er zwölf Trio’s für zwei Hörner und Cello, ein Octuor für vier Saiten und vier Blasinstrumente mit Contrabaßbegleitung ad libitum; ein Diecetto für Flöte, Oboe, Clarinette, Horn und Fagott, zwei Violinen, Alto, Cello und Contrabaß; ein Quartett für vier Flöten; ein Terzett für drei Cello; ein Hornsolo mit Orchesterbegleitung; ein Te Deum, ein Cantique mit zwei Chören zu zwölf und sechzehn Stimmen mit vier recitirenden Stimmen und Orgelbegleitung, mehrere Quartetten für Violinen, Alto und Violoncell, sechs Trio’s für Clavier, Violine und Cello und ein Musikstück mit der Bestimmung, bei der Feier des Andenkens großer Männer und großer Begebenheiten aufgeführt zu werden. Wie schon aus dieser vorstehenden Uebersicht der Compositionen zu entnehmen, versuchte es R. immer, gewisse, sich vorgesetzte Probleme in der Musik zu lösen, und wenn es ihm gelang, so war er, wie sein geistvoller Kritiker Blanchard schreibt, glücklich wie ein Kind, das ein Vogelnest entdeckt hat. R. hatte eine Französin geheirathet, die ihm zwei Töchter gebar. Nach einer Krankheit von wenigen Tagen – nicht, wie Kastner in seiner Biographie schreibt, nach achtjähriger Krankheit – starb er im Alter von 66 Jahren. Seine Bestattung, welcher sämmtliche Mitglieder des Institut de France beiwohnten, wurde festlich begangen. Seine Leiche ruht auf dem Friedhofe Père Lachaise, wo ein mit seiner Büste geschmücktes Denkmal seine Ruhestätte bezeichnet. Gerber in seinem „Neuen Universal-Lexikon“ führt im 3. Bande, Sp. 811 u. 812, zwei Musiker des Namens Anton Reicha auf und führt bei beiden Compositionen an. Dieß ist ein Irrthum, es gibt nur einen berühmten Musicus des Namens Anton Reicha – der zweite führt den Taufnamen Joseph – und ergänzen sich Gerber’s Notizen über beide wechselseitig zu einer. Schließlich sei noch bemerkt, daß sein „Traité [159] de haute composition“ von Czerny in’s Deutsche übersetzt und unter dem Titel: „Vollständiges Lehrbuch der musikalischen Composition“ (Wien 1834) ist herausgegeben worden.
Reicha, Anton Joseph (Compositeur und Musikschriftsteller, geb. zu Prag in Böhmen am 25., n. A. am 27. Februar 1770, gest. zu Paris 28. Mai 1836). Kaum ein Jahr alt, verlor er seinen Vater, die Mutter heirathete wieder, aber der Stiefvater kümmerte sich nicht um den Stiefsohn, dessen Erziehung so sehr vernachlässigt wurde, daß dem 11jährigen Knaben es selbst nicht mehr im Elternhause gefallen wollte. Er verließ demnach eines Tages heimlich sein Elternhaus und begab sich nach Glatow, einem böhmischen Städtchen, zu seinem Großvater. Aber auch dort sah man sich wenig nach dem armen Jungen um, daß dieser nun selbst bat, zu seinem Onkel- Delaire (J. A.), Notice sur Reicha, musicien, compositeur et theoriste (Paris 1837, 8°.). – Zeitschrift für Deutschlands Musikvereine und Dilettanten (Carlsruhe 1845, 8°.) Bd. IV, S. 116 u. 129: „Reicha. Biographischere Skizze“, von Dr. Georg Kastner. – Gerber (Ernst Ludwig), Historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler (Leipzig 1782, Breitkopf, gr. 8°.) Bd. II, Sp. 250. – Derselbe, Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler (Leipzig 1813, A. Kühnel, gr. 8°.) Bd. III, Sp. 812. – Gaßner (F. S. Dr.), Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Frz. Köhler, gr. 8°.) S. 715. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Ed. Bernsdorf (Dresden 1837, Schäfer, gr. 8°.) Bd. III, S. 237. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.)Bd. IV, S. 363; Bd. VI, S. 586. – Die Posaune. Redig. von Georg Harrys (Leipzig, 4°.) V. Jahrg. (1836), Nr. 75: „Reicha“. – Dlabacz (Gottfried Joh.), Allgemeines historisches Künstler-Lexikon für Böhmen und zum Theile auch für Mähren und Schlesien (Prag 1815, 4°.) Bd. II, Sp. 569 [mit einem Verzeichniß von 47 Tonstücken]. – Dalibor (čechisches Musikblatt, herausg. von Eman. Meliš, Prag, 4°.) IV. Jahrg. (1861), Nr. 25 u. 26: „Antonin Rejcha“, von B. Vrádelsky. – Rodinna kronika, d. i. Vaterländische Chronik (Prager illustr. Blatt, 4°.) 1863, S. 177 [nach dieser wäre R. 25. Februar 1770 geboren]. – Biographie des hommes vivants … (Paris 1819, 8°.) Tome V, p. 169. – Biographie nouvelle des Contemporains ou dictionnaire historique et raisonné de tous les hommes qui, depuis la révolution française, ont acquis de la célébrité ... Par MM. A. V. Arnault, A. Jay, E. Jouy, J. Norvins etc. (Paris 1826 et s., à la librairie historique, 8°.) Tome XVII, p. 320. – Porträt. Unterschrift: Anton Reicha. Geb. zu Prag den 27. Februar 1770, gest. zu Paris den 28. Mai 1836. (Lith.) A. Frey (8°.) [das einzige ähnliche, das von Reicha existirt, und ziemlich selten]. – Reicha’s Grabdenkmal. Reicha liegt, wie schon bemerkt, auf dem Pariser Friedhofe Père Lachaise beigesetzt. Die in den Quellen erwähnte „Rodinna kronika“ bringt 1863 in Nr. 67 eine Abbildung des Denkmals. Die Inschrift desselben lautet: A. Reicha (Antoine Josephe) | Professeur de contrapoint | au conservatiore de Musique | membre de l’institut et de la legion d’honneur.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: eingetrener.