Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V. Section/H20

Heft 19 des Voigtländischen Kreises Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke
Heft 20 der Section Voigtländischer Kreis
Heft 21 des Voigtländischen Kreises
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:
  1. Troschenreuth
  2. Posseck
  3. Bobenneukirchen
  4. Ottengrün



[153]
Troschenreuth


liegt 4 Stunden südlich von Plauen, 31/4 Stunden südwestlich von Oelsnitz und 2 kleine Stunden von Hof, an zwei kleinen Bächen, welche sich hier vereinen und den Namen Feil- oder Veilchenbach führen. Der Ort ist nach einem Troitzsch (in hiesiger Gegend ein oft vorkommender Name) genannt. Troschenreuth und das Rittergut Wiedersberg waren von den frühesten Zeiten bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts stets combinirt.

Ob die Herren von Wiedersperg oder Wiersberg mit Wiedersberg zugleich auch Troschenreuth erbauten, ist nicht ganz gewiss; doch soll das frühere alte Schloss, welches mit Wall und Gräben versehen war und vor 150 Jahren abgetragen worden ist, auf ein sehr hohes Alter hingedeutet haben. Ob jener Troitzsch der Erbauer desselben war, ist nicht ermittelt. Wiedersberg, die alte Burg, existirte schon zu Ende des 11. und Anfang des 12. Jahrhunderts und diente auf alle Fälle demnach Troschenreuth als Vorwerk von Wiedersberg.

Nach dem Geschlechte der von Wiersberg oder Wiedersberg folgten die von Sack und dann die von Magwitz, welche die Herrschaft bis zum 16. Jahrhundert behaupteten. Im Jahre 1631 finden wir in Wiedersberg wie Troschenreuth Dr. Michael Thomas als Gerichtsherrn, von welchem diese Güter nebst Oelsnitz 1666 an Dr. Pfretzschner kamen. Im Jahre 1727 war Besitzer von Troschenreuth mit Wiedersberg Siegmund Albert und im Jahre 1754 ein Herr von Schönfeld. Dann war Troschenreuth noch ziemlich 52 Jahre mit Wiedersberg combinirt, worauf das Letztere von der Familie Gräf, Troschenreuth aber von der Familie Seidel acquirirt wurde.

Seit 30 Jahren ist es im Besitze der Familie Stengel, welche durch Verheirathung mit der Seidelschen Familie sehr nahe verwandt ist.

Der Vater des gegenwärtigen Besitzers von Troschenreuth, des Herrn Gottlob Stengel, besass ehedem die schöne und gute Mahlmühle zu Strassberg bei Plauen.

Das jetzige Schloss von Troschenreuth hat durch den nach und nach erfolgten Umbau ein ganz verändertes Ansehen erlangt und man findet von dem frühern alten Schlosse keine besondern Erinnerungen mehr, da es baufällig geworden und fast ganz abgetragen werden musste.

Zum Gute gehört ein Areal von 400 Ackern Feld, Wiesen und Waldland.

Seit der Besitzzeit der Stengelschen Familie ist dieses Gut durch ausgezeichnete Bewirthschaftung sehr in die Höhe gebracht und dessen Werth vermehrt worden. Ohne Zweifel gehört Herr Gottlob Stengel zu den rationellsten Landwirthen des Voigtlaudes. Man betrachte die Forstcultur, die Aecker oder Wiesen, überall muss man sich wundern, wie in einer Gegend von nicht der besten Bodensorte wie hier, so Vortreffliches geleistet werden kann. Gerste und Roggen, die hier erbaut werden, gehören zu den besten Arten. Die Nutzungen des Gutes sind daher nicht unbedeutend, wozu noch kommt, dass solche durch eine vortreffliche Viehwirthschaft sich noch erhöhen. Von Tag zu Tag fährt der Milchwagen von Troschenreuth nach dem benachbarten Hof.

Geschichtlich merkwürdig ist das frühere alte Schloss von Troschenreuth durch den General Holk geworden. In demselben hat dieser grausame [154] Heerführer durch den Tod seine Laufbahn beschlossen, um vor dem Throne Gottes den Lohn seiner Thaten zu empfangen.

Wenn einige Geschichtschreiber melden, dass Holk in Adorf verstorben und dort begraben liege, so kann dieser Irrthum blos dadurch entstanden sein, weil der Leichnam von seinen Soldaten auf der damaligen Heerstrasse über Adorf mitgenommen wurde. Von Adorf aus ist aber der Leichnam weiter in einem zinnernen Sarge nach Dänemark gebracht und dort in der Holkschen Familiengruft beigesetzt worden.

Zu der früheren Gerichtsbarkeit von Troschenreuth gehörte halb Zettlarsgrün und Ebersberg, welches nur eine Viertelstunde von Wiedersberg hinter einem sehr steilen, dem grössten Theil nach mit Holz bewachsenen Berge liegt. Zu diesem Ebersberg gehört auch die sogenannte Hitze, zwei einzeln stehende Häuser, welche ausgezeichnetes Quellwasser haben.

Zum Gemeindeverband von Troschenreuth gehört eine Mühle von zwei Gängen und ein Wirthshaus, die „Klippe“ genannt, nicht uninteressant an der baierischen Grenze gelegen.

Troschenreuth ist mit Heinersgrün, Blosenberg, Ramoldsreuth, und Ebersberg nach Wiedersberg eingepfarrt, über welches bis vor wenig Jahren dem König von Baiern das Collaturrecht zustand, da Wiedersberg zu den sogenannten Streitpfarreien gehörte, die nun von sächsischer Seite besetzt werden.

Aus dem ganzen Kirchenverbande geht deutlich genug hervor, dass die ganzen obgedachten Ortschaften zusammen gehörten und in den frühesten Zeiten eine Herrschaft bildeten, welche im 14. Jahrhundert meissnisches Lehen war und vorher die Voigte von Plauen inne hatten. Nur zu bedauern ist, dass gerade hierüber die näheren Nachrichten fehlen, da im Hussitenkriege und im 30jährigen Kriege die wichtigsten Nachrichten über die hiesige Gegend verloren gegangen sind. Das, was etwa über die Kirche von Wiedersberg hier zu sagen wäre, ist schon bei der Beschreibung von letzterem Orte im 85. Hefte dieses Albums erwähnt und bedarf also hier keiner Wiederholung.

Ebenso ist auch in jener Beschreibung der alten Burgruine bei Wiedersberg gedacht, die wohl das frühere eigentliche Stammschloss der ganzen Herrschaft gewesen sein mag und in den alten Urkunden eine landesherrliche Veste genannt wird.

Die Gegend um Troschenreuth bis Wiedersberg ist hoch und bergig, aber nicht gar rauh und von mittlerer Fruchtbarkeit. Die alten Orte aus dem 11. und 12. Jahrhundert Hartmannsreuth in Süden, Loddenreuth in Osten liegen ganz nahe von hier.

Zum Gute Troschenreuth gehört auch eine grosse Schäferei und aus den zum Rittergute gehörenden grossen schönen Waldungen wird eine vorzügliche Pechnutzung gewonnen.

Die Gerichtsbarkeit von Troschenreuth war schon vor Einführung der neuen Gerichtsorganisation an den Staat abgetreten und mit dem Justizamte Voigtsberg vereinigt worden.

Jetzt gehört Troschenreuth, auch Treschenreuth genannt, mit Ebersberg, Ebersberg mit Hitze, Troschenreuth mit Klippe zum Gerichtsamt Oelsnitz.

Die Orte zusammen haben 65 bewohnte Gebäude mit 375 Einwohnern.

M. G.     



[155]
Posseck


liegt ungefähr 200 Schritte östlich von der Strasse, die von Oelsnitz nach Hof führt, ist von ersterer Stadt 21/2, von letzterer 2 Stunden, von der bairischen Grenze aber nur 100 Schritte entfernt. Es liegt in einer Ebene, die im Süden zum nahen Fichtelgebirge führt. Ein kleines Wasser, das in die Regnitz mündet, fliesst durch den Ort. In der Nähe des Dorfes, auf der Gassenreuther Höhe, hat man eine schöne Fernsicht nach allen Himmelsgegenden, besonders aber nach dem Fichtel- und Erzgebirge. Die Einwohner nähren sich vom Landbau, sowie vom Wirken, Nähen und Handarbeiten; auch giebt es hier Weber-, Schneider-, Schuhmacher- und Tischlermeister, sowie auch eine Schmiede, einen Bäcker-, einen Böttcher- und einen Töpfermeister.

Der Ort hat jährlich zwei Jahrmärkte, von denen der erste am Tage Petri Paul, der andere aber am zweiten Montag nach Michaelis gehalten wird und hat überhaupt das Ansehen eines Marktfleckens.

Der Ort ist von den Sorben schon angelegt. Die ersten bekannten Besitzer des Schlosses im 11. Jahrhundert waren die Herren von Posseck, die in demselben hier mitten im dichten Holze, von Wällen und Gräben umgeben, hausten. Ein undurchdringliches Dickicht schützte es lange vor Ueberfällen und feindlichen Angriffen. Erst im Hussitenkriege wurde es von den Feinden mit heimgesucht und theilweise zerstört, weshalb wir von dem eigentlichen alten Schlosse keine richtige Vorstellung uns mehr machen können. Es ist nach dem Kriege restaurirt, im 30jährigen Kriege wieder zerstört und dann von Neuem nothdürftig hergestellt worden, so dass die Wälle und Gräben vollständig verschwunden sind. Die in der Abbildung befindlichen Gebäude sind die seit dem 30jährigen Kriege wieder hergestellten. Seit dieser Zeit ist eine besondere Aenderung damit nicht vorgenommen worden, da die Herrschaften von Posseck nur eine geringe Zeit des Jahres sich hier aufhielten.

Nach den Herren von Posseck gelangte deren Besitzung durch Verwandtschaft mit der Reitzensteinischen Familie schon im 14. Jahrhundert an die letztre, deren Stammgut im Königreich Baiern sich befindet und deren Verwandtschaft in dem früheren alten Voigtlande weit verzweigt war. Doch im Jahre 1651 besass Posseck Wolf Christian von Reitzenstein, welcher das für seine Gerichtsuntergebenen damals schwere Jahr 1647 mit durchlebte, wo die Possecker, Nentzschauer, Gassenreuther, Trogennauer, Gattendörfer, Hartmannsreuther mit aller beweglichen Habe in dem damals noch sehr festen mit Wällen und Gräben umgebenen, mit Zugbrücken versehenen Schlosse Sachsgrün eine sichere Zufluchtsstätte fanden, welches abseits von der Heerstrasse lag.

Auch im 18. Jahrhundert war die Familie von Reitzenstein noch mit Posseck beliehen. Denn 1706 besass solches Frau Dorothea Carol. von Reitzenstein, geb. von Renzsch auf Goldcronach.

Von der Letztern scheint es an einen gewissen von Zauthier gekommen zu sein, der es wieder der von Reitzensteinschen Familie überliess, bis es von derselben an das von Feilitzsche Geschlecht auf Clettstädt bei Langensalza kam. Im Jahre 1843 starb der königl. sächsische pensionirte Rittmeister, Herr Christoph Ernst von Feilitzsch als Besitzer von Posseck, welcher das Gut seinen Erben hinterliess, bis vor vier Jahren von der Wittwe des Herrn Rittmeister von Feilitzsch der Rittergutsbesitzer Opitz auf Netzschkau solches erkaufte, welcher solches wieder an Herrn Döhler sen. auf Kleingera im Jahre 1854 käuflich abtrat.

Posseck ist ein nicht unbedeutendes Gut, obschon die Felder nicht der besten Bodenclasse angehören, so hat es doch gute Wiesen und einen ungemein grossen Holzbestand. In letzterer Hinsicht wurde es bis hieher zu den vorzüglichern Gütern des Voigtlandes gerechnet. Zum Gute gehört auch Schäferei und Ziegelei, und das Vorwerk Neubrambach. Das [156] Gut hat ein Areal von 650 Acker. Eben so war bis zur Einführung der neuen Gerichtsorganisation die Gerichtsbarkeit von Posseck eine grosse: darunter gehörten an 1200 Gerichtsuntergebene. Das Rittergut selbst ist erst am 14. September 1763 schriftsässig geworden. Zudem ist bis heutigen Tages mit dem Besitze von Posseck das Collaturrecht über dasige Kirche und Schule, sowie über die geistlichen Stellen zu Bobenneukirchen verbunden.

Die jetzige Kirche in Posseck ist erst in den Jahren 1783 und 1784 neu erbaut.

Die frühere alte Kirche wurde wegen ihrer Baufälligkeit nebst Thurm im Jahre 1773 eingerissen.

Die jetzige Kirche bildet ein längliches Viereck, an dessen nordwestlicher Seite sich der Thurm erhebt.

Ihr Inneres ist hell und freundlich, was die hiesige Kirchfahrt einem edlen Manne, dem in Tiefenbrunn geborenen und im Jahre 1840 in Genf verstorbenen Instrumentenmacher Herrn Rudorf zu verdanken hat, der im Jahre 1832 die hiesige Kirche auf seine Kosten in den jetzigen Zustand brachte. Ausserdem ist sie in neuerer Zeit durch edelgesinnte Parochianen mit drei gläsernen Kronleuchtern, die an den drei hohen Festen, sowie am Neujahrstage und am Charfreitage, in Gebrauch kommen, und mit einem schönen Taufsteine geschmückt worden.

Die beiden Gottesäcker, von denen der eine um die Kirche herum gelegene im Winter, der andere aber ausserhalb des Dorfes östlich gelegene im Sommer zum Begräbniss der Verstorbenen dient, haben nichts Merkwürdiges. Sie sind beide mit einer steinernen Mauer umgeben, und namentlich die des erstere ist nicht minder freundlich und schön, als das Innere der Kirche.

Die Kirche hat mehrere Legate, welche von früheren Besitzern des Rittergutes herrühren. Namentlich hat die von Reitzensteinsche Familie ihren frommen, wohlthätigen Sinn durch derartige Vermächtnisse so recht bethätigt.

Herr Wolf Christoph von Reitzenstein auf Posseck hat im Jahre 1651 ein Legat von 250 Thalern ausgesetzt, wovon die Zinsen aus hiesigem Rittergute bezahlt werden und nach der Stiftungsurkunde 10 Thaler betragen. Von den Zinsen erhält der Superintendent zu Oelsnitz 1 Thaler und der hiesige Pfarrer 6, wofür derselbe am Himmelfahrtsfeste Nachmittags eine Gedächtnisspredigt zu halten hat; der Schulmeister 1 Thaler, und die übrigen 2 werden unter die Schüler und Armen vertheilt.

Auch Frau Dorothea Maria von Reitzenstein, geb. von Rentzsch auf Goldcronach, hat ein Legat von 250 Thalern ausgesetzt. Die Zinsen werden ebenfalls aus hiesigem Rittergute bezahlt und betragen gleichfalls 10 Thaler. Die Vertheilung geschieht in derselben Weise wie bei dem vorgedachten Vermächtnisse, und hat der hiesige Pfarrer eine Gedächtnisspredigt am Feste Maria Heimsuchung Nachmittags zu halten.

Ausserdem existirt noch ein Legat von 450 Thalern von weil. Herrn Christian Ernst Seyfert, gewesenen holländischen Residenten auf der Westküste von Sumatra, gestiftet durch Herrn Johann Philipp Christian Seyfert, gewesenen Schulmeister hier, in Folge einer testamentarischen Verfügung erstgenannten Seyferts, dass seine Universalerben, unter denen letztgenannter Schulmeister Seifert sich befand, gehalten sein sollten, von demjenigen, was sie ererben würden, an die Armen von ihrem Wohnorte 10 Gulden von 100 Gulden abzugeben.

Von den Zinsen, die jetzt 20 Thaler betragen, erhält der Superintendent zu Oelsnitz 1, der hiesige Pfarrer 3, der Schulmeister 1 und die Kirchenvorsteher 1 Thaler. Das Uebrige wird unter die Armen vertheilt.

Das Pfarrhaus befindet sich seit den neuesten Zeiten in einem guten Zustande. Neben der Pfarrwohnung steht das Schulhaus.

Die Parochie Posseck umfasst die Orte Posseck, Gassenreuth, Haselrein mit Grünpöhl, Höllensteg, Tiefenbrunn, Pabstleithen, Oberwieden, Unterwieden und die bairischen Orte Nentzschau, Zech und Mittelhammer. In die Schule zu Posseck gehen die Kinder von Gassenreuth, Haselrein mit Grünpöhl, Höllensteg, Oberwieden, Unterwieden; eine Nebenschule ist zu Papstleithen, wohin die Tiefenbrunner Kinder eingeschult sind, und eine zu Nentzschau, wo es die baierischen Ortschaften mit 90 Kindern umfasst.

Im Orte Posseck steht ein steinernes Kreuz, wo früher zwei Generäle sich erschossen haben sollen.

Posseck hatte bis zur Einführung der neuen Gerichtsorganisation seine eigenen Gerichte, bei welchen der in diesem Jahre verstorbene Kreissyndicus August Facilides in Plauen als Gerichtsdirektor fungirte.

Posseck mit Haselrein und Höllensteg hat 880 Einwohner, und gehört Posseck, wie die andern Orte dieses früheren Gerichts, jetzt zum Gerichtsamt Oelsnitz, zum Bezirksgericht Plauen, zur Amtshauptmannschaft Plauen, zum Regierungsbezirk Zwickau.

M. G.     



[157]
Bobenneukirchen


21/4 Stunde von Oelsnitz, westsüdwestlich von der Plauen-Hofer Strasse 5/8 Stunde entfernt, liegt an dem nach dem Orte benannten Bache, der südlich von hier am Kleeholze entspringt und oberhalb Dröda den Feilebach erreicht, mitten zwischen den Dörfern Burkhardtsgrün, Ottengrün, Zettlarsgrün, Dechengrün, Engelhardtsgrün und Weidigt, nebst Weidenhaus und Einsiedel.

Der Ort, nebst den andern genannten, sind rein deutschen Ursprungs und kommt zuerst in einer Urkunde unter dem Namen Baben neun Kirchen vor, welches bei der von Heinrich dem Reichen vorgenommenen Ländertheilung unter seine drei Söhne mit an den mittlern seiner gedachten drei Söhne fiel, und in dem Landesstrich eben begriffen war, welchen Heinrich der Reiche im Voigtlande besass. Derselbe erstreckte sich von Voigtsberg mit Oelsnitz und Adorf bis nach Schönberg hinauf.

Die Erbauung Bobenneukirchens ist aber unbedingt vor dem 13. Jahrhundert erfolgt und ist vielmehr in das 11. Jahrhundert zu versetzen, in die Zeit, wo der Geist des Ritterwesens durch die geschehene Stiftung von Turnieren, welche König Heinrich I. einführte, geweckt wurde und so glänzend dastand. Mit Einführung dieser Turniere erfolgte auch die Normirung der Wappen der adelichen Herren nach festen Formen. Sie waren ursprünglich die gewählten Symbole, welche der Kriegsmann zu seiner Kennbarmachung auf seinem Schild und Rüstzeug malte und auch in sein Siegel sich stechen liess.

Zu gleicher Zeit zeichneten sich die Besitzer der Burgen und Schlösser durch einen kirchlichen Sinn aus und bauten Kirchen und Kapellen in Dörfern und Städten.

Bobenneukirchen verdankt ebenfalls seine Entstehung solch kirchlichen Sinnes. Die Sage darüber ist folgende:

Nicht weit von dem Platze, wo jetzt die Kirche steht, sei eine Grotte gewesen, in welcher die Göttin „Baba oder Boba“ verehrt worden sei. Den Namen „Grotte“ führt noch heute ein kleiner, ringsum mit einem ohngefähr 6 Ellen breiten Wassergraben umgebenen, westlich gelegener Hügel, und wird davon noch heute der ganze, nach dieser Seite hinaus liegende Theil des Dorfes „Grottensee“ genannt. Bei Einführung des Christenthums sei die Grotte zerstört und an ihre Stelle eine christliche Kapelle erbaut worden. Der Zahn der Zeit und die zunehmende Bevölkerung machte den Bau eines neuen Gotteshauses nöthig und wegen dieses Neubaues entstand der Name „Bobenneukirchen“.

Eine andere Ableitung des Namens Bobenneukirchen aus „Boom“, d. i. Baumneukirchen hat keinen Halt, da der hiesige Ort, wenn derselbe auch nicht zu den baumarmen gehört, durch grosse Baumzucht sich nicht auszeichnet.

Das hiesige Rittergut ist erst später entstanden als die Kirche und von den Besitzern der Herren von Posseck erbaut, von welcher es auf die Familie von Reitzenstein übergegangen ist, welche noch im 18. Jahrhundert im Besitze dieses Gutes waren; namentlich ist der Oberst Wolf Christoph von Reitzenstein auf Bobenneukirchen noch im Jahre 1722 hier Erb-, Lehn- und Gerichtsherr gewesen, welcher sich durch seine Mildthätigkeit um den Ort und die Kirche grosse Verdienste erworben hat.

Nach der Familie von Reitzenstein folgte die Familie Spiess im Besitze von Bobenneukirchen. Der königl. sächsische pensionirte Major vom Ingenieur-Corps, Herr Spiess, hat es zuletzt besessen, von welchem es ein gewisser Domsch und Hänsel erkaufte.

Der jetzige Besitzer ist Herr von Krüger in Dresden.

Die Gebäude des Gutes sind gerade nicht hervorragend, doch gewähren sie ein liebliches Bild ob der ganzen Lage.

Das Areal des Rittergutes, in 80 Ackern bestehend, ist sämmtlich an die hiesigen Einwohner verpachtet.

In Bobenneukirchen sind ausserdem zwei geistliche Stellen, ein Pastor und ein Diaconus und zwei Schulstellen. Ueber diese geistlichen Stellen steht nicht dem Besitzer des Rittergutes von Bobenneukirchen das Collaturrecht zu, sondern Patron und Collator dieser Stellen ist der Besitzer des Rittergutes Posseck. Ein Recht, dessen Ursprung man sich leicht erklären kann. Die Herren von Posseck, welche Kirche und Gut in Bobenneukirchen zuerst errichteten, haben natürlich das Recht für sich dann auch vorbehalten.

Das jetzige Kirchengebäude steht erst seit 1706–1707, indem die [158] alte Kirche, nebst Schule, geistlichen Gebäuden und andern 15 Häusern, am 6. November 1704 des Nachts völlig eingeäschert worden ist.

Das Feuer wurde von dem damaligen Amtsrichter Hänsel Degenkolb, vulgo Raizen Hansel, in der sogenannten „Gasse“ zu Bobenneukirchen wohnhaft, veranlasst, indem derselbe vom Amte Voigtsberg trunken nach Hause gekommen und in diesem Zustande mit einer Schleise in den Stall gegangen sein soll.

Degenkolb musste zum Wiederaufbau der Kirche als Strafe 195 Gulden 11 Groschen ans Kirchenärar bezahlen.

Der Thurm, welcher vor dem Brande auf der Morgenseite der Kirche stand, wurde nach dem Brande auf der Mittagsseite der Kirche angebaut, und zwar nur bis zum Glockenstuhle, und wurde erst im Jahre 1737 vollendet. Er ist 101/2 Elle weit, 105 Ellen hoch und hat zwei Glocken.

Das Pfarrhaus ist in gutem Zustande. Auf dem Pfarrhause befindet sich, ausser einem Stall und Schuppengebäude und Scheune noch die Pachterswohnung mit angebautem Stalle. Dieses Gebäude ist in früheren Zeiten als Brauerei benutzt worden, indem die früheren Pfarrer ihren Tischtrunk selbst zu brauen berechtigt waren. Die Diaconat-Wohnung ist zwar kleiner als die Pfarr-Wohnung, liegt aber sehr freundlich und hat unmittelbar vor den Fenstern nach Morgen ein Gemüsegärtchen, welches dem Inhaber desselben manchen Genuss gewährt.

An die Entstehung dieses Gärtchens knüpft sich folgende Sage:

Das Gärtchen war in frühester Zeit ein abschüssiger wüster Fleck. Ein Diaconus nun fasst den Entschluss, diesen Fleck in ein Gärtchen zu verwandeln, und wendet sich deshalb an die jungen Bursche des Dorfes, welche sogleich zusammentreten, die Arbeit mit vereinter Kraft beginnen und in kurzer Zeit den wüsten Fleck in Gartenland umschaffen.

Nach vollbrachtem Werke soll sie der Diaconus, um sich erkenntlich zu beweisen, mit einem Gerichte Rüben regalirt und ihnen überhaupt ein kleines Fest gegeben haben, und soll daraus die hier gebräuchliche Vor- oder Rübenkirmess, wie sie gewöhnlich genannt wird, entstanden sein. Diese sogenannte Kirmess wird hier acht Wochen vor der eigentlichen Kirchweih gefeiert.

Ausserdem existirt noch eine merkwürdige Sage: Es soll nämlich ein früherer Rittergutsbesitzer von Posseck in Bobenneukirchen selbst sich zum Pfarrer in Bobenneukirchen bestellt haben. Es ist dies aber wohl ein Irrthum. Vielleicht ist derselbe vor seiner Anstellung Besitzer von Posseck gewesen oder es nach seiner Anstellung erst geworden. Anders lässt sich die Sache nicht leicht erklären.

Bobenneukirchen hat beim Einfalle der Franzosen im Herbste 1806 viel gelitten durch Plünderung und Spanndienste, was auf den überdies nicht ganz wohlhabenden Ort lang anhaltend nachwirken musste. Uebrigens sind die hiesigen Einwohner sehr betriebsam und fleissig und auf der andern Seite genügsam und mit Wenigem zufrieden.

Hier in Bobenneukirchen giebt es für das Plauische Weisswaarengeschäft die besten und fleissigsten Stickerinnen, und der Klöppelsack ist dem Nährahmen allenthalben gewichen.

Ausserdem werden hier silberne und messingene Klappen zu musikalischen Blasinstrumenten gefertigt, wenn auch dieser Industriezweig in jüngster Zeit durch die jetzt so misslich gestalteten merkantilischen Verhältnisse Amerikas, wohin sehr bedeutender Instrumentenhandel von Markneukirchen aus getrieben ward, sehr verloren hat.

Ausser mehreren Webermeistern finden sich hier auch zwei Schmiede-, drei Fleischer-, drei Schuhmacher-, drei Schneider-, ein Tischler-, ein Bäcker-, ein Zimmer-, ein Böttcher- und ein Töpfermeister. Die übrigen Einwohner leben vom Landbau.

Im Dorfe selbst sind zwei Wirthshäuser und ein hiesiger Einwohner hat Concession zum Materialhandel erlangt.

An den Bobenneukirchner Bach, welcher durch das Dorf läuft (wie oben schon erwähnt worden), liegen drei Mahl- und eine Schneidemühle mit ausreichendem Wasser.

Der Ort selbst hat in jeder Beziehung das Ansehen eines kleinen Marktfleckens, das derselbe auch der Sage nach früher gewesen sein soll. Dafür spricht zum Theil, dass früher die gewöhnliche Landstrasse von Oelsnitz nach Hof durch hiesigen Ort sich zog und dass der letzre sonst drei Jahrmärkte hatte, den ersten am Dienstag vor Ostern, den zweiten vor Johanni und den dritten vor Martini. Der Sage nach soll der Ort seine Jahrmarktsgerechtigkeit dadurch verloren haben, weil an einem dieser Jahrmärkte unter zwei Schuhmachern zwischen ihren Ständen Streit entstanden sei und der Eine den Andern erschlagen habe.

Vor der neuen Gerichtsorganisation gehörte ein Theil von Bobenneukirchen unter das Voigtsberger Amt, ein anderer Theil unter Possecker, ein dritter Theil unter Pirker, und ein vierter Theil unter Drödaer Jurisdiction.

Jetzt gehört Bobenneukirchen mit seinen 158 Gebäuden und seinen 953 Bewohnern zum Gerichtsamte Oelsnitz und steht sonach unter dem Bezirksgericht zu Plauen, unter der Amtshauptmannschaft des letztern Ortes und unter der Kreisdirection von Zwickau.

Bei der Berechnung von 158 Gebäuden sind natürlich die ausserhalb des Dorfes gelegenen einzelnen Höfe und Häuser, als die sogenannte Zech, das Höfel, das Wiesenhaus, Einsiedel und der Pfaffenberg, das Weidig und der weisse Stein mit eingezählt.

Unerwähnt ist nicht zu lassen, dass um Bobenneukirchen herum auch Eisenstein gefunden wird.

M. G.     



[159]
Ottengrün


2 Meilen von Adorf, 3 Stunden westsüdwestlich von Oelsnitz, 21/2 Stunde von Hof, 3/4 Stunde von der bairischen Grenze am Bobenneukirchner Bach gelegen, gehört ebenfalls zu denjenigen Dörfern, welche erst nach Vertreibung und Unterjochung der Sorbenwenden entstanden sind.

Als die ersten und bekannten Besitzer des Gutes, welches nicht unbedeutend ist, sind die Herren von Sack zu nennen, deren Stammschloss unstreitig Sachsgrün war und die in der frühesten Zeit ziemlich den ganzen nordwestlichen Theil vom Voigtlande besassen. Nach ihnen folgte ein wichtiges, berühmtes und beliebtes Geschlecht, die Herren von Pöllnitz, welche oft in wichtigen Grenzregulirungsangelegenheiten als Zeugen gebraucht wurden und ebenfalls grosse Besitzungen hatten.

Nach ihnen gelangte im 16. Jahrhundert die Familie von Tettau in den Besitz von Ottengrün, welche nebenbei auch Planschwitz, Bösenbrunn, Dobeneck, Taltitz, Unterlosa, Oberlosa, Stöckigt, Mechelgrün u. s. w. besass. Durch Verheirathung mit dem von Bünauischen Geschlecht waren die von Tettau’s und die von Bünau’s die reichsten und angesehensten Edelleute des Voigtlaudes und hochgeehrt bei Fürsten und Volk.

Erst im 17. Jahrhundert und zwar zu Ende desselben war Erb-, Lehn- und Gerichtsherr von Ottengrün Andreas Merz, der Schwiegersohn des Pfarrers Johann Scherer zu Posseck. Dieser Andreas Merz war vorher, und zwar im Jahre 1683, zum Pfarrer in Bobenneukirchen bestätigt worden, starb aber im Jahre 1708 auf seinem Rittersitze zu Ottengrün, und liegt in der Kirche zu Bobenneukirchen unmittelbar vor dem Altare begraben.

Ihm folgten im Besitze von Ottengrün seine Erben, worauf das Gut an eine Wunderlichsche Familie kam.

Im Jahre 1806, beim Einfalle der Franzosen, wurde der Besitzer von Ottengrün, Wunderlich, von den Franzosen verfolgt und mit einem Bajonettstich am Arm gefährlich verwundet. Dessenungeachtet wurde Wunderlich wieder hergestellt und lebte noch mehrere Jahre.

Der derzeitige Besitzer von Ottengrün ist Herr Adam Rödel, ein sehr umsichtiger und praktischer Oeconom, der stets ein treuer Berather und gleichsam ein Vater seinen Gerichtsuntergebenen war.

Der nun verstorbene frühere Vicebürgermeister Groh war Gerichtsdirektor von Ottengrün, welcher seinem Patron in seinem wohlthätigen Wirken stets treu zur Seite stand. Nach des Vaters Tode verwaltete dessen Sohn, Herr Albin Groh, bis zur Abtretung der Gerichtsbarkeit an den Staat die Gerichte von Ottengrün, und es haben wenig Patrimonialgerichte existirt, wo ein so schönes Einvernehmen zwischen Gerichtsherrn, Gerichtsverwalter und Gerichtsuntergebenen herrschte, wie hier. Nur ein einziger Gerichtsuntergebener, welcher als streitsüchtiger Mann in der ganzen Umgegend bekannt war und aus Aerger und Habsucht und Gewissensbissen vor einigen Jahren verstorben ist, wagte es, Gerichtsherrn und Gerichtsverwalter von Zeit zu Zeit zu verdächtigen und zu verunglimpfen.

Ottengrüns Rittergutsgebäude sind alt, doch nicht mehr ganz die ursprünglichen. In der frühesten Zeit soll ein grösseres Schloss hier gestanden haben und im 30jährigen Kriege theilweise mit zerstört worden sein, worauf die Gebäude in ihrer jetzigen Gestalt hergestellt worden sind, [160] welche sich bis auf die neuesten Zeiten erhalten haben. Die Wirthschaftsgebäude sind in gutem Zustande.

Das Areal des Rittergutes umfasst insgesammt 300 Acker. Es wird hier vortreffliches Getreide erbaut und vorzüglich grosse Aufmerksamkeit ist auf die Viehzucht verwendet; auch Obst gedeiht hier und der Wiesewachs ist ein guter zu nennen.

Ottengrün wie Zettlarsgrün, Engelhardtsgrün und Dechengrün waren vor dem Jahre 1529 markgräflich-brandenburgisches Lehn, wurden aber nach einem Tauschvertrage vom Jahre 1529 zwischen Kurfürst Friedrich und Herzog Johann von Sachsen, dem Bruder des Kurfürsten, einerseits und den Markgrafen Casimir und Georg von Brandenburg andererseits an Sachsen abgetreten.

Ottengrün ist nach Bobenneukirchen eingepfarrt, woraus zu schliessen ist, dass erstrer Ort noch später entstanden ist, als Bobenneukirchen. Ja es muss auch Ottengrün durch die frühere Gerichtsherrschaften in Posseck mit erbaut worden sein oder die Herren von Posseck hatten Besitzungen auf Ottengrüner Grund und Boden. Denn zwei Bauergutsbesitzer von Ottengrün waren früher Possecker Gerichtsunterthanen und hatten dem Diaconate zu Bobenneukirchen, ausser der zehnten Garbe, nicht unbedeutenden Sackzehnten an Waizen, Korn, Gerste und Hafer zu entrichten; auch Spannfrohne zu leisten.

Diese Zehnten sind in neuerer Zeit abgelöst und die Frohnangelegenheit ebenfalls mit geordnet worden.

Die meisten Dotationen für die geistlichen Stellen rühren von Conrad von Reitzenstein auf Posseck her, der sich für Kirchenwesen sehr interessirte. Durch ihn wurde Posseck Pfarrkirche mit den eingepfarrten Dörfern Nentzschau und Gassenreuth, welche vorher nur eine Kapelle von Regnitz-Lossa war. Zur Abfindung des Pfarrers zu Regnitz-Lossa gab Conrad von Reitzenstein an die Kirche zu Regnitz-Lossa das Dorf Haag ab.

Ebenso trat er Grund und Boden ab zur Bebauung mit der Bestimmung, dass gewisse Zehnten an die geistlichen Stellen in Bobenneukirchen zu entrichten seien, und ähnliche Bestimmungen traf derselbe in Ottengrün rücksichtlich des Grundes und Bodens, der ihm hier gehörte.

Der Ort Ottengrün treibt hauptsächlich Ackerbau und Viehzucht; doch ist auch hier bei den ärmern Bewohnern das Sticken und Nähen nach Plauen zu Hause.

Nahe bei Ottengrün liegt Burkhardtsgrün, wovon ein Theil der Gerichtsbarkeit vom erstere Orte unterworfen war. Dieses Burkhardtsgrün ist früher öfter mit dem bei Schneeberg im Erzgebirge liegenden Burkhardtsgrün verwechselt und daher auch irrig behauptet worden, dass hier in Burkhardtsgrün (bei Ottengrün) Opale gefunden würden. Diese Opale werden nur in Burkhardtsgrün im Erzgebirge gefunden. Hier in Ottengrün und dem dabei liegenden Burkhardtsgrün giebt es nicht einmal andere nutzbare Steinarten.

Ottengrün hat 33 bewohnte Gebäude, Burkhardtsgrün 21. Ersterer Ort zählt 206 Bewohner und gehört mit Burkhardtsgrün zum Gerichtsamte Oelsnitz.

M. G.     




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