Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section/H22

Heft 21 des Erzgebirgischer Kreis Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen von Gustav Adolf Poenicke
Heft 22 der Section Erzgebirgischer Kreis
Heft 23 des Erzgebirgischer Kreis
Die Beschreibungen sind auch als Einzeltexte verfügbar unter:
  1. Börnichen
  2. Zschopau
  3. Planitz
  4. Klösterlein


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Börnichen


10 Minuten von Oederan, auf bedeutender Anhöhe über dieser Stadt, aber dennoch in einer seichten Vertiefung am Abhange des Börnicher Baches und am westlichen Gehänge der Börnicher Höhe gelegen, wo man im Vordergrund die Krone des Gebirges, das nur 1½ Stunde entfernte Schloss „Augustusburg“ erblickt.

Nach Nordwesten hin erreicht das Auge das Niederland und sogar die höhern Flächen von Leipzig, gegen Süden erhebt sich das Gebirge jenseits Augustusburg, welches sich nebst Schellenberg hier prachtvoll und malerisch erhebt, und zwar in theatralischer Entfernung empor bis zu seinen höchsten Spitzen, dem Keil- und Fichtelberge.

In unmittelbarer Nähe und einer kurzen Entfernung, wie sie oben schon angedeutet worden, liegt die Stadt Oederan.

Durch den Ort führt der Hainicher Fussweg welcher zur Belebung desselben viel beiträgt.

Das Dorf selbst erstreckt sich ziemlich lang in östlicher Richtung und das Schloss steht im nördlichen Abhange des Thals; hinter demselben zieht sich der französische und englische Garten. Dieses sehr weit sichtbare und in seinem kürzern Hauptflügel wahrhaft prächtige Schloss wurde in Jahre 1745 vollendet, hat 2 Etagen, in allen Flügeln 27 Fenster in der Breite und gilt als Zierde der hiesigen Umgegend.

Das Schloss selbst bildet mit einem Theile der Wirthschaftsgebäude einen sehr schönen geräumigen Hof in einem länglichen Vierek, und ist durchaus massiv von dicken Mauern erbaut, mit Schiefer- und Ziegel-Bedachung versehen. Das Innere desselben enthielt eine grosse Anzahl von comfortabel und luxuriös eingerichteten Zimmern.

Namentlich bemerkenswerth in diesem Schlosse ist die Bibliothek, mit einer grossen Anzahl französischer und italienischer Werke ausgestattet – eben so die schöne Sammlung verschiedenartiger älterer und neuerer Waffen und Gewehre – besonders aber der grosse Ahnensaal, welcher vom jetzigen Besitzer mit grosser Vorliebe restaurirt und mit alten Stiftungen, Fahnen und Waffen geschmückt und ergänzt worden ist.

Dieser Saal enthielt die grösstentheils höchst werthvollen und von berühmten Meistern (Cranach, Holbein u. s. w.) gemalten Bilder aller der Herren von Schönberg und deren Frauen, welche Börnichen und die herrliche Ahnenreihe bildeten, die bis in das 15. Jahrhundert zu rückreicht.

Damals besass das Rittergut Börnichen Kaspar von Schönberg auf Sachsenburg mit allem heutigen Zubehör, jedoch ohne das Beigut Hohenlinde, welches früher Oederans Stadtgut war.

Den Ursprung dieser berühmten Familie von Schönberg haben wir schon bei der Beschreibung vom Rittergute Rothschönberg hinlänglich erörtert, so dass wir füglich hier darüber hinweggehen können und nur so viel zu erwähnen haben, dass sich nach und nach dieses hochadelige Geschlecht in verschiedenen Linien, in die Sachsenburger (jetzt Börnicher), Wingendorfer und Pfaffenröder, in die Reinsberger, Rothschönberger, Stollberger (jetzt Lausitzer) die wieder in verschiedene Nebenlinien zerfielen, sich theilte.

Als gemeinsamer Stammvater von allen diesen Linien wird Caspar von Schönberg angenommen, nicht desshalb, weil er etwa der einzige von Schönberg gewesen, sondern weil von ihm an erst sich diese Linien und das jetzt in Sachsen und den angrenzenden Ländern blühende Geschlecht von ihm abstammt und von ihm an erst genaue Stammbäume, Lehnbriefe, Urkunden und Nachrichten ausgehen.

Caspar von Schönberg war geboren 1324 und starb 1389. Er besass Neusorge, Wilsdruf, Burschenstein,[VL 1] welches er 1336 von seinem Vater Ascanius in Lehn erhielt – Sachsenburg, Rothschönberg, und ausserdem Limbach und Frankenberg. Erst ein Urenkel von diesem Caspar von Schönberg, Hans von Schönberg, Vormund des Prinzen und Verweser von Sachsen, vermählt mit Anna von Hirschfeld aus dem Hause Otterwisch acquirirte Börnichen, von welchem es an Caspar III., dem Geheimen Rath und Landesverweser kam. Letzterer war mit einer Margaretha von Bünau aus dem Hause Weesenstein verheirathet. Aus dieser Ehe gingen 3 Söhne hervor, Hans, Wolf und Caspar, welche nach dem Tode des Vaters in Jahre 1496 in dessen Güter sich theilten, und zwar so, dass die jüngeren, Wolf und Caspar die Güter Sachsenburg, Neusorge, Frankenberg erhielten und so die Gründer dieser neuen Linie wurden, aus welcher, nachdem 1609 Neusorge, Frankenberg und Sachsenburg an den Kurfürst Johann Georg verkauft wurden, die Limbach, Mittelfrohnau, jetzt Pfaffröder Linie entstand. Der älteste Sohn Hans erhielt Oberschöna und Börnichen, erwarb sich Pulsnitz und war der Gründer der Schöna’schen oder wie sie seit Ende des 17. Jahrhunderts heisst, der Börnicher Linie, weil die Herren von Schönberg [170] früher auf dem kleineren Gute Oberschöna, dann erst zu Börnichen wohnten.

Hans war Ritter und Vorstand der Sächsischen Ritterschaft und mehrmals Abgeordneter auf Reichstagen. Derselbe ging im Jahre 1537 mit Tode ab. Sein ältester Sohn Wolf, Oberamtmann und General-Feldmarschall und Commandeur in der Schlacht bei Sievershausen 1554[VL 2] – bekam Pulsnitz und stiftete die Pulsnitzer und Französische Linie, welche in Frankreich bis Anfang des 17. Jahrhunderts glorreich florirte und sogar die Herzogs Würde erlangte. Der andere Sohn Moritz auf Börnichen und Oberschöna pflanzte diese Linie fort. Er war 1525 geboren und segnete das Zeitliche im Jahre 1610. Derselbe trat zum Protestantismus über, wie alle übrigen Glieder und Vettern der Herren von Schönberg, so dass seit dieser Zeit die ganze Familie protestantisch ist. Moritz erhielt durch besondere Gunst des Kurfürsten das Gut Auerswalde und acquirirte Wingendorf mit der Stadt Hainichen. Letztere hatte schon früher der Familie von Schönberg aus Neusorge angehört.

Des Moritz ältester Sohn gleichen Namens pflanzte die Auerswalder Linie fort, Börnichen hingegen bekam sein jüngster Sohn, Haubold, der jedoch 1632 als Ober-Steuer-Einnehmer und Amtshauptmann kinderlos starb.

Das Gut fiel nun seinen Neffen, Söhnen seines Bruders Nicol zu Wingendorf mit Hainichen, Nicol und Hans Georg zu. Nicol starb als Oberbergrath, Amtshauptmann und Steuer-Director 1659 zu Freiberg und Hans Georg erbte nun die Güter Börnichen, Oberschöna, Wingendorf und Hainichen ganz allein.

Als Offizier wohnte er der Zerstörung von Magdeburg bei. Durch Kauf erlangte er noch das Gut Wiesa bei Annaberg. Sein einziger Sohn war Adam Friedrich von Schönberg, der nach seinem Tode 1676 sämmtliche Güter in Besitz nahm und zu diesen 5 noch die Güter Naundorf, Linda, Wegefarth, und durch Heirath Meineweh, Schleinitz und Priesen erwarb. Er war Reichsgesandter, erster Bergrath und Ober-Steuer-Director, Präsident des Geheimen-Raths, Amtshauptmann und Oberkammerherr von Polen. Er war 1654 geboren und ist im Jahre 1707 in Börnichen verstorben. Seine Güter erbten seine 4 Söhne; Börnichen, Meineweh und Schleinitz bekam der 2. Sohn, Adam Friedrich, welcher noch das Gut Hohenlinde im Jahre 1715 erkaufte. Er baute an Stelle des alten Schlosses das jetzige im neuen Style angelegte Herrenhaus. Auch er war Geheim-Rath, dann Präsident der Ober-Rechnungskammer, Bergrath, Kammerherr und Ober-Steuer-Einnehmer. Er starb 1750 und Börnichen nebst Hohenlinde erhielt sein ältester Sohn, Heinrich Wilhelm von Schönberg, der Wingendorf und Hainichen von seinem Oheim dem Kammerherrn Friedrich August von Schönberg erbte. Meineweh und Schleinitz bekam sein Bruder, Carl August. Heinrich Wilhelm war Hof- und Justizrath und Kreishauptmann, dessen Sohn und Nachfolger im Besitze von Börnichen war, im Jahre 1763 der Kammerherr und Ober-Steuer-Director Friedrich Alexander, welcher Oberschöna wieder in Besitz bekam, es jedoch wieder verkaufte. Letztrer starb 1803. Der Hof zu Dresden schenkte ihm öfter die Ehre seines Besuches und der Prinzstatthalter Xaver sah hier nach Jahre langer Trennung seine Schwester Sophie wieder. Nach Friedrich Alexanders Tode bekam sein einziger Sohn Carl Friedrich Maximilian das Gut Börnichen.

Dieser widmete sich dem Militairstande, nahm an den Freiheitskriegen Theil und war bei der Errichtung der reitenden Banner thätig. Im Jahre 1815 ging er mit Missionen betraut nach London und Paris, wo er als Offizier im Gefolge dem Einzug mit beiwohnte. Nach Schluss des Friedens nahm er als Major seinen Abschied. Er war Johannitter-Ritter und Inhaber mehrer anderer Orden.

Ihm verdankt Börnichen hinsichtlich seiner Verschönerung viel.

Von ihm stammt der neue grosse Park. In seinem Wirken und seinem rastlosen Eifer für das Schöne und Gute ereilte ihm der Tod 1847 und während sein jüngster Sohn Max Wingendorf mit Hainichen erhielt, wurde seinem Sohne Udo bei seiner Mündigkeit im Jahre 1857 Börnichen mit Hohenlinde in Lehn gereicht, einem Mann, welcher durch Hochherzigkeit und Edelmuth schon in seinen Jünglingsjahren sich auszeichnet und den alten Ruhm seiner grossen Ahnen noch dereinst verherrlichen wird.

Das Rittergut Börnichen, dessen Fluren in den Flurbezirken der Stadt Oederan, und der Dörfer Börnichen, Schönerstädt und Memmendorf liegen, fasst ein Areal von circa 900 Acker an Feldern, Wiesen, Teichen und Waldung, einschliesslich eines Vorwerks in Memmendorf und des in nächster Nähe bei Oederan gelegenen Gutes Hohenlinde und ist mit 14,000 Steuereinheiten belegt. Ausserdem gehört eine in der Nähe befindliche Mühle zum Gute.

Die Oeconomie des Gutes befindet sich in einem vorzüglichen Zustande. Es werden gegenwärtig 12 Zugpferde, 82 Stück Rindvieh mit Einschluss von 25 Stück Zugochsen gehalten. Ausserdem ist noch ein ziemlich grosser Theil des Gutes in Einzelpacht vergeben. Die veredelte Schäferei zählt über 1100 Stück Schaafe.

Die Brauerei, erst neuerdings vergrössert und mit den neuesten Apparaten versehen, gehört mit zu den grösseren und besseren in Sachsen.

[171] Die grossen und massiven Oeconomiegebäude sind in vorzüglichem Zustande. Die Teiche, 14 an der Zahl, werden vorzugsweise zu Forellen und Karpfen benutzt.

Der Forst ist zum Theil noch mit schlagbaren Hölzern sehr gut bestanden. Ausserdem ist durch äusserst sorgfältige Culturen ein bedeutender und werthvoller Bestand für die Zukunft gesichert.

Auch ein bedeutendes Torflager, zum Gute gehörig, ist nicht unerwähnt zu lassen.

Der jetzige Besitzer hat eine ziemlich umfangreiche Waldstrecke geschlagen, das sogenannte Trauerholz bei Schönerstadt und dieselbe zur Anlegung eines Vorwerks als Feld verpachtet.

Das Schloss zu Börnichen ist von Linden- und Kastanien-Alleen und von einem herrlichen 18 Acker grossen, im englischen und französischen Geschmack angelegten und mit Eremitagen, Pavillons, Statuen, Wasserfällen und Fontainen geschmücktem Parke umgeben, von dessen westlichem Ende an sich ein offener Pavillon befindet, wo man eine entzückende Fernsicht über die ganze Gegend und besonders nach Augustusburg hin geniesst. Ausserdem[WS 1] gehören zum Schlosse noch 3 grosse Gemüse- und Küchengärten, ein grosses Gewächshaus und Treibhaus. Auch der sogenannte kleine Erlsberg bildet eine anmuthige Parkanlage mit einem römischen Hause.

Vor der Abtretung der Gerichtsbarkeit an den Staat stand dem altschriftsässigen Mannlehngute Börnichen die obere und niedere Gerichtsbarkeit in unbeschränkter Maasse über die Dörfer Börnichen, Hohenlinde, Schönerstadt, Hartha und Memmendorf zu. Ueber die dasige Schulstelle, sowie über die zu Memmendorf und Schönerstadt steht der Gerichtsherrschaft das Collaturrecht jetzt noch zu, wogegen Börnichen, das Gut und das Dorf nach Oederan eingepfarrt sind, wo selbst ersteres 3 grosse Kapellen und eine Erbgruft besitzt. Doch ist das eigentliche Erbbegräbniss, welches sie mit der Wingendorfer Herrschaft gemein hat, in der Kirche zu Frankenstein.

Die Schule zu Börnichen wird von 80 Kindern besucht und für 7 arme Kinder in Schönerstadt wird von dem Rittergute Börnichen in Bezug auf eine alte von Schönberg’sche Stiftung das jährliche Schulgeld bezahlt.

Durch derartige viele andere milde Stiftungen hat sich die von Schönberg’sche Familie überhaupt in hiesiger Gegend einen unsterblichen Namen gesichert, und nie wird der von diesem edlen Geschlechte ausgestreute gute Samen aufhören seine reichen Früchte zu tragen.

Durch das nahe Oederan erhielt die hiesige Gegend viel Nahrung. Börnichen wie das benachbarte Schönerstadt werden durch Fabrikarbeiten von Oederan reichlich beschäftigt.

Die im Dorf Börnichen befindliche Schankwirthschaft wird vom dasigen Erbgericht ausgeübt und häufig von der Stadt Oederan besucht.

Börnichen mit Hohenlinde hat 46 bewohnte Gebäude, worunter 8 Hüfner sich befinden; im Ganzen zählt es 351 Einwohner, welche jetzt unter das Gerichtsamt Oederan gehören.

In der Nähe von Börnichen deuten alte Pingen auf früher verbreitet gewesenen Berg- und Kalksteinbau.

M. G.     




Zschopau


mit seinem alten Schlosse, die wilde Ecke, Wildeck, jedenfalls von der Unsicherheit so genannt, liegt auf einem nicht allzu hohen Felsen gegen Mittag und gewährt einen nicht uninteressanten Anblick. Früher war es mit dem Wolkensteiner Thore durch eine Mauer verbunden, wovon noch Spuren vorhanden sind. Im Laufe der Zeit hat dieses Schloss viele Veränderungen erlitten und ist jetzt ein Gemisch des alten und neueren Styls. Man erblickt an der äusseren nach der Zschopau zu gelegenen Seite nicht mehr die 3 kleinen Thürmchen, welche noch 1545 gestanden haben sollen. In diesem Jahre nämlich liess Kurfürst Moritz das Schloss[WS 2] repariren.

Im Hofe steht noch ein Zeuge alter Bauart, ein runder dicker Thurm, der vormals höher gewesen und dazu gedient haben soll, um von ihm aus die Ueberfahrt über den Fluss zu decken und mit dem nahe gelegenen Scharfensteiner Schlosse zu correspondiren.

[172] Der Erbauer dieses altmerkwürdigen Schlosses ist leider nicht zu ermitteln. Wahrscheinlich rührt seine erste Entstehung nach Vertreibung der alten Sorbenwenden her. Denn dass Heinrich der Städteerbauer auch dieses Schloss angelegt habe, ist blosse Vermuthung.

Es war Anfangs der Sitz einer Herrschaft, welche später mit der Grafschaft Wolkenstein combinirt wurde, und also den Herren von Waldenberg, dann denen von Motzen (d. i. Motzin, Mutzschon) zuletzt wieder denen von Waldenberg (d. i. Waldenburg) gehörte. Im Jahre 1480 kam diese Herrschaft an die Landesherrschaft, und wurde später zum Augustusburger Amte gezogen.

Das Schloss wurde später der Sitz eines Amtes und einer Forstmeisterei; längere Zeit wurde es auch als Jagdschloss benutzt. Bis 1560 hiessen die hiesigen Beamten nur Jägermeister. Das Jagdschloss steht auf dem letzten Vorsprung des Stadtberges, wo es gegen die Zschopau ganz steil abfällt und die Mauern sind zum Theil in Felsen gehauen. Mit der Stadt sind die Gebäude durch eine Allee verbunden, aber auch durch einen Graben früher davon getrennt gewesen. Das Schloss beruht, ausser einigen Nebengebäuden, einem langen, 2mal gebrochenen, 3 Etagen hohen, mit vielen Dach-Erkern und einem Thürmchen gezierten Flügel, und ausserdem als Rest der uralten Burg Czopowe einen sehr weiten, gegen 45 Ellen hohen, runden Thurm, dessen Dach später aufgesetzt ist, und welcher ungemein dicke Mauern hat.

Wahrscheinlich ist es dieser Thurm, in welchen der arretirte Bischof von Posen am 12. Novbr. 1104 als Gefangener geschafft wurde. Das Schloss erhielt schon 1180 eine Reparatur, seine spätere Gestalt aber 1545. Die Oberforstmeisterei wurde Ende des 18. Jahrhunderts nach Oberreinsberg verlegt und nur bis 1485 war ein Amt im Schlosse. Seit dem 29. Decbr. 1819 ist zur Ausübung der Gerichtsbarkeit wieder ein Königl. Justitiar eingesetzt gewesen‚ welcher mit Umänderung der Gerichts-Verfassung zu einem Gerichtamtmann erhoben wurde.

An der Westseite des Letzteren, von hohen Mauern umgeben, befindet sich der ehemalige Thier- oder Bärengarten, weshalb dieser Garten noch heutigen Tages der Bärengarten genannt wird.

Die Stadt Zschopau, – auch Zobau, Scopau, wohl auch Zschobe, Czsachpe, Czschachpe, auch die Schop oder die Zsöp genannt, welcher Name von Zzop, der Stöpsel, abgeleitet wird, weil die Stadt gleichsam das Zschopauthal verstöpselt – ist Sorben’schen Ursprungs und liegt in einer ungemein interessanten Gegend 10 Meilen von Leipzig, 8 Meilen von Dresden, 3½ Stunde südöstlich von Chemnitz, 2 Stunden südlich von Augustusburg – an der früheren Hauptstrasse von Leipzig über Commotau nach Prag.

Auf dem symmetrischen Marktplatze stehen ausser 2 Privathäusern, auch das Commun-Brauhaus und das gethürmte Rathhaus mit dem Rechte des Bier- und Weinschankes. Ausserdem befindet sich am Markte der Gasthof zum weissen Rosse, die Postexpedition und das Edelhaus. Letzteres ist ein Privathaus, welches der Landjägermeister Cornel von Rüxleben 1565 als Besitzer des nahe gelegenen Ritterguts Crumhermersdorf statt eines dortigen Schlosses bauete, und nach Art eines Schlosses anlegen liess. Es gehört zu den schönsten Gebäuden der Stadt.

Dieser Herr von Rüxleben ist später durch einen Forstbedienten verläumdet worden, als habe er den Kurfürsten gelästert, und dadurch in Ungnade gefallen, welche ein trauriges Ende für ihn herbeigeführt haben soll.

Dieser von Rüxleben legte auch 1569 eine Brücke über die Zschopau auf eigene Kosten an, die aber Kurfürst August, ohne dessen Vorbewusst der Bau erfolgt war, 1578 wieder abreissen und weiter hinunterlegen liess. Diese Brücke, welche von Holz und bedeckt war, wurde 1740 gänzlich weggerissen und hernachmals wieder hergestellt.

Die jetzige Brücke stammt vom Jahre 1811 und ist schön und zweckmässig gebaut. Sie ist durchaus von Bruchsteinen in 2 hohen Bogen mit sehr hoch anlaufenden Rampen gebaut und mit eisernem Geländer versehen. Auf den halben Rondeln über dem Mittelpfeiler findet man steinerne Bänke angebracht. Die Aussicht von dieser Brücke ist eine prächtige.

Die eigentliche Brücke ist zwar nur 70 Ellen lang, die weiten Rampen aber erweitern diese Länge auf mehr als 150 Ellen.

Unter die wichtigeren Erwerbsquellen der Stadt gehört noch immer die Brauerei, obschon es gegen früher kein Verhältniss mehr sein soll.

Zu des Kurfürsten August’s Zeiten‚ welcher das hiesige Bier als einen „köstlichen Labetrunk“ sogar an den Kopenhagener Hof schickte, und es zum Tafelbier am Dresdner Hofe machte, wo es sich bis 1732 erhalten hat, brauchte man jährlich 5 bis 6000 Scheffel Malz.

Ein Erwerbszweig, welcher ungefähr mit dem 18. Jahrhundert zugleich erstarb, der aber leicht wieder emporblühen könnte, war das Stricken der wollenen Strümpfe für die Armee insbesondere. Friedrich August I. nämlich verlieh den hiesigen Tuchmachern, als diese die Forderung erfüllten, welche die Baretmacher im Lande nicht vollziehen konnten, nämlich binnen 2 Monaten für die ganze Armee wollene Strümpfe zu liefern, das Recht dergleichen Strümpfe zu stricken und überall auf Märkten feil zu halten – ein Recht, auf welches später die Tuchmacher [173] der ungemein schnell steigenden Wollpreise und der Concurrenz mit Delitzsch wegen freiwillig verzichteten; nur für einzelne Regimenter wurden auch noch in unserm Jahrhundert die Strümpfe geliefert.

Die Oeconomie ist ebenfalls bezüglich der vortrefflichen Wiesen nicht unbedeutend, wichtiger aber ist der Handel mit theils hier gefertigten Fabrikaten, theils mit Getreide, theils mit Flachs und Leinewand, wofür auch 2 Märkte bestehen.

Der Jahrmärkte dagegen sind 3, nämlich Montag nach Reminiscere, nach Maria Heimsuchung und nach Martini.

Am stärksten ist indessen der Erwerb durch Fabrikarbeit.

Früher stand die Tuchmacherei obenan, jetzt ist solche in Folge des Wachsthums und Emporblühens des Chemnitzer Fabrikwesens, in den Hintergrund getreten. An der Zschopau befinden sich Baumwollspinnereien, Cattundruckereien und Bleichen, welche das rege Leben, die Betriebsamkeit der Sächsischen Industrie bethätigen.

Noch ist hier die Töpferei zu nennen, indem besonders die Zschopauer glasirten Kochöfen durch das halbe Erzgebirge gesucht sind und andern derartigen Sorten nichts nachgeben.

Wenden wir uns nun zu Zschopau’s Kirchen, deren zwei hier sind, eine Stadt- und eine Begräbniss-Kirche.

Jene, dem heil. Martin geweiht, liegt am Abhange des sogenannten Pförtchen, vulgo Pförtelberges, und nimmt sich besonders von Westen vortrefflich aus. Sie ist zuerst im Jahre 1494 erbaut und im 30jährigen Kriege abgebrannt. Nach ihrer Wiederaufbauung wurde sie im Jahre 1748 zum zweiten Male von den Flammen eingeäschert. Die jetzige Kirche rührt vom Jahre 1751 her; sie ist einfach, hell und freundlich. Der Altar dieser Kirche stellt den Garten Gethsemane auf der Rückwand plastisch dar: Jesus betend im Vordergrund und ein schwebender Engel hält ihm ein Kreuz entgegen; im Hintergrunde sieht man die Zinnen Jerusalems und die schlafenden Jünger. An dieser Kirche fungiren zwei Geistliche, ein Pfarrer und ein Diakonus, welche beide vom Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts bestimmt werden.

Die zweite Kirche ist die Gottesacker-Kirche. Sie ist 1812, da der neue Brückenbau einen grösseren Raum verlangte, ganz neu, aber nicht in ihrer vorigen Grösse erbaut worden. Früher hatte sie unter dem Namen St. Beatae Virginis Mariae einen eigenen Gottesdienst, zu dessen Besorgung der Rath jedesmal die Geistlichen zu wählen hatte. Sowohl dieser Gottesdienst, als auch das Patronatrecht über diese Kirche ist seit der Reformation weggefallen.

Zu diesem Stifte gehörte das hiesige Vorwerk, wie auch Wiesen und Aecker über dem Wasser. Alles ist jetzt Eigenthum der Commun; daneben befindet sich ein Armenhaus und herum liegt der schöne Gottesacker.

Zum Kirchsprengel von Zschopau werden Witzschdorf, Gornau, Schlösschen Porschendorf, Altenhammer Zschopenthal gezählt.

An der Schule in Zschopau unterrichten 7 Lehrer, an deren Spitze ein Rector steht.

Jeder Reisende, welcher Zschopau besucht, mag nach Besichtigung der Stadt nicht unterlassen die sogenannte Bodemer’sche Kanzel auf den hohen und sogar steilen Ufern der Zschopau, zu besuchen, um von hier aus die liebliche Gegend gehörig würdigen zu können.

Wer sich aber in einer weiter reichenden Fernsicht ergötzen will, der gehe weiter und besteige die Scharfensteiner Kanzel, ein im Wald versteckter, auf steilem Ufer der Zschopau gelegener Vorsprung und er wird von hier aus die Fichtelberge erblicken können.

Zschopau hat, wie schon erwähnt, seit der neuen Gerichtsorganisation sein eigenes Gerichtsamt, zu welchem der Ort mit seinen 573 bewohnten Gebäuden und 7045 Einwohnern, und ausserdem noch 8 Landgemeinden gehören.

M. G.     




Planitz


in Urkunden Plawnitz, Plownitz genannt, eine Stunde südlich von Zwickau, und, sofern vom Schlosse die Rede ist, auf einer links von der Mulde sich erhebenden nach Süden und Westen ziemlich steil abfallenden Anhöhe gelegen. Das Dorf, welches sich zum Theil in dem [174] Grunde hinabzieht, aber südlich, westlich und fast nördlich am Fusse dieser Anhöhe sich ausdehnt, zum Theil auch südlicher hinauf sich erstreckt, ist sehr alt und das schriftsässige Rittergut das Stammgut der Herren von Planitz. Aus dieser alten Familie gingen ein Meissner Bischof, Rudolph von Planitz, und einige andere berühmte Männer hervor. Einer des Stammes, Hans von Planitz, Amtshauptmann zu Grimma und Besitzer dieses Gutes, wurde nebst der ganzen Familie im Jahre 1522 vom Kaiser Karl V. mit dem Titel: „Edler“ begnadigt. Von der Familie Planitz kam das Gut an die Familie von Beust.

Im Jahre 1617 besass es Christoph von Reiboldt und schon im Jahre 1618 kam es an Rudolph Vitzthum von Apolda, der es im nämlichen Jahre an den Rath zu Zwickau verkaufte. Dann wurde es im Jahre 1623 dem Kurfürst von Sachsen käuflich überlassen, von welchem es 1662 George Ernst von Schönburgk als Unterpfand erhielt und dasselbe Verhältniss fand bezüglich des Grafen Heinrich von Promnitz statt, dem es 1667 pfandweise überlassen wurde; dann kam es 1626(?) wieder an den Kurfürsten.

Im Jahre 1689 vertauschte es die Regierung gegen das Rittergut von Pretzsch, nebst Neusorge und Walda an die Familie von Arnim. Die jetzige Besitzerin ist die Frau Gemahlin des Herrn George Heinrich Wolf von Arnim, eine geb. von Lippe, welche solches von ihrem Herrn Gemahl nach dessen Tode übernommen hat.

Das Schloss ist gross, massiv gebaut. Es liegt auf einem Berge, der von Süden und Westen sich steil erhebt und eine angenehme Aussicht von fast allen Seiten darbietet; nordöstlich von demselben liegt der herrschaftliche Garten, der mit schönen Baumanlagen, einem herrlichen Gewächshause und einen prächtigen Pavillon, aus welchem das Auge die ganze schöne Muldenau überschauen kann, versehen ist.

Zu dem Rittergute gehören 30 Hufen dreiartiges Feld, eine im Grunde südlich vom Schlosse gelegene schöne Schäferei, mehrere Teiche und eine noch südlicher gelegene ansehnliche Kalkbrennerei, eine Ziegelscheune und beträchtliche Waldungen.

Der Ort selbst zerfällt in 2 Gemeinden in Ober- und Nieder-Planitz und ist berühmt weit im Auslande und im Inlande durch seine Steinkohlenlager, die stets ausschliesslich dem Rittergute gehörten. Südlich und südöstlich von der Stadt Zwickau nicht eine volle Stunde davon, auf den Fluren der Dörfer Planitz, Bockwa, Oberhohndorf, auch Reinsdorf dehnen sich auf beiden Seiten der von Süden gegen Norden strömenden Mulde, die sogenannten Kohlenberge oder Steinkohlenflötze, von der westlichsten Flur von Planitz bis auf das Reinsdorfer Gebiet gegen Morgen und streichen von Mitternacht nach Süden; oder vielmehr, sie fangen hinter dem Schlosse zu Planitz an, gehen von da, südöstlich unter der Mulde in einer Breite von ungefähr 2 Stunden bis in die Gegend von Reinsdorf, streichen auch in gedachter Richtung nördlich, fallen aber gegen Abend dergestalt ab, als ob sie abgeschnitten wären. Welche Ausdehnung nach allen Richtungen hiesiger Gegend hin die Bohrversuche erlitten haben, welche Actienunternehmungen gegründet und zu Stande gekommen sind, ist eine zu bekannte Sache, als dass wir hier nöthig hätten, uns weitläufiger darüber zu verbreiten.

Die Sage setzt das Auffinden der Kohlenwerke bis ins 10. Jahrhundert zurück; doch gewissere Nachrichten reichen blos bis zu dem 15. Die Planitzer Werke waren aber früher im Gange als die Bockwaer. Heinrich von Beust auf Planitz entdeckte aber zuerst das tiefer liegende Flötz, welches aber so in Wasser stand, dass man es nur mit grosser Mühe und grossen Kosten gewinnen konnte.

Merkwürdig ist aber hier bei Planitz der unterirdische Brand dieser Kohle.

Die Entstehung dieses unterirdischen Feuers wird verschieden angegeben: man lässt es bald durch Verwahrlosung und Frevel, bald durch einen Blitz entstehen. Wahrscheinlich entstand es durch Selbstentzündung.

In der Gegend der Kohle befinden sich nämlich nicht nur Kalk- und Alaunsteine, sondern die Kohlen selbst enthalten viel Erdreich, Schwefel und Vitriol, welche sich, wie man weiss, leicht chemisch entzünden. Wird nun das Gebirge durch Senkung der Schächte, durch Stolle, Durchschläge und Strecken durchbrochen, so bekommt die äussere Luft Kommunication mit der unterirdischen und die Einwirkung der oberen Gewässer auf die unterirdische Kälte, oder der umgekehrte Fall, das bei dem Ausbaue nöthige Holz, das beim Arbeiten entstehende klare Gestiebe, alles dieses sind Ursachen zur Selbstentzündung des Kohlengebirges: Schwefelkies z. B., der hier so häufig ist, geräth blos durch etwas Wasser in Hitze und sobald äussere Luft dazu kommt, auch in Flamme.

Die stärksten Ausbrüche entstanden in den Jahren 1700, 1751, 1758, 1766 und auch späterhin. Und so ist das Feuer bis heutigen Tages nicht gedämpft.

Das sicherste Mittel ist bisher das Verdünnen oder Benehmen der Luft geblieben. Der zuletzt verstorbene Kammerherr von Arnim auf Planitz liess durch den Bergmeister Tittel viele kostspielige Versuche zur Dämpfung des Feuers machen, aber ohne Erfolg.

Die Hauptbestandtheile der hiesigen Steinkohlen sind Erdpech und Schwefel und die Güte derselben besteht darin, dass sie hart und fast [175] ohne Zusatz von erdigen Theilen sind, einen schönen Glanz haben und im Feuer nicht springen.

Der Natur der Sache nach giebt es eigentlich nur 2 Hauptarten von Steinkohlen diese sind die Pechkohle und die Russkohle. Die Pechkohle glänzt wie Pech, ist sehr hart, enthält viel Schwefel und färbt beim Angreifen nicht ab, der Russkohle gebricht des Glanzes, sie färbt ab, enthält des Schwefels weniger, hat aber viel Consistenz und ist sehr tauglich zur Ofenfeuerung, weil er weniger riechend ist und lange nachhält.

Auf der Oberfläche des unterirdischen Brandes ist ein schöner prächtiger Garten vom früheren Besitzer des Rittergutes angelegt, worauf die herrlichsten Südfrüchte erzeugt werden und Planitz, dieses Gartens wegen, ist die Veranlassung zu häufigen Besuch von Fremden.

Der Besitzer von Planitz ist auch Collator über dasige Kirche und Schule.

Erstere wurde im Jahre 1585 vom damaligen Besitzer des Rittergutes, Joachim von Beust vom Grunde aus neu erbaut und im Jahre 1588 feierlich eingeweiht.

Das Innere derselben ist geräumig und lichtvoll. In ihr befinden sich unter andern Gemälden die Bildnisse Luthers und Melanchtons von Lucas Cranach.

Vor dem Altar liegt der letzte der Baland Brüder begraben, die in diesem Orte jährlich eine viermalige Zusammenkunft hatten. Sein Grab deckt ein Stein, in dem ein Kelch eingelegt ist und eine messingene Tafel mit der Inschrift:

Dnus Leonardus Hörnelae, hujus ecclesiae Plebanus hic sepultus obiit in die Jordiani et Epimachi 1490.

Die Kirche erhielt von dem hiesigen herrschaftlichen Kohlenbergwerke alljährlich von jeder Ladung d. i. von 666 Karren Kohlen 12 Karren und besitzt ausserdem ein Vermögen von 7000 Thlrn.

Eingepfarrt sind Cainsdorf und Neudörfel, der beliebte Vergnügungsort für die Zwickauer Bewohner.

Zu Planitz wurde im Jahre 1675 Jacob Leupold geboren, welcher als kurfürstlicher Rath und Bergwerksmeister in Leipzig lebte und da im Jahre 1727 starb.

Er war ein guter Mechanikus und Mathematiker, fertigte brauchbare Instrumente, besonders Luftpumpen, auch die Leipziger grosse Heuwaage und schrieb viel über seine Wissenschaft. Sein Hauptwerk ist das noch bekannte Theatrum machinarum in 9 Theilen.

Zum früheren Jurisdictionsbezirk von Planitz gehörten Ober- und Nieder-Cainsdorf, nebst der Mühle an der Mulde, Voigtsgrün, Wilkau mit einem Hammer und einer Mühle, und ein Theil von Rottmannsdorf.

Jetzt ist Planitz mit seinen 2 Gemeinden in 252 bewohnten Gebäuden und mit den darinnen befindlichen 3060 Bewohnern dem Gerichtsamt Zwickau zugewiesen und steht also auch unter den höhern Behörden dieser Stadt.

M. G.     




Klösterlein


das Rittergut steht an der Stelle des säcularisirten Augustinerklosters Neuzelle und ist aus dessen wichtigsten liegenden Gründen gebildet, woher auch sein Name rührt.

Dieses Kloster Neuzelle stifteten die Markgrafen Otto der Reiche und sein Bruder Dedo der Fette, gewöhnlich Graf von Rochlitz, besser wohl Markgraf der Lausitz genannt.

Sie machten es zu einem Filiale des Mauritius-Klosters von Naumburg und dotirten es mit 60 Hufen Landes, welche jedoch fast insgesammt den Klosterleuten gehörten d. i. den Leuten, welche das Dorf Zelle anlegten, einigen Bewohnern von Aue und einigen Bauern in Zschoken, nämlich denjenigen, welche später unter Wildenfels standen. Das Kloster selbst gehörte unter des Naumburger Bischofs geistliche Gerichtsbarkeit.

Schirmvoigte desselben waren in der letzten Zeit die Herren von Wildenfels, sofern sie wegen zugekaufter Stücke Vasallen der Grafschaft Hartenstein waren; daher kommt es, dass die Zschokauer Klosterleute zur Herrschaft Wildenfels kamen und dass das Dorf Zelle jährlich 12 Hühner, ½ Schock Käse und ½ Sippmaas Mohn nach Wildenfels entrichten musste. [176] Neuzelle wurde das Kloster von Otto genannt, zum Unterschiede von dem 10 Jahre früher bei Nossen errichteten Zelle (Altenzelle) und es ist wohl nicht richtig, wenn man, wie es häufig geschehen ist, den Namen Altenzelle dem Kloster Neuenzelle in der Niederlausitz entgegengesetzt glaubt, da dieses erst später als unser Neuenzelle gestiftet wurde.

Unser Neuenzelle wurde auch Kloster Aue genannt, weil das hiesige Thal schon längst den Namen der Aue geführt hatte. Da das Kloster einen Propsteihof am linken Ufer des Schwarzwassers hatte, so bildete sich hier durch starken Anbau von Klosterbauten, das nachherige Städtchen Aue. Durch Missverstand haben hernach Viele nach dieser Stadt selbst ein Kloster oder ein niederes Stift gesetzt wissen wollen.

im Jahre 1429 wurde das Kloster von den Hussiten fast gänzlich zerstört und nach dessen Säcularisirung 1533 in ein Rittergut verwandelt, mit welchem wir Anton Kelner zuerst beliehen finden. Nach ihm kam es an Hans Biener, welcher zugleich mit dem Kohlenbergbau in der Planitzer Gegend belehnt und erster Münzmeister in Dresden war. Zu Anfang des 17. Jahrhunderts war Besitzer des Rittergutes Herr Eleazar Schleher von Nimke, dann scheint es an die Herren von Schönburg-Hartenstein gekommen zu sein. Denn Herr Otto Ludwig von Schönburg-Hartenstein trat die Obergerichte über Klösterlein und Zelle am 4. August 1681 an Hans Heinrich von Wolfersdorf ab. Von der Familie von Wolfersdorf kam das Gut im 18. Jahrhundert an das Geschlecht derer von Brandenstein, von welcher es im Jahre 1848 Carl Gotthelf Mehnert acquirirte.

Das Rittergut ist mittlerer Stärke, hat aber ausgezeichnet schöne seit dem Jahre 1816 neuaufgeführte, mit Blitzableitern versehene Gebäude, welche vom Auischen Berge herab eine herrliche Ansicht gewähren. Das grosse, zierliche Herrenhaus trägt ein Thürmchen mit einer Schlaguhr. Das Gut hat Schäferei, Fischerei im Fluss und in mehreren kleinen Teichen. Mit dem Rittergute Klösterlein hängt das ½ Stunde lang sich ausdehnende Dorf Zelle zusammen, wozu man auch den mitten im Klösterlein gelegenen Zellerhammer rechnet. Dieses Zelle, welches mit seinen 68 Häusern und 600 Einwohnern am rechten Ufer theils des Schwarzwassers theils der mit diesem vereinigten Mulde liegt und vom Blaufarbenwerke zu Niederpfannenstiel bis zum Rittergute Klösterlein sich ausdehnt, zeichnet sich dadurch vorzüglich aus, dass das weibliche Geschlecht dieses Dorfes fast durchgängig schön zu nennen ist.

Unter dem Zellerhammer steht die kleine Kirche von Klösterlein, ehemals eine Pfarrkirche, in welche ganz Schlema gepfarrt war, seit der Reformation ein Filial von Schlema.

In dieser Kirche liegen die vielen Propste des Klosters von 1173 bis 1533 begraben.

Die Kirche ist mit einem schönen Altargemälde, das Abendmahl Jesu darstellend, sowie mit mehreren an beiden Seiten der über dem Altar sich erhebenden und aus Holz künstlich geschnitzten Kanzel befindlichen Oelgemälden, welche Scenen aus der Leidensgeschichte Jesu darstellen, versehen.

Es wird hier im Sommer an jedem Sonn- und Festtage abwechselnd ein Mal Vor- das andere Mal Nachmittags; im Winter aber nur alle 14 Tage Vormittags Gottesdienst gehalten. An den Sonntagen, wo kein Gottesdienst Stadt findet, wird von dem Schullehrer in der Schulstube zu Zelle eine Betstunde Vormittags mit Vorlesung einer Predigt gehalten.

Zur Erhaltung des Gebäudes ist von dem vorigen Besitzer Herrn Karl Erdmann von Brandenstein ein Kapital von 600 Thlr. legirt.

Bei dieser Kirche findet man auch bisweilen alte Münzen, von den theils nach Zelle theils nach Grünheim[VL 3] Wallfahrenden herrührend.

Die Schule der Filialgemeinde ist in Zelle ziemlich in der Mitte des Dorfes gelegen und wird von 130 Kindern besucht. Sie besitzt ebenfals ein Legat von 1800 Thlrn., welches von demselben von Brandenstein herrührt, welcher das Legat der Kirche vermacht hat.

Ausserdem besitzt diese Schule auch noch eine kleine Schulbibliothek, welche vom Privatgelehrten Heinze aus Leipzig stammt.

Klösterlein ist eine Stunde von Schneeberg, von Schwarzenberg und Grünhain 2½ Stunde, von Lössnitz ¾ Stunde entfernt.

Die Einwohner von Klösterlein mit Zelle treiben theils Ackerbau, indem auf letztern Orte sich 12 Bauergüter befinden, theils gehen sie auf Tagearbeit ins Rittergut Klösterlein, nach Lössnitz, Aue, theils verdienen sie in den Fabriken zu Aue und Auehammer ihr Brod, theils sind sie Blaufarbenarbeiter, die zum Blaufarbenwerke Niederpfannenstiel gehören; auch giebt es mehrere Handwerker in Zelle.

In der Mühle vor Zelle wird vorzüglich gemahlen und Oel bereitet, während die Mühle zu Klösterlein vorzüglich Schneidmühle ist. Die Weiber und Mädchen arbeiten zum Theil in den Fabriken, zum Theil klöppeln und sticken sie.

Klösterlein mit Zelle hat 75 bewohnte Gebäude mit 664 Einwohnern, und gehören beide Orte zum Gerichtsamte Schneeberg.
M. G.     



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Anmerkungen der Vorlage

  1. handschriftliche Korrektur: Purschenstein
  2. handschriftliche Korrektur: 1553
  3. handschriftliche Korrektur: Grünhain

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Ausserden
  2. Vorlage: Schlos
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