2 Meilen von Adorf, 3 Stunden westsüdwestlich von Oelsnitz, 21/2 Stunde von Hof, 3/4 Stunde von der bairischen Grenze am Bobenneukirchner Bach gelegen, gehört ebenfalls zu denjenigen Dörfern, welche erst nach Vertreibung und Unterjochung der Sorbenwenden entstanden sind.
Als die ersten und bekannten Besitzer des Gutes, welches nicht unbedeutend ist, sind die Herren von Sack zu nennen, deren Stammschloss unstreitig Sachsgrün war und die in der frühesten Zeit ziemlich den ganzen nordwestlichen Theil vom Voigtlande besassen. Nach ihnen folgte ein wichtiges, berühmtes und beliebtes Geschlecht, die Herren von Pöllnitz, welche oft in wichtigen Grenzregulirungsangelegenheiten als Zeugen gebraucht wurden und ebenfalls grosse Besitzungen hatten.
Nach ihnen gelangte im 16. Jahrhundert die Familie von Tettau in den Besitz von Ottengrün, welche nebenbei auch Planschwitz, Bösenbrunn, Dobeneck, Taltitz, Unterlosa, Oberlosa, Stöckigt, Mechelgrün u. s. w. besass. Durch Verheirathung mit dem von Bünauischen Geschlecht waren die von Tettau’s und die von Bünau’s die reichsten und angesehensten Edelleute des Voigtlaudes und hochgeehrt bei Fürsten und Volk.
Erst im 17. Jahrhundert und zwar zu Ende desselben war Erb-, Lehn- und Gerichtsherr von Ottengrün Andreas Merz, der Schwiegersohn des Pfarrers Johann Scherer zu Posseck. Dieser Andreas Merz war vorher, und zwar im Jahre 1683, zum Pfarrer in Bobenneukirchen bestätigt worden, starb aber im Jahre 1708 auf seinem Rittersitze zu Ottengrün, und liegt in der Kirche zu Bobenneukirchen unmittelbar vor dem Altare begraben.
Ihm folgten im Besitze von Ottengrün seine Erben, worauf das Gut an eine Wunderlichsche Familie kam.
Im Jahre 1806, beim Einfalle der Franzosen, wurde der Besitzer von Ottengrün, Wunderlich, von den Franzosen verfolgt und mit einem Bajonettstich am Arm gefährlich verwundet. Dessenungeachtet wurde Wunderlich wieder hergestellt und lebte noch mehrere Jahre.
Der derzeitige Besitzer von Ottengrün ist Herr Adam Rödel, ein sehr umsichtiger und praktischer Oeconom, der stets ein treuer Berather und gleichsam ein Vater seinen Gerichtsuntergebenen war.
Der nun verstorbene frühere Vicebürgermeister Groh war Gerichtsdirektor von Ottengrün, welcher seinem Patron in seinem wohlthätigen Wirken stets treu zur Seite stand. Nach des Vaters Tode verwaltete dessen Sohn, Herr Albin Groh, bis zur Abtretung der Gerichtsbarkeit an den Staat die Gerichte von Ottengrün, und es haben wenig Patrimonialgerichte existirt, wo ein so schönes Einvernehmen zwischen Gerichtsherrn, Gerichtsverwalter und Gerichtsuntergebenen herrschte, wie hier. Nur ein einziger Gerichtsuntergebener, welcher als streitsüchtiger Mann in der ganzen Umgegend bekannt war und aus Aerger und Habsucht und Gewissensbissen vor einigen Jahren verstorben ist, wagte es, Gerichtsherrn und Gerichtsverwalter von Zeit zu Zeit zu verdächtigen und zu verunglimpfen.
Ottengrüns Rittergutsgebäude sind alt, doch nicht mehr ganz die ursprünglichen. In der frühesten Zeit soll ein grösseres Schloss hier gestanden haben und im 30jährigen Kriege theilweise mit zerstört worden sein, worauf die Gebäude in ihrer jetzigen Gestalt hergestellt worden sind,
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen V. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1859, Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_V.djvu/241&oldid=- (Version vom 7.1.2017)