BLKÖ:Biwald, Leopold Gottlieb

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Nächster>>>
Bizza, Pacifico
Band: 1 (1856), ab Seite: 415. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Leopold Biwald in der Wikipedia
Leopold Biwald in Wikidata
GND-Eintrag: 120476975, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Biwald, Leopold Gottlieb|1|415|}}

Biwald, Leopold Gottlieb (Priester der Gesellschaft Jesu, Naturforscher, Professor der Physik, geb. zu Wien 26. Febr. 1731, gest. zu Graz 8. Sept. 1805). Nach Beendigung der Gymnasialstudien trat er, 16 Jahre alt, in den Orden der Jesuiten. Rasch entwickelten sich seine glücklichen Geistesanlagen und früh schon zeigte sich die ganze Stärke seines künftigen Berufes. Er bildete sich in der Theologie, Philosophie, Mathematik und Physik so sehr aus, daß er nacheinander zum Lehrer in der Rhetorik am Gymnasium zu Laibach, zum Doctor der Theologie, dann (zu Ende des J. 1761) zum Professor der Logik, und bald darauf der Physik in Graz ernannt wurde. Der nun folgende Zeitraum war der glänzendste seines Lebens, denn er gab ihm Gelegenheit, seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse auszubreiten. Er war es, der zuerst ein gründliches, kritisches Studium dieser Wissenschaft anbahnte, und ihr Gebäude von jenen Unrichtigkeiten und Vorurtheilen säuberte, die es damals so sehr eingenommen hatten. Mächtig war die Wirkung seines Vortrags und seiner Grundsätze auf die Zuhörer und die ganze wissenschaftliche Welt. Seine physikalischen Collegien waren reich besucht, die Söhne des höchsten Adels drängten sich dazu. Sein Lehrbuch der Physik, das er im J. 1766 in lateinischer Sprache herausgab, hatte den ungewöhnlichsten Erfolg. Es erlebte rasch nacheinander 3, stets vermehrte Auflagen, und ging über die Gränzen Oesterreichs in alle gebildeten Staaten Europa’s. In demselben bewunderten die Fachmänner Vollständigkeit, Gründlichkeit, Ordnung, Methode, Deutlichkeit und Reinheit des Styls. Sein sich so verbreitender Ruf setzte ihn nun in die ehrenvollsten Verbindungen mit ausländ. wissenschaftlichen Autoritäten und viele fremde Universitäten machten ihm die schmeichelhaftesten Anträge. Aber er hatte beschlossen, seinem Vaterlande getreu zu bleiben. Mit Linné kam er in freundlichen Verkehr durch eine Vertheidigung des berühmten Systems dieses Gelehrten, welches von dem sonst berühmten Professor der Wiener Universität, Freiherrn von Cranz, unbegreiflicherweise angegriffen ward. Linné schrieb an B. aus Upsala ein verbindliches lateinisches [416] Dankschreiben. Von Kaiser Joseph II., diesem vorzüglichen Gönner der Künste und Wissenschaften, ward er dann aufgefordert, der jungen Geistlichkeit des damals in Wien bestandenen Generalseminariums Vorlesungen aus der Naturgeschichte zu halten. Er entsprach in der ehrenhaftesten Weise. In Anerkennung so vieler Verdienste, so erfolgreichen Wirkens verlieh Kaiser Franz II. dem 74jährigen Greise die goldene Medaille mit der Kette, die ihm, da er Kränklichkeit halber seine Wohnung nicht verlassen konnte, von dem Landesgouverneur in diese überbracht und feierlich umgehängt ward. An diesem Tage zeigte sich die Verehrung und Liebe, welche Hoch und Nieder für den greisen Gelehrten empfand. Bei seinen Zeitgenossen erwarb er sich den seltenen Namen eines Weisen, und man begreift all die begeisterten Lobsprüche, die man ihm zu Theil werden ließ, wenn man seine Tugenden: „Ungeheuchelte Anhänglichkeit an das Vaterland und seinen Fürsten, echt deutsche Redlichkeit und anspruchsloses Wohlwollen gegen jede Menschenclasse, unparteiische Würdigung jedes Verdienstes, gefälliges Zuvorkommen mit Rath und That, Duldsamkeit gegen Schwäche und Irrthum, wo Ueberzeugung nicht eindrang, weise Besonnenheit im Sprechen und Handeln, Verträglichkeit und heitere Laune in jeder Gesellschaft, und jene seltene Gewandtheit: in so mannigfaltigem Umgange sich jedem Alter, Geschlechte, Range und Stande, ja selbst durch Vorschub seiner Sprachkenntnisse jeder fremden Nation genau anzuschicken“, aufgezählt findet. Sein Tod gab die Losung zu allgemeiner und auf richtiger Trauer. Nach seinem Tode erhielt Fischer in Wien den Auftrag, seine Büste anzufertigen, die in der Universitätsbibliothek aufgestellt ward. Er hinterließ folgende Werke in latein. Sprache: „Theoria Philosophiae naturalis, redacta ad unam legem virium in natura existentium auctore J. R. Boscovich S. J. ab ipso perpolita et aucta. Ex prima Editione Veneta cum Catalogo operum ejus ad annum 1763“ (Graecii 1765, 4°.); – „De objectivi Micrometri usu in Planetarum diametris metiendis. Exercitatio optico-astronomica habita in Coll. P. P. J. S.“ (Romae 1765, Graecii 1768); – das oberwähnte Lehrbuch der Physik, nämlich: „Physica generalis et particularis quam auditorum philosophiae usibus accomodavit Leopoldus Biwald etc. etc.“ (Graz 1766, Moriz Lechner, 2. Aufl. 1769, 3. Aufl. 1774, 1. Bd. mit 14 K. K., 2. Bd. mit 13 K. K., gr. 8°.); – „Selectae ex amoenitatibus academicis Caroli Linnaei dissertationes ad universam naturalem historiam pertinentes, quas edidit et additamentis auxit L. B. e. S. J.“ (Graz 1764, Widmanstad, 1. Bd. 3 K. K., 2. Bd. 1766, 2 K. K., 3. Bd.; „Continuatio altera selectarum etc.“, 1769, 2 K. K., gr. 8°.); – „Dissertatio de studii physici perpetuis mediis et cum scientiis reliquis nexu“ (1767, 4°.).

Oestr. National-Encyklopädie (von Gräffer und Czikann), (Wien 1835, 6 Bde.) I. Bd. S. 306 und VI. Bd. Supplem. S. 373. – Meusel (J. G.), Das gelehrte Deutschland (Lemgo 1783) I. Bd. S. 135 [gibt den 27. Febr. 1731 als B.’s Geburtsdatum an]. – Stoeger (Joh. Nep.), Scriptores Provinciae Austriacae societatis Jesu (Wien 1855, Lex. 8°.) S. 30 [stimmt mit Meusel im Todesdatum überein]. – Kunitsch, Biographie Biwald (Graz 1808). – Nouvelle Biographie générale ... publiée sous la direction de M. le Dr. Hoffer (Paris 1853) VI. Bd. Sp. 148. – Annalen der Literatur und Kunst in den östr. Staaten (Wien 1805, A. Doll) IV. Jhrg. II. Bd. S. 274: „Nekrologie“ – Austria docta. – Caballero, Bibl. Script. Soc. Jesu Suppl. – Pritzel, Thesaurus lit. Botan. (Leipzig 1851). – (De Luca) Das gelehrte Oesterreich. Ein Versuch (Wien 1776, Ghelen, 8°.) I. Bdes. 1. St. S. 33.